Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Donnerstag, 23. Juli 2009

Slavske- der Trostian

Auch am Freitag schönes Wetter. Was kann man hier noch tun? Der Hotelier glaubte sich zu erinnern, dass man links unterhalb der Ski- Station "Warszawa" einen Rundweg findet. Aber was zum Teufel heißt dort "Warszawa"? Was ich fand, hieß nach irgendeiner Bergblume, aber das Gebiet wäre das gesuchte- so ein Anwohner. Der Weg links davor führe aber nach Slavske zurück, was bedeutet hätte, dass meine Rundwanderung nach 2 Stunden schon zu Ende gewesen wäre. Mehr Enthusiasmus ist mir also nicht zugetraut worden. :-(

So bin ich denn den Ski- Hang hinauf geklettert. Oben fand sich ein Weg, der den Blick in die Weiten des Landes frei gab. Allerdings endete der bald. Pilze- Sammler meinten aber, ich müsste nur die Wiese hinab und dann würde ich den Weg zum Trostian hinauf (höchster Berg der Gegend- ca. 1300 m) schon finden. Was ich aber da wolle? Pilze gäbe es da keine. Wandern? Einfach so? Aha. Einfach so also... Was die Beiden dachten, stand ihnen deutlich im Gesicht geschrieben. Wer kriecht schon auf den Berg, ohne damit etwas Praktisches zu verbinden? Hm, ein bisschen dachte ich dann auch so und labte mich an den Blaubeeren, die an dieser Stelle schon ein paar Tage nicht gepflückt worden waren... Jedenfalls war der Tipp einfach daher gesagt, aber schwer durchgeführt. Zivilisation sieht anders aus! Ich hatte einige Mühe, mich durch den Busch zu schlagen! Unten angekommen, lief ich erst in die falsche Richtung. Ich hoffte auf einen Rundweg, aber den gibt es auch hier nicht.

Am Wegrand ein Kreuz. Ich dachte an eine nahe Quelle, die üblicherweise so gekennzeichnet wird. Aber eine Inschrift belehrte darüber, dass hier jemand 1945 von den Bolschewisten erschossen worden wäre. Blutige Erde überall. Man steht davor und denkt an das Ende eines Menschen, der gewiss kein Befürworter der Sowjetmacht war, über dessen Motive heute allerdings anders als vor ein paar Jahren geurteilt werden kann. Hatte er eine Kuh zuviel? Wollte er eine unabhängige Ukraine mit so etwas wie bürgerlichen Rechten und wirtschaftlichen Freiheiten? Lange noch wird die Praxis des ersten Versuchs, im Namen der kommunistischen Idee einfach Macht auszuüben, diese Idee belasten. In der Ukraine wird so schnell kaum jemand bereit sein, von der Praxis zu abstrahieren, wenn es um Utopien, um Marx oder auch nur um soziale Gerechtigkeit geht. Das Kreuz steht (beileibe nicht allein!) als Sühnezeichen eben dafür und kaum für etwas anderes...

Umgekehrt fand ich dann den Aufstieg, der zu einer Sessellift- Station führte. Die ist aber nur an Sonn- und Feiertagen in Betreb. Den Hang an dieser Stelle abwärts zu bezwingen, schien nicht möglich. So nahm ich den Weg, den die Versorgungsfahrzeuge nehmen. Von der anderen Seite in den Ort kommend, hatte ich noch an die 6 km zu laufen, ehe mein Hotel grüßte. Unterwegs sah ich dann all die neu errichteten Ferienanlagen, die auf Gäste warten (aber kaum welche hatten). Im Winter mag das anders sein.

Sonnabend wollte ich noch bleiben, aber das Wetter war nicht so. Rückfahrt nach Ivano also, Wäsche waschen und Abschied nehmen. Am 15. 07. passierte ich die Grenze nach Ungarn, besuchte Absolventen (Tanja und Anton aus Kiew) in Passau und holte Uta vom Flugplatz ab. Dort, am Leipziger Flughafen, trafen sich also die Reisenden aus dem ganz nahen und dem ganz fernen Osten- Uta kam ja aus Japan...

Wandern in Slawske

Slavske liegt etwas abseits der Transitstraße von Lviv nach Chop in einem Tal. Die Zufahrt - seufz - ist ein Abenteuer für sich. Ich dachte mir angesichts der vielen neuen und durchaus luxuriösen Hotels, die zum Wintersport die besser Betuchten einladen, dass diese vieleicht eine Renovierung der Straßen gar nicht wollen. So bleiben die Besitzer großer Geländewagen a) am ehesten unter sich und b) sind die Dinger dann endlich mal (scheinbar) zu was Nutze. Aber darüber habe ich nun schon so oft geklagt! In desem Falle trug der leidige Umstand immerhin mit dazu bei, dass ich nicht umkehren mochte (noch mal diesen Weg???) und also trotz anfänglichen Regenwetters ins den Genuss der schönen Landschaft kam.

Vielleicht hätte sich am Ende der Siedlung noch Besseres gefunden, aber - siehe oben - meine Nerven waren am Ende und die ausgehandelten 25 Euro inklusive Frühstück (die Anfangsforderung waren 40 Euro ohne) akzeptabel. Außer mir gab es nur eine etwas merkwürdige Partie, die hier Quartier gefunden hatte. Ich musste an Andruchowytsch' "Zwölf Ringe" denken, denn mit einem spindeldürren Fotografen waren zwei Frauen unterwegs, deren Verhältnis zueinander unklar blieb. Tochter und Mutter? Als der 16. Geburtstag der etwas Jüngeren gefeiert wurde - ich bekam vom selbstgebackenen Kuchen etwas ab (hmmm, lecker!) - fiel diese Version aus. Also doch "Lili und Marleen" (vgl. Andruchowytsch)? Das Trio verschwand jedenfalls auch bei starkem Regen, wobei er sein Stativ und die Kamera dabei hatte. Nun ja...

Ich wollte es ihnen nachtun und mich vom Regen nicht abhalten lassen, der wenigstens der Flora (wie heißt das Zeugs?) sichtbar genutzt hat. Aber nach zwei Stunden und einem Imbiss- Aufenthalt in einer Sägemühle mit Technik aus der Zeit der Dinosaurier, drehte ich angesichts des Dauerregens doch um. Es kam einem Wunder gleich, dass die total durchnässten Klamotten anderntags trocken waren. Kalt war es nicht, aber feucht.

Dafür war der nächste Tag durchwachsen- bestes Wanderwetter. Meinen Weg fand ich durch Zufall, denn wo der in einer Wanderkarte eingezeichnete Pfad beginnen sollte, wird wohl ewig ein Geheimnis der Kartenproduzenten bleiben. Am Ende einer den Berg (1230 m) hinauf führenden Seitbahn (Sessellift) begann ein Gipfelwanderweg, der bis ins Ivano- Frankivsker Oblast führen sollte. Nach ca. 7 h drehte ich um und ging zurück. Hinter der Bergstation waren mir nur drei Pferde begegnet und ganz am Ende - vor dem Abstieg in ein Dorf - traf ich ein paar Beerensammler, die von dem Versuch, Slavske auf einem anderen Weg zu erreichen, dringend abrieten. Man würde sich verlaufen. Nach ein paar Metern hatte ich auch dieses Gefühl, so dass ich halt zurück ging. Aber trotzdem - die Einsamkeit ist schon berauschend. Wo trifft man in Deutschland auf 20 oder mehr Kilometern keinen Menschen?

Dabei war der Weg nicht eben schwer. Die Steigungen meist sanft, verlief er ziemlich gradlinig oberhalb der Baumlinie. Fantastische Aus- und Rundumsichten also. Gegen Abend Sonnenstrahlen durch dunkle Wolken gefiltert- Kaspar David Friedrichs Bergerlebnisse lassen grüßen! Einzige Frage: Konnte "meine Wanze" das auch genießen? "Wanze", der Taufnahme ist abgeleitet von "schwangere Wanze", nannte ich die grauhaarige und eben schwangere Hündin, die mir brav auf alen Wegen dieses Tages folgte und die wohl auf eine neue warme Hütte und Futter "satt" hoffte. Nicht ganz ohne Skrupel ließ ich sie am Ende zurück. Was tun? Ich konnte se ja schlecht mit nehmen...

Dienstag, 14. Juli 2009

Truskawiec- Wege an der Striy- Uzhorod

Die Nacht in Drogobyc war etwas nicht ganz so, wie ich es mir gewünscht hätte. Gott sei Dank nervte der Russenpop, den eine Karaoke- Sängerin in dem ansonsten recht schönen Freisitz vor den Fenstern der Zimmer absang, nicht nur mich. Ich hätte sonst glatt am Geschmack meiner Begleitung gezweifelt! Es ist schon komisch, es gibt wirklich so etwas wie eine "Russen- Billig- Pop- Zone" (Andruchowytsch). Dieses nervtötende Gedudel hat nichts gemeinsam mit Irgendetwas, das ich aus Polen, Tschechien oder Ungarn kenne. Nun, sei's drum. Seufz...

Anderntags ging es dann in das allseits gelobte Truskawiec. Immerhin finden sich noch Reste der alten Anlagen, die wohl auch hier von einer starken polnischen Gemeinde geprägt waren. Die Häuser erinnern an ähnliche Orte in Polen (Ciechocinek z.B.). Inmitten verfallener Altsubstanz im zentralen Park (der heute eher einem Wäldchen gleicht) grüßt denn auch ein Mickiewicz den Besucher. Drogobyc hat übrigens auch einen. Die Ukrainer sind also arm dran, denn sie müssen nun überall Lesja- Ukrainka- Denkmäler oder Ivan- Franko- Büsten en face zum polnischen Romantiker errichten - jedenfalls wenn das beispiel Ivano- Frankivsk Schule macht, wo man plant, derartigen "Resten" - wenn man sie schon nicht beseitigen kann - eine ukrainische "Dominante" gegenüberzustellen. So geschehen im Lwiwer Traditionsfriedhof und eben geplant in Ivano. Mal sehen, ob die Lesja dann "größer und schöner" als der Mickiewicz wird. Woran erinnert mich das bloß so fatal? Gab es da nicht mal die Theorie der "sozialistischen Dominante" überall dort, wo Denkmäler des bösen Feudalismus nicht beseitigt werden konnten? Der (mittlerweile abgerissene) Betonklotz im Zentrum von Bautzen oder die "Mutter Heimat" auf dem Gelände des Lavra- Klosters in Kiew sprechen hier für sich...

Aber zurück zu Truskawiec. Der Rest des Kurortes, der von seinem Heilwasser lebt, besteht aus alten sozialistischen Großbauten und neu hinzu kommenden, die kaum schöner sind. Aber doch lebt der Ort und insgesamt gällt der Gigantismus nicht so unangenehm ins Auge, weil die Lage im bereits arg hügeligen Karpatenvorland landschaftlich einfach schön ist. In den Tälern geht auch ein 22- Geschosser unter und vor der Kulisse der nahen Gebirgszüge verlieren die klobigen Neubauten ihren Schrecken. Offensichtlich gut besucht lebt der Ort auch im Sommer. Die Anlagen sind leidlich in Schuss und an zentralen Orten sieht es doch recht hübsch aus. Kein Wunder. das Konovalovs sich hier wohl fühlen. ich gönne ihnen die Tage bei ihren hiesigen Bekannten, breche aber doch neugierig in die Berge auf.

Weiter führte mich der Weg an verlassen da stehenden Ölförderanlagen kalifornischen Zuschnitts vorbei- der einstige Reichtum der Region Drogobyc- Sambir- Boryslaw. Es soll auch noch gefördert werden, aber das sah ich nicht. Dann bog ich in einen auf meiner Karte als "Landstraße" gekennzeichneten Weg ein, der alsbald seine Asphaltdecke aufgab, anders kann man es nicht sagen. Immer mal wieder tauchten Asphaltflecken auf, die von einer ehemals durchgehenden Decke zeugten. aber das war wohl noch zu polnischen Zeiten...

Der Weg war mühselig und mein Auto tat mir - wie immer bei solchen Fahrten - ziemlich leid. ich fürchtete auch um meine Reifen, es standen des öfteren Ladas in Montage- Stellung am Wegrand. Aber alles hielt und ich wurde für das Wagnis mit den herrlichen Landschaften am Flußlauf der Striy belohnt. Auch im weiteren Verlauf der Fahrt nach Uzhorod, als nach vielleicht 50 oder 60 km der Weg sich wieder zu einer (schlechten) Landstraße wandelte, die durch das Grenzgebiet führt, blieb die Landschaft interessant.

Von Uzhorod ist nicht viel zu berichten. Es regnete abends zwar nicht mehr so sehr wie am Tag, aber größere Höhepunkte gab es nicht zu besichtigen. Ich kannte wirklich noch alles vom ersten besuch vor 7 Jahren. Wiewohl Oblast- Hauptstadt, ist das Zentrum sehr klein und überschaubar. Ein ungarisches Städtchen mit barockem Dom, einer alten Festung und einer großen schönen Synagoge, die jetzt als Konzertsaal dient. Durch die Lage am Fluss Uz (Usch) macht das alles einen netten Eindruck.

Sonntag, 12. Juli 2009

Nesamovite

Wollen wir noch zusammen wandern? Klar, Anja Konovalova (links) muss trainieren, denn sie will im August mit Freunden vom Alpinisten- Verein in den Kaukasus. Taras hat aber keine Zeit und Vater Juri muss arbeiten. Gott sei Dank ist Julia (rechts) von der Krim wieder da, denn so ganz allein mit mir wollte Anja doch nicht los...

Die Czorny Hory (das Bild links vermittelt vielleicht einen Eindruck, warum diese Bergkette zu Recht so heißt!) kenne ich schon und auf dem Hoverla, dem mit etwas über 2000 m höchsten Berg der Ukraine, war ich schon ein paar Mal. Aber Nesamovite, den rätselhaften See, der sich - der Legende nach - mit Sturm oder Eisregen und ähnlich ungemütlichen Sachen dafür rächen soll, wenn man seine Ruhe mit einem Steinwurf stört, den kannte ich noch nicht. Damit stand das Ziel fest und der Aufstieg konnte beginnen. Vieles erkannte ich wieder, da ich vor zwei Jahren schon einmal versucht hatte, den See zu finden. Damals hatte wohl jemand den Stein geworfen, denn Dascha und ich scheiterten an ungemütlichen Temperaturen (am Nordhang lag im Juli noch Schnee) und unangenehmem Eisregen. Diesmal sollte es unter sachkundiger Führung klappen und es klappte auch. Am See (Bild links unten) lagerten schon verschiedene Wandergruppen, alle mit Zelten. Eine Wagemutige stieg ins eiskalte Bergwasser und schwamm offensichtlich vergnügt darin herum. Ob der See ein bisschen "Gekraule" von einem hübschen Mädchen weniger übel nimmt? Jedenfalls blieb er ruhig und obwohl Regenwolken drohten, fielen nur wenige Tropfen...

Wahrscheinlich bin ich übrigens einer der Wenigen, die in den Karpaten Rundwanderwege (vom Auto weg und wieder zurück!) vermissen. Alle Anderen übernachten im Zeltlager und wandern so tagelang z.B. den auf dem letzten Bild sichtbaren Gipfelpfad entlang, der sich über mehrere 2000er hin zieht und einige Tage in Anspruch nimmt. Für den Profi- Wanderer, der in seinem Verein sogar Karten hat, auf denen die Wanderwege verzeichnet sind, sicher das reine Vergnügen. Nicht- Profis, also einfach Wanderfreunde wie mich (das Grinsgesicht links), gibt es offensichtlich noch immer sehr wenige in der Ukraine. Die Mädchen meinten jedenfalls, dass ihr Hobby selbst unter Kommilitonen auf Unverständnis stoße. Man führe lieber von Ivano aus mit dem Mikro- Bus nach Yaremcha, mietet dort eine Koliba, "frisst und säuft", und wenn man wieder zu Hause ist, war man eben in den Bergen. Die Nobel- Touristen, die es nach Bukovel zieht, um dort gesehen zu werden, verhalten sich kaum anders. Nur im Winter ist mehr Leben, denn Ski- und Snowboard- Fahren sind Vergnügungen aller Schichten. Anja und Julia gehen dann allerdings Schnee- Wandern. Brrrr....

Von oben sieht man übrigens überall Wege, die man wandern könnte. Das habe ich in den nächsten Tage noch öfter festgestellt. Genauso oft stoßseufzte ich aber auch: "Wenn man sie bloß von der Straße aus finden würde..." Ausgeschildert ist nichts, Zeichen, die Wanderwege auszeichnen, gibt es zwar, aber man stößt irgendwann auf sie und wird nicht hin geleitet, weiß nicht, wo der Weg beginnt und wo er endet. Vielleicht hilft Fragen. "Oben" in den Bergen bekommt man Auskunft von den wenigen Wanderern, die man trifft, oder von den Blaubeeren- und Pilzesammlern. Aber "unten" hatten Fragen als Resultat meist nur die Antwort: "In den Bergen wandern? Also ich war noch nicht da..." Hm, es sollen ja auch nicht alle Berliner auf dem Fernsehturm gewesen sein, oder? ;-)

Goschiw, Morshyn, Drogobyc

Trotz heftiger Regenschauer und Hagelschlag bei Kalusch brachen wir das Unternehmen nicht ab und fuhren optimistisch meinem "ersten Urlaub" dieses Jahres entgegen. Das Wetter besserte sich dann etwas, aber das Kloster in Goschiw - an meinem üblichen Arbeitsweg nach Drogobyc gelegen - konnte ich dennoch nicht fotografieren. Dafür klarte es auf dem Weg in die Berge etwas auf und ich konnte einige Fotos von Lebensformen machen, die nicht einmal mehr in der Ukraine "typisch" sind: Auffallend viele Häuser sind noch ganz traditionell aus Holz und einer "chata" (Kate) ähnlicher als einem Wohnhaus (Bild links), Autos gibt es wenige, dafür viele Kühe, gearbeitet wird mit einfachsten Mitteln; selbst so etwas wie "Mechanisierung" (von Motorisierung zu schweigen) fehlt. Die Täler sind abgelegen, an Stelle von Straßen gibt es mehr oder weniger gut in Schuss gehaltene Wege, die mit einem Sand- Steine- Gemisch immer mal wieder befestigt werden (zweites Bild links). Hier weiter zu fahren, hatte ich wenig Lust, aber ich merkte mir den Tipp der Konovalovs, einmal doch in diesen Gegenden zu wandern. Ohnehin kann man, das sollte ich in den nächsten Tagen noch zu Genüge erfahren, auf die Wegeverhältnisse keine Rücksicht nehmen, wenn man etwas Interessantes abseits der großen und von Lwiw bis Chop (über Striy, Uzhorod) wirklich gut ausgebauten, von Lwiw bis Kiew aber immer noch ziemlich erbärmlichen, Transitstraße sehen will.

"Interessant" ist vielleicht das falsche Wort, wenn es um Grablegen wie die auf dem dritten Bild geht. Überall in der Westukraine gibt es Erinnerungen an den Krieg um eine versuchte Unanbhängigkeit der Ukraine (1918) sowie Zeichen einstiger Auseinandersetzungen zwischen den Polen und der UPA bzw. der UPA und der Sowjetmacht. Neben Hinrichtungsstätten immer wieder einzelne Kreuze (meist wie hier aus Birkenholz), mit denen Dorfbewohner, Freunde oder Familienangehörige der Ermordeten gedenken. Eine Erde, die so viel Blut gesehen hat, ist wie ein Menetekel, wenn es um Idee und Realität des Kommunismus (oder seines ersten Versuchs) geht. Die Menschen hier werden auf absehbare Zeit mit diesem Wort nichts Positives mehr verbinden (können).

Die von den Konovalows angepriesene "Bäder- Region" im Vorkarpatenland beginnt mit Morshyn, dessen Wasser ("Morshynska") zu den besten Mineralwässern hierzulande zählt. Der Kurort selbst lebt allerdings nur noch als Legende aus früheren, besseren Zeiten. Truskawiec und andere haben ihn überholt und ihm die Klientel genommen - jedenfalls wirkte der Ort ziemlich verweist, die Anlagen doch etwas herunter gekommen. Einzig um die aus Sowjetzeiten stammende zentrale Trinkhalle (links im Bild) herum gab es etwas Leben. Hier sitzen und spazieren wohl diejenigen, die ihrem Kurort seit Jahrzehnten die Treue halten und die sich kaum etwas anderes leisten können. Die Vier- Sterne- Koliba mit Sauna etc. pp. hatte jedenfalls keine Gäste und im Straßenbild fehlten die sonst so typischen Offroader oder Riesen- SUVs der Neureichen.

Dann kam mein Part. Ich konnte Drogobyc vorzeigen, wobei es uns dieses Mal von mir "geführt" ;-) in Stadtgegenden verschlug, die ich beim ersten Mal ganz übersehen hatte. Es gibt also einen Ring um die Altstadt, an dem die einst besseren Häuser gelegen sind. Bessere Häuser? Man sieht sogar heute noch, wann die Stadt sprunghaft zu Reichtum gekommen ist. Hinter den vielen bröckelnden Fassaden und verwahrlosten Gärten finden sich immer noch Paläste, die von altem Glanz künden und heute mit Mühe erhalten werden. Insgesamt sieht man, wie schwer es der stadt und ihren Bürgern fällt, das Stadtbild zu verschönern, die alten Gebäude zu erhalten oder zu sanieren und mit Leben zu füllen. Aber ganz so trostlos, wie mein erster Eindruck war, ist die Stadt doch nicht. Es gibt viel Substanz für Künftiges. Ich drücke meinen Schülern die Daumen, dass sie in eine ständig schöner werdende Heimatstadt hineinwachsen, die sie endlich - trotz Mickiewicz- Denkmal und deutschen Gräbern - als "ihre" Stadt begreifen und gestalten sollten. (Das Grabmahl links ist aus dem späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert und erinnert an einen k.u.k. Hüttenmeister - merkwürdig, dass es auf dem ansonsten von Polonisierung der Deutschen, aus den Hausmanns wurden "Hausmanowy" etc., kündenden Friedhof noch von Blumen geziert ist.) Es wäre jedenfalls im Sinne eines künftig bis in diese Gegenden vereinigten Europa, ehemals "mitteleuropäische" Multiethnizität und Multikulturalität stolz heraus zu stellen und das Erbe eines Bruno Schulz offensiv und bejahend anzutreten. Dessen Geburts- oder Wohnhaus haben wir dieses Mal nicht gefunden, weil nicht gesucht. Meine Schüler werden es mir zeigen...

Von Frau Schütrumpf stammt übrigens der Tipp, noch einmal die "Dona Juanita" von Eberhard Panitz zur Hand zu nehmen. Die Handlung spiele in Drogobyc bzw. Drohobetsch, wie es die Deutschen nannten.

Samstag, 4. Juli 2009

Bystrica

Nach Bystrica wollte ich immer schon mal. Die Straße endet wohl in einem Ort gleichen Namens, unweit dessen der Fluss entspringt. Ganz bis dorthin habe ich es der absolut unleidlichen Straßenverhältnisse wegen nicht geschafft. Vielleicht fehlten noch 10 oder 15 km. Ich stellte das Auto an einem Fortshaus ab und ging in eines der Seitentäler. Dort endete die Asphaltstraße (oder was davon noch übrig ist) nach nicht allzulanger Zeit. Länger verfolgte mich die Siedlung, die sich lang an dem Weg hinzog. Dazu gehörte auch eine dieser typischen Holzkirchen, die (seit wannn eigentlich?) mit Weißblech verkleidet sind und oft aus der Entfernung wie überdimensionierte Konservenbüchsen aussehen. Dafür glänzen sie in der Sonne! (Bild links)

Dann endete die Siedlung und es begann der Aufstieg immer an einem Bergfluss entlang. (Bild links) Touristen kommen hier wohl nicht her, außer mir interessierten sich nur die Hirten für den Weg, der zu den hoch gelegenen Almen führt. Ich schaffte 2,5 h ins Gebirge hinein, ehe ich umkehren musste. Für das erste Mal steigen reichte es auch. Man ist nichts Gutes mehr gewöhnt! Wie hoch ich war? Die Temperatur ist immerhin merklich gefallen da oben und es sind schon "richtige Karpaten", auch wenn es nicht so weit von Ivano ist. Aber insgesamt gab es keine steilen Hänge und die Vegetation war die eines Waldgebietes (siehe Bild links unten). Unter 1000 also wohl doch. Na, egal, Hauptsache, es war schön und das war es!

Auf der Rückfahrt dann ein kurzer harter Schlag in irgendeinem der zahlreichen Löcher. Danach klang der Opel wie ein Panzer, aber es war nichts Ernsthaftes und ich kam doch bis Ivano. Der Versuch, die Opel- Werkstatt zur Sofort- Hilfe zu überreden, kostete mich den ganzen gestrigen Tag. Es ist auch ein gewöhnungsbedürftiges System, dass man nach der ersten Diagnose auf den Markt geschickt wird, die Ersatzteile besorgen! Immerhin ließ man sich dazu herab, das defekte Verbindungsstück zum Katalysator zu wechseln. Meine private Diagnose, dass da noch mehr fällig wäre, bestätigte sich auch. Spurstangen und Stabilisatoren an den vorderen Querlenkern sind dringend zu wechseln. Dazu hatte aber niemand mehr Lust - die halten noch 3 - 5000 km, so der Kommentar. Ich zahlte also und trollte mich. :-(

Das ist der Tribut: An den Querlenkern ist eigentlich bei jeder Standarddurchsicht etwas zu ersetzen. "Wo fahren Sie bloß?" - die regelmäßige Frage deutscher Mechaniker. Nun ja, in der Ukraine eben...

Nadwirna_ Burg

Soll man bei solchem Wetter zu Hause sitzen? An die 30 Grad und Sonnenschein in Ivano; in den Bergen angenehm kühler und (trotz Drohung) kein Regen und kein Gewitter. Warum Nadwirna? Keine Idee. Hatte gelesen, dass es dort - ca. 25 km hinter Ivano in Richtung Karpaten - eine Burg geben soll. Außerdem wollte ich sehen, wie es dort aussieht, wo die Bystrica her kommt, der Fluss also, an dem Ivano liegt.
Nadwirna selbst ist ziemlich trostlos und ich fand in der Stadt nichts von Interesse. Eine Burg? Die Einheimischen zuckten mit den Achseln. Auf der Suche nach der Straße Richtung Bystrica, der Ort heißt wie der Fluss, sah ich dann auf einer grottenschlechten Umgehungsstraße so etwas wie einen verlassenen Kolchos. Oder nicht? Beim Näherkommen entpuppte sich die Anlage als Burgruine, die immerhin beräumt war. Versuche einer zaghaften Restaurierung im Eingangsbereich sind wohl abgebrochen worden. Viel zu erkennen ist nicht mehr. Es scheint sich, ähnlich der Anlage in Stare Selo, um eine Art "Fort" oder Garnison gegen die Türkengefahr gehandelt zu haben. Der erkennbare Bauzustand ist wohl Renaissance. Anders als in Stare Selo, das mir strategisch ungünstig gelegen schien, gibt es hier einen Hügel, auf dem die Burg steht. Wälle und der ehemalige Festungsgraben sind noch zu erkennen. Unterhalb der Ringmauer fließt auf der Rückseite sogar ein Bächlein, das früher vielleicht den Graben gefüllt hat und der Trinkwasserversorgung diente. Wenn es einen Brunnen innen gab, dann ist er verschüttet...

So habe ich doch wieder die richtige Zufalls- Nase für Burgen gehabt - sie ist ja wie (fast) immer auf keinem Plan verzeichnet.