Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Sonntag, 22. Juni 2008

Liebe Nadia!

Also, das hast du Klasse gemacht! Fragten mich doch immer mal Leser dieses Blogs, ob ich nicht auch was Positives zu berichten hätte. Habe ich! Immer, wenn ich von meinen Schülern rede, dann ist das grundsätzlich positiv. Sie sind die Hoffnung ihres Landes- mögen sie diese Erwartungen erfüllen!

Nadia jedenfalls ist Schülerin der 10. Klasse, Rumänin, und dazu spricht sie schon fast perfekt Deutsch! Wir haben zusammen gekämpft, dass sie die Themen von „Jugend debattiert international“ versteht und was dazu sagen kann. Fuhren nach Kiew gemeinsam. So lernte ich sie ein bisschen näher kennen.


Ihr Vater hat auf dem Dorf, einem weitgehend von Rumänen besiedelten Platz an der Straße Richtung rumänische Grenze, ein Restaurant mit Bar und Disko. Klar, da wollte ich sie mal besuchen, zumal die Kleine von „ihrem Dorf“ schwärmte. Und wirklich lag es in einer landschaftlich sehr schönen Gegend und die vielen Begrüßungen links und rechts des Weges zeigten, dass es hier noch echte Nachbarschaft gibt und wohl kaum jemand einsam seinem Alter entgegen sehen muss. Viele Häuser waren zwar sehr ärmlich, aber doch gepflegt. Romantik pur! Doch wie immer ist es die Realität, in der man wohnt, die Romantik ist nur der Schein, den man liebt (Hoffmann möge mir verzeihen!) Jedenfalls war es hübsch anzuschauen, obwohl ich da nicht leben wollte...

Jedenfalls hat es uns, "Oma Hannelore, Opa Dieter und mir", sehr gefallen. Nadia lud ein und wir kamen, um mit ein paar ihrer Klassenkameraden dort einen schönen Nachmittag zu verbringen. Diana und Viktor konnten leider nicht. So waren nur Mariana (auf dem Bild) und Tanja mit von der Partie. Aber sie bemühten sich auch sehr um die deutschen Gäste und so war es für diese "Landeskunde pur". Was ich allerdings geahnt hatte, traf genau so ein. In Vaters Gaststätte wartete auf uns ein Menü, das eine Kompanie hätte vertilgen können, wir aber nicht. Mir schwante schon, dass nicht ich hier der Einladende sein würde. Und so kam es! Nadias Vater (links auf dem Bild mit seiner Tochter), der uns mit seinem Transporter auch noch ins nahe gelegene, völlig neu angelegte Männerkloster fuhr, ließ es sich nicht nehmen, die Rechnung auf "Kosten des Hauses" zu stellen. Vielen vielen Dank! Es hat wunderbar geschmeckt und ich empfehle die Adresse des gastfreundlichen Hauses gerne weiter!

So ist es immer: viele Dinge sind überaus mangelhaft in diesem Land, das aber dennoch über einen unschätzbaren Reichtum verfügt- seine kreativen und optimistischen, hilfsbereiten und dankbaren Menschen! Viel Glück auf deinem weiteren Lebensweg Nadia; viel Glück auch deinen Eltern! Wenn Kapitalismus heißt, etwas unternehmen und arbeiten wie Nadias Vater, dann lass ich mir das gefallen. Wirklich!

Donnerstag, 12. Juni 2008

Remont die vierte

Juhu! Diesmal hat mein chosjain Stecker und Steckdose gewechselt und sogar so ein Ding eingebaut, das eine Klappe hat. Sieht fast wie eine Feuchtraumdose aus! Ist aber keine, klar. Werde weiterhin beim Duschen den Stecker ziehen. Aber immerhin: Ich hab's wieder warm!

Mittwoch, 11. Juni 2008

Jugend und Alter

Also, bis zum ersten eigenen Kind oder einem ordentlichen Dienstgrad bei der Armee ist man hier ein „Kind“. Dem entspricht die kollektive Anredeform „rebjata“ (Kinder), die beispielsweise an den Universitäten achtungsheischend die Studentengruppen zur Ordnung ruft. Hat nun eine junge Frau ein eigenes Kind, so ist sie eben eine Frau und ihre Mutter endlich „Basbuschka“ (Oma). Auf ähnliche Weise erwirbt der Junge mit dem „Sergeanten“ das Saufrecht – mehr noch: die Saufpflicht -, was ihn unfehlbar zum Manne macht. Fragt sich, wo eigentlich die Jugendzeit und wo „die Jugend“ bleibt? Das ist ein bisschen komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint, kann aber doch im Alltag erkannt werden: Die Erkenntnis bricht sich im Hirn des westlichen Mitteleuropäers Bahn, wenn er beispielsweise als weiblicher Mensch von etwas über 40 spontan nachfragt: „Meint die etwa mich?“ – So geschehen, als meine Frau im letzten Jahr den offensichtlich auf sie gemünzten Zuruf „dewotschka“ relativ zutreffend mit „Mädchen“ übersetzte. (Dabei gibt es noch die Form „dewuschka“, die in „Mädchen für alles sein“ vorkommt und als Anrede der Kellnerinnen, Schaffnerinnen usw. gilt.) Da haben wir also das Phänomen identifiziert! Meint „Jugend“ in Deutschland etwa das, was die Lateiner „Adoleszenz“ nannten, ist es in Russland und der Ukraine der gesamte Lebensabschnitt vor dem Greisen- oder sichtbaren Oma/ Opa- Alter. Und wer’s nicht glaubt, der mag den Peter Porsch, weiland in die DDR übergesiedelter Österreicher und nachmaliger langjähriger Chef der PDS in Sachsen, nach seiner Verzweiflung fragen, als der so in den 40er Jahren stehend als Dozent eine Einladung zu einer Nachwuchswissenschaftler- Konferenz nach Moskau bekam. Ich erinnere mich noch genau an die Begeisterung, mit der er erzählte, er sei wirklich einer der jüngsten gewesen und habe die ganze Tragweite des Problems erkannt, nachdem er das Hereintragen irgendeines hoch in den 90ern stehenden Dekans der gastgebenden Fakultät erlebt hatte! Das könnte er heute auch noch erleben, denn aufgrund der niedrigen Renten kommt es kaum einem Wissenschaftler in den Sinn, aufzuhören.

Zurück zur Ukraine heute. Dass die „Jugend“ wirklich von so ca. 20 bis an die 60 heran reicht, das stieß mir bei dem Versuch auf, rüstigen Deutschlehrerinnen in meinem Alter und darüber hinaus, sie werden so im Schnitt 55 gewesen sein, die Bedeutung des Jahres 1968 klar zu machen! Ich referierte über die Entstehung der Jugendmode aus dem Wahn heraus, seinen Stars ähnlich sehen zu wollen, skizzierte den Aufstieg eines Plattenbesitzer zum DJ und der dann einsetzenden Massenproduktion von Tonträgern und fand mich unversehens beim Begriff der „Generation“, die als „junge Generation“ hier erstmals in wahre Opposition zur „älteren und alten Generation“ tritt. Das alles sollte sensibel machen für die aus hiesiger Sicht etwas merkwürdige Art der Deutschen, in ihren Lehrbüchern immer Texte über „Randgruppen“, „Familienprobleme“, „Einsamkeit im Alter“ usw. abzudrucken. Und da passierte es! Mitten in meine schönste Entfaltung des Themas hinein stoßseufzte eine furchtbar nette, etwas füllige ältere Kollegin: „Du hältst uns also schon für alt? Bloß weil wir Goldzähne im Mund haben?“ – Fast kullerte eine Träne! Aber sicher doch, versuchte ich die Lage zu klären: „WIR hören doch alle keinen Hipp hopp mehr und Tragen keine ärmelfreien T- Shirts mit amerikanischen Aufschriften.“ … Es nützte nichts! Die Stunde war hin! Erregt debattierten die Kolleginnen die Frage des Alters um dann festzustellen, sie hätten doch einen Anspruch darauf, noch „jung“ zu sein. Und daran ändere meine hinterhältige Frage nach den Enkeln gar nichts. Natürlich hätten sie schon Enkel und sie seien stolz darauf, so junge (!) Großmütter zu sein. Na dann…- auf in die Disko!

Montag, 9. Juni 2008

Kiew und seine Nöte (III)

Eine andere „Not“ ist sicher die der Identität. Bulgakow (Bulhakov auf Ukrainisch) hat Jahre seines Lebens in Kiew verbracht, zählt aber doch als Russe, weil er auch in Moskau war und überdies – Hauptkriterium – Russisch schrieb. Gogol (Hohol) ist wenigstens seiner historischen ukrainischen Motive wegen, sein Wohnort liegt in der Nähe von Mirgorod, also auf dem Weg von Kiew nach Charkiv, zugelassen. Aber auch Repin, der ebenfalls bei Charkiv geboren und in Finnland gestorben ist (dort sollen sie ihm sogar ein eigenes Museum gewidmet haben!) gilt hier als „Russe“. Noch schlimmer trifft es Kandinsky, der mit einer ganz kleinen und nun wirklich leicht zu übersehenden Gedenktafel in Odessa geehrt wird, denn der gilt nicht einmal als Russe. Der ist „Jude“ und also eigentlich so etwas wie eine nationale Schande. Und wenn die heutige Ukraine sich lauthals von der „kommunistischen Zeit“ (wenigstens im Westen oft verunglimpft als Kommunofaschismus- wobei der Wortteil „Faschismus“ weniger anrüchig ist) abwendet, so teilt der arg volkstümelnde Kunstgeschmack mit Karpatenglühn und röhrendem Hirsch (der in Wirklichkeit längst gegessen, also ausgestorben ist) mit der weiland Realismus- Propaganda immer noch den alten Hass auf den Modernismus und die „Dekadenz“. Indem man so all die Großen, die aus Gründen der Bildung und des Anschlusses an die herrschende und als attraktiv empfundene russische Kultur eben Russisch sprachen und schrieben, aus der eigenen Geschichte ausgrenzt, bleibt man mit den Provinzblüten der tümelnden Dorfprosa unter sich. Halb nur bewusst, aber in der Hypertrophierung des Gottes Tschewtschenko und der unermüdlichen Propaganda der Weltgeltung von Olga Kobylanska (nichts gegen diese verdienstvolle Frau!), die immerhin aus der Stadt Eminescus, Celans, Ausländers, Mangers und Steinbargs stammt, also aus Chernowitz!, immer präsent ist der Minderwertigkeitskomplex gegenüber den Puschkins, Tolstois und Dostojewskijs…

Wie dem abhelfen? Immer wenn es einem Volk in der Frühphase seiner nationalen Konsolidierung an einer eigenen nennenswerten Geschichte mangelt, kommt ein unermüdlich nach Ersatz suchender Historismus ins Spiel. Wie viele Geschichtslügen der so transportiert, darüber will ich mich hier nicht auslassen, die Deutschen haben mit ihrer Herrmann- Schlacht ein hübsches Beispiel vor Augen und sollten nur mildtätig lächeln, wenn sie hören, dass der populärste Ukrainer (jüngst erkoren) ein Fürst der Kiewer Rus ist; mir geht es vielmehr um die eigenartige Architektur in einem Land, das immerhin mit dem Gasprom- Gebäude in Charkiv ein großartiges und bis heute lebendiges Monument moderner Architektur der 20er Jahre vorzuweisen hat! Im Privaten drückt sich das in einer stillosen Suche nach Vorbildern aus, die meist irgendwo zwischen Versailles und mini- mundus, Legoland und „kleinem Erzgebirge“ in ein Schlösschen mündet, dessen Erkerchen und Winkelchen spätere Dachreparaturen eher früher als später wahrscheinlich machen. Im Rahmen einer Hauptstadt sieht das natürlich anders aus und wird Historismus pur, etwa so, wie die Polen nach 1945 Warszawa im historischen Stil wieder aufbauten. Im Falle von Kiew ging es zuerst um die Wiedererrichtung der von Stalin geschleiften oder untern seiner Nachfolgern als Warenlager u.ä. missbrauchten Kirchen, deren Substanz eigentlich kaum zu retten war. Hinzu trat der Neuaufbau der Kirche, in der Tschewtschenko (siehe oben) vor seiner Reise gebetet hat, der Kirche, die als älteste im Stadtteil Podil nach alten Stichen rekonstruiert wurde usw. Neu ist der Versuch, den Reichen ein ganzes Stadtviertel zu schenken (äh, die müssen die Wohnungen natürlich kaufen, die „Armen“!), in dem sich der (Pseudo)Jugendstil Kiewer Prägung mit den Vorstellungen von „alten Gassen“ mit Weinhandlungen von Weltformat etc. verbindet. Immerhin bewahrheitet sich hier meine Voraussage, dass der wirkliche Reichtum sich bald nicht mehr in den 26geschossigen Wohnburgen zu Hause fühlen, sondern dass er nach individuelleren Lösungen suchen und also die Altstadtteile für sich entdecken wird. Da das Bauen in der Altstadt mühsam ist und das wirklich Alte (noch) kein Prestige besitzt, mag sich das Pseudo- Alte heute gut verkaufen. Es ist ja fast alles noch „Pseudo“ in der Ukraine! Aber endlich wird kein Weg an Podil und Petschersk vorbei führen, wo heute Wohnungen, deren Innenleben in Sachen Installationen und so dem hier schon oft geschilderten „meiner“ Czernowitzer Wohnung sehr nahe kommt, zu Preisen zwischen 1800 und 4000 $ monatlich vermietet werden. Wo heute Diplomaten und Mitarbeiter des Goethe- Instituts wohnen, werden später die wirklich Reichen ihre (Stadt)Häuser haben. Oder doch nicht? Einen Vorteil haben die schmalen Pseudo- Gassen immerhin: Sie sind leicht zu kontrollieren und im Notfall durch Barrikaden abzusperren, ich meine dann, wenn die Teilnehmer an den kommenden Hungerrevolten mal wieder „Revolution“ spielen. Oder werden die sich doch still vor ihren (vom Staat statt der dringend notwendigen Altersheime, Obdachlosenasyle, AIDS- Krankenhäuser und Entziehungsanstalten finanzierten) Kirchenneubauten dem Schicksal ergeben? Wer weiß …

Kiew und seine Nöte (II)

Kiew? Nun, nicht nur. „Alles, was mein Sohn über die Liebe wissen muss“ – so sprach eine befreundete Kollegin meines Alters – „steht bei Puschkin!“ Nun denn, der hat sich erschießen lassen, was Jaroslaw hoffentlich nicht nachmacht! Was die Liebe junger Leute in der Ukraine ansonsten mit Puschkins romantischem Gefühlsüberfluss verbindet, ist mir immer noch weitgehend unklar. Umfragen unter den Mädchen jeder neuen 9. Klasse (13- 14 Jahre) ergeben jedenfalls immer aufs Neue, dass sie kaum von der Liebe, sondern eher von einem reichen Mann träumen. Auch sonst hapert es mit der Romantik ein bisschen, jedenfalls was die Örtlichkeiten der dann doch vorkommenden Liebe anlangt...

Liebe auf dem Klo“ (Benjamin Lebert, Crazy) darf es zwar eigentlich nicht sein, denn das hat eine zweite mir sehr liebe Kollegin als absolut unsittlich heftig bestritten! Und hinzugefügt: DAS täten ihre Kinder hier nicht (also „Kind“ ist man hier bis zum ersten eigenen Kind bzw. bis zum Entlassungsdienstgrad aus der Armee). Ich bin mir da aber nicht so sicher, denn ich kenne eines ihrer Kinder recht gut. Und dieses argumentierte knallhart: „Wo sollen wir denn sonst hin?“ Ja, wo sollen all diese 16, 18 oder 22jährigen hin mit all ihrer Liebe, die theoretisch in der elterlichen Zweiraumwohnung und meist unter Daueraufsicht der Familien- Babuschka (Oma) stattfinden müsste. Also doch das Klo? Oder vielleicht besser die „freie Natur“? Mit der freien Natur ist es im parkreichen Kiew so eine Sache. Sie ist nicht einfach zu haben, obwohl…

Also, mitten in der Altstadt, dort, wo man von der am Dnjepr- Ufer liegenden Vorstadt Podil die Touristen- Andenken- Meile Andrijewski- „Aufstieg“ in Richtung Oberstadt hinaufsteigt, eigentlich unweit des hübschen Bulgakow- Museums (der aber – pfui Teufel – Russisch und nicht Ukrainisch geschrieben hat!), gibt es zwei weitere Aufstiege. Einer führt auf den mit Bierzelt und Aussichtsplattform verunzierten Gipfel eines der unzähligen Hügel der Djepr- Böschung und ist also nicht weiter interessant. Aber der andere, die ungepflegte Treppe mit ihren fehlenden Stufen zeigt es an, erschließt einen vergessenen Teil der Vorstadt: den alten Friedhof mit seinen eingesunkenen und von Grün überwucherten Gräbern. Dort also kann ES sein, dort also muss ES geschehen- und es geschieht auch. Sah ich beim Aufstieg noch ein Pärchen in inniger Umarmung und eine junge Frau wartend, so ließen mich die recht eindeutigen Geräusche beim Abstieg einen Bogen um das Lager derer schlagen, die endlich glaubten, einmal allein zu sein. In diesem Glauben mochten sie an jenem Tage im Mai bestätigt worden sein, denn sie sahen mich, der ich sie hörte, nicht, aber eigentlich „originell“ kann man ihre Idee schwerlich nennen. Von den vielen Umweltproblemen, die Kiew hat, ist das „Gummiproblem“ vielleicht nicht das Schwerwiegendste, aber wenigstens dort oben kam ich mit dem Zählen der herumliegenden Kondome bzw. Kondompackungen gar nicht nach. Was für ein liebeshungriges Volk!

Oder ist das wieder nur „mein Blick“? Meine Freundin Dascha behauptet jedenfalls, dass sie – seit sie mit mir spazieren gegangen ist und sich meine Erläuterungen hat anhören müssen – au8ch schon überall Kondome sieht. Interessant ihr Fazit: „ich bin stolz auf mein Volk!“ Und, hat sie nicht Recht? Was kann liebenswerter sein als die ständige Suche nach einer Möglichkeit, sich lieb zu haben?

Oder wäre die „Lösung des Wohnungsproblems“ doch die bessere Lösung?

Kiew und seine Nöte (I)

Klar, ich bin nicht aktuell. Der neue Bürgermeister von Kiew, das fast 50% des BIP der Ukraine produziert, ist auch der alte. Ein Milliardär, der schon mal einen Innenminister auf öffentlicher Szene ohrfeigen darf, und der dann – wegen des folgenden Skandals (Innenminister haben was mit Macht und Korruption, bisweilen auch Anti- Korruption zu tun) – auch prompt seiner Neuwahl zustimmen muss. War die Wahl von vorneherein sicher? Wohl nicht ganz, denn im Nebel des politischen Irgendwo brauten sich konkurrierende Interessen auf, die sehr wohl über Einfluss auf die öffentliche Meinung der Hauptstadt verfügen. An erster Stelle wäre da wohl der vor Tschernowietzky amtierende Bürgermeister Omeltschenko („unser Omeltschenko“) zu nennen, der unter der „neuen“ Macht um die sorgsam eingefädelten Immobiliengeschäfte seiner Söhne bangen musste und dem sein Sitz im Parlament (notwendig wegen der vor Strafverfolgung durch diverse Neider schützenden Immunität) nicht mehr genug war. Genug, dass er angetreten ist. Er wird kaum „verloren“ haben, denn das Taktieren der Kandidaten macht so manchen vorteilhaften „deal“ mit dem lancierten Gewinner möglich.

Unzweifelhaft populär auch ein Boxer: Klitschko mit Namen. Was macht so ein Mann in der Politik? Mögen es andere „analysieren“, fest steht, dass er – unterstellen wir ihm edle Absichten – sowieso nur hätte „edel“ scheitern können. Mit starker Hand gegen Korruption- das war sein „Programm“. Bloß wem wollte er die Nase einschlagen in seinem Rathaus? All den freundlich lächelnden Mitarbeitern der Administration, ohne die er nie hätte auch nur einen Schritt unternehmen können? Denen sicherlich nicht. Irgendwelchen „Großen“… - vielleicht Aber es wären doch die „Kleinen“ gewesen, an denen er scheitern musste. Freilich, Menschen sind ja nicht durch und durch schlecht und kommen schon gar nicht korrupt auf die Welt. Sie verdienen nur einfach zu wenig und haben sich an diverse Nebenverdienste gewöhnt, denn nur mit diesen können sie ihre Familien durchbringen und das Auto unterhalten, mit dem sie allmorgendlich die Straßen zustauen. Klitschko ehrlich unterstützen würde bedeuten, sich selbst arm zu machen. Von wem kann man, kann ein Millionär wie dieser Ex- Profi DAS verlangen? Die Mittel, all diesen subalternen Mitarbeitern durch ein stattliches (monatliches) Geldgeschenk den Anti- Korruptions- Kurs zu versüßen hat er schließlich nicht. Also ist der Milliardär dran, der zwar im Traum nicht daran denkt, in Sachen Korruption etwas zu unternehmen, aber der immerhin Geldgeschenke machen kann…

Geldgeschenke? Nun ja, Wahlkampf ist eine lukrative Sache für die Zeitungen, die endlich ein Thema haben und Anzeigen schalten können, für die Werbe- und Druckindustrie, die all diese unglaublichen Massen von Plakaten, Handzetteln, Zeitungen usw. herstellen darf, die sich in Deutschland keine Partei leisten könnte, und schließlich auch für den kleinen Mann, der als gekaufter Demonstrant (ca. 10 Euro/ Tag) oder Handzettel- Verteiler in einem Wohngebiet (ca. 100 Euro/ Monat) oder gar „Inhaber“ einer Wahlkampfzeltes (in dem er im Wesentlichen rumsitzt, weil es 1. niemanden interessiert und weil er 2. auf Fragen nichts antworten könnte, da er sich eh für Politik „nicht interessiert“) für bis zu 400 Euro im Monat mal einen gut bezahlten Job findet. Meine junge Freundin Ljuba verdiente immerhin bei einer kleinen Partei, deren Namen sie nur mit Mühe aussprechen konnte und von deren Programm sie rein gar nichts wusste, 100 Euro im Monat für ca. 2 h „Arbeit“ am Tag. Manchmal musste sie sich nur mal kurz „im Zelt“ sehen lassen! Zum Vergleich: Für 18 h pädagogischer Arbeit an ihrer alten Schule hat sie inklusive nachmittäglicher Korrekturen usw.für Polnisch- Unterricht nicht ganz 100 $ verdient…

So freut sich auch der kleine Mann immer mal wieder auf die turnusmäßig stattfindenden Wahlen, die ihn ansonsten kaum interessieren. Er hat keine Ahnung, aber – im besten Falle – eine Meinung: und die wählt er. Dass es eine gekaufte Meinung ist, merkt der, der selber immer nur ans Kaufen denkt, selber nicht. Das erkennt man nur am Wahlergebnis und das spricht eine deutliche Sprache: Wer Milliardär ist, mag ein Idiot sein, aber vom big Business wird er wohl was verstehen. Und drei Mal dürfen die auch diesmal wieder Betrogenen raten, bei wem der sich all die Kosten für das viele Papier, für die Fernsehauftritte und für die Wahlkampfstände zurückholen wird! Aber das Volk, der große Lümmel, träumt von Zuckererbsen noch immer…

Sonntag, 8. Juni 2008

Remont die dritte...

Also wie oft nun noch? Die dritte „Reparatur“ meiner Badsteckdose brachte endgültig das Desaster. Als die Flammen im Maschinengewehrtakt aus der Dose schlugen und ich nicht wusste, wie ich da den Stecker ziehen sollte – dass die Sicherungen also überbrückt sind, ist nun endgültig klar -, wollte ich endlich ausziehen! Aber der Anfall währte nur kurz. Ich griff mir ein paar Lederhandschuhe und riss beherzt den bereits angeschweißten Boilerstecker samt Steckdose aus der Wand und von den brüchigen Alu- Kabeln ab, die der chosjain (Wirt, Hausbesitzer) anno dunnemals selbst verlegt hatte. Dass ist ihm nun wohl doch zuviel, denn trotz Zusage am Freitag ist er noch nicht erschienen. Sitze also seit 3 Tagen wieder mit einer Schüssel heißen Wassers in der Badewanne... Wie oft hatte ich das nun schon in den letzten 7 Jahren? Ich werde es auch diesmal wieder überleben :-(

Bleibt noch was zum chosjain zu sagen: Ein netter Mensch immerhin und zuverlässig um mein Wohl in seiner Wohnung bemüht. Ich habe wohl alle die üblichen Vorurteile den Deutschen gegenüber bestätigt und das freut ihn. Bisher war immer aufgeräumt, wenn er kam, an meiner Stromrechnung sieht er, dass ich sparsam bin; dass ich kein Gas verbrauche, nimmt er kopfschüttelnd hin, aber da keine Frau im Hause ist, versteht er, wenn nicht gekocht wird. Sein Mobiliar ist noch heil und ich bezahle sogar die unsinnigsten Telefonrechnungen- was will er also noch? Was er will? Gewissheit! Er möchte so gerne wissen, wer ich bin, denn dass ein Deutscher in der Ukraine in einer Schule (!) arbeitet, das will ihm denn doch nicht in den Kopf. Dass ich - nach eigener Aussage - Mitarbeiter der Botschaft sein soll, befriedigt ihn schon gar nicht. Ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft in seiner Wohnung in Chernivci?! Pfff, Hose und Kneifzange oder so. Bei der letzten Reparatur ergab sich nun die Gelegenheit, sich Gewissheit zu verschaffen. Da ich nicht da sein konnte, hatte ich eine Schülerin gebeten, das Haus zu hüten bis er kommt. Die lachte sich tot und vermeldete, er habe mindestens drei Mal nachgefragt, ob ich nicht doch ein westlicher Spion sei! Arme Sowjetphobie allem Fremden gegenüber!

Kenne ich das nicht schon? Ja, nach einer langen fruchtlosen Diskussion mit einem ehemaligen Panzergeneral der sowjetisch- ukrainischen Streitkräfte (damals ca. 45 Jahre alt und also etwa 15 Jahre außer Dienst) über die amerikanischen Interessen, alles wissen zu wollen, weshalb man beispielsweise zu „seiner Zeit“ Stadtpläne druckte, auf denen Straßen fehlten, die zu militärischen Anlagen führten, zeigte ich ihm in google- earth sein Haus in Kiew mit 3 Autos davor. Er war so erschüttert, dass er nicht mal seinem Sohn glaubte, dass heute jeder Amateur im Internet seine Panzerkaserne in der Ich- weiß- nicht- mehr- wie-sie-heißt-Straße ansehen kann. Wenigstens für Minuten war ich auch bei diesem Freund der westliche Spion mit den unglaublichen Möglichkeiten eines James Bond! Satelliten- Bilder hat er nicht mal als General zu sehen bekommen!

Ja, ein Handy allein schafft eben doch keinen modernen Menschen und – was meinen chosjain anlangt – so möge er weiter glauben, dass man bei einem Boiler aus Metall keinen Schuko- Stecker braucht, weil die Erdung ja über den Wasserstrahl erfolge. Anfrage an Sender Eriwan: „Stimmt das?“ Antwort: „Im Prinzip ja. Ist nur dumm, wenn sie gerade unter dem Strahl sitzen!“ Aber ob das so schlimm ist? Ein Spion weniger…

Montag, 2. Juni 2008

Das Wandern ist des Müllers Lust…

Nicht nur des Müllers, sondern auch des einsamen Bundesprogrammlehrers, der neugierig war, wohin ein Karpaten- Tal- Weg führt, den er schon Mal in Familie zu erkunden versucht hatte. Damals scheiterte das Unternehmen am regnerischen Wetter; das war diesmal nicht zu befürchten. Aber, um es vorweg zu nehmen, trotz 3stündigen unermüdlichen Eindringens in die Tiefen des Tals hab ich das Ende nicht erreicht. Ehe ich aber dazu komme, sind ein paar touristische Informationen unumgänglich…

Eigentlich wollte ich nämlich gar nicht unbedingt dorthin, wo ich schon einmal war. Also hielt ich in Berehomet an, wo endlich einmal sichtbar ein Waldweg in die Natur hinein führte. Nach ca. 20 min wusste ich, dass ich auch dieses Mal wieder einem Trugschluss aufgesessen bin. Solche Wege sind bestenfalls temporäre Transportwege für die Holzfäller; sie enden auf einer Rodung und verwahrlosen dann in dem Maße, wie das Gebiet nicht weiter bewirtschaftet wird. Für die Naturlandschaft ist es natürlich toll, dass sich die Ausbeutung der Natur nur auf straßennahe Zonen beschränkt, für den Wandervogel ist es aber ein Ärgernis: Man fährt an herrlichen Ausblicken in die Berge vorbei und findet buchstäblichen keinen „Eingang“; nicht mal Trampelpfade wie rings um den Hoverla, den höchsten Berg der Ukraine! So sehr ich auch suchte, es wurde nichts. Alle Wege enden an irgendeinem Gehöft oder irgendeiner Bergwiese, von der aus dann nichts mehr geht.

Wanderkarten soll es übrigens geben. Mein Nachbar meinte, in den ausgesprochenen Wintersportgebieten hinter Jaremcha gäbe es auch ausgedehntere Wanderwege, Ich fand aber am Karpatenrand keine und die Karte, die ich am Eingang des Wyshnicaer Distrikts am Straßenrand sah, verzeichnete 3 Touren im ganzen Gebiet. Zwei davon begannen in Wyshenka, dem Ort, den ich schon einmal durch Zufall gefunden und dessen Bergtour (ca. 1,5 h) ich schon einmal gegangen war. Die Taltour auch, aber eben unvollständig.

Also schritt ich zügig aus, da ich ja weiter als beim letzten Mal kommen wollte. Der Weg folgt dem kleinen Bergfluss, der von den Gipfeln zum Cheremosh führt. Aber, das war meine erste Erkenntnis, auch bei trockenem Wetter ist er teilweise eine Art Flussbett für die Bächlein, die als Zubringer fungieren. Kurz, es blieb feucht und so richtig schnell kam ich nicht voran, da oft Wasserflächen zu überwinden waren. Dafür wurde die Landschaft immer schöner und blieb – das müsste es mal in Deutschland geben – so menschenleer wie am Anfang. Insgesamt sah ich in 6 Stunden 3 Angler, eine Reiterin, eine Mercedes- Familie beim Picknick, ein Holzfahrzeug mit Arbeitern und zwei Trottel mit solchen geländegängigen, als Vierradfahrzeug umgebauten Motorrädern, die unnötigerweise die Stille mit ihrem Gedröhn für einen Moment störten. Aber die sah ich dann nicht wieder.

Ziemlich weit hinten gab es dann doch Wege, die vom Hauptweg abbogen und in die Berge führten. Einen erklomm ich und wurde für meine Mühe mit einem herrlichen Blick auf di8e umliegenden Hänge belohnt. Wahrscheinlich führen andere Wege zu den kleinen Häusern auf der gegenüberliegenden Seite. Wo der Weg endet, konnte ich trotzdem nicht herausfinden, denn nach ca. 3 Stunden beschloss ich umzukehren. Da der LKW, der sich vor mir durch den Fluss quälte, irgendwoher gekommen sein musste, vermute ich mal, dass der Ausgang auf der anderen Seite an der an der Straße nach Putyla liegt. Mal sehen, vielleicht schaffe ich das beim nächsten Mal!

Zurückgekehrt zum Eingang des Tals ließ ich mir jedenfalls die frischen Tomaten und das Zwiebellauch schmecken, das in einer dem „grünen Tourismus“ verpflichteten Gastwirtschaft im Blockhausstil zum deftigen Schaschlik gereicht wurde. Schaschlik, ja, das können sie hier…