Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 29. Juni 2009

Verkaufskultur und ihre Folgen

Also, der kleine - eigentlich günstig um die Ecke gelegene - Supermarkt "Wopak" kann mir nun endgültig... Ohnehin nicht gerade mit einem reichhaltigen Warenangebot gesegnet, nervte mich dort immer schon die beinahe aussichtslose Suche nach frischen Lebensmitteln. Meine Lieblingssorte Schmierkäse lag wochenlang mit dem Aufdruck eines um mehr als einen Monat überzogenen Verfallsdatums im Regal und als endlich Frischware auftauchte, also ein paar Packungen, die gerade noch so im Haltbarkeitszeitraum lagen, nahm die Verkäuferin sie mir aus dem Wagen und legte die alten rein. Die müssten halt weg... Nun, was einem arroganten Westler in einem solchen Falle über die Lippen kommt, kann man sich vorstellen. Ich habe mich nicht beliebt gemacht...

Trotz aller Vorsicht beim Einkauf hat es mich nun aber doch erwischt. Offensichtlich hatten die gestern "frisch" gekauften Kabanossi vom Typ "Mysliwskie", die auf ihrer Verpackung keinerlei Angaben über den Verfall tragen, doch länger als erwartet irgendwo in den hinteren Regalteilen gelagert, ehe sie von einer umsichtigen Verkäuferin endlich mal "nach vorne" gelegt wurden. Sie sahen ja auch noch gut aus und das wird gereicht haben, diese Aktion zu legitimieren!

Mir ist auch nichts aufgefallen. Die unseren Knackern ähnlichen Würstchen schmeckten wie gewohnt und bis 22.00 Uhr ging es mir gut. Dann aber setzten Magenkrämpfe ein, die trotz Mezym- Forte nicht nachließen. Einzige Linderung - Omas gute Wärmflasche! Durchfall kam etwas später. Ob meiner Bemühungen, endlich doch einzuschlafen, hatte ich das gegen 04.00 Uhr anfallartig über mich hereinbrechende Fieber gar nicht registriert. Von Schneestürmen und Eiswasser träumend begriff ich erst spät, dass der Schüttelfrost keine Kälte aus dem Traum war, sondern vom Fieber her rührte. Das kannte ich von Polen her, wo es mich schon einmal so erwischt hatte: Salmonellen! Kurz nach dieser Erkenntnis sckte ich - wie damals, als ich noch 40 Grad registriert hatte - einfach weg, ohne etwas unternehmen zu können. Aufgewacht bin ich dann gegen 13.00 Uhr und außer dem klatschnassen Bett war alles relativ normal. Ein bisschen kottrig fühlt es sich an, man hat Grummeln im Bauch.

Wenn sich die Anfälle nach Ablauf von 6 h wiederholen, hat es mich bös erwischt. Das wusste ich noch von damals, als ich vormittags brav ins Kolleg ging, nachmittags dann hingestreckt wurde. So hab ich heute die Bettwäsche gewaschen und dabei bang auf einen neuen Anfall gewartet. Nun sind die 6 h deutlich überschritten und ich habe schon zwei Mal was gegessen. Entwarnung also.

Was ist weiter zu tun? Der tägliche Nachhauseweg wird von jetzt an am Hotel "Nadia" und der dortigen Delikatess- Halle vorbei zum "Wopak" führen, wo ich nur noch Bier und Wasser kaufen werde, um es nicht so weit schleppen zu müssen. Mal abgesehen vom Sprachproblem ist Sich-Beschweren wohl aussichtlos. Es würde auch kaum was ändern. Beim Thema "Gesunde Lebensmittel" wussten jedenfalls viele der 20 Drogobycer Schüler von regelmäßigen Vergiftungen im Sommer zu berichten, weswegen sie dann "Produkte" ihrer Gärten bevorzugen. Wohl dem, der eine Datscha hat...

Chernivci in neuem Glanz

Habe ich doch glatt vergessen zu berichten, dass ich Anfang der vergangenen Woche zwei Tage in Chernivci war, um mein Auto durchsehen zu lassen und Schülerinnen und Schüler zun treffen, die ich beim letzten Mal nicht sehen wollte/ konnte/ durfte. Was soll man machen, wenn es so viele sind, die einen sehen und sprechen wollen? Sie in "Schichten" bestellen...

So traf ich am Abend vom Dienstag zum Mittwoch meine Absolventinnen und Schüler der 10. und 11. Klasse. Das Gros der 10. und 11. kam dann am Mittwoch früh. Gegen 17.00 Uhr bin ich abgefahren. Allerdings war ich am Donnerstag in Begleitung "meiner Alumnis" aus Ivano schon wieder da. Sie waren noch nie (Ira) oder schon lange nicht mehr (Taras und Anja) in Chernivci gewesen und ich hatte versprochen, als Stadtführer in der nunmehr 600 Jahre (unübersehbar sind überall die Zeichen des Jubiläums- siehe Bild oben) alten Stadt zu agieren und den jungen Ukrainern ihre Heimat zu zeigen ;-).

So besuchten wir als erstes den jüdischen Friedhof (Bild links), auf dem Aufräumarbeiten ins Auge fielen. Ich habe dort bisher noch nie ein Gräberfeld offen und vom Bewuchs befreit gesehen. Nun kann man den ursprünglichen Zustand erahnen und auch auf Seitenwegen in das Dickicht weiterer "Schichten" der Begräbnisstätte eintauchen. Gut so. Bloß der Zugang zur letzten Ruhestätte der bei den Kämpfen im 1. Weltkrieg gefallenen Tataren ist nicht frei. Zufall? Wie immer unterstelle ich Absicht. Sei es nun die berühmte "böse" oder einfach bloß die übliche Unachtsamkeit. Dabei wünschte ich dem Umstand, dass damals weder Katholiken noch Protestanten bereit waren, die Toten aufzunehmen, die Juden ihnen aber eine letzte Heimstatt gaben, eine größere Bekanntheit. Vielleicht könnte man den jüdischen (und warum nicht auch den palästinensischen?) Bürgern Jerusalems dies als memento vor Augen führen?

Jüdisches hat noch/ wieder seinen Stellenwert in Chernivci. So erinnern Bronzetafeln in der Kobylanska oder an der Philharmonie an jüdische Künstler. Das ehemalige jüdische Kulturhaus, jetzt als städtisches Kulturhaus renoviert (Bild links oben), trägt ebenfalls eine Gedenktafel, die an die frühere Bestimmung erinnert.

Hübsch anzusehen, aber leider immer noch im Rohzustand, ist der neue Brunnen am "Türkischen Platz". Kann sein, dass das Geld nicht gereicht hat; die Deckplatten über den verfliesten Seitenwänden am Brunnen und an der neu gestalteten Treppe fehlen. So wirkt die Pracht der vorderen, marmorverkleideten Säulen, trotz allem etwas schäbig. Wenn jedenfalls bis zum Winter nichts passiert, ist alles im nächsten Jahr kaputt. Hoffentlich findet sich rechtzeitig ein Sponsor...

Endlich fertig ist hingegen die Kobylanska- Straße, die alte "Herrengasse". Die Hausfassaden sind durchgängig neu gestrichen, der Boulevard mit neuen Platten belegt. In der Mitte gibt es Bäume, um die herum Sitzgelegenheiten zum Verweilen einladen. Einige neue Läden und diverse neue Freisitze sowie Lokale (beispielsweise das Restaurant "Kärnten" im Deutschen Haus) zeugen von dem Bemühen, die einstige Prachtstraße mit Leben zu füllen und so im eigentlichen Sinne wieder zu beleben. Was nutzt sonst die aufwändige Renovierung, wenn nur ein paar Touristen sie genießen?

Auch sonst machte die Stadt im Sonnenschein einen sehenswerten Eindruck. Schade nur, dass alles nur eine Kulisse des einstigen "Lebens" (in seiner geistigen Dimension) darstellt. Ob es der jungen Generation trotz Geschichts- und Lesedesinteresse gelingen wird, sich das im Gegensatz zu den Neubaugebieten ansehnliche Stadtfeld endlich nachhaltig anzueignen? Meinen jungen Freunden aus Ivano hat es dort immerhin gefallen...

Sonntag, 28. Juni 2009

Stare Selo und Halicz

Das Unfall- Foto entstand auf einer Fahrt nach Lwiw. Auf der Rückfahrt hatte ich Zeit, die ich verbummeln konnte. Endlich Gelegenheit, die sagenumwobene Ruine eines Forts (fortecja) etwas abseits der Straße zu suchen. Der Weg nach Stare Selo bestand aus ca. 2,8 km schlimmster "Landstraße", aber am Ende fand sich doch die ziemlich gigantische Festungsanlage, von der aber nur die Ringmauer (Bild links) noch fast vollständig erhalten ist. Der Innenhof ist bis auf einige Mauerreste und ein paar Büsche geräumt, wohl auch, weil hier allsommerlich ein Rockkonzert stattfindet, das - weil kostenlos und sicher romantisch bei dieser Kulisse - gut besucht sein soll. (Die Büsche dienen dann sicher zum... Nun ja, vielleicht hat man ja doch ein paar Toi- Toi- Häuschen für das dringende Bedürfnis! Aber wohl eher nicht- oder wenigstens nicht genug. Und selbst wenn, dann wird es - wie immer - genügend Leute geben, die es bis dahin nicht schaffen oder die nicht warten können!) Dieses Jahr findet das Konzert am 19. 07. (oder 29.?) statt. Jedenfalls hörte ich ziemlich zeitgleich mit dem Entschluss, diesmal die Straße zu verlassen und das Fort zu suchen, eine entsprechende Reklame...

Hm, ich verstehe leider immer noch nicht immer alles, was mir so gesagt wird. Was das Fort anlangt, war das kein Wunder. Ein paar kleine Stifte von 8 0der 9 Jahren standen bereit, ihr Wissen um die Geschichte in ein paar Hrivna umzusetzen. Eigentlich wollte ich nicht, aber als der, der mich als erster angesprochern hatte, artig akzeptierte, dass bei mir kein Geld zu verdienen ist, fand ich es doch gut, ihm Gelegenheit zu geben, zu zeigen, was er weiß. Er spulte allerdings seinen auswendig gelernten Text in einer derart atemberaubenden Geschwindigkeit ab, dass ich nur verstand, es habe hier einst eine Holzbefestigung gestanden, die von den Türken errichtet worden sei. Ob DAS stimmen kann? Dann haben die Polen den Steinbau als Garnison und Schutzwerk gegen eben diese Türken errichtet, sich hier aber u.a. mit den Kosaken geschlagen, die in den Kosakenkriegen wohl Sieger geblieben waren. Chmelnitzky soll auch da gewesen sein. Immerhin begriff ich, welcher der Fürstenturm war, also der Sitz des fürstlichen Kommandanten (welcher Fürst?), und wo die Munitionstürme standen. Ein paar Mauerreste sollen die Soldatenunterkünfte gewesen sein. Mag sein. Jedenfalls sind die Reste der Mauerkronen aus der Zeit der Renaissance und Wehrgänge mit Schießscharten hat es mindestens 2, wenn nicht 3 gegeben. Geologisch mag früher ein sumpfiges Gelände etwas Schutz geboten haben, sonst schien mir die strategische Lage nicht eben günstig. Aber das werden die alten Baumeister besser als ich gewusst haben. Was heute übrig ist, ist jedenfalls - ich wiederhole mich - imposant genug.

Solche Rückfahrten von Lwiw aus führen über Halicz, dessen Schlossruine ich schon kannte. War trotzdem noch mal oben am Turm, von dem aus man weit ins Land sehen kann. Das wollte ich auch, aber das sich zum Regenguss zusammenziehende Wetter machte gute Fotos unmöglich. Oder kann man erkennen, wie weit ins Land hinein die Rauchschwaden des TEC (Wärmekraftwerk) Bursztyn (Bernstein!) reichen? Man sieht sie aus Richtung Lwiw kommend etwa 30 km bevor man den Ort erreicht!

Halicz selbst liegt zu Füßen der Burg am Flußufer. Das kleine Flusstal ist recht hübsch anzusehen wegen der viele kleinen Inseln und der weiten Wiesen an den flachen Ufern des mäandernden Flussbetts. So mag es auch vor Jahrhunderten ausgesehen haben. Bloß gab es da die Brücke sicher noch nicht...

Verkehr

Andruchowytsch hat wohl Recht, wenn er - was ich seit langem behaupte - die "Inbesitznahme" urbaner Architektur und Kultur durch zugewanderte proletarische Russen (nach 1939 bzw. 1945) bzw. sich proletarisierende Elemente ehemals dörflicher ukrainischer Bevölkerung (seit den 50er Jahren) für den Niedergang der städtischen Kultur verantwortlich macht. (vgl. Andruchowytsch, Das letzte Territorium, Suhrkamp, Frankfurt/ M. 2003, S. 45 ff.) Ähnliches behaupte ich nun mal öffentlich für den Auto- Verkehr bzw. für die "Kultur des Verhaltens im Straßenverkehr". Alles eine Folge davon, dass sich Bauern, die bis gestern Pferdewagen kutschierten, nun in Jeeps, dicke Lexus oder auch nur klapprige Ladas setzen! Das ist wie modernste Hardware von sagen wir einem Terrabite Festplatte inklusive Super- DSL etc. gekoppelt mit einem Pentium I und Win- Doofs 98 im Kopf! Man merkt es an den langsamen Reaktionen trotz Tempo 130; meist schauen die Lenker erst in den Spiegel, wenn sie schon halb abgebogen sind. Auf die Idee, dass jemand 140 km/h schaffen könnte, kommen sie meist gar nicht (oder zu spät). Das verhält sich mit dem Lada- Fahrer, der die Großfamilie mit Tempo 60 über die Straßen schaukelt, kaum anders. Er schaut höchstens alle 5 min mal hinter sich und findet das wohl schon viel zu viel, denn "früher", also als man noch mit dem rotbetressten Pferdchen trabte, brauchte man den "Schulterblick" auch nicht öfter. Resultate wie das hier zu bewundernde - wie konnte das am hellerlichten Tage bei absolut gerader und einsehbarer Straße passieren? - sind dann die Folge...

Der Rest ist die Mentalität des "Herren zu Pferde". Der Gaul muss prächtig sein, also der Wagen groß (Hauptsache groß!); und wer dem Herren in die Quere kommt, wer also bloß niederes Fußvolk ist, wird gnadenlos niedergeritten, was man an den Limousinen sieht, die alles niederzuwalzen bereit sind, seien es nun alte Babuschkas auf dem Zebrastreifen ("Kann die Alte nicht schneller, oder was?") oder Radfahrer am Straßenrand. Bremsen wegen unschuldiger Kinder? Fremde Idee aus dem verweichlichten Westen. Das trifft natürlich auch auf das Anlegen von Sicherheitsgurten zu; Taxifahrer sind geradezu beleidigt, ob dieses offenen Mißtrauens ihren Fahrkünsten gegenüber, und spätestens gewesene Offiziere werden einen dann aufklären, dass man hier sehen kann, wie weit der Mut der heutigen Deutschen von dem der früher hier kämpfenden entfernt ist. Verachtung gilt dem feigen Germanen- ein Kosak stirbt aufrecht in seiner Karosse! Alles klar? Weitere Ausführungen darüber, wie man etwa zu einer den Wetterverhältnissen angepassten Fahrweise steht, kann ich mir wohl sparen. Fakt ist: Spätestens 5 min nach Regenbeginn stehen die erstenWracks am Straßenrand- meist Auffahrunfälle....

Marmor, Stein und Eisen bricht...

... bloß unsere Liebe nicht- so hieß es mal in einem vor ziemlichn langer Zeit populären Song. Gute Frage, ob die jungen Leute, die ihre Liebe mit Schlössern an die rostigen Geländer der Brücke zur Ivano- Frankiwsker "Liebesinsel" gekettet haben (gesehen bei einer meiner letzten Wanderungen hier), von der Vergänglichkeit, dem Brechen aller harten Materialien gehört haben. Mag sein, dass "Liebe" nicht bricht, obwohl sie doch ofensichtlich in der Lage ist, Herzen zu brechen. Soll sie aber überleben, soll auch das Herz überleben, muss sie biegsam sein, sich an keine Moral "ketten" lassen, deren Grundbestand aus einer Zeit ohne Kontrazeption und der (aus heutiger Sicht) übersteigernten Bedeutung des Erbes und damit des Erben erwachsen ist. "Liebe", sagen die Franzosen, "ist ein Kind der Freiheit". Wozu also Ketten resp. Schlösser, die einschließen, was in die Welt hinein zu öffnen das Vernünftigste wäre...

Samstag, 20. Juni 2009

Ivano Frankivsk- jüdischer Friedhof

Leider begann es zu regnen, als Anne- Sophie und ich den Friedhof erreichten, der unweit meiner Jogging- Strecke um den See herum zu finden ist. Ich war einmal schon fast da, drehte aber bei der damaligen Foto- Wanderung genau einen Querweg vorher ab, weil mir die Gegend dort nicht eben interessant erschien. Nun, mit sachkundiger Führung, war ich also da.

Der Friedhof ist an seiner noch teilweise intakten (oder doch einst restaurierten?) Feldstein- Mauer in seinen ehemaligen Ausmaßen gut zu erkennen. Ein großes Areal, auf dem die Grabstellen jedoch zumeist eingeebnet sind. Eine Frau machte Heu, als wir kamen. Ich hätte sie fragen sollen, ob das als Friedhof- Pflege zu interpretieren sei, oder ob sie nur privat das Gelände nutzt. Wie dem auch sei, auf diese Weise sieht man, dass da (fast) nichts mehr ist. Vereinzelt finden sich Reste von Grabstellen, Grabsteine keine. Wahrscheinlich haben schon die Nazis sie für andere Zwecke "verwendet". Was noch steht, ist wohl später wiederaufgestellt oder neu errichtet worden. Wie in Czernowitz sind diese historischen Steine wild von Unkraut und Gebüsch überwachsen. In Czernowitz übrigens plant die "Aktion Sühnezeichen" eine Aktion zur Pflege des Friedhofs- so Anne- Sophie, die es aus dem Internet hat. Sollen sie. Nötig wäre es auf jeden Fall. In Sniatyn gibt es eine ähnliche, allerdings deutsch- polnisch- ukrainische Gemeinschaftsaktion, die den Bewohnern der Stadt am Beispiel ihres historischen Friedhofs die Geschichte näher bringen soll. Auch in Ivano wusste keiner meiner Schüler, wo sich der jüdische Friedhof befindet...

Ein kleiner Teil des hiesigen Friedhofs ist bis in die 60er oder 70er Jahre hinein noch genutzt worden. Dort finden sich Gräber eher schon sowjetischen Zuschnitts. Einen separaten Teil mögen die deutschsprachigen Juden gehabt haben, jedenfalls liegen nahe dem Eingang einige Reste von Grabsteinen mit deutschen Namen.

Das war es denn auch schon. Mehrere separate Gedenksteine erinnern u.a. an die "beinahe 100 000 Sowjetbürger", die dem Terror zum Opfer fielen, an die ermordeten Juden von Borodszany, deren Überreste hier noch bestattet werden konnten. Ein neuerer Stein trägt eine hebräische und ukrainische Inschrift und am Eingang steht geschrieben, dass eine jüdische Familie den Erhalt des Friedhos ermöglicht hat. "Der Toten wird in ihren Familien in den USA und in Israel gedacht werden", so oder so ähnlich steht da geschrieben. Vermutlich zutreffend, denn jüdische "Familien" wird es in der Ukraine, wo ohnehin kaum jemand der ermordeten Juden gedenken würde, in nennenswerter Anzahl nicht mehr geben. Auch die Gemeinde in Ivano ist eine "Gemeinde auf Abruf", eine Gemeinde, in der man auf das Visum wartet oder auf die Ausreise, die man höchstens der noch lebenden Omas oder Opas wegen aufschiebt. Wo die begraben werden? Wer weiß- frische Gräber fehlen auf dem historischen Friedhof...

Oben, am regenverhangenen Himmel, krächzten die Raben. Totenvögel. Irgendwie passend zu dem verlassenen Areal, in dem sich außer uns nur ein Liebespärchen befand, dass sich vom Regen nicht vom Sockel des zentralen Gedenksteins vertreiben ließ. Liebe auf so einem Friedhof? Irgendwie passend zu der Hoffnung auf Zukunft, die es doch zu bewahren gilt (wenn es auch schwer fällt)...

(Leibliche) Freuden des Lebens

Alfreds Alumnis also. Oder doch schon meine jungen Freunde? Immerhin war es recht nett, als sie bei mir waren, und es ging lustig zu und wir haben Zukunftspläne geschmiedet. Den jüdischen Friedhof hier besuchen, gemeinsam mal nach Czernowitz fahren usw. Und kochen natürlich! "Zu Hause würde ich nicht kochen lernen wollen", meinte Ira, die Jüngste der Gruppe (auf dem Bild ganz rechts), "aber hier macht es mir Spaß." Wer war auf die Idee gekommen? Taras, Ökonomie- Doktorand an der hiesigen Vorkaparten- Universität, und - ganz nebenbei - Sohn meines Direktors? Oder hat Julia, zur Zeit eine mit ihrem Job nicht ganz zufriedene Anfestellte beim kommunalen Gasversorger (auf dem Bild links neben Taras), ihn (wie so oft) dazu provoziert? Die Premiere fand jedenfalls vor gut einer Woche als "Taras kocht das erste Mal Pasta" bei Anne- Sophie (oberes Bild ganz links), derzeit im sozialen Jahr bei der Caritas in Ivano, statt. Durch Zufall traf ich die jungen Leute in meinem Supermarkt und sie luden mich ein, doch einfach mitzukommen und mitzuessen. Pasta! Da konnte ich nicht "Nein" sagen ;-) Hat auch gut geschmeckt und lustig war es sowieso...

Am Montag haben sie sich dann erneut (diesmal schon mit mir) verabredet und gemeinsam erkundeten wir die Möglichkeit, in meiner kleinen Wohnung mit 6 Leuten zu kochen und anschließend das Zubereitete zu verspeisen. Taras war wieder der Hauptbeschäftigte, tatkräftig assistiert von Julia, die vom Teig kneten Muskelkater bekommen hat. Anne- Sophie konnte immerhin Kommentare über die notwendige End- Konsistenz des Teigs beisteuern- sie kennt sich als Saarländerin mit dem Teig- Kneten aus. Auf dem Speiseplan stand "Chatscha- Purri" (wie immer man das auch schreibt). Was das ist? Eine Art Teigtasche gefüllt mit einem Sahne- Käse- Gemisch. Für die Käse- Spezialität zeichneten Ira und Anja (Schwestern, Anja schon fertige Germanistin, Ira noch Studentin im bald 3. Studienjahr) verantwortlich. Hm, Ira immer in der Nähe von Taras, was ich - wenn ich ein Mädchen wäre - auch machen würde ;-) ...

Ich musste noch ein bisschen arbeiten und hab meine Testergebnisse, die Korrekturen von 30 schriftlichen Arbeiten konnte ich gerade so zur vereinbarten Zeit abschließen, noch eingeben und absenden müssen. Dann hab ich aber auch noch beigetragen: Mit geschnittenen Tomaten und der Verpflichtung, anschließend das Geschirr abzuwaschen! Es soll halt jeder tun, was sein Talent ist, oder? ;-)

Bleibt die Frage zu beantworten, ob es geschmeckt hat? Na aber! Es ist nichts übrig geblieben, obwohl alle wirklich gut satt geworden sind. So eine Käsefüllung hat es in sich!

Man sieht jedenfalls Erleichterung darüber, dass alles gelungen ist. Und auch Anja (auf dem Bild links) sparte nicht mit Lob über ihre tat"kräftige" Freundin. Sympathisch. Hier lernt keine für ihre künftige Rolle und Taras ist alles andere, als ein ukrainischer Macho. Einfach ein intelligenter junger Mann. Schön, dass es das immer wieder zu berichten gibt von einem Land, in dem ich sonst so viele mich eher unangnehm berührende Beobachtungen mache und auch mitteile. Es freut mich. Warum auch nicht?

Freitag, 19. Juni 2009

Reisen: Drogobyc und zurück

Ja, Drogobyc... 136 km hin und 136 wieder zurück. Anfangs ein Mal die Woche, dann - während des gerade heute zu Ende gegangenen Intensivkurses - jeden Tag. Im nächsten Jahr wird es mich Freitag und Sonnabend dorthin tragen, wobei ich wohl - zumindest im Winter - irgendeine günstige Übernachtung finden muss. Die gerade geflickten Straßen beginnen schon wieder unerträglich zu werden (siehe Bild unten- das alles ist erst vor einem Monat geflickt worden!). Ein bisschen Wärme und der Asphalt wellt sich, die "Kämme" der Erhebungen brechen und reißen auf, die frisch gepropften Löcher entstehen neu, weil in der Wärme der "handgestampfte" Bitumen einfach im Stück wieder raus fliegt... Mann o Mann, da tut einem das Auto leid! Es rumpelt und kracht und schlägt die Federung durch, dass es nur so eine Art hat! Im Dunkeln bei Regen und Schnee ist ab Herbst ohnehin kein Fahren mehr möglich. Das wäre, zumal nach einem anstrengenden Arbeitstag, einfach nur ein Himmelfahrtskommando...

Aber wie sieht es denn nun aus unterwegs? Für alle, die mich das gefragt haben, hier einige Bilder. Wie man sieht, ist es im Sommer ein schöner Arbeitsweg. Im Winter kann freilich jeder Berg das Ende der Fahrt bedeuten. Es geht immer am Rande der Kaparten entlang- hoch genug für Schnee und Eis. Ziemlich befahren auch. Aber das ist eher von Vorteil. Eine Kampffahrt im Winter dauert 3 h; heute komme ich (noch) in 2 h ans Ziel. Aber während ich im Mai noch erholsam und benzinsparend geruhsam fahren konnte, muss ich jetzt auf guten Teilstücken schon wieder statt 110 130 fahren, um es noch zu schaffen...

Drogobyc selber bietet wenig. Rings um das historische Rathaus sind die Straßen aufgerissen, aber an Fertigstellung der Arbeiten ist der Krise wegen nicht zu denken. Kein Geld! Dass Drogobyc nicht gerade floriert, sieht man auch sonst. Ungepflegte Wohngebiete und miese Straßen, kaum irgendwo ein sichtbarer Wille, der Tristesse einen Farbtupfer eigenen Willens zur "schönen Gestaltung" entgegen zu setzen. Eher trifft das schon auf die Schule zu, die ein Zentrum auch des gesellschaftlichen Lebens einer Stadt ist, in der die Schulen geradezu der Hort einer Rest- Kultur sind, die ansonsten längst unter die Räder des Kommerz geraten ist. Zur Disko fährt die Jugend denn auch ins etwa 20 km entfernte Truskawec. Das ist ein ziemlich trister Sanatoriumsort sowjetischen Zuschnitts, an dem nur der schöne Park und die Umgebung erwähnenswert sind. es stimmt wirklich, was einst ein estnischer Architekt zu Heiner Müller gesagt haben soll: "Die Russen haben überall, wo sie neu hinkamen, vieles Schöne zerstört, aber nichts Schönes aufgebaut" (sinngemäß in Heiner Müller, Krieg ohne Schlacht). Betonschrott wo man hin sieht!

Alte Reste sind allerdings vorhanden. Hier im Bild die alte Synagoge. Es soll auch noch eine für die reicheren Juden gegeben haben. Vom Marktplatz zur Synagoge führt eine Gasse, die heute noch vom Handel lebt. So mag sie ausgesehen haben, "de gas". Hier in Drogobyc kann man ihre Enge und ihre (trostlose, dem Kleinhandel ergebene) Lebendigkeit noch spüren.

Aber das trifft nur den Tag. Um 18.00 Uhr wird abgebaut, etwas später klappen die Bügersteige hoch und nichts geht mehr.

Was macht man abends in Drogobyc? Sich fürchten...

Aber die Umgebung ist schön. 29 km weiter liegt Striy, von wo aus man auf die Straße nach Mukaczewo/ Uzhorod gelangt. Wenige Kilometer weiter beginnen die Kaparten, die schon von der Straße aus schön anzusehen sind. Für viele Stadtbewohner tut sich das Paradies schon wenige Meter von der Straße entfernt auf: Wie hier an einem Flusslauf, den die Straße quert, gibt es überall Grill- Plätze, die von den Wochenend- Vergnügungen der Leute künden. Shashlyk ist ohne Ende populär und sowieso in jeder abgelegenen Koliba das Essen, das immer schmeckt. Es sei jedem Ukraine- Reisenden ausdrücklich empfohlen!

Freilich räumen die Leute ihren Müll nicht weg, weshalb die einschlägigen Plätze einer Müllhalde ähnlicher sehen als einem Platz zur Erholung. Aber was soll's? Die Kaparten sind groß und in weiten Teilen kaum erschlossen. Einem Urwald ähnlich bieten sie demjenigen jede Menge Abenteuerspaß, der auf Komfort, ausgezeichnete Wanderwege und Kneipen am Wegesrand verzichten kann und dafür lieber ziemlich einsame und fast unberührte Natur genießen will (und kann). Sicher nicht mehr lange, aber noch geht es. So sei es denn empfohlen...

Alfreds letzte Tage...

Lange Zeit kam ich zu gar nichts. Schuld waren bis Ende Mai Alfreds Abschiedspartys, die nicht nur meine Anwesenheit, sondern auch die ganze mögliche Leberaktivität beanspruchten ;-) Also eher eine angenehme Ablenkung vom Schreiben eines Blogs.

Nun ist mein lieber Kollege also leider weg und ich spüre doch gelegentlich Einsamkeit, da man nicht mehr einfach anrufen und fragen kann: "Pack mer' sch? Um 19.00 im boczka?" Da fragt man sich schon, wozu die Sonne lacht und abends geradezu dazu einlädt, in einem der vielen Freisitze den hübschen Frauen hinterher zu sehen. Und sie sind doch hübsch, nicht? Links zwei von Alfreds Absolventinnen im Ukrainer- Outfit und mit der traditionellen Schärpe in den Landesfarben. Das war am 31. 05. Alfreds letzter Auftritt also. Leider war das "letzten Klingeln" total verregnet, weshalb auch keine guten Bilder gelungen sind. Aber ein paar mögen als Impression doch hierher gestellt sein. Unten "unser" Klassenraum, in dem die "Alumnis" Abschied nahmen und zeigten, wie sehr sie ihren Partner beim "activity" (einem Wortschatzspiel) vermissen werden. Taras, Julia und Anja (auf dem Bild) habe ich nun nebst Ira und Vika "geerbt" und ich werde mir Mühe geben, ihnen den Abschied vom "Übervater" ;-) etwas zu erleichtern. Nette junge Leute, mit denen es Spaß machen kann...

Noch einmal ein Essen beim Direktor und das war's dann. Alfred, ich werd' dich vermissen! Alles Gute in deinem Sabbath- Jahr mit Berta. Vielleicht sehen wir uns ja doch noch einmal in China oder Vietnam? Ich würde alles dran setzen, in eure Nähe zu kommen...