Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Freitag, 3. Oktober 2008

Über Gewissen

Immerhin, zwei von dreien haben sich gemeldet und haben "Herzweh" bekundet. Die es sind, werden wissen, wer gemeint ist ;-) ."Herzweh" ist ein gutes Wort für das, was die Deutschen vielleicht einfach nur "schlechtes Gewissen" nennen würden. Es scheint auf eine sympathische Weise mehr auszudrücken, weil es nicht so auf sich selbst, auf das von sich selbst gekränkte Ego fixiert ist. Es schließt die Trauer um die Enttäuschung eines anderen ein und zeigt so das noch vorhandene Bedürfnis nach Solidarität und Gemeinsamkeit. Das ist menschlich und - wie ich in Anlehnung an einen weisen Philosophen sagen würde: Nichts Menschliches sei mir fremd!

Aber es hat auch das "Gewissen" etwas für sich, schließt es als Begriff doch das "Wissen um..." ein. Es geht dabei nicht um den Satz "Du sollst nicht sehlen", der bloß abstrakt ist und im Angesicht etwa von Hungernden nur die Ausbeutenden schütz. Es geht um das Wissen, wie Menschen und Menschlichkeit manipuliert werden duch den "Rausch" des Kaufens. Vielleicht sind die, die es erfahren haben, offener für die Einsicht, woher so etwas wirklich kommt. Und weil ich weiß, dass es in Wirklichkeit ganz andere Ursachen als bloß individuelles Versagen gibt, kann ich den um Verzeihung Bittenden auch leichter verzeihen. Das ganze Leben besteht aus Fehlern und Neuanfängen, sie wieder gut zu machen (wenn es ein gutes Leben ist!).

Nun sei es so.

Dienstag, 30. September 2008

Shopping macht blöde!

Das Ende unserer 10tägigen Projektwoche nahte. Am Mittwoch, dem 17. 09., fuhr ich mit Diana, Lesja und David noch einmal nach Berlin, um auch noch die deutsche Protagonistin unseres Projekts über die Bukowina, über Heimatgefühle und Heimatverlust zu interviewen.Frau Edith Schütrumpf erwartete uns und ich hatte wieder das Gefühl, in diesem Haus fast schon zu Hause zu sein. So viele Emails hatten wir gewechselt und immer hat es mich ergriffen, zu sehen, wie bewegt und überwältigt die alte Dame von ihren Erinnerungen war. Ein bisschen fürchtete ich, dass sich das den Jugendlichen nicht mitteilen würde und das sie froh wären, der Vereinnahmung durch die ältere Generation zu entkommen. Das Gegenteil war aber der Fall. Während des Interviews war deutlich zu spüren, dass die Ergriffenheit, mit der die Deutsche über ihre Heimat sprach, die heute dort lebenden jungen Ukrainerinnen nicht kalt ließ. Allerdings bleibt die mich interessierende Frage, wie sie den Zwiespalt, der sich aus der eigenen Erfahrung einer oft abgelehnten und hassgeliebten "Heimat" und der hier erinnerten "besonderen Czernowitzer Atmosphäre der 20er und 30er Jahre" ergeben muss, wirklich verarbeiten, zumindest für die nächste Zeit wohl unbeantworet.

Am Donnerstag konnte dann die Rohfassung des Films dem Lagerpublikum vorgestellt werden. Großes Hallo, wenn sich ein Schüler auf der Leinwand als Akteur wiederfand! Ich dachte schon, es hätte sich alles gelohnt wegen dieser 36 Minuten!

Aber mit dem Ende der 10tägigen Projektzeit kamen die von den Schülerinnen wirklich ersehnten "Höhepunkte" näher. Vor und während der Fahrt nach Stralsund diskutierten wir immer wieder die Frage der Frei- also der Shopping- Zeit. Nach vielem Hin und Her erhöhten wir die Zahl der Stunden zur freien Verfügung von 2 auf 4 und beschlossen, die Gruppe vor dem Besuch im Schwimmbad noch extra in ein Shopping- Center zu führen. Aber der bereits bezahlte Besuch im Spaßbad blieb gesetzt. Nach den Auseinandersetzungen, die schon einen schalen Beigeschmack hinterließe, weil sie zeigten, warum man heute auf Reisen geht, waren die Ukrainer dennoch (wie gewohnt) relativ diszipliniert und am Ende von dem Spaßbad begeistert. Es war die bulgarische Gruppe, die sich - ihre Betreuerin voran - nicht mehr zum Besuch des Schwimmbades bewegen ließ. Shopping!!!

Auf dem Nachhauseweg dann Diskussionen mit meiner Gruppe, der ich versprochen hatte, wenn nichts Gravierendes vorfällt, vor der Abfahrt noch 6 h Freizeit in Berlin zu ermöglichen. Ja, ich weiß: Wir haben früher bei einer Reise nach Budapest AUCH ein paar Jeans kaufen wollen. Also Gut. Bevor wir aber am anderen Tag abfuhren, fand noch die tränenselige Verabschiedung statt. Erst im Lager von all den Litauern und Polinnen und von den neu gewonnenen deutschen Freundinnen, dann noch einmal in Stralsund die von den altbekannten Projektpartnern. Ob die vielen Wochen, die wir gemeinsam verlebt haben, Folgewirkungen zeigen? Wer weiß das, wer kann schon ermessen, was ein solches Projekt im Leben eines Menschen wirklich bedeutet! Aber kaputt gemacht hat es wenigstens nichts, das steht schon mal fest....

In Berlin angekommen, empfahl ich unverbesserlicher Bildungs- Optimist doch noch einmal den Kauf einer Tageskarte, damit man von der Wilmersdorfer Shopping- Meile aus vielleicht mit der S- Bahn zum Zoo fahren könnte usw. Ich erklärte, was man dort sehen könne, aber es hörte eigentlich niemand mehr zu. Shopping!!! Und am Ende war auch niemand wirklich "in Berlin". Shopping!!! Nach dem Ende der Verkaufszeiten lungerten die Jugendlichen lieber vor einem 24- Stunden- Laden (Kaiser's) rum und kauften für das letzte Geld Unmengen von Bier für die Verwandten. Shopping!!! Wovon sie mir vor der Abfahrt erzählten? Vom Shopping!!! Was sie beim nächsten Mal von so einer Fahrt sich wünschen würden? Mehr Shopping!!! Ich hatte es schon satt, fand aber, die Aversion könnte mein "philosophisches Hobby" bleiben, da sonst ja nichts Ernstes passiert war. Es war wohl diese innere Mattigkeit, das Bereits- Aufgegeben- Haben, das mich den Polizei- Wagen am ZOB so gelassen anschauen ließ. Ok, es stiegen meine bisherigen Lieblingsschülerinnen aus und ich wusste noch ehe der Beamte etwas sagen konnte, was passiert war. Shopping!!! Da stehen sie nun und drücken sich die Nasen platt an den Schaufenstern mit all den Waren, die sie haben wollen, aber nicht bezahlen können. Haben wollen, shoppen gehen, haben wollen, shoppen gehen. Und dann echot es in diesem hohlen Kopf nur noch vom "shoppen" und es wird so schmerzlich bewusst, dass man zum Shoppen eigentlich gar kein Geld hat, und dann will man aber auch was haben, weil sie alle etwas haben, und dann will man was mitbringen und es an die Freundin verschenken, weil es nun mal so Sitte ist, der Freundin etwas zu schenken, und dann sieht man keine Sicherungsanlagen und dann denkt man, dass die Deutschen bestimmt nicht so aufpassen wie die Ukrainer, wo hinter jeder Glasvitrine eine "Ochrana" mit Pistole und Schlagstock steht, und dann versucht man eben zu klauen... Ist man soooo doof mit 17? Nein, man kann Russisch, Ukrainisch, Deutsch und etwas Englisch und Rumänisch, man hat seine Schule mit Auszeichnung absolviert oder wird es tun...- aber man lässt zu, dass sich im Kopf nur EIN Gedanke ausbreitet: Shopping! Und dann hat man eben irgendwann genau die hohle Rübe, die man verdient! "Haben oder Sein?" - Das ist hier die Frage... Ich jedenfalls BIN enttäuscht, auch wenn ich weiß, wo es her kommt. Und so war die Verabschiedung etwas frosig. Seither finde ich, es hat mir überhaupt geholfen, Abschied zu nehmen. Das Bedauern ist geringer. Oder doch nicht?

Lagerleben (II)

Neues Leben kam mit der Anreise polnischer, bulgarischer, litauischer und weiterer deutscher Schüler, die hier ein "Europa- Camp" veranstalteten, an dem wir teilhaben konnten. Damit entfiel die Notwendigkeit, sich Beschäftigungen auszudenken und Stefan konnte ungestört schneiden. Allerdings lief die Sache nicht so gut an, weil nur die ukrainischen Schüler wirklich gut Deutsch konnten. Verkehrssprache wurde Englisch, was aber die meisten Bulgarinnen ebenfalls nicht besonders gut beherrschten. Die Kennenlernspiele der deutschen Kolleginnen lösten Gähnen aus, das Europa- Programm ebenso. Beim Sportfest allerdings fanden die ersten Begutachtungen von Vertretern des jeweils anderen Geschlechts statt und wie schnell sich da Sympathien herausbildeten, konnte man an den abendlichen Wanderwegen der Jungs und Mädels gut beobachten. Nächtliche Erfolge wie Misserfolge standen anderntags so manchem girlie im Gesicht geschrieben. Da wurde der vorüber gehende Roman (zweiter Sieger des Sportfestes!) mit glänzenden Augen angesehen; aus einem anderen löste sich eine kleine Träne! Wie schnell das geht?! Der Teufel Alkohol, hier sicher als "Mutmacher" gebraucht, hatte aber auch hier unerwünschte Nebenwirkungen. Ob sich manch eine nicht doch am anderen Morgen geschämt hat, wenn sie daran dachte, wer am vorigen Abend alles zugesehen und mitgehört hat? Ich hab nicht gefragt und meine eigene Erinnerung an "früher" gab da außer (öffentlichem) Knutschen nicht viel her. Kumpel Benno haben wir jedenfalls einmal verboten, mit seinem völlig abgefüllten Mädel ins Nebenzimmer zu verschwinden. Das immerhin weiß ich noch. Na, sei's drum. Wenigstens waren es nicht "meine", die nachts an der Tankstelle von der Polizei aufgegriffen wurden, weil sie Alkohol kaufen wollten. "Meine" wunderten sich nur, dass man hier in Deutschland das Alkoholverbot für unter 18-Jährige wirklich ernst nimmt. Sie verrieten mir dann allerdings auch, wie leicht es einem hübschen Mädchen fällt, irgendeinen älteren Herren dafür zu gewinnen, den gewünschten Wodka oder die Flasche Wein für sie zu kaufen. Hat da irgendein Pädagoge noch Illusionen? Offensichtlich ja, denn die deutschen Kolleginnen ließen über das Ordnungsamt die umliegenden Verkaufsstellen noch einmal an das Verkaufsverbot erinnern. Für solche Formalismen hatten meine Schülerinnen und Schüler kein Verständnis. Wofür ich alles hätte aufkommen müssen, wenn jemandem bei den ausgedehnten Radtouren, die sie (die z.T. das erste Mal auf einem Rad saßen!) natürlich doch nicht nur an der Strandpromenade entlang, sondern bis nach Bergen hin unternahmen, etwas passiert wäre, das lag und liegt jenseits ihrer Vorstellungskraft. Man steht halt mit einem Bein im Gefängnis, kann aber doch nichts anderes machen als das Risiko einzugehen, denn sonst findet gar kein Jugendleben mehr statt. Die Jugendlichen ihrerseits werden mich aber wohl nur als die Nervensäge erinnern, die meinte, immer wieder auf diese oder jene Verhaltensvorschrift hinweisen zu müssen...

Lagerleben (I)

Sellin auf Rügen also. Schon nach einem kurzen Spaziergang am Strand bzw. durch den Ort ist klar: an Naturschönheiten und deutscher Landeskunde im Allgemeinen ist hier niemand interessiert. "In Czernowitz war alles besser. Hier gibt es keine Diskos, nur alte Leute, und man kann nicht shoppen gehen!" - so Julia oder Anja, ich weiß es nicht mehr. Irgendwo ist da ja auch was dran, denke ich, und versuche das Lagerleben zu retten. Zunächst verdonnern wir also unsere "lieben Kleinen" in allem, was die Lagerordnung anbelangt, beschließen aber, es mit der Kontrolle und Durchsetzung nicht allzu genau zu nehmen. Sollen sie wenigstens abends und nachts ihren Spaß haben! Den Wodka allerdings zogen wir ein und nach Möglichkeit sahen wir zu, dass niemand in den Genuss kam, den fehlenden Nachtschlaf am Tag nachzuholen. Das zeigte zunächst auch Wirkung und wir, also Stefan Koeck (Medienpädagoge/ Stralsund), Michael Petrowitz (Drehbuchautor/ Berlin) und ich (arbeits- und einkommenslos), versuchten überdies, die Gestaltung der Nächte ein bisschen mit in die Hand zu bekommen. Das klappte, solange wir allein waren, ganz gut, vor allem der spontan- verrückten Ideen wegen, die Stefan so hatte. Eines Abends beispielsweise drehte er seine Musik am Computer so laut es ging, schaltete das Schaubild des Mediaplayers zu und warf die Zufallsgrafiken per Beamer an die Wand des gegenüberliegenden Bungalows. Bald waren alle draußen. Michael führte unermüdlich seine Schattenspiele vor, die Jugendlichen lachten und kabbelten sich bis zum Ende der nächtlichen "Veranstaltung". Was sie danach noch machten, wer wollte es wissen? Wichtig war nur, dass wir es nicht zu sehen und alle keine negativen Folgen zu spüren bekamen. Dennoch war mir zeitweilig recht mulmig zumute, vor allem, als ich durch Zufall Fotos sah, die des Nachts mit dem Handy am Strand aufgenommen worden waren. Gegen die Nacktheit schöner Mädchen ist wenig zu sagen, wenn diese sich halt ansehen lassen wollen, gegen das nächtliche Baden sollte ich allerdings was haben. Ob der Versuch, auf die "weiche Tour" an das Verantwortungsgefühl zu appelieren, gefruchtet hat. Ich wage es zu beweifeln.

Blieben die Tage. Zunächst konnten wir nicht klagen. Es regnete, aber man beschäftigte sich im Tischtennisraum, am Billardtisch oder im Internet. Vor der Arbeit drückte sich niemand, ganz im Gegenteil. Wir waren ja hier, um aus ca. 18h Videomaterial, das wir im März in Chernivci abgedreht hatten, einen Film zu machen. Alle wollten das Ergebnis und so wurden die Übersetzungen in Null- Komma- Nix fertig, die Untertitel tippten meherer Teams im Akkord und auch im Schneideraum maulte keiner über stundenlange Sitzungen, in denen die Ukrainer Stefan die Einsätze in den ukrainischsprachigen Interviews weisen mussten. Aber es waren nicht immer alle beschäftigt und so zahlte ich aus meiner Tasche die Gruppenfahrscheine nach Bergen, damit auch shopping möglich würde. Gut, ich habe nicht laut gesagt, dass es mich 150 Euro kostete und eigentlich erwartete ich auch keinen Dank, aber ganz ohne Frustration habe ich dennoch nicht mit anhören könne, wie das miese Angebot in Bergen kritisiert wurde. Das war also auch nichts, obwohl sie alle hin fuhren und mit Kinkerlitzchen aus dem 1- Euro- Laden bepackt wiederkamen. Ja klar, gegen die glitzernden Konsumtempel, die seit zwei Jahren in Czernowitz für Weltstadtflair sorgen, kommen die Provinzshops in Bergen natürlich nicht an. Das sind eben so die neuen Maßstäbe einer Generation, die Anstehen und Konsumgütermangel nur aus Erzählungen kennt, die damit verbundenen (wahn- und zwanghaften) Ersatzhandlungen ihrer ebenfalls kaufsüchtigen Eltern aber als selbstverständlichen Lebensinhalt übernommen hat. Und ich? Regte sich pädagogisches Gewissen? Ja, es regte sich! Aber ich sah auch dieses Funkeln in den Augen und dachte bei mir, es würde dieses eine Mal schon nicht so schlimm sein. Warum mit Windmühlen kämpfen? Doch es wurde schlimm. Aber das passierte später.

Montag, 29. September 2008

Wenn einer eine Reise (über die Grenze) tut IV

Am 08. 09. geht es abends dann los. 18 ukrainische Schülerinnen und Schüler und eine Betreuerin brechen auf, dem März- Projekt einen zweiten Teil in Stralsund bzw. Sellin folgen zu lassen. Im Zug ist es wie erwartet ziemlich warm. Die Gradzahl steigt in meinem Abteil noch an, denn hier versammeln sich diejenigen, die der "harte Kern" sein wollen. Ich akzeptiere, als ich verstehe, worauf es hinaus läuft. Besser sie trinken in meinem Beisein, als heimlich, denke ich, und lasse mir auch einen Wodka einschenken. Gott sei Dank bin ich ja nicht mehr Lehrer an der Schule! Die Kontrolle ist zwar gut gemeint, aber wirkungslos, denn ich überschätze die Trinkfestigkeit der Kleinen wie sie selbst. Noch ehe ich mich versehe, hat Julia einen mächtigen und Viktor einen ordentlichen Schwips. Sie reden plötzlich lauter und dann wird Julia auch noch schlecht. Pottwarmer Alkohol in einem tropischen Raum- das konnte nicht gut gehen! Ohne Proteste geht das Mädchen dann schlafen und die anderen kümmern sich um sie. Trotzdem ist es nicht einfach Solidarität, sondern eher ein Schutzreflex. Das ist eben so, wenn man trinkt, und alle wissen, was dann zu tun ist. Das nächste Mal könnte man selbst betroffen sein. Vorwürfe gibt es nicht und schlechtes Gewissen ist den Betroffenen fremd. Saufen als Kultur (denken sie jedenfalls). Ich lasse die Leute bis nachts um 02.00 auf, denn eher bekäme ich sie doch nicht zur Ruhe. Dann sind sie müde und auch diszipliniert. Weiter keinen Ärger bis nachts um 04.00, als es mörderisch kracht. Roman ist bei dem Versuch, aus dem Bett zu klettern, von seiner Pritsche in den Mittelgang gestürzt. Kein Alkohol- Schlaftrunkenheit! Gott sei Dank ist der schwere Kerl sportlich und tut sich nichts. Das hätte auch das Ende der Reise mit einem Querschnittsgelähmten bedeuten können. Kure Zeit später will/ muss Kolja auf die Toilette, aber die Tür geht nicht auf. Es kostet uns an die 20 min, ehe sie sich unvermutet öffnen lässt. An Schlaf ist nun nicht mehr zu denken. Ich wasche mich, zum Glück, denn eine Stunde vor Erreichen des Bahnhofs schließt der Zugbegleiter die Toilette zu und ist um nichts in der Welt (oder doch gegen Dollar?) bereit, das Klo noch einmal zu öffnen. Das Lamento hält sich aber in Grenzen. Dennoch: Langsam begreife ich, was Masochismus ist - eine Schülerreise mit 16- Jährigen!

Apropos Masochismus: Es tut sich was in der Ukraine! Bisher tat man sich schwer mit nichtukrainischen berühmten Bürgern von Lemberg- Lwow- Lviv. Als einer der ersten konnte der Pole Stanislaw Lem ("Das hohe Schloss"- Autobiografie aus der Lwower Zeit) Boden gut machen und in die Reden zur Schuljahreseröffnung an unserem dortigen DSD- Gymnasium Eingang finden als "berühmter Absolvent". Das blieb dem Herren Sacher- Masoch bisher verwehrt, obwohl Kollege Everding dran arbeitet, wie er sagt ;-) Schneller war ein Restaurant, von dem ich vergessen habe, ob es etwa im Geburtshaus von Masoch eröffnet wurde. Aber das Gebäude muss so oder so etwas mit dem berühmten Sohn der Stadt zu tun haben, denn neben der Tür kündet eine Tafel von den Lebensdaten und vor dem Eingang steht der Meister höchstselbst in Form eines Bronzedenkmals. Beim Fotografieren ging mir durch den Kopf, was man hoffen kann, wenn man sein Leben einer Frau weiht, wohl wissend, dass alles - besonders die Liebe - endlich ist und letzteres Gefühl oft umschlägt in sein Gegenteil. "Masochismus", scheint mir, bezeichnet weniger einen psychischen Affekt, als vielmehr eine prinzipielle Unfähigkeit des Menschen, den Erfahrungen anderer (und auch den eigenen) Glauben zu schenken. "Masochismus" als quasi philosophische Haltung bezeichnet dann dieses immer wieder zu hörende "Mir- passiert- das Nicht". Woher nehmen die Menschen diesen der Dummheit so ähnlichen Optimismus, immer sich selbst als die Ausnahme von der Regel zu betrachten?

Meine Euphorie, noch einmal mit "meinen Kleinen" auf Reisen zu sein, weicht jedenfalls schon bald einem sanften "Übergang" in Frustration, dem Heraufdämmern eines Begriffs kommender Schlalosigkeit und pädagogischer Überforderung. Das passiert während des Wartens auf den Bus, ein Vorgang, der in der Ukraine ja immer auch mit der bangen Frage verbunden ist, ob der überhaupt kommt und ob es, wenn er da ist, auch die versprochenen Plätze gibt. Als der Bus endlich mit zweistündiger Verspätung ankommt, ist zwar exakt die gebuchte Anzahl an Plätzen frei und der Busfahrer sorgt auf meine energische Bitte hin auch dafür, dass die Schüler zusammen sitzen können und die anderen Fahrgäste nach vorne rücken, aber es fehlt Lesjas Rucksack mit dem neuen Fotoapparat, dem unverzichtbaren Handy und 150 Euro Taschengeld. Ich hab zwar meine Augen überall gehabt, aber in der Hektik des Aufbruchs mag sie den Rucksack vergessen haben und als wir ihn suchten, war er nicht mehr da. Dasselbe sollte Aljona einen Tag später passieren- diesmal aber auf dem ZOB in Berlin.

Im Bus zog schnell Ruhe ein. Die kids waren übermüdet vom Schlafmangel der letzten Nacht und dem Tag in Lviv. Bloß ich konnte nicht schlafen und musste mir, ob ich wollte oder nicht, einen der berüchtigten russischen Krimis ansehen, in denen pro Minute mehr Blut als in einem ganzen Hollywood- Halbjahr fließt und in dem die obligate Vergewaltigungsszene jeden einschlägigen Porno in den Schatten stellt. Wie kann man nur groß und ein vernünftiger Menschen werden, wenn man mit solchem Dreck im Gehirn aufwächst? Man kann, indem man abstumpft. Außer mir sah niemand hin. War da noch etwas? Ach ja, die immer wieder für Erheiterung sorgende Prüfungsfrage, ob man Gewalt im Fernsehen verbieten solle. Ob die Deutschen angesichts ihres Fernsehprogramms überhaupt wissen, was "Gewalt in den Medien" ist? Ich beweifle es.

Ein wenig Aufmerksamkeit gab es noch, als der Busfahrer zur Sammlung von 5 Euro pro (erwachsener) Person aufrief, um mit der Summe den ukrainischen Zoll milde zu stimmen. Es gab Diskussionen unter den Fahrgästen, die zunächst mehrheitlich ablehnten. Erst nach der 3. Stunde Wartezeit brachte die lautstark vorgebrachte Schimpfkanonade eines erfahrenen Reisenden die übrigen dau, den Beutel zu öffnen.Und so kamen wir innerhalb der nächsten Stunde über die Grenze, wo wir auf polnischer Seite noch einmal 1 Stunde standen, dieweil der Bus vor uns eine Platzrunde in die Ukraine zurück drehte.

Bis Berlin gab es dann nur noch ukrainetypische Anekdötchen, die aufzubauschen nicht angebracht scheint. Der Busfahrer fuhr wie ein Blöder und machte nur einmal Pause, als er der Maut wegen ohnehin am Terminal anhalten musste. Vielleicht saß er schon seit Kiew am Steuer. Von Lviv bis Berlin (23.00- 16.00) fuhr er jedenfalls durch. Gegen Morgen sah ich seinen Kopf des öfteren aus dem Spiegel verschwinden, ein Zeichen dafür, dass er auf das Lenkrad gesunken war. Ich betete, falls ein Atheist das kann, zu allen Schutzengeln, und siehe, sie halfen mir. An Pause dachte der Fahrer dennoch nicht. Er wollte um 14.00 Uhr in Berlin sein, wie er auf Anfrage verkündete. Ich bestellte also unseren Anschlussbus zu um 16.00 Uhr. Das sollte auf jeden Fall klappen, denn obwohl der Fahrer kurz nach der Auskunft von der Autobahn abbog und eine Tankstelle anfuhr, verkündete er dort, es sei Eile auf der Toilette geboten, denn je länger wir in Polen blieben, um so später kämen wir nach Berlin. Gut. Merkwürig nur, dass alsbald Schüler kamen und mich fragten, wo der Bus sei. Nachdem er eine geschlagene halbe Stunde nicht aufgetaucht war, ging ich ihn suchen und fand ihn vor eine Waschanlage. Der Fahrer schlief dort den Schlaf des Gerechten und ich ließ ihn. Erst nach 1,5 h plante ich das Ultimatum - unser Anschluss- Bus, ursprünglich erst zu 18.00 Uhr bestellt, erwartete uns nun schon um 16.00 Uhr in Berlin (!) - musste aber nicht aktiv werden. Plötzlich schob sich der Bus durch die Waschanlage und wir kamen fast auf die Minute genau zwar nicht um 14.00, aber immerhin um 16.00 Uhr in Berlin an. Der Fahrer fuhr übrigens noch bis Koblenz (über Köln) und falls irgendein Autobahnpolizist diesen Blogbeitrag liest, bin ich auf Nachfrage ausnahmsweise gerne bereit, den Namen des Busunternehmens preis zu geben.

Der Stralsunder Fahrer war dann nett. Er zeigte ein bisschen Berlin vor, war bereit, uns eine Stunde am Brandenburger Tor zu gönnen, und hielt auch noch einmal an einem Supermarkt, wo die kids einkaufen konnten. Groß war das Staunen, als er dann auf der Autobahn eine halbe Stunde Pause machte und erklärte, dass er alle 4,5 h eine solche Pause machen müsse, sonst sei er seinen Job los. Noch mehr staunten die Kleinen nur über den Satz, dass die eingebaute Technik die Pause nur als solche aufzeichne, wenn der Bus mindestens 31 min gestanden habe! Ja, dieses Staunen über deutsche Regeln kam dann noch öfter vor. Hübscher Kontrast für mich.

In Stralsund nahmen wir die deutschen Projektpartner an Bord, was ein großes Hallo mit sich brachte. In Sellin verschwanden dann aber doch alle schnell in den Betten. Nicht mal die um Mitternacht noch dampfende Gulaschsuppe wurde alle! Dank an das Personal des ASB- Feriencamps Sellin! So fürsorglich, wie wir empfangen wurden, war die Betreuung die ganze Zeit über. Und das alles durchaus nicht mit "professioneller Höflichkeit", sondern mit echter Herzlichkeit. Schön zu wissen, dass es das noch gibt!

Noch einmal Chernivci

Am 06. 09. führte es mich zum vorerst letzten Mal an meinen vormaligen Wirkungsort zurück. Übernachtung im Hotel Tscheremosch. Na ja... Das Frühstück ließ doch arg zu wünschen übrig. Auswahl Spiegel- oder Rühreier, dazu standartmäßig zwei Käse- und zwei Wurstscheiben, die - wie das Brot - hätten frischer sein können, Joghurt und Marmelade. Interessant das colaartige Getränk, das ich so noch nie gesehen und geschmeckt hatte: Geschmack exakt wie Vita- Cola ohne Kohlensäure! Ob es sein kann, dass die Spätschicht nachts um 22.00 Uhr schon die Gläser befüllt, die das Frühschichtpersonal dann nur noch auf die Tische stellt? So jedenfalls schmeckte es resp. eben deshalb löste es einen Brechreiz aus! Ansonsten abends bw. nachts ein leeres Spielautomatenkasino mit ein paar boys, die Billard spielten und wohl auf eine einschlägige Sorte Damen wartete, die aber nicht kam. Jedenfalls ab ich keine gesuchtet.

Über Chernivci ist sonst nicht viel zu schreiben. Ein paar Renovierungsarbeiten wie die Erneuerung der Kobylanska- Str. (ehemals Gerrengasse) gehen dem Ende entgegen und verschönen die Stadt sichtlich. Am Festgelände für das Jubiläum wird noch gebaut, es sieht so aus wie im Juli, als ich abreiste. Mag sein, die Beseitigung der Flutschäden hat hier Kapazitäten gebunden.

Apropos Flut! Zu sehen ist kaum noch etwas. Der große Rynok am Fluß ist ausgebesert und zeigt keine Spuren. Nur an den Bäumen in Flußnähe verrät geknicktes Unterholzdie Macht des Stroms. Bis hoch hinauf ins Geäst haben sich Kraut und Bruchholz verfangen. Außerdem sieht man überall, wo früher sanfte Flußinseln und Sandbänke aus dem seichten Wasser ragten, scharf geschnittene Kanten und Unterspülungen. Nun sind die Betonpfeiler zu sehen, die man früher zu ihrem Schutz eingerammt hat. Einige solcher Betonklötze hatte ich früher schon bemerkt und sie fälschlich als Reste vom Krieg oder Überreste vormaliger Strommastenfundamente gedeutet. Immerhin weiß ich nun, dass die mächtigen Wasserschutzbauten nicht umsonst errichtet worden sind. Sie haben wohl auch gehalten und Schäden traten in Stadtnähe eher durch aufschießendes Grundwasser und überlaufende Kanalschächte auf, als durch direkte Überschwemmung. Hilfe ist bei den Geschädigten angekommen, wie ich von Florain (Romanas Vater) weiß. Allerdings sorgte sie - wie immer - für viel Diskussionsstoff, da die Vergabe alles andere als transparent gewesen sein soll. Kann man sich denken.

Ja, das war's dann. Am 08. 09. verließ ich die Stadt, die mir in den letzten Jahren (mehr als Kiew) zur zweiten Heimat geworden war. Ich wünsche ihr und ihren Bewohnern alles Gute!

Freitag, 15. August 2008

Abschluss- Wandern

Zurückgekehrt aus den Karpaten fiel mich schon ein bisschen Wehmut an. Sachen packen, Sachen wegschmeißen, Sachen zu einem Kollegen bringen, sauber machen usw. - nach 2 Jahren Czernowitz und insgesamt 7 Jahren Ukraine schon ein merkwürdiges Gefühl. Da half es schon, zu spüren, dass einen die Menschen, mit denen man am meisten hier zu tun hatte, nicht ganz gleichgültig weggehen lassen. Die Jungs halfen beim Transport der Sachen und die Mädchen, die dann doch nicht sauber machen sollten, machten den Vorschlag, sich wenigstens noch einmal zu treffen. Nichts lieber als das. Leider konnten viele just am letzten Wochenende nicht, so dass der Kreis auf überschaubare 4 Unentwegte (Diana, Lesja, Nadia, Viktor) zusammenschmolz. Mir war auch das Recht, denn so ergab sich die Möglichkeit, noch einmal in die Berge zu fahren. Die Wahl fiel wieder einmal auf Wyshenka bei Wyshnitza. Warum? Obwohl ich das nun wirklich zu kennen glaube, sprach Diana von einer Atraktion, die mir bisher engangen sei. Neugierig machten wir uns auf den Weg, fanden aber zunächst gar nichts Neues. Schlimm war das nicht eigentlich, denn die Natur hatte längst dafür gesorgt, dass es auch so abwechslungsreich wurde. (Oben Diana beim Blumen pflücken; in der Mitte die Gruppe kurz vor dem Umkehren.)

Erst auf dem Rückweg bekamen wir von anderen Touristen den wagen Hinweis, wo der Aufstieg zu den "Felsen" zu finden sei. Viktor sprang wie eine Gams voran und auch Lesja zeigte die Form einer Volleyballerin. Diana hing beim langen Aufstieg etwas durch ;-) und ich hatte auch so meine Mühe. Immerhin war es im Tal angenehm warm gewesen, auf den Hangwiesen prallte die Sonne aber voll auf uns hernieder. Was wir dann fanden, ist so eine Art Mini- Elbsandsteingebirge mit Klettermöglichkeit auf dem Gipfel. Zwei gibt es davon. Die Wege dahin sind sogar ausgebaut und die Schüler erinnerten sich plötzlich daran, alle schon mal da gewesen zu sein- allerdings von der anderen, für die Begehung durch Touristen ausgebauten Seite. Sie stiegen trotzdem noch mal hoch und hatte Gelegenheit, ein paar Bilder zu machen. (Lesja und Viktor am Hang.)

Für mich wichtiger war aber der Passweg zurück, der ganz neue Sichten eröffnete und es uns ermöglichte, nicht den alten Weg gehen zu müssen. Es war schön dort oben. Allerdings möchte man kaum da wohnen, wenn auch die kreuz und quer verlaufenden Stromleitungen anzeigten, dass - im Gegensatz zu den Tälern im Sinewir - auf diesen Höhen ein Minimum an Zivilisation angekommen ist. Es wird mehr werden, denn es gab etliche Baustellen, sicher nicht von Einheimischen. Der Reichtum erobert die abgeschiedenen Bergwelten mit seinen Datschas und also bald auch mit Geländewagen, Quadrozykles und anderem lauten Karm.

Egal, dieses Mal störte es nicht. Meine Begleiter waren lustig und trieben so ihre "Spiele". Ich mag's. Was? Die Art, wie Mädchen und Jungen hier miteinander umgehen. Es ist freilich "pubertär", aber dabei fröhlich und unbeschwert und sehr sehr kameradschaftlich. Keine verbalen Entgleisungen, keine übertriebenen "Dummheiten". Es wird ein bisschen zelebriert, durchaus auch so, dass der Lehrer voller Spaß zusehen kann. Nochmal: Ich mag's!

Klar, dass wir am Ende in dem altbekannten huzulischen Gasthaus ein Schaschlyk aßen. Warum kann es nicht immer so sein? Leben könnte schon sein, wirklich.

Mittwoch, 30. Juli 2008

Wanderungen im Nationalpark

Sinewir also. Eigentlich wollte ich nach Rumänien, entschied mich dann aber doch, abschließend noch einmal unbekannte Teile der Ukraine zu erkunden. Ich fuhr ins Blaue, wie man so sagt, denn die Auskünfte der Reisebüros waren weniger als hilfreich. Vielleicht hätten sie mir in allen Einzelheiten erläutern können, welche Sehenswürdigkeiten mich rund um die Pyramiden erwarten, aber im eigenen Land... Immerhin fanden sie einige Stellen, die stereotyp "Natur, Sauna, gepflegte Gastlichkeit und Wintersport" boten, aber was man dort im Sommer tun könnte, wussten die Büromitarbeiterinnen nicht. Halt, das stimmt nicht! Sie wussten nicht, wo man evtl. wandern könnte und fragten stattdessen erstaunt, warum ich, der ich doch angegeben hätte, mit dem Auto anzureisen, dann auf einmal zu Fuß gehen wollte. Andere Angebote hatten sie sehr wohl. Also, man kann dort Panzer fahren oder Paintball "spielen", also lernen, wie man andere abknallt....

Nicht mein Ding und so fuhr ich halt aufs Geratewohl. Das führte mich zunächst über Pisten, die in Afrika besser gepflegt erscheinen, Ergebnis: der vordere Reifen war von spitzen Steinen durchstochen worden und ich hatte einen Tag zu tun, den "Platten" zu reparieren. Aber immerhin kam ich doch an in einem lauschigen Tal und fand zu guter Letzt dort ein freies Bett. Einfach war das nicht, obwohl viele neue "Kolybas" (Holzhäuser mit Grill usw.) am Straßenrand Gästezimmer anboten. Sie waren einfach alle belegt oder zeigten kein Interesse an einem Gast, der nur für eine Nacht bleiben und anderntags auch nicht mit der Pferdekutsche fahren wollte. Brrrr....

Mitten im Nationalpark Sinewir, kurz vor dem touristischen Höhepunkt der Gegend (einem Bergsee), fand ich dann mein erstes Zimmer für 30 § die Nacht. Frühstück und Abendessen außer Haus, aber dafür urgemütlich in einer der neuen Kolybas. Das Wetter war zunächst durchwachsen, so dass ich aufs Auto- Wandern ausweichen musste. Nun kenne ich also sämtliche Täler, die das Gebirge queren...

Dann fand ich ein angenehmes Quartier hoch über einem Bergfluss, der abends so penetrant- betörend rauschte, dass ich nichts anderes hörte und herrlich schlief. Von dort gelangen Wanderungen sowohl durch abgelegene Täler mit Dörfern ohne Strom, Wasser und Gas als auch Gipfelbesteigungen - na ja, 1000er werden es gewesen sein. Längstens war ich vielleicht 50 km am Tag untergwegs; etwas kürzer war der Weg auf den Gipfel - vielleicht 20 km - aber dafür tat danach der Ar... ganz schön weh! Lustig dann die abendlichen Gespräche mit den Kellnerinnen, die den ausländischen Gast neugierig befragten, was er so getrieben hätte. Sie waren höchlichst erstaunt, zu erfahren, dass es da unweit ihrer Siedlung Wege gäbe, die auf den Gipfel über ihren Köpfen führen. Und noch mehr wunderte es sie, dass es Idioten gibt, die wirklich aus Deutschland in die Ukraine kommen, um da oben rauf zu latschen! Dabei habe ich schon lange so etwas Schönes nicht mehr mitgemacht. Vergleichbar waren bisher nur die einsamen Wanderungen im Krim- Gebirge. "Einsamkeit" ist eben das Stichwort. Also, wer Zeit und Rige zur Besinnung braucht, wer mal einen Tag lang keinem Menschen begegnen will und wer es ab kann, nicht alle 5 km ein Gasthaus zu treffen, der sollte in die Ukraine fahren. Auf in den Nationalpark Sinewir! Allerdings muss man sich dann auf sein Glück verlassen. Selbst langjährige Ski- Urlauber orientieren sich dort nur anhand handgezeichneter Karten von Verwandten und Freunden, von denen eben, die ihnen den Tipp gaben, gerade dorthin zu fahren. Wanderkarten gibt es kaum, solche in kleinem Maßstab und verlässliche noch dazu eher gar nicht. Jedenfalls fand ich keine. Kleiner Tipp am Rande: Man gehe unbedingt die Wege, an deren Anfang ein Schild "Betreten verboten" steht. Sie sind die schönsten...

P.S.1: Allerdings kann es dann passieren, dass man keinen "Rundweg" findet, sondern irgendwo im tiefen Wald seinen Weg dort veriert, wo er einfach in den Bach übergeht, dem er bis daton brav folgte. Dann heißt es haöt umkehren und denselben Pfad zurück gehen. Und doch: Wo kann man "bei uns" 50 km wandern, ohne eine Menschenseele zu treffen? Es bleibt dabei: Wer so etwas erleben will, der sollte in die Ukraine fahren! Insgesamt übrigens war das gastronomische Niveau nicht einmal schlecht. Wer Schaschlyk mag kommt sowieso auf seine Kosten. Kosten? Ja, am Ende hatte ich für 25 Euro die Nacht ein angenehm rustikales Zimmer mit warmem Wasser- immerhin nicht einmal für Kiews Nobelhotels selbstverständlich....

P.S.2: Möchte nicht wissen, wie diese Täler heute - nach den verheerenden Überschwemmungen - aussehen. An vielen Stellen war die Gewalt von Wassermassen, die ich nicht zusehen bekam, erahnbar. Jedenfalls lagen viele Baumstämme geschlagen und zum Abtransport jenseits dieser Flußquerung bereit - die dafür vorgesehenen provisorischen Brücken hatte es aber allesamt weggespült. Offensichtlich gab man dann das Ansinnen auf, dort weiter Holz zu schlagen. So wird ein Nationalpark dann wirklich zur Sensation! Etwas unterhalb - in der Nähe von Chust - finden sich die ausgedehntesten und ältesten Buchenurwälder Europas. Was ein Urwald ist, kann man auch im Sinewir erleben: Jenseits der zufällig gefundenen Wege gibt es keine Einstiege in das Waldgebiet, das so wesentlich sich selbst überlassen bleibt...

Wypusk- Abiball

Also letzter Schultag. Der besteht in der Ukraine aus zwei Teilen: einmal dem sogenannten "letzten Klingeln" Ende Mai (auf dem Schulhof) und dann dem eigentlichen Schuljahresende um den 20. Juni herum (in der Aula). Zum letzten Klingeln sind alle Schüler anwesend, neben den Abiturienten werden ja auch die Absolventen der 9. Klassen verabschiedet, die nun an die Berufs- oder Fachschulen wechseln. Aber eigentlich ist es der Tag der Absolventinnen und Absolenten der 11. Klassen. Sie erscheinen in den alten Schuluniformen der Sowjetzeit, die - aller früheren Bedeutung enthoben - nur noch ein lustiges Symbol für Schulzeit schlechthin sind. Jedenfalls tragen die Mädchen Kleid und Schürze in Blau oder Braun- die Jungs tragen Anzüge. Höhepunkt der Veranstaltung, die mit der Nationalhymne beginnt und endet, ist das "letzte Klingeln". Jeder der angetretenen Absolventen fasst noch einmal die Klingel, die er 11 Jahre vorher beim "ersten Klingeln" schon vernommen hatte, und schüttelt sie kräftig. (Auf dem Bild Roman Daskievich, mein bester Diplomand, einer der besten Schüler des Jahrgangs). Danach versammelt man sich zum Fototermin mit der Klassenlehrerein oder dem Direktor und geht dann gemeinsam noch einmal in die Klasse. Immer wieder erstaunlich, wie "durchlässig" die Klassengrenzen trotz des vielgeschmähten Kollektivismus sind. Anwesend sind an diesem Tag bis zum Schluss die Freunde, oft Schülerinnen und Schüler der 10. und 11. Klasse. Wenn ich hingegen an meine Schulzei zurück denke, dann erinnere ich kaum Schüler der unteren Klassen. Wir waren doch sehr auf die früheren, die oberen fixiert. Wenn schon, dann kannte man die Mädchen. Hier aber sieht man die "großen" Mädchen der 11. Klasse ihre Kameraden der 10. küssen und umarmen, Fotos mit ihren Freundinnen der 9. Klasse machen usw. Sie alle waren Teilnehmerinnen an diversen Olympiaden, Schüleraustauschen usw. Da kennt und schätzt man sich halt. Die Wärme, die solche Verhältnisse ausstrahlen, werden viele bald vermissen. Andere werden es als Befreiung aufnehmen. Ein eigenes Kapitel...

Oft feiert man jedenfalls den Tag anschließend im Klassen- Kollektiv beim Schaschlyk im Freien. Ich fand die Veanstaltung im Ganzen gelungen, hatte Probleme nur mit den Ritualen, die die Hymne begleiten. Während einige Schüler nach amerikanischer Sitte ihre Hymne mit der Hand auf dem Herzen singen, so ihre Trotz- alledem- Verbundeheit mit ihrem Land demonstrierend (siehe Viktor aus der 10. auf dem Bild), recken andere die Hand um "deutschen Gruß"! Was immer sie damit im Einzelnen ausdrücken wollen, Fakt ist, dass die allgemeine Geschichtsverwirrung in der Westukraine mit der Hitler- Zeit oft ein Heldenzeitalter ihres (positiv begriffenen) Ultra- Nationalismus assoziiert, weshalb der Nazi- Gruß sich ambivanlent positv auf die Freiheit und das Ukrainertum als solches bezieht. Da passt ins Bild, wenn man in Lemberg eine Gedenkstätte schafft, die den "Helden" des antisowjetischen Befreiungskampfes gewidmet ist, der in Form der SS- Division "Galizien" nicht zuletzt zu unentschuldbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit führte. Mir gefror jedenfalls das Blut in den Adern und ich erinnerte mich daran, wie oft ich hier durchaus wohlgesinnten Schülern verbieten musste, mich mit "Heil Hitler" zu brgüßen. Sie meinten es als Kompliment- und es waren nicht die dümmsten...

Etwa 20 Tage später, nach den Prüfungen, dann der letzte Schultag mit dem Abiball. In der Aula eine festliche Veranstaltung mit Zeugnisübergabe und einer Multimedia- Präsentation der letzten 11 Jahre. Das war schon lustig und auch erhebend, zu sehen, wie die "Kleinen" vor 11 Jahren bei ihrem "ersten Klingeln" gefilmt wurden. Dann erfolgt der feierliche Auszug aus der Schule. Vorher werden die festlich gekleideten Schülerinnen und Schüler mit ihren 16 oder 17 Jahren ins Erwachsenenleben aufgenommen- der Direktor und Elternvertreter durchschneiden das Band, das sie an die Kindheit gefesselt hielt. Sie ziehen dann hinaus aus der Schule in die "Freiheit" ihrer Party, des Abiballs, den die Eltern ausrichten.

Wie jedes Jahr fuhren wir mit extra gemieteten (nagelneuen) Trolleybussen in ein Restaurant, das auf solche Großveranstaltungen spezialisiert ist. Ein "Tamada" (neudeutsch: Animateur) sorgte für die ersten Stimmungshöhepunkte. Er rief die Lehrer auf, eine Rede zu halten und dann auf das Wohl ihrer Absolventen zu trinken. Auf Ex- versteht sich. Der gelungene Trunk wurde jeweils mit Jubel aufgenommen. Hm... Lustig immerhin, dass auch die Grundschul- Klassenleiterinnen geladen waren. Ich bin nicht eben sicher, ob es allen Schülerinnen und Schülern gefiel, namentlich aufgerufen zu werden und ihre erste Zeichung (meist ein Schulgebäude mit ukrainischer Fahne) von ihrer Grundschullehrein kommentiert in Empfang zu nehmen, aber sie hielten es aus. Dann wurde die festliche Tafel eröffnet und später folgten die Tänze bis nach Mitternacht. Traditionell dauert so ein Abiball bis etwa 04.00 Uhr, d.h. man begrüßt gemeinsam die Sonne des neuen Tages. So lange blieb ich diesmal nicht. Es war ja auch mein letzter Schultag, aber da ich mit der Zeit danach erst einmal nichts besonders Positives verband, erfasste mich doch ein bisschen der Katzenjammer und ich verließ die Party vorzeitig, d.h. ohne einen Tanz mit meinen Lieblingsschülerinnen (die allerdings auch so fröhich sein konnten!). Schade eigentlich. Es war ein netter jahrgang mit vielen vielen jungen Menschen, die zu großen Hoffnungen berechtigen. Welcher Lehrer kann das in Deutschland so einfach aussprechen? Schade drum...

DSD in Chernivci 2008

Das erste Mal also. Von 18 gemeldeten Kandidatinnen haben 12 bestanden - und nicht mal schlecht. Gratulation! Die anderen erhielten Zertifikate für Teilleistungen, in denen sie die Norm übersprungen haben. Leseverstehen alle, dazu dieser und jener hier und da noch einen der vier Bereiche (Hörverstehen, Leseverstehen, Textproduktion, Mündliche Kommunikation). Zur Diplomübergabe war eigentlich die Deutsche Botschaft Kiew angesagt, aber es konnte dann niemand. So kam der Fachberater/ Koordinator unseres Programms (Deutsches Sprachdiplom der KMK der BR Deutschland Stufe c1 - welch Name!) Herr Christian Ax allein. Verloren kam er sich nicht vor, denn die Schule hatte einen "großen Bahnhof" organisiert und ehrte unsere Diplomanden gemeinsam mit anderen Schülern, die in diesem Schuljahr auf Olympiaden, bei Wettbewerben und Ausscheiden aller Art Hervorragendes geleistete hatten. Es wurde eine Mammut- Veranstaltung, wie sie nur noch osteuropäische Schüler mit stoischer Gleichmut ertragen. Über 3 Stunden lang wurden die zu Ehrenden nach vorne gerufen und erhielten ihre Auszeichnungen. Unterbrochen wurde das Ganze durch ein Programm, das vom Schulchor (selbst ausgezeichnet) und anderen Laureaten gestaltet wurde, die in der Stadt oder im Bezirk, einige sogar im Land, Wettbewerbe im Schlagersingen, Rezitieren usw. gewonnen hatten. Ich wusste vorher gar nicht, was alles so läuft an einer ukrainischen Schule! Und es war sogar nicht einmal "miefig", denn seit einiger Zeit spielt auch die Schüler- Band der 9. Klasse Hardrock einer mir schwer verständlichen Stilrichtung- aber egal: den Schülern gefällt's. Und ich kann mich immerhin mit dem Schlagzeug anfreunden, das Wanja (9a) schon recht professionell bedient. Kolja (9a) ist an seiner Gitarre hin und weg - so viel Begeisterung für die deutsche Sprache und er könnte Goethe Konkurrenz machen! Schade, dass sie ihre Mitschülerin Lena nicht in die Band holen, denn die singt wirklich fantastisch und würde noch besser sein, wenn sie etwas "Härteres" zum Besten geben könnte. Egal. Ich freute mich, alle meine "Kleinen" (Nadia, Diana Kosoris und Popova, Lesja Blashevska und Roman Dashkievic, Viktor Besaraba, Olha Maslyantschuk und Aljona Semotjuk, Anja Rusnak und Julia Pshenitschka und viele viele andere) da vorne zu sehen. Sie werden ihren Weg machen, daran will ich glauben. Ob ich ihnen habe helfen können? Jedenfalls haben sie es mir bestätigen wollen und verliehen mir das "Ukrainische Schülerdiplom der II. Klasse" - in allen Teilbereichen Höchstnoten! Danke für das Kompliment! Herr Ax nahm*s gelassen, mal nicht so sehr im Mittelpunkt zu stehen. Aber die Erfolge seiner Kolleginnen und Kollegen sind ja auch seine Erfolge und ich denke, er freute sich mit den Absolventinnen, die nun hoffentlich etwas aus bzw. mit ihrem Diplom machen können. Drücken wir ihnen die Daumen, Ich wünsche alles Gute!

Dienstag, 29. Juli 2008

Rumänien- Moldauklöster- Kimpolung

Wenn man schon bei Rumänen in der Ukraine zu Gast war, muss man auch nach Rumänien. Gleich am nächsten Tag war es so weit! Mein Schwiegervater passierte die Grenze seit 1988 zum ersten Mal nach der Wende, Schwiegermutter war noch nie im Land, weshalb es viel von früher zu erzählen und zu erklären gab. Viel Kopfschütteln über das "Damals", aber eben auch viel Staunen über die sichtbaren Veränderungen heute!

Suceava angenehm wie immer. Dann aber wollte ich unbedingt nach Kimpolung, einer der einstigen Perlen der Bukowina. "Einstige Perlen"- damit ist eigentlich alles gesagt. Der Weg von Suceava nach Kimpolung wurde durch die vielen Reparatur- Arbeiten an den Straßen zu einer einzigen Tortur. Aber das zahlt sich sicher eines Tages aus; auf dem Weg von Kimpolung nach Radautz kamen wir auch schon in den Genuss einer der einwandfrei ausgebauten Straßen. Aber zurück nach Kimpolung: An enigen Ecken um den alten Friedhof herum finden sich noch ein paar Straßenzüge, die einen Eindruck davon vermitteln, wie es früher war. Der Rest ist nur als ein missglückter Versuch zu werten, sozialistische "Dominanten" in der üblichen tristen (hier kamen sie mir besonders grau vor) Bauart einer gewachsenen Ortslage zu implementieren. Die medizinische Wortwahl fasst es relativ korrekt: Der Patient krankt seither an seinem hässlichen Zentrum, das hier abzubilden ich mir erspare!

Aber das ist nicht alles, was sich von diesem Ausflug berichten lässt. Von Kimpolung nach Radautz fährt man eine serpentinenreiche Straße durch herrliche Landschaften, die für alles entschädigen. Am Wegrand hübsche Dörfer mit so manch einem originell gestalteten, also herausragenden Bauern- Hof (siehe Bild oben). Aus einer ganzen Reihe erwähnenswerter Klöster und Kirchen am Wegrand ragt sicher Suceavka (?) heraus. Eine gut restaurierte und vollständig erhaltene, auch heute als Kloster genutzte Wehrklosteranlage. Mir hatte es der dicke, allein stehende Turm angetan, dessen Plattform man zwar nur über eine lebensgefährlich steile und ausgeretene Treppe erreichen konnte, dessen Panorama- Sicht aber ebenso empfehlenswert ist wie das Erlebnis der düsteren Atmosphäre im Inneren der in Kammern (Vorräume zum Altarraum) geteilten, komplett in nachgedunkelten Farben ausgemalten Kirche. Welche Pracht von den Bildern ausgeht, die so drastisch wie man es bei uns vielleicht nur von Hieronymus Bosch kennt von apokalyptischen Themen und Szenen nur so wimmelt! Welch tiefe Gottesfurcht mögen die Bilder einst einer empfindsamen, aber notwendigerweise ungebildeten Bauernseele eingepflanzt haben? Gottesfurcht- wenn je ein gemaltes Programm derselben mir ihr Wesen augenscheinlich gemacht hat, dann waren und sind es die Blderfolgen der Moldau- Klöster! Fast schon ist man selbst als Atheist froh, das Innere der Kirche verlassend, an ihrer Außenfassade die zum Himmel strebenden Engels- Scharen zu sehen, die einen Heiligen da hinauf und also vom dreiköpfigen Drachen und seinem Reiter hinweg befördern...

Übrigens: Zwei Restaurant- Besuche bestärkten mich (und meine Schwiegerleute) wiederholt in der Meinung, dass sich der Besuch gelohnt hat. Die Bedienung war freundlich und um uns bemüht. Ziemlich erholsam also, wenn man aus der Ukraine kommt! Gut auch, dass es die Sonderabteilungen nicht mehr gibt, die bessere Restaurants früher für evtl. vorbei kommende Mitglieder der Führungsclique oder ihrer Gäste frei zu halten hatten. Meinem Schwiegervater war jedenfalls wohler zumute als früher, da er einer solchen vom Volk isolierenden Vorzugs- Behandlung teilhaftig werden musste...

Fast schon hatte ich überlegt, ob ich nicht um eine Arbeitsstelle in diesem Land einkommen sollte. Nun, wer weiß, was es zu berichten gäbe, wenn man länger dort ist und die Alltagsnöte kennen lernt, die es sicher auch hier nicht zu knapp gibt. Reichtum ließ sich jedenfalls über weite Strecken hin nicht ausmachen und die Zahl der Pferdewagen bestätigt das auch rein äußerlich im Straßenbild. Trotzdem: Kein Vergleich mehr mit der Tristesse und der Angst (Autotüren zu und durch!) früherer Jahre. Kein Vergleich auch zu den außerhalb der Hauptstadt fast unbefahrenen Straßen Moldawiens. Autos gibt es mittlerweile genug. Und Tankstellen! Und, wie mein Schwiegervater sarkastisch feststellte: Vor den Tankstellen gibt es gar keine mit Ketten an den Bäumen festgebundenen Dacias mehr, die auf die nächste Benzinzuteilung (ein Tag gerade Nummern, anderntags ungerade!) warten...

Sonntag, 22. Juni 2008

Liebe Nadia!

Also, das hast du Klasse gemacht! Fragten mich doch immer mal Leser dieses Blogs, ob ich nicht auch was Positives zu berichten hätte. Habe ich! Immer, wenn ich von meinen Schülern rede, dann ist das grundsätzlich positiv. Sie sind die Hoffnung ihres Landes- mögen sie diese Erwartungen erfüllen!

Nadia jedenfalls ist Schülerin der 10. Klasse, Rumänin, und dazu spricht sie schon fast perfekt Deutsch! Wir haben zusammen gekämpft, dass sie die Themen von „Jugend debattiert international“ versteht und was dazu sagen kann. Fuhren nach Kiew gemeinsam. So lernte ich sie ein bisschen näher kennen.


Ihr Vater hat auf dem Dorf, einem weitgehend von Rumänen besiedelten Platz an der Straße Richtung rumänische Grenze, ein Restaurant mit Bar und Disko. Klar, da wollte ich sie mal besuchen, zumal die Kleine von „ihrem Dorf“ schwärmte. Und wirklich lag es in einer landschaftlich sehr schönen Gegend und die vielen Begrüßungen links und rechts des Weges zeigten, dass es hier noch echte Nachbarschaft gibt und wohl kaum jemand einsam seinem Alter entgegen sehen muss. Viele Häuser waren zwar sehr ärmlich, aber doch gepflegt. Romantik pur! Doch wie immer ist es die Realität, in der man wohnt, die Romantik ist nur der Schein, den man liebt (Hoffmann möge mir verzeihen!) Jedenfalls war es hübsch anzuschauen, obwohl ich da nicht leben wollte...

Jedenfalls hat es uns, "Oma Hannelore, Opa Dieter und mir", sehr gefallen. Nadia lud ein und wir kamen, um mit ein paar ihrer Klassenkameraden dort einen schönen Nachmittag zu verbringen. Diana und Viktor konnten leider nicht. So waren nur Mariana (auf dem Bild) und Tanja mit von der Partie. Aber sie bemühten sich auch sehr um die deutschen Gäste und so war es für diese "Landeskunde pur". Was ich allerdings geahnt hatte, traf genau so ein. In Vaters Gaststätte wartete auf uns ein Menü, das eine Kompanie hätte vertilgen können, wir aber nicht. Mir schwante schon, dass nicht ich hier der Einladende sein würde. Und so kam es! Nadias Vater (links auf dem Bild mit seiner Tochter), der uns mit seinem Transporter auch noch ins nahe gelegene, völlig neu angelegte Männerkloster fuhr, ließ es sich nicht nehmen, die Rechnung auf "Kosten des Hauses" zu stellen. Vielen vielen Dank! Es hat wunderbar geschmeckt und ich empfehle die Adresse des gastfreundlichen Hauses gerne weiter!

So ist es immer: viele Dinge sind überaus mangelhaft in diesem Land, das aber dennoch über einen unschätzbaren Reichtum verfügt- seine kreativen und optimistischen, hilfsbereiten und dankbaren Menschen! Viel Glück auf deinem weiteren Lebensweg Nadia; viel Glück auch deinen Eltern! Wenn Kapitalismus heißt, etwas unternehmen und arbeiten wie Nadias Vater, dann lass ich mir das gefallen. Wirklich!

Donnerstag, 12. Juni 2008

Remont die vierte

Juhu! Diesmal hat mein chosjain Stecker und Steckdose gewechselt und sogar so ein Ding eingebaut, das eine Klappe hat. Sieht fast wie eine Feuchtraumdose aus! Ist aber keine, klar. Werde weiterhin beim Duschen den Stecker ziehen. Aber immerhin: Ich hab's wieder warm!

Mittwoch, 11. Juni 2008

Jugend und Alter

Also, bis zum ersten eigenen Kind oder einem ordentlichen Dienstgrad bei der Armee ist man hier ein „Kind“. Dem entspricht die kollektive Anredeform „rebjata“ (Kinder), die beispielsweise an den Universitäten achtungsheischend die Studentengruppen zur Ordnung ruft. Hat nun eine junge Frau ein eigenes Kind, so ist sie eben eine Frau und ihre Mutter endlich „Basbuschka“ (Oma). Auf ähnliche Weise erwirbt der Junge mit dem „Sergeanten“ das Saufrecht – mehr noch: die Saufpflicht -, was ihn unfehlbar zum Manne macht. Fragt sich, wo eigentlich die Jugendzeit und wo „die Jugend“ bleibt? Das ist ein bisschen komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint, kann aber doch im Alltag erkannt werden: Die Erkenntnis bricht sich im Hirn des westlichen Mitteleuropäers Bahn, wenn er beispielsweise als weiblicher Mensch von etwas über 40 spontan nachfragt: „Meint die etwa mich?“ – So geschehen, als meine Frau im letzten Jahr den offensichtlich auf sie gemünzten Zuruf „dewotschka“ relativ zutreffend mit „Mädchen“ übersetzte. (Dabei gibt es noch die Form „dewuschka“, die in „Mädchen für alles sein“ vorkommt und als Anrede der Kellnerinnen, Schaffnerinnen usw. gilt.) Da haben wir also das Phänomen identifiziert! Meint „Jugend“ in Deutschland etwa das, was die Lateiner „Adoleszenz“ nannten, ist es in Russland und der Ukraine der gesamte Lebensabschnitt vor dem Greisen- oder sichtbaren Oma/ Opa- Alter. Und wer’s nicht glaubt, der mag den Peter Porsch, weiland in die DDR übergesiedelter Österreicher und nachmaliger langjähriger Chef der PDS in Sachsen, nach seiner Verzweiflung fragen, als der so in den 40er Jahren stehend als Dozent eine Einladung zu einer Nachwuchswissenschaftler- Konferenz nach Moskau bekam. Ich erinnere mich noch genau an die Begeisterung, mit der er erzählte, er sei wirklich einer der jüngsten gewesen und habe die ganze Tragweite des Problems erkannt, nachdem er das Hereintragen irgendeines hoch in den 90ern stehenden Dekans der gastgebenden Fakultät erlebt hatte! Das könnte er heute auch noch erleben, denn aufgrund der niedrigen Renten kommt es kaum einem Wissenschaftler in den Sinn, aufzuhören.

Zurück zur Ukraine heute. Dass die „Jugend“ wirklich von so ca. 20 bis an die 60 heran reicht, das stieß mir bei dem Versuch auf, rüstigen Deutschlehrerinnen in meinem Alter und darüber hinaus, sie werden so im Schnitt 55 gewesen sein, die Bedeutung des Jahres 1968 klar zu machen! Ich referierte über die Entstehung der Jugendmode aus dem Wahn heraus, seinen Stars ähnlich sehen zu wollen, skizzierte den Aufstieg eines Plattenbesitzer zum DJ und der dann einsetzenden Massenproduktion von Tonträgern und fand mich unversehens beim Begriff der „Generation“, die als „junge Generation“ hier erstmals in wahre Opposition zur „älteren und alten Generation“ tritt. Das alles sollte sensibel machen für die aus hiesiger Sicht etwas merkwürdige Art der Deutschen, in ihren Lehrbüchern immer Texte über „Randgruppen“, „Familienprobleme“, „Einsamkeit im Alter“ usw. abzudrucken. Und da passierte es! Mitten in meine schönste Entfaltung des Themas hinein stoßseufzte eine furchtbar nette, etwas füllige ältere Kollegin: „Du hältst uns also schon für alt? Bloß weil wir Goldzähne im Mund haben?“ – Fast kullerte eine Träne! Aber sicher doch, versuchte ich die Lage zu klären: „WIR hören doch alle keinen Hipp hopp mehr und Tragen keine ärmelfreien T- Shirts mit amerikanischen Aufschriften.“ … Es nützte nichts! Die Stunde war hin! Erregt debattierten die Kolleginnen die Frage des Alters um dann festzustellen, sie hätten doch einen Anspruch darauf, noch „jung“ zu sein. Und daran ändere meine hinterhältige Frage nach den Enkeln gar nichts. Natürlich hätten sie schon Enkel und sie seien stolz darauf, so junge (!) Großmütter zu sein. Na dann…- auf in die Disko!