Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Dienstag, 10. Mai 2011

Ausräumen

Langsam wird es ernst. Habe zwei ganze Tage je 10 Stunden Möbel zerlegt, Sachen sortiert und gepackt. Nun ist fast alles "in Sack und Tüten" und was ich nicht mehr mitnehmen kann, steht bei Juri. Sieht mächtig kahl aus im Zimmer und der Anblick treibt einen raus. Lieber heute Abend mit meiner "Jugendbrigade" in die Kneipe - endlich sind mal 19 Grad! - als leere Wände ansehen. Bin gespannt, ob ich alles mit einem Mal wegbekomme. Es sieht verdammt nicht danach aus :-(

Stutenrennen?

Die Einen feiern es so, die Anderen so... Während sich Kiew zum Tag des Sieges mal wieder eine Parade und den Aufmarsch der Veteranen gönnte, ging es in Ivano lustiger zu. Es ist nicht "unser" Sieg, scheinen sich die Leute hier zu sagen, die - zumindest auf den Dörfern - lieber in Prozession zu den Gedenkstätten der UPA- Helden ziehen. In den Städten fiel dieses Mal auf, dass nicht wie sonst üblich Plakate geklebt wurden, die an die UPA erinnern. Da hat der SBU wohl ganze Arbeit geleistet und ein weiteres Stück Einschüchterung ist gelungen, wenn sich auch die Nationalisten nicht mehr trauen...

Ach ja, was war denn in Ivano so lustig? In anderen Landesteilen ist es immer noch üblich, dass Jungvermälte sich vor Denkmälern der Kriegshelden fotografieren lassen und Blumensträuße ablegen. Vielleicht stand diese Tradition Pate, als ein paar Pseudo- Bräute in Ivano diverse blödsinnige Aufgaben erfüllen mussten und dabei von einem laut brüllenden Animateur angefeuert wurden. Wer das Spektakel organisiert hat, weiß ich nicht, es hat mich nicht sehr interessiert, aber Leute blieben genügend stehen, um sich u.a. den 50m- Lauf im Brautkleid anzuschauen. Und da sausten sie dann los mit gerafften Röcken und das männliche Publikum - wie üblich - grölte laut zu dem Gaudi, das die Weiblichkeit ihnen mal wieder zu bieten hatte und auch willig bot. Schade, dass ich nicht mehr mitbekommen habe, für welchen Hauptpreis sich die Damen so zum Löffel machen ließen...

Dienstag, 3. Mai 2011

Radtour- bergan

Juri meinte, er würde kurz vor sieben anrufen, dass er mit Sergej unterwegs sei. (Sergej ist ein Arbeitskollege meines Freundes, mit dem wir schon oft Tischtennis gespielt und im Garten gefeiert hatten.) Früh aufstehen also. Dann kamen Juri und Sergej mit dem Auto, das die Fahrräder trug. Nun aber "Heraus zum 1. Mai- die Demonstration wartet", das war Juris fröhliche Stimme. Klar, er - der Meister diverser Radcross- Rennen durch die Karpaten - freute sich auf sein Training. Sergej sowieso, er will dieses Jahr Juri schlagen ;-) Bloß ich war nicht ganz sicher, ob das mit mir gelingen kann, das Trainieren meine ich. Radwandern Berg hoch? Noch nie gemacht....

Die Fahrt ging zunächst über Nadvirna nach Jaremtscha, wo wir das Auto auf dem Parkplatz einer Kolyba abstellten, die Freunden von Sergej gehört. Die "Kolyba" ist ein ausgebautes altes Forsthaus und steht oberhalb des Prut (Foto oben), der - vom Hoverla kommend - durch Jaremtscha bis Czernowitz fließt, ehe er zum Grenzfluss (Moldawien- Ukraine) wird. Auch eine "Banja" gibt es dort, die man für uns heizen wollte. Aber meine beiden Freunde wollten nachmittags noch zu ihren Familien und so verzichteten wir. Schade eingentlich...

Dann wurde ich mit einem Helm versehen und wir verstauten die Regensachen, denn es tröpfelte schon die ganze Zeit. Sergej packte auch Würste ein und Juri hatte Butterbrote dabei. Bloß ich Esel hatte nichts- wenigstens an einen Balsam hätte ich denken können :-(

Dann ging's los. Etwa 8 km Straße aus dem Ort hinaus. Die Fahrt war schnell, ich kam gut mit. Kurz vor Ende der langgestreckten Siedlung bogen wir in die Berge ab. Von nun an ging es ohne Pause bergan. "Ohne Pause" meint, dass es wirklich permanent bergan ging, keine kleine Abfahrt dazwischen, nur mehr oder weniger steile Hänge, an denen sich ein steiniger Landweg hinauf schlängelte. Ich startete mutig durch und wirklich trampelt man zwar wie ein Idiot, kommt aber doch hoch. Nach kurzer Zeit raste das Herz und die Lunge pfiff. Sergej war schon nicht mehr zu sehen; Juri fuhr neben mir und mahnte zur Ruhe. "Langsam, langsamer!" Kann man noch langsamer? Wenn ich aufhörte wie ein Ideiot zu trampeln, wurde es schwer, das Gleichgewicht zu halten, denn die vielen Steine und Unebenheiten brachten das Rad schnell aus der Spur. Aber mein Freund brauchte nicht weiter zu raten, die Kraft reichte sowieso nicht mehr und ich wurde von allein "ruhiger", nur noch darauf bedacht, nicht abzusteigen. Nein, diese Schande wollte ich mir ersparen! So ging es ca. 4 km und man kann schon sagen, dass ich erleichtert war, Sergej an einem Rastplatz zu sehen. Pause! (Zweites Foto oben- Sergej und ich)

Weiter ging die Fahrt vorbei an stillgelegten - wie ich dachte - Ölförderpumpen aus habsburgischen Zeiten (wie in Sambir und Umgebung von amerikanischen Spezialisten Ende des 19. oder Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet). Auf der Rückfahrt sah ich dann Arbeiter, die sich an den Gestängen zu schaffen machten! Aber da war die Qual schon vorbei ;-) Qual? Wenigstens war es nun nicht mehr so steil und ich blieb ganz gut im Tritt, wenn auch ein Ziehen in den Oberschenkeln die Grenzwertigkeit meines Versuchs Nr. 1, einen 1000er per Fahrrad zu erklimmen, anzeigte. (Foto vier - Sergej bei der Abfahrt an etwa derselben Stelle, wo die Pumpen stehen)

Oben angekommen, es waren bis dahin ca. 18 km, also 10 km über etwa 600 Höhenmeter bergauf (!), fanden wir Sergej schon mit dem Feuermachen an einer der vielen typischen Feuerstellen ringherum. Holzkohle gibt es zwar zu kaufen, aber ein richtiger ukrainischer Mann bereitet sein Schaschlyk und den Tee nun mal über herunter gebranntem offenen Feuer zu. (Foto 5- mitte)

Mit Juri erstieg ich inzwischen den Gipfel. Es war nicht mehr so weit- wir benötigten ca. 15 min. Von oben gab es einen herrlichen Blick - der Regen hatte schnell aufgehört - über die Karpaten. Deutlich zu sehen waren die Möglichkeiten, hier zu wandern oder eben Rad zu fahren. (Zweites Foto von unten) So oft war ich schon in Jaremtscha, aber nie hatte ich den "Einstieg" in die Berge gefunden. Mir kam es immer so vor, als kämen die Leute nur zum Schaschlyk essen, Vodka saufen und Fernsehen in die zahlreichen Sanatorien. Da sei trotzdem was dran, meinte Sergej, die Zahl der Bergwanderer und Radfahrer halte sich doch arg in Grenzen. Die meisten kämen nur zum Pilzesammeln oder Beerenpflücken auf den Berg. Das hatte ich vor ein paar Jahren in Slavske schon registriert...

Als wir vom Gipfel zurück waren, gab es "Mittag". Die Grillwürstchen (lecker!) steckten auf Holzspießen und jeder briet sie sich nach gusto. So muss ein Picknick sein! Juris Käsebrote rundeten das Mahl ab. Kraft genug für den Rückweg!

Die Abfahrt ging schnell, war aber für mich nicht weniger spektakulär. Dieses Mal konnte ich Sergej folgen, denn dem war die "Schussfahrt" auch nicht ganz geheuer. Nach meinem Empfinden rasten wir den Hang hinab; ich hatte Mühe, das Lenkrad zu halten und nicht an Steinvorsprüngen oder Spurrinnen zu scheitern. Juri allerdings schien seine Bremsen nicht ein einziges Mal zu benutzen. Er stürzte förmlich den Berg hinab. (Letztes Foto unten) Wow! Dann ging es wieder auf der Straße zurück. Ich bekam leichte Krämpfe, die zwar vorüber gingen, für den Abend und den nächsten Tag jedoch nichts Gutes ahnen ließen. Dann Rückfahrt ohne Probleme und ein gutes Krusevice (Bier aus Tschechien) bei Juri im Garten. Schöner Tag!

Ach ja, stolz (!): Ich hatte weder abends noch am andern Tag Muskelprobleme. Wenigstens auf meine Beine kann ich mich als alter Jogger doch verlassen ;-)