Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Donnerstag, 11. November 2010

Politik so durchsichtig wie die Wahlurne

Die Kommunalwahlen haben - sicher auch dank frisch gedruckter Wahlzettel , der Registrierung gefakter Wahlkommissionen usw. - zu einer Festigung der Machtpositionen des Präsidenten geführt. Der kann es sich nun schon mal erlauben, Kandidaten für das Amt des Generalstaatsanwalts wegen voraussichtlich "mangelnder Loyalität" zum Präsidenten nicht zu bestätigen. Soviel zum Thema Gewaltenteilung als Kriterium für Demokratie! Dass der Geheimdienst mit neuen Vollmachten ausgestattet ist und wieder "im Dunkeln" agieren darf, hat sich auch rumgesprochen. Bloß was hat das alles mit unserem kleinen DSD- Programm zu tun? Hm, so loyal sind wir vielleicht in der Tat nicht, dass uns die neuen Machthaber lieben sollten. Da kommt es schon mal vor, dass Schüler selbstständig denken lernen sollen und am Lack der Nationalheiligtümer Tschewtschenko oder "Rolle und Bedeutung der allein selig machenden ukrainischen Sprache" gekratzt wird. Ganz endet der Spaß wahrscheinlich bei solchen Initiativen wie "Jugend debattiert" als einer wirklich freien Form der ungesteuerten Meinungsäußerung durch junge Leute. Belorussische Verhältnisse? Wohl noch nicht ganz, aber die Richtung ist eingeschlagen...

Seit ein paar Tagen packe ich meine Sachen. Nach der Nichtverlängerung unserer Visa sind wir Touristen und haben illegal im Land gearbeitet. Das Außenamt verhandelt nun mit der ukrainischen Seite, heißt es. Mal sehen mit welchem Ergebnis. So könnte dies also der letzte Eintrag dieser Ukraine- Seite werden. Über die Macho- Sprüche, mit denen Männer ihren Frauen zur Geburt des SOHNES (zweites Bild) und nur in einem Falle zur Geburt einer Tochter (ganz neu) gratulieren, muss ich mich dann nicht mehr ärgern...

Samstag, 23. Oktober 2010

Vorkarpatenland

Von Chernivtsi aus fuhr ich dieses Mal über Sniatyn nach Horodenka, ein altes Schtetl mit Synagoge und den Ruinen eines einst wohl prächtigen polnischen Klosters, und von dort weiter nach Ivano. Aber nicht das Städtchen interessierte mich, sondern die Landschaft ringsherum. Der Umweg beträgt nur 10 km und schon früher nahm ich diesen Weg, um nicht immer dieselbe Strecke zu fahren. Besonders im Sonnenlicht übt die Kargheit der weiten Landschaft einen eigenartigen Reiz aus. Heute wollte ich versuchen, das alles auf ein Video zu bannen. Mein Chef hat Gelder für den Ankauf einer Video- Kamera frei gegeben und mit dem am Donnerstag erstandenen Exemplar einer Sony Handycam machte ich diverse Probeaufnahmen.

Dabei ist das Modell übrigens zu loben. Selbst ein absoluter Einsteiger in die Bedienung solcher Geräte hat mit der DCR- SR 68 keine Probleme. Man braucht wohl eine ruhige Hand, aber leichtes Tattern steckt das Gerät locker weg. Erst wenn man dem Maximalzoom nahe kommt, geht ohne Stativ nichts mehr. Egal, vom Video wird hier nichts zu sehen sein. Die Bilder müssen reichen.

Was sie zeigen ist natürlich gelogen. Gern würde ich das Bild oben für eine typische Steppenlandschaft ausgeben (so stelle ich mir Steppe vor!), aber natürlich gibt es doch Landwirtschaft. Allerdings stören die wenigen und jetzt verlassen daliegenden Handtuchfelder den Eindruck kaum.

Die Straße zieht sich in größerer Entfernung als die Hauptstraße am Karpatenrand hin, aber bei dem klaren Wetter heute waren die Gebirgszüge deutlich zu sehen. Die Gipfel sind bereits schneebedeckt. Kein Wunder, starete ich doch gestern in Ivano bei minus 3 Grad! Auch heute kletterten die Temperaturen in der Mittagszeit und in praller Sonne nicht über 9 Grad. Ob das den Kürbissen gefällt, die ich vor einer altertümlichen und nicht eben gut in Schuss seienden, aber doch gepflegten und frisch gekalkten "chata" fand? Da müsste ich mal die Pflenzenkenner fragen...

Montag, 18. Oktober 2010

Herbst

Melancholische Jahreszeit, in der man nicht gern allein ist. Wer es nämlich ist, fühlt sich schneller einsam als sonst. Mag sein, die galizische Landschaft mit den oft beschriebenen endlosen und menschenleeren Weiten trägt mit dazu bei. Man kommt sich klein und den Himmeln ausgeliefert vor. Wie eine Metapher steht dafür die schnurgerade Landstraße nach Kiew, jenem Ort, wo Schicksale entschieden werden. Dort liegt jedenfalls mein Reisepass und liegt und liegt. Erst hieß es, die ukrainische Seite sei sich nicht im Klaren über den Typ Visum, den wir nun erhalten sollen; jetzt ist klar, es geht überhaupt um unsere Akkreditierung. Die neue Regierung unter Janukowitsch scheint ausländische Hilfe im Bildungssektor, zumindest wenn sie denn aus dem Westen kommt, wirklich nicht gerne zu sehen, Nach all dem Hickhack um unsere Arbeitsgenehmigungen nun das. Ohne den diplomatischen Status wird es wieder schwerer, ungeschoren an den Wegelagerern der Miliz vorbei zu kommen, steht man wieder wie ein Nichts vor den allgewaltigen Beamten der Arbeitsämter und Bildungsverwaltungen. Ohnehin wäre es gut, als Ausländer wenigstens das ihn als offiziellen Gast legitimierende Dokument in der Tasche zu haben. Da tröstet das Bild der sich rot färbenden Blätter an den Bäumen am Straßenrand. Wenigstens die tun, was sie immer taten...

Ob sich die jungen Athleten ähnlich fühlten, die am letzten Wochenende in Ivano Frankivsk zu Wettkämpfen im Gehen antraten? Beachtet wurden sie jedenfalls nicht und so gingen sie mutterseelenallein im Regen durch die verlassenen Straßen. Außer für Fußball gibt es wohl für wenig andere Sportarten (Wintersport mal ausgenommen) Begeisterung.

Czernowitzer Tage im Herbst

Solange ich in Chernivtsi gewohnt und gearbeitet habe, hat mich das Gefühl nicht los gelassen, mitten in einer großen Theaterkulisse "Gast" zu sein, in der die "einheimischen" Menschen bloß Statisten sind. Ukrainische Pelzmäntel, die Schapkas im Winter, die Platikbeutel schwenkenden "Shopperinnen" bauchfrei und mit Miniröckchen - das alles wirkte zwischen all den hochherrschaftlichen Häusern der alten Herrengasse (Kobylanska) oder am Theaterplatz (Bild 1) irgendwie deplaziert, nicht dorthin gehörig, obwohl es das alles so oder so ähnlich im multikulturellen Czernowitz sicher gegeben hat. Nicht zuletzt war es die auffällige Abwesenheit von Kultur (verstanden als Lesungen, Theater- Aufführungen, Straßenfeste usw.), von Abend- und Nachtleben, die den Eindruck verstärkte, als flüchteten die Bürger nach ihrem Tagesgeschäft in ihre vier Wände, um von der Stadt, von der fremden Architektur und der allgegenwärtigen nicht- ukrainischen Geschichte (als Nationalgeschichte interpretiert) Ruhe zu haben.

Hat sich etwas geändert? Zumindest scheint es, als ändere sich etwas. Im Zuge der 600- Jahrfeier ist Bewegung in die Stadt gekommen, die sich jetzt sogar sichtbar auf dem Straßenpflaster zu den vielen Sprachen bekennt, in denen sie regional und weltweit ein Begriff geworden ist. Und das Jiddische fehlt nicht! Einen weiteren Höhepunkt erlebte diese neu anmutende Atmosphäre anlässlich der den Czernowitzer Tagen vorausgehenden Dichterlesungen zu Ehren Paul Celans. Sonst kaum zur Kenntnis genommen, sollen dieses Mal erstaunlich viele junge Leute den an Celan erinnernden Autoren gelauscht haben. Klar erfüllt es mich mit ein klein wenig Stolz, wenn ich en passant erwähne, dass mir dieses von Absolventen "meiner Schule" berichtet wurde, von jungen Menschen also, denen ich einst mühsam den Sinn der Rede vom "Mutterland Wort" (Rose Ausländer) beizubringen versuchte.

Die Video- und Licht-Installation, mit der ein österreichischer Künstler über dem Kino die alte Synagoge wieder auferstehen lassen wollte, fiel zwar ins (Regen)Wasser, aber meinen Kollegen Zuckermann und den alten, aus früheren Zeiten übrig gebliebenen Max Schickler (er war einer unserer Hauptinterviewpartner im Film "Bukowina Style") hat es berührt. Den selingen Herrn Schlamp allerdings konnte die Nachricht nicht mehr erreichen; er ist nun doch noch vor seinem 100-sten verstorben.

Auch während der Czernowitzer- Tage ging es bunt zu. Man hatte sich bemüht, der schön heraus geputzten, aber immer noch etwas abgelegenen Kobylanska (Herrengasse) durch viele Straßenveranstaltungen etwas Flair zu verleihen. Die Czernowitzer sind immerhin stehen geblieben und haben den rumänischen Straßenmusikanten (Bild 2) gelauscht. Mitten in die Darbietung von Moldawiern (Bild 3) - denke ich - drängten sich plötzlich zwei alte Frauen, die in den Tänzen sichtbar gut beschlagen waren. Als sei dies ein Signal gewesen, mengten sich nun auch andere Umstehende in die Runde der Trachtenmädels und es wurde ein lustiger Tanz. Das von der österreichischen Partnerregion ausgerichtete Restaurant "Kärnten" hatte einen Freisitz eröffnet und vor dem "Kwant", einst ein polnisches Kellerrestaurant, stand eine Polin und präsentierte nationale Speisen ihrer Minderheit. Es hat Spaß gemacht, das alles zu sehen.

Nur das als Festgelände für die Veranstaltungen vor zwei Jahren geplante Areal um den See im Park am Hotel "Tscheremosch" ist immer noch nicht fertig. Man ahnt zwar, was es hatte werden sollen (und irgendwann sicher auch noch wird), aber sonst...- still ruht der See. Ich bin immer wieder gerne dort.

Montag, 11. Oktober 2010

Bergwanderung nahe Bukovel

Am Sonntag war es endlich so weit. Das Wetter spielte mit und so konnte es in die Berge gehen. Juri schlug den Gipfel vor, den wir bei meinem Geburtstag der Feuchtigkeit wegen nicht erreicht hatten. Diesmal gingen wir ihn jedoch von einer anderen - der als Wanderpfad sogar gut ausgezeichneten - Seite kurz vor Bukovel an. Wenige Meter hinter dem Abzweig, der von der nach Mukaczewo weiter führenden Straße nach Bukovel abgeht, geht es rechts steil den Berg hinauf. Der Weg führt über bewaldete Hänge (Bild 1), die hie und da von Bergwiesen und Geröllfeldern durchzogen werden. bis in die nur noch von Krüppelkiefern und Buschwerk überzogene Hochgebirgszone. Bis dahin war der Aufstieg nicht eben beschwerlich und wir legten ihn in ca. 2 Stunden zurück. Vor dem entscheidenden Stück zum Gipfel gab es eine zünftige Rast mit Butterbrot und Obst.

Dann ging es weiter. Kaum hatten wir die Waldzone hinter uns - die Buschwerk- Zone setzte übergangslos ein - kam Nebel auf. Richtig dicke Suppe! Aber Juri meinte, hier führen alle Wege nach Oben und wo "oben" ist, wäre auch nicht zu verfehlen. Also stiegen wir weiter bergan und hatten uns schon bald aus den Augen verloren. Sei es, dass Elena etwas langsamer war, sei es, dass ich in dem Geröllfeld voller großer Gesteinsbrocken den besten Aufstieg erwischt hatte, ich kam als Erster oben an. Eine Madonnen- Statue empfing mich mit geöffneten Armen. Wenn das nichts ist! Dann sah ich Juri in der milchigen Brühe auftauchen (Bild 2). Ein bisschen war ich froh, denn ob ich allein den Abstieg auf der anderen Seite gefunden hätte...

Es war wirklich nichts mehr zu erkennen! Am Fuße der Madonna (Bild 3) stärkten wir uns noch einmal. Juri hatte einen zünftigen "Gipfelschluck" (Kräuterlikör) dabei und den ließen wir uns denn auch schmecken. Ob der magische Wirkungen hatte? Genau in dem Augenblick, als Juri in die Richtung zeigte, in der Bukovel liegen sollte, riss der Himmel auf, der Nebel verzog sich für ein paar Minuten und die Sonne brach durch: Vor uns lag Bukovel! Die Farben sind unbeschreiblich gewesen und das Foto (Bild 4) gibt sie nur in etwa wieder. Was für eine Szene auch! Juri zeigt auf einen Ort und wie von Geisterhand teilt sich die milchige Substanz wie einst das Rote Meer vor Mose und es zeigt sich unser Ziel! Nur wenig später war alles wieder in das unwirklich Weiß gehüllt...

Nebel gab es aber nur ganz oben, dort, wo kein Grün mehr zu sehen war. Schon wenige Meter weiter unten war der Spuk vorbei. Wir stiegen eben so ein Geröllfeld hinab wie das, auf dem wir hinauf kamen. (Bild 5) Der Abstieg blieb lange steil und führte dabei durch ein Waldgebiet voller Pilze. Ich "blindes Huhn" fand allerdings nur die ins Auge stechende Sorte: Fliegenpilze! Sie waren größer als Tennisbälle und fanden sich wohin man sah!

Endlich lichtete sich der Wald und gab manch schöne Aussicht frei. Irgendwann kamen wir an einem modernen Kirchengebäude vorbei, das entweder irgendeine Sekte dorthin gestellt hat oder das als Sanatorium, Tagungsstätte oder so dient. Von da ab wurde der Weg flach und als wir eine kleine Straße erreichten, die von hier nach Bukovel führt, sahen wir ein paar schmucke Villen größeren Ausmaßes (wenn man das so sagen kann). Mein allwissender Bergführer konnte auch diesmal Auskunft geben: es handele sich um die Villen von Ex- Präsident Justschenko und einiger Vertrauter aus früheren Tagen. (Bild 6) Gekauft und gebaut am Fiskus vorbei nebst einer Straße, die aus Staatsmitteln projektiert und extra gebaut wurde, um diesen abgelegenen Landstrich zu erreichen. Nun, alles wie früher. Wer die Macht hat, hat auch die Privilegien!

Samstag, 25. September 2010

Nebel

Wenn man nichts erlebt, muss man sich Themen suchen... Ein Thema, das mich allerdings bedrückt, sind die mittlerweile regelmäßigen Nebelfahrten von Ivano nach Chernivtsi. Vielleicht aufgrund des merkbaren Unterschieds zwischen dem wesentlich freundlicheren Klima in der Bukowina und dem vielleicht eher harschen Vorkarpatenklima um Ivano herum kommt es in der Senke bis Kolomea regelmäßig zur Bildung von Frühnebel. Und mit dem schlage ich mich nun herum. Dieses Mal war es schon recht extrem, zwischenzeitlich konnte man die berüchtigte"Hand vor Augen" kaum sehen. Spannend ist immer, was als nächstes sich aus dem milchigen Weiß schält- ein unbeleuchteter LKW oder "nur" ein Pferdewagen? Habe gut 40 min länger als sonst für meine Strecke gebraucht und bin also bei 3 h 10 min für die 140 km angekommen! Das nervt ganz schön, das man nach so einer Fahrt mit der eigentlichen Arbeit (6 Stunden Unterricht bis 16.00 Uhr) erst beginnt. Heute hatte ich jedenfalls solche Sehnsucht nach meinem Hotelzimmerbett und - ehrlich gesagt - auch starke Sehnsucht nach der dortigen Toilette (die Reise ist mir wohl auf den Magen geschlagen), dass ich mich kaum über meine 10. Klasse freuen konnte, die mit Eistee und selbst gebackenem Kuchen kam: "Herr Steffen, wir wollen mit Ihnen Tee und Kuchenparty machen." Gesagt hatte das Lena, 14 Jahre, die auch den Kuchen gebacken hat und die sprachlich als Einzige so was sagen kann. Gut, da freut man sich denn doch. Immerhin habe ich zwei Freitage "hart gearbeitet", um den Kleinen die Angst vor mir zu nehmen und ihnen ein bisschen Spaß an der Sprache zu vermitteln, vielleicht auch zurück zu geben. Es hat geklappt ;-)

Donnerstag, 23. September 2010

Pid Kamien

Pid Kamien liegt auf dem Weg von Ivano nach Lviv und fällt durch die an den Ortseingängen gut sichtbar platzierten Findlinge auf, in die eine Plakette mit dem Wahrzeichen des Ortes (einer doppeltürmigen Kirche) eingelassen ist. Irgendwer muss den Ort "sponsern", denn es gibt einen neuen Straßenabschnitt und Bürgersteige, die von der ansonsten ärmlichen Kulisse merkwürdig abstechen. Die Kirche selbst sieht von Ferne imposanter aus, als sie ist, denn sie liegt auf einer Erhebung und überragt so die kleine Ortschaft. Von Nahem enttäuscht sie allerdings durch die unscheinbare Fassadengestaltung, die allerdings einer wenig sachgemäßen Restauration geschuldet sein könnte. Nur von Innen zeigt sich eine gewisse Pracht (oben links), die wohl andeutet, dass der Ort in seiner Geschichte bedeutendere Zeiten als die heutigen erlebt hat.

Hinter der Kirche findet sich ein Friedhof, auf dem alte und neuere Gräber durcheinander liegen. Polnische Namen finden sich zwar, sind insgesamt allerdings weniger häufig vertreten, als ich dachte. Vielleicht liegt das aber an den vielen Steinen ohne Inschrift. Früher evtl. vorhandene Bronze- oder Metallplatten hat wohl jemand systematisch entfernt. So sticht nur die Reihe der Heldengräber ins Auge, die wohl auch hier an Ermordete aus der Zeit des ukrainischen nationalistischen Widerstands gegen die Sowjetisierung erinnern.

Insgesamt nichts Besonderes also, aber nun habe ich auch dort einmal angehalten. Mein Freund Taras hatte von Konzerten gesprochen, die in den Ruinen einer Burg in der Nähe der Kirche stattfinden sollen, aber gemeint hat er wohl ein anderes Pid Kamien- der Name kommt noch öfter vor. Damit habe ich noch ein Ziel für weitere Exkursionen. Vielleicht im Sommer mit Taras zu einem dieser Konzerte?

Ziel der Reise war ein Kurzausflug nach Lviv, wo ich - wie immer, wenn ich dort nicht eingeladen bin - im Hotel "Lviv" nächtigte. Warmes Wasser gibt es immerhin stundenweise, aber sonst sind die nicht renovierten Zimmer (also die preiswerte Kategorie - ca. 20 Euro/ Nacht) eigentlich unzumutbar. Bloß, warum mehr zahlen, wenn die Lärmbelästigung des von allen vier Seiten verkehrsumfluteten Hotels überall gleich schlimm ist? Und so großartig unterscheidet sich der Standard nicht von dem hier vorgeführten, bloß eine derart von der Qualität ukrainischen "Trinkwassers" (Bild links) sprechende Badewanne hat man in der besseren Kategorie nicht. Naja, ich will ja dort nur ein paar Stunden ruhen und nicht wohnen- da geht es.

Von Lviv, wo gerade eine Art Buchmesse stattfand, ist sonst nichts Neues zu berichten. Auffällig die vielen Hochzeiten in der Stadt. Wer braucht bloß solche Autos? Wahrscheinlich alle die, die selbst keins haben, aber von einem "Hummer" träumen. Status ist eben alles und zeigen, was man hat (oder eben auch nicht hat!) gehört zum Alltag.

Wie immer angenehm hingegen das kulinarische Angebot der Stadt. Diesmal fand ich ein aserbaidshanisches Restaurant, über dessen innere Gestaltung man unter dem Aspekt deutscher Gemütlichkeitsauffassungen vielleicht streiten kann, über dessen Speiseangebot man aber nicht maulen darf. Das war seit langem mal wieder ein Plof zum Träumen! Und mit einem Preis von 2,50 Euro sollte man zufrieden sein.

Auch sonst fiel mir hie und da etwas auf, was ich vordem so nicht zur Kenntnis genommen hatte. Das Denkmal des Erfinders der (hiesigen, vielleicht auch der Wiener) Gasbeleuchtung vor der Kneipe "Gasova Lampa" ist nicht zu übersehen. Übersehen hatte ich aber, dass er sich auch oben aus dem Fenster hängt, vielleicht um einen Passanten zu warnen, der in der noch unbeleuchteten Stadt in ein Loch stolperte. Anlass, an die Einführung des Gaslichts zu denken? Wer weiß...

Montag, 13. September 2010

Ankunft in Ivano

Spät angekommen fiel ich müde ins Bett. Es hatte aber extra aufgehört zu regnen, so dass ich meine Sachen trocken ins Haus bringen konnte. Aber der nächste Tag konnte kaum trauriger sein! Nach eineinhalb Monaten "zu Hause" mit vielen Gesprächen und immer jemandem in der Nähe, war die Stille der Wohnung plötzlich doch etwas bedrückend. Schon abends hatte ich festgestellt, dass weder Internet noch warmes Wasser funktionierten. Ein Blick aus dem Fenster ließ das Herz auch nicht gerade höher schlagen. Nein, das ist nicht dasselbe Bild wie das vom Juni- Blog! Es ist nur das in diesem Sommer ewig gleiche Motiv! Die ersten beiden Wochen hier waren jedenfalls wieder so verregnet, dass der Eindruck einsamer November- Tage aufkommen musste. An manchen Tagen musste ich den ganzen Tag bei Kunstlicht durchhalten. Brrrr...

Was sonst noch? Das Leben geht mittlerweile seinen gewohnten Gang. Ich habe sogar relativ schnell und nicht einmal mit allzu großen Problemen die Arbeitserlaubnis für Chernivtsi erhalten, wo ich jetzt - statt Drohobych - am Freitag und am Sonnabend tätig bin. Die Straßen dahin sind besser, wenn auch nicht gut und in den Ortschaften auch arg defekt, aber dafür ist die Verkehrsdichte so hoch, dass ich für die 140 km 3 h Fahrtzeit (und damit fast eine Stunde mehr als nach Drohobych!) einplanen muss :-( Vor allem die Durchfahrt Chernivtsi nervt mit ihren unmöglichen k.uk. Kopfsteinpflaster- Straßen und den Staus in allen Richtungen. Vom Bahnhof zur Schule bin ich gut und gerne 45 min unterwegs! Naja, dafür ist es die gute alte Stadt, in der mich ab dem ersten Moment viele Absolventen sehnsüchtig erwarteten. Für Abendprogramm ist also - anders als in Drohobych - durchaus gesorgt!

Rückreise

Die letzten Tage in Deutschland brachten manche Turbulenzen. Über einen Abstecher ins wunderschöne Allgäu, wo Alfred und Berta (mein Vorgänger in Ivano- Frankivsk und seine Frau, Kollegin in Lviv- Bild 1 links) wohnen, wollte ich nach Tübingen, um Ira zu holen. Die erste Überraschung war für mich als ostdeutschem Nordlicht die Größe unserer Südrepubliken! Ich hatte die Entfernung unterschätzt und meine "Karte im Kopf" hatte nicht gedacht, dass ich nach Tübingen in die meiner Reiseroute entgegengesetzte Richtung fahren muss! Trotzdem, anders planen kam nicht in Frage. ich freute mich auf ein Wiedersehen mit den Kollegen und wollte unbedingt sehen, wo und wie sie wohnen. Und es hat sich gelohnt! Die Gegend ist wirklich toll und man kann zwei Menschen durchaus um so einen Fensterblick (Bild2 links) beneiden. Nun, man kann es ihnen auch gönnen, da sie gastfreundlich wie sie sind, das Angenehme mit Freunden zu teilen wissen. Das ist doch schon selten geworden in unserem Land...

Das oben beschriebene Problem gewann an Dimension, als Juri, mein Freund aus Ivano (Iras Vater) anfragen ließ, ob er nicht mit in die Ukraine fahren könnte. Eigentlich hatte er mit seiner Frau Eelena eine längere Fahrradtour durch Süddeutschland geplant, aber familiäre Probleme zwangen ihn nun, die Reise abzubrechen. Mitnehmen war keine Frage, aber wie das ganze Gepäck verstauen? Ich hatte nie gedacht, dass es in meinem Omega einmal so aussehen würde wie in den 90er Jahren in einem Polski- Fiat nach getaner Shopping- Tour in Deutschland! Aber es ging alles rein, bloß auf meine Rotweinreserve musste ich dann doch verzichten. Da war nix zu machen!

Es ging denn auch alles gut. Ich fuhr zwar von 08.00 bis 21.00 Uhr ohne Pause Auto, aber dafür schaffte ich bei strömendem Regen die Strecke über Tübingen nach München, Salzburg bis Esztergom in angenehmer Gesellschaft. Übernachten mussten wir im Hotel, da ich so spät keine Freunde mehr überfallen konnte. Zsuzsa und Gabor aber durfte ich nicht außen vor lassen. Sie warteten schon zwei Jahre auf mich und dieses Mal sollte es doch klappen. Leider wurde nur ein zweistündiger Aufenthalt mit Mittagessen daraus. Aber mein kleiner Freund Csabi hat es genossen, den unverständlich redenden "Onkel" aus Deutschland mal wieder zu sehen. Ich fahre unbedingt bald wieder zu diesen lieben Menschen!

Ukrainerinnen in Deutschland

Gut, ich soll nicht immer so negativ sein! Also, geregnet hat es nach unserer Rückkunft nach Ivano- Frankivsk. Meine Heimreise war dann ok. und auch in Deutschland goss es nicht gleich bloß weil ich kam. Die Hitze war allerdings zu Ende und bedeckter Himmel zeigte den Umschwung an, der dann zum regenreichsten August seit Beginn der deutschen Wetteraufzeichnung geführt hat. Aber auch wenn mein Chef meint, ich zöge das Pech förmlich an, dafür war ICH sicher nicht zuständig...

Aber das wollte ich ja gar nicht schreiben! Ira (1. Bild links - im Kreise meiner Familie), eine der im vorigen Beitrag erwähnten Absolventinnen, hatte ein Stipendium für einen Kurs in Tübingen und ich holte sie aus Krakow ab und nahm sie mit nach Deutschland. Sie hat unser Essen überlebt und ist sogar voller positiver Eindrücke zurückgekehrt. Zwar fand sie das Essen in der Mensa der Tübinger Uni ungenießbar, aber letztlich wurde es für sie nicht entscheidend für das Erlebnis einer neuen Freiheit. Ganz entgegen dem Rat ihrer besorgten Eltern reiste sie per Mitfahrgelegenheit und Couchsurfing von Leipzig nach Berlin, von dort in die Niederlande und nach Belgien und dann nach Tübingen. Man kann also aus einer "geografischen Provinz" kommen und dennoch zeigen: "Provinz" ist kein Ort, sondern eine (über den ängstlichen oder eben neugierigen Kopf vermittelte) Haltung.

Gegenüber Ira ist Ljuba aus Kiew eine erfahrene Deutschlandreisende mit vielen Anlaufadressen (z.B. dem Micha aus Berlin - 2. Bild links -, den sie von seinem Praktikumsaufenthalt an der MS 14 kennt). Sie machte sich wenig Sorgen um ihr Auftreten in einem fremden Land und kam ganz als die Kiewer Lady. Das wurde dann aber selbst ihr zu bunt! Freilich, die Stöckelschühchen klackerten unüberhörbar über das Pflaster der Straße unter den Linden, in Kiew sollen sie das ja auch, aber die Art, in der Mann (und Frau) hier nach der die unverschämte "Störung" Verursachenden sich umschauten, irritierte die erfolgsgewohnte junge Dame denn doch. Ohnehin waren die Dinger zum Stadtlauf unpraktisch, der Kreschatyk in Kiew ist ja nur eine Straße!, so dass sie dann kleinlaut darum bat, sich Badelatschen kaufen zu dürfen. Und es hat geklappt! Nun schauten die meist männlichen Menschen nur noch auf das Blondhaar und die Blauäuglein!!!

Ukrainer in Polen

Die Idee war an irgendeinem Winterabend geboren worden. Wahrscheinlich spielten wir, d.h. 4 Absolventen der MS5 und ich) der Auffrischung von Sprachkenntnissen wegen mal wieder Scrabble oder Activity, als mir einfiel, dass eine "Sprachreise" doch viel besser wäre. Sowieso dachte ich schon lange daran, das Angebot meiner Freundin Wiesia anzunehmen, mit ihr und einer kleinen Gruppe ausgesuchter Leute die Czarna Hancza in der Gegend um Suwalki (Polen) zu befahren. Eine Kajak- Tour also. Das könnte vom Preis her den Möglichkeiten meiner jungen Freunde Anja, Ira, Julia und Taras entsprechen. Also schlug ich die Reise vor und erntete spontane Zustimmung. Alle wussten, dass eine Fahrt nach Deutschland meine und ihre Möglichkeiten übersteigen würde. Warum also nicht Polen?

Gedacht, geplant, getan. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Wiesia, die im Sommer dort als Reiseleiterin arbeitet, es wirklich schafft, eine Woche für 50,- Euro/ Person zu organisieren. Ich war bereit, für jede anfallende Differenz aufzukommen, aber das war nicht nötig. Sie sammelte das Geld ein und das wars! Klar, den Transport mit dem Auto habe ich übernommen. Wir übernachteten am ersten Tag an der Grenze in Lublin und sahen uns die Stadt an. Weil ich schon ahnte, dass "nur" Natur den jungen Leuten wenig gefallen würde, ging es Tags darauf nach Warschau (1. Bild links). Von dort fuhren wir nach Plock, meiner ehemaligen Wirkungsstätte als Bundesprogrammlehrer. Dort erwartete uns schon eine kleine "Gemeinde" guter Freunde, bei denen wir übernachten konnten. Am Ende quartierte uns Monika ein, die uns auch ihre Schlüssel überließ, da sie am nächsten Tag zu einer Hochzeit aufbrach. Zehn Jahre ist es nun her, seit ich das letzte Mal "richtig" da war und doch ist nichts anders geworden. Vertrauen und Herzlichkeit, wie man sie in Deutschland oft (nicht immer) vermisst.

Dann kam eine Exkursion nach Torun, das den Gästen ausnehmend gut gefiel. Sonntag dann Anreise bis nach Suwalki rauf. Leider erwartete uns dort der altbekannte Regen. Am ersten richtigen Kajak- Tag zwang uns ein mehrstündiges Gewitter mit Hagelschlag und Sturzregen unter ein provisorisches Dach. Gott sei Dank blieb das die mieseste Regenattacke. So richtig heiß wurde es nie, es blieb feucht, aber es ging. Jedenfalls mussten wir nie im Regen die Zelte aufschlagen.

Die Czarna Hancza ist ein weniger bekannter Fluss ganz im Nordosten. So gab es - anders als in den Mazuren - nicht so ganz viel "Verkehr" auf dem schmalen, durch dichtes Schilf mäandernden Flüsschen, das am Ende Polen Richtung Belorussland verlässt. Wir kehrten über den Suwalki- Kanal ins Ausgangslager zurück. Klar, alles war ziemlich biwakmäßig und die - immer sauberen - Toilettenhäusel waren oft nicht mehr als Plumsklos, aber doch war es schön. Wer es also etwas rustikaler mag, dem sei die Gegend um Suwalki- Augustow ans Herz gelegt.

Wermutstropfen? Ach ja, das hätte ich gar nicht gedacht, dass man ukrainische Kartoffeln so vermissen und unter "fremdem Essen" so leiden kann, dass es sich schon nach 6 Tagen bis zum Heimweh nach Mutters Küche steigern kann! Man isst eben nicht in Restaurants und ist so sehr auf das traditionelle Essen fixiert. Taras und Ira waren zwar neugierig auf alles, aber "warm essen"- das wars auch für sie!

Hochwasser

Regen, Regen, Regen... - in Deutschland und Polen stöhnten sie unter der Hitzewelle, die deutschen Strompreise kranken an der "Überproduktion" von Solarstrom, hier aber regnete und regnete es. Ein Blick aus dem Fenster (1. Bild links) konnte nur trübsinnig machen. Trotzdem beschloss ich, Ende Juni wenigstens eine Autowanderung nach Koropetz zu unternehmen, wo sich ebenfalls ein polnisches Schloss oder Herrenhaus befinden soll. Koropetz ist nicht weit weg, nicht einmal so weit wie Czerwonogrod. Vielleicht würde ich ja Glück haben und einen hellen Moment erwischen? Ach, ich war an sich nicht helle...

Spätestens in Tismenica schwante mir Übles. Das Wasser schwappte bis an die Straße und es wurden Vorbereitungen getroffen, die Straße abzusichern. Den umliegenden Häusern und Gärten konnte wohl schon nicht mehr geholfen werden. Dort sah ich einen Jungen, der im Garten seines Hauses friedlich angelte! Was für Nerven! Bloß: Welcher Fluss fließt in Dreigottesnamen durch Tismenica? (Ca. 10 km von Ivano entfernt) Sollte all das Wasser wirklich von dem Bächlein stammen, das sonst friedlich unter der Straße durchläuft?

Mag sein, es war der Rückstau vom Dnistr, der sich zu erstaunlicher Breite aufgeschwungen und die Dörfer an seinen Ufern unter Wasser gesetzt hatte. Ich fuhr über die alte Brücke und mir war nicht wohl, das Wasser knapp einen Meter unter dem Brückenrand brodeln zu sehen. Sonst sind das bestimmt vier Meter oder mehr! Kurz nach der Brücke sollte die Straße nach Koropetz abgehen und das war dann auch das Ende meiner Ausfahrt. Land unter! Immerhin, und das fand ich doch erstaunlich, war das aufgestellte Warnschild auch auf Englisch! Die Ukraine internationalisiert sich...

Sonntag, 12. September 2010

Czerwonogrod

Nach Abschluss der Intensivkurse in Ivano und Drohobych sollte Ende Juni eigentlich eine schöne freie Woche auf mich warten. Frei war sie schon, aber machen konnte man kaum etwas. Petrus hatte die Schleusen des Himmels geöffnet und es regnete und regnete ohne Unterlass. Polen soff ab und in der Ukraine stieg der Pegel des Dnistr beängstigend...

Da musste man schon dankbar für ein paar Stunden sein, in denen es ab und an trocken war und sonst nur Nieselregen fiel. An solch einem Tag hielt es mich nicht mehr in meiner Bude und ich beschloss, eine Schlossruine aufzusuchen, die mir bisher entgangen war. Czerwonogrod- ursprünglich eine polnische Stadt- Gründung. Das überrascht insofern, als heute ein solcher Ort in keiner Karte verzeichnet ist. Entsprechend schwer fiel es mir, die richtige Zufahrt zu finden. Von einer Stadt, die einst sogar Magdeburger Stadtrecht besaß (!), ist nichts mehr zu sehen. Vielleicht erinnern zwei steinerne Kapellen an einem dem Schloss gegenüber liegenden Hang an frühere Besiedlung. Auch scheint die Kirche im Schlossareal für den Gebrauch bloß der Schlossherren etwas zu groß geraten. Aber sonst ist - wie gesagt - nix mehr da. Auch die alte Burg kann man nur noch ahnen, da auf ihren Resten im 19. Jh. ein Schloss im romantischen Stil errichtet wurde.

Daran erinnern heute nur noch der berühmte Wasserfall, der künstlich eingerichtet worden war und ursprünglich sicher Teil eines englischen Parks sein musste, wovon ebenfalls nur noch einige Reste erkennbar sind (u.a. eine Quelle mit Monumenten). Heute kann man Schlauchboote mieten und die "Stromschnellen" in Manier des Extremsports überqueren. Auf einer steilen Erhebung in einer Schleife, die mal ein Fluß ausgespült haben muss, von dem aber auch nichts mehr zu sehen ist, stehen noch zwei Türme und ein paar Reste der sie verbindenden Architektur. Dorthin gelangt man durch das Gelände eines alten Pionierferienlagers mit sozialistischen Motiven, das noch genutzt wird. Geändert hat sich kaum etwas, obwohl ich fürchte, dass der Gesamtzustand des Lagers zu Sowjetzeiten besser war. Auch die Versorgung des Lagers erfolgte früher vielleicht nicht per Pferdewagen. Fortschritt halt...

Montag, 14. Juni 2010

Halicz

Auf der Rückreise von Lviv (Lemberg, als Leonberg nach dem Sohn des Danilo von Halicz/ Galizien benannt und von Lew- Löwe - abgeleitet) nach Ivano- Frankivsk gönnte ich mir einen Abstecher zum Museum, das am Ort des historischen Fürstensitzes errichtet wurde und das ich vorher nie besucht hatte. Erstaunlich, dass die Anlage, die immerhin deutliche Spuren eines einst mächtigen Walls zeigt (oder wurde der nachträglich wieder aufgeschüttet?) und Fundamentreste einer Klosteranlage birgt, erst Mitte der 30er Jahre ausgegraben wurde.

Ob das nett anzusehende Museumsgebäude Fundstücke oder nur eine Ausstellung präsentiert, konnte ich nicht erkunden, da es geschlossen war. Die romanische Kirche im Zentrum des durch eine rekonstruierte Wehrmauer umgrenzten Areals ist jedenfalls eine Rekonstruktion mit Bauteilen, die eher nicht dem originalen Zustand zugehörig scheinen. Allerdings zeigt sie im Innern einen Zierstein, der (wenn ich mich recht erinnere) einen Drachen darstellt, und der durchaus vom Original stammen könnte. Aber das müsste man mal genauer unter die Lupe nehmen. Beeindruckend immerhin die schlichte Raumgestaltung, die aufgrund der Kuppelhöhe den Innenraum weit mächtiger wirken lässt, als er von außen erscheint.

Etwas abseits erhebt sich außerhalb der Wallanlage ein begehbarer (aber ebenfalls verschlossener) Grabhügel. Was man von der Straße aus nicht so sieht, ist, dass das Ganze auf einem nach drei Seiten hin steil abfallenden und durch einen Fluss geschützten Hügel steht und also gut zu verteidigen war. Heute bietet sich vom Grabhügel aus ein schöner Rundblick in eine liebliche Landschaft rings um den kleinen Fluss herum, der sich tief in die Hügelketten eingeschnitten hat. Man müsste mal sehen, ob man da wandern kann...

Polizeikontrollen

Als Präsident Juschtschenko noch die Hoffnung seines Landes war, gab es immerhin deutliche Signale hin zu einer Liberalisierung beispielsweise im Bereich der Medien. Eine seiner für mich sympathischsten Maßnahmen war aber die deutliche Reduzierung der aus Sowjetzeiten übrig gebliebenen und von ehemals totaler Kontrolle zeugenden DAI (Milizkontrollposten, meist feste Bauten an allen wichtigen Straßenkreuzungen). Als ich 2006 nach Chernivci (Czernowitz) kam, dachte ich für ein paar Monate, die West- Ukraine hätte gar keine Polizei. Zwar änderte sich dieser Zustand langsam und die Kontrollen nahmen wieder zu, aber gegenüber dem, was jetzt gerade passiert, war das alles nur Kinderspiel! Zwar sind noch keine neuen Posten errichtet worden, aber dafür stehen die Uniformierten wieder an fast jeder Kreuzung. Provisorische "Stopp"- Schilder markieren nun die Punkte, wo die modernen Wegelagerer vielleicht auch mal zu Recht, öfters aber zu Unrecht (und immer unhöflich und autoritär) ihren Wege- Zoll einfordern. Kolleginnen meinten, auf diese Weise sei z.B. unterbunden worden, dass Demonstranten aus dem Westen massenhaft in Kiew an den Demonstration gegen das Gesetz über die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol hätten teilnehmen können. Busfahrer wurden einfach mit dem Entzug ihrer Lizenzen bedroht! Wie dem auch sei, das Klima ist sichtbar rauer geworden und das, was hier nicht zu Unrecht einfach "die Macht" heißt, zeigt ganz ohne Maske ihr (notfalls zur offenen Gewalt neigendes?) Gesicht. Stört das jemanden? Ich habe noch keine Klagen gehört. Man ist es gewohnt. Und außerdem herrscht wohl ein Bewusstsein vor, das eine meiner Schülerinnen mit Blick auf ein mögliches Strafmündigkeitsalter von 12 (!) Jahren so umschrieb: "Dank der Senkung des Strafmündigkeitsalter werden die Bürger näher an einer sicheren Gesellschaft sein, da die Versuche, eine eigene Welt zu erschaffen, verhindert werden." Ja, wo kämen wir da auch hin, wenn da einer einfach mal versuchen würde, anders als die anderen (und womöglich noch anders als es die neue alte Tradition bestimmt) zu leben? Da sei die allgegenwärtige Milizkontrolle vor...

Montag, 7. Juni 2010

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