Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Dienstag, 30. Dezember 2014

Nochmal Pegida (im Vergleich zum Maidan)

In der politischen Diskussion muss man sich gegen Plattheiten wehren. Wer jetzt  wieder versucht, Ossis (schlecht) gegen Wessis (gut) auszuspielen, der betreibt gefährliche Falschspielerei. Auch billige Kennzeichnungen wie "Nazis" oder "rechts" nützen nichts. So oder so ist jede dieser Demonstrationen eine Demonstration des Versagens der etablierten Politik. Sie erreicht die Menschen nicht mehr, weil diese längst begriffen haben, dass sie (außerhalb des Wahlkampfes) nicht wirklich gemeint sind. Auf dem Höhepunkt der Sanktioniererei gegen Putin war die Mehrheit der Deutschen dagegen, musste aber in den Zeitungen lesen und im Fernsehen sehen, dass es niemanden interessiert, ob ein Volk Krieg oder einen Kriegskurs gegen Russland will oder nicht. Eines Tages werden die Leute sagen, die Flüchtlinge aus der Ukraine sind Produkt einer Politik, deren Verfehltheit längst klar ist. Und die Menschen werden nicht einsehen, warum sie dafür zahlen sollen. Auch ein solider Anti- Amerikanismus ist ein Motor der Anti- Asylbewerber- Haltung. "Die" führen Kriege, von denen "wir" nichts haben, warum also sollen "wir" für die Kosten aufkommen? So denken die Leute und wenn man ehrlich ist, muss man einsehen: Da ist was Wahres dran. Aber statt hier den Hebel anzusetzen und den Frust dahin zu lenken, wo er herkommt und hin gehört, haben Linke nur platte Etikettierungen, die niemandem nützen, und die Rechten freut's - sie haben nun Grund genug, weiter nach "rechts" zu rücken. Das nützt ihnen nichts, denn in Dresden steht keine Programmbewegung auf der Straße und deswegen kann man die Leute auch nicht als künftige Wähler von der Straße holen. In Dresden (und anderswo) steht unsere parlamentarische Demokratie als solche auf dem Spiel und das macht die Sache richtig gefährlich.

Damit ist nicht gesagt, dass diese Versammlungen etwa nicht widerlich wären. Dummheit ist immer widerlich und wenn sie sich auch noch explizit gegen andere Menschen, zumal Hilfebedürftige, wendet, dann sind die gezeigten Haltungen auf jeden Fall intolerabel. Und da darf es auch keine Abstriche geben. Und trotzdem sollte man gerade jetzt alles tun, um den Kontakt zu diesen Menschen nicht abbrechen zu lassen. Es sind Menschen (und also können sie ihre Meinungen ändern). Schaffen wir das nicht, zeigen - wie einst Gustav Heinemann mit Blick auf die 68er Studentenunruhen sprach - von den fünf Fingern einer Hand vier auf uns zurück, wenn wir mit dem verbliebenen auf die Bösen zeigen! Das einzusehen und immer auf's Neue handlungsleitend zu machen, ist das Brot eines jeden politisch sich Einmischenden.

Bei Pegida sind nicht nur Dumme unterwegs. Man sieht Lehrer, Ärzte und sogar von Juristen war die Rede. Das sind doch Menschen, die denken können und die auch was wissen. Vielleicht erinnern sie sich (anders als der Herr Bachmann) noch daran, dass Putin im Tschetschenien- Konflikt (in dem "die Guten" auf der Seite der "Unabhängigkeitskämpfer" standen) schon 1999 vor einem "Kalifat" bzw. den "Vereinigten Staaten des Islam" (Wladimir Putin, Reden an die Deutschen, CompactEdition, S. 12) warnte, Ideen also, die damals über Kämpfer, die aus Afghanistan (sic!) kamen, als Ziel des "Unabhängigkeitskampfes" formuliert wurden. Mittlerweile sind es nicht mehr nur die Kabarettisten, die ja ohnehin die Rolle der einstmals "freien Presse" übernommen haben, die darauf hinweisen, dass nicht nur die Taliban oder die Dschihadisten ein Produkt amerikanischer Politik sind: Den IS hat man aufgebaut, um Einfluss in Putins islamischem Hinterhof zu gewinnen, dann hat man ihn (etwas erfolgreicher) gegen Syrien in Marsch gesetzt (und über die Türkei subventioniert), und jetzt wundert man sich, dass die Leute ein bisschen erwachsener geworden sind und begriffen haben, dass sie nur für amerikanische Interessen verheizt werden sollten. Jetzt machen die ihr "eigenes Ding" und schon haben "wir" ein Problem. Mehr Menschen, als man gemeinhin glaubt, verstehen, dass Syrien nicht eine humanitäre Katastrophe ist, die da mal eben so vom Himmel fiel. Mehr Menschen (vielleicht gerade Ossis!) als man gemeinhin glaubt, verstehen, warum es Wirtschaftsflüchtlinge usw. gibt. Und alle diese Menschen fragen sich, warum "die einen" davon immer den Profit und "die anderen" davon immer wieder nur die steuerlichen Belastungen und sicher oft auch eine Störung der bürgerlichen Ruhe in ihren Wohnorten haben. Nein, so verstehen es die wenigsten Leute, denn sonst würden sie die Linkspartei unterwandern und einer vernünftigen Oppositions- und Friedenspolitik ihre Stimme leihen...

Aber unterschwellig gibt es dieses "Wissen" und darum darf man sich nicht denkfaul und bequem auf billige Demonstrantenschelte einlassen, die wieder nur der Ablenkung von den wirklichen Problemen dient. Es gibt keine andere Chance: Nazis raus (aus den Köpfen), das ist alles, was man erreichen muss! Alles andere würde alle Fehler wiederholen, die schon in der Ukraine- Diskussion zwischen einer angemessenen Einschätzung der Lage und bloßem Putin- Verständnis standen. Wer da am Anfang von "Maidan- Faschisten" schwafelte, hat am Ende Recht bekommen (ohne jemals wirklich Recht gehabt zu haben!). Man hat nicht begriffen, warum ein "Volk" auf den Maidan ging, und nun begreift man wieder nicht, warum Teile "unseres Volkes" (dumm- klar) denselben Weg versuchen. Im Falle der Ukraine haben Linke nicht helfend, ja nicht einmal verständnisvoll eingegriffen. Dort hat man (im Falle der Partei DIE LINKE) sogar die erst pro- oligarchisch und nun pro- russisch und dazu noch unsäglich nationalistisch und militant agierenden Kommunisten (?) für "links" gehalten und mehr als die Maidan- Aktivisten unterstützt. Nichts ist dort so verhasst, wie die Beutelschneider der KPU! Wenn es "faschistisch" ist, gegen diese Mafia zu sein, dann sind die Leute eben gerne "Faschisten"! Hoffentlich schafft man im Umgang mit Pegida nicht parallele Zustände und macht Fehler aus einer ähnlich falschen Lageeinschätzung. Hier wie dort gibt es Meinungsführer und Stimmungsmacher, die eindeutig rechts (und womöglich gar neofaschistisch) agieren. Hier wie dort gibt es intolerable Parolen und Haltungen. Aber hier wie dort sind nicht Hunderttausende (Maidan) oder Zehntausende (Dresden) Faschisten! Feindbilder wie diese sind billig, sie erklären scheinbar alles, aber sie helfen niemandem! Gegendemos sind nötig, aber Pragmatismus im Umgang mit dem Problem, konkrete Arbeit für Flüchtlinge und gegen die verfehlte und scheinheilige Asylpolitik von Merkel & Co. sind nötiger. Alltägliche und unspektakuläre Arbei ist schwer, aber nur durch dieses Vorbild können "Mitläufer" von Pegida beschämt werden. Die anderen brauchen erst einmal Arbeit, die sich lohnt, und die Sicherheit, sie zu behalten. Und die ganz "Harten" brauchen eine Anklage wegen Volksverhetzung und die Erfahrung einer wehrhaften Demokratie! 

P.S.: Ein Ausblick auf 2015 a la Orwell und Huxley (und mithin realistisch) sieht Pro- Asyl- Demos, die vom Oberlandesgericht (wie vorher schon die Anti- Nazi- Demos) verboten und inkrimiert werden. Die ehremamtliche Arbeit der Aufrechten wird durch Abschiebungen (gerne auch zu Ostern und Weihnachten) konterkariert und frustriert wendet sich ab, wer bisher noch daran glaubte, dass die Zivilgesellschaft Macht gewinnen könnte. Dumme von rechts bis rosa (und die tiefrot Linken) sehen am Umgang mit der Person Bodo Ramelows, in welch hohem Maße eine "Allianz" für die (Mit)Menschlichkeit unerwünscht ist. Vor allem natürlich im Westen, wo die "Guten" zu Hause sind, wird das Scheitern des rot- rot- grünen Projekts Genugtuung auslösen und manch Grüner wird es mit einer Flasche nachhaltigen Biosekts der gehobenen Preisklasse freudig begießen... Ach, das Elend ist groß und das Licht am Ende des Tunnels ist nur der alles überrollende Schnellzug der Marke "Liberalismus". Keine Hoffnung? Nein, keine, wenn wir sie aufgeben und aufhören, etwas dafür zu tun!

Pegida und der Weihnachtsfrieden

Pegida ist dumm und unnütz, aber dennoch da. Die Bewegung, die in Dresden zuletzt einen Zugang an Befürwortern und einen Rückgang an Gegnern zu verzeichnen hatte, wird uns 2015 weiter beschäftigen. Gerade weil in München jetzt fast so viele Gegner Flagge gezeigt haben (gut!), wie es in Dresden anfangs Befürworter gab, bleibt die Wahrnehmung schief. Offiziell mögen zwar ausländerfeindliche Parolen die Szene bestimmen, aber die Bilder der Plakate sprechen (auch) eine andere Sprache. In Dresden demonstrieren Zu- Kurz- Gekommene einer Politik, die auch die Noch- in- Arbeit- Stehenden zunehmend verunsichert. Während in München immer noch viele Menschen aus der Perspektive eines gesicherten Wohlstands paternalistische Gefühle für Verfolgte und Geknechtete entwickeln können, sehen sich viele Ostdeutsche um ihre Hoffnungen auf Teilhabe am Wohlstandsmodell West betrogen. Anders als 1989, als dieses Modell ihnen alternative Hoffnungen gab, sehen sie heute für sich keine Perspektiven mehr. Während sich aus der "Sicht von oben" der Horizont weitet und die Vernunft freier zu atmen meint, schränkt die "Sicht von unten" den geistigen Horizont ein. Statt Souveränität im Umgang mit gesellschaftlichen Problemen bricht Panik aus. "Wer hilft uns?", rufen die Sich- zu- kurz- gekommen- Fühlenden und zeigen verzweifelt auf die Ausländer und Asylanten; als Nicht- mehr- Wähler, Bild- Zeitungsleser und Politikverdrossene meinen sie aber die Politiker/innen und die anderen "da oben", deren Gabentische zu Weihnachten trotz der paar Hundert Euro Weihnachtsspende für Syrien, Obdachlose und Tierheime immer noch voller als diejenigen derer sind, die als Ein- Euro- Jobber, Hartzer oder Aufstocker für einen Hungerlohn schuften und nicht wissen, warum ihre Arbeit nichts mehr Wert ist. Und deshalb ist es HOHN, wenn einer der hauptsächlich UNANSTÄNDIGEN dieser Republik, wenn also der Agenda- und Hartz IV- Schröder einen "Auftstand der (satten) Anständigen" anmahnt. Pegida ist genauso unanständig wie das System, in dem erst NEID Politik werden muss, weil anders die Schere von arm und reich nicht sichtbar werden kann. DAS wird uns 2015 beschäftigen und HIER verläuft die wahre Frontlinie gerade auch zu Weihnachten. 

Wehe also denen, die sich auch weiterhin etwas zu vorschnell für "anständig" (und also aus dem "guten" Westteil der Republik kommend) halten und dabei ihr soziales Gewissen lediglich im Bioladen und mit dem Kauf von Windkraft- Aktien beruhigen! Ja, wir haben (nicht nur im Osten) Millionen Kinder, die zu Weihnachten nicht nur auf gesundes Essen verzichten müssen, und deswegen haben wir auch Dummheit und Frust, oder - wenn man so will - Nazis und Pegida! Prosit Neujahr!



Weihnachten

Viel ist nicht los mit "Frieden auf Erden" usw. Dennoch muss ein Lichtlein brennen, weil es eben seit Alters her ein Zeichen der Hoffnung ist. Immer schon war die Dunkelheit groß und erhaben war die Finsternis (aus Dummheit, Ignoranz und Gewalt) und das kleine Licht der Vernunft brannte schwach. Und doch brennt es bis heute. Allen, die es hoch halten und weiter hoch halten wollen, ein frohes Weihnachtsfest!

Mittwoch, 17. Dezember 2014

Kosice zu Weihnachten


Eine Woche vor Weihnachten ist nicht mehr viel los in der Schule. Die 12. Klasse war am Montag Morgen gar nicht da- schließlich sind sie am Donnerstag "auf die Hütte" gefahren (Tradition nach dem Abiball); die 11. Klasse hatte am Dienstag immerhin zwei Vertreter geschickt. (Bild oben) Dazu schleppt man dann seine Weihnachts- Sachen mit und versucht, diesen Kulturschnöseln was von der Kulturgeschichte des Weihnachtsfests, von den Traditionen und den inneren Zusammenhängen der Religion (Zahlenmystik anhand einer Weihnachtspyramide!) zu erzählen. Interessiert eh kein Schwein.

Mein zweites Thema ist der "Konsumterrorismus" zu Weihnachten. Das verfängt natürlich noch weniger, denn wenn irgendetwas hier populär ist, dann möglichst hemmungsloser (nur durch die Geldmittel begrenzter) Konsum. Weihnachten für Kinder? Was davon übrig geblieben ist, sieht man auf dem Bild unten. :-(  

Dienstag, 9. Dezember 2014

Roma- Integrationsprojekt Medzev IV

Nun ist das Projekt Geschichte. Heute war noch "Kostümprobe" und dann erfolgte die Aufführung vor ca. 250 temperamentvollen Mitschülern. (Drittes Bild) Man kann das einen vollen Erfolg nennen, aber ein schaler Beigeschmack bleibt doch...

Klar, Helmut tat sein Bestes (Bild unten) und der "Scheich" sah dann aus wie ein richtiger Scheich (zweites Bild) und sein "Harem" wirkte wirklich echt. (Viertes Bild) Ich war nur schockiert, als ich wissen wollte, wie alt die "Kleinen" eigentlich seien. Bisher war ich von einem ziemlichen Altersunterschied zur 9. Klasse der Slowaken (ca. 15 Jahre) ausgegangen und hatte die um zwei Köpfe kleineren Romni auf 9- 12 geschätzt. Aber nein, nicht die Größte ist 12, sondern die Kleinste! Die anderen sind alle 13. (Bild oben) O je...

Die Aufführung dauerte dann ca. 25 min und die Resonanz war riesig. Bei den Tanzeinlagen zur Musik in Romanes hielt es das "schwarze" Publikum kaum auf den Stühlen. Zur besonderen Atmosphäre trug bei, dass alle andere Musik von den Schülerinnen live gespielt wurde.Die Quetschkommoden waren wirklich perfekt! (vorletztes Bild) Trotzdem blieb alles diszipliniert und unsere Schauspieltruppe hinterließ bis zum Abschiedsessen einen harmonischen Eindruck. ;-) Warum bin ich dennoch enttäuscht?

Ja, warum? Gestern wollten noch alle 8 "Filmleute" kommen und ich hatte sogar zugestimmt, dass die wegen des DSD bisher fehlende Patricia mitkommen darf, wenn es an der Schule deswegen keinen Ärger gibt. Heute waren dann 3 da. Warum die anderen nicht kamen? An der Schule gab es kein Wasser und also war sowieso schulfrei. Es fällt mithin kein Unterricht aus, wenn man am Projekt teilnimmt. Einen freien Tag opfern? Wozu? Auch die 3, die dabei waren, hatten anderes als den Film im Kopf. Patricia ist aus Medzev und also verschwand der Trupp und kam etwas rotgesichtig und ohne wesentliches Filmmaterial zurück. Fast waren sie auch zu spät und dann hätte ich nicht einmal mehr den Abschluss filmen können! Die letzten (wichtigen) geplanten Interviews fanden so nicht mehr statt und dem Film fehlt nun die endgültige Dramaturgie...

 Mein Liebling, der Dieb, war auch dabei. Ein schlechtes Gewissen quält ihn jedenfalls nicht. Er lud (fast demonstrativ- würde ich sagen) alle möglichen Leute ein und bezahlte großspurig, wohl wissend, dass ich ihm nichts beweisen kann. Wann wir endlich fahren würden? Mehr als ein Taxichauffeur war ich in ihren Augen nicht. Ich bat die Schüler, mir wenigstens ein paar Sätze für unseren Internetblog zu schreiben, wenn ich die Rechnungen und die Honorare bezahle. Kaum hatte ich mich allerdings umgedreht, verschwanden die drei wieder und ließen mich dann noch fast eine Stunde warten. Niemand nahm sein Handy ab und ich konnte nicht mal allein abfahren, weil ich ja für die Schüler verantwortlich bin, auch wenn sie nicht von meiner Schule sind. So bleiben die Texte für den Blog ungeschrieben und meine Übersetzungen der Interviews auf Slowakisch sind immer noch unkontrolliert. So etwas nennt man Gutmütigkeit ausnutzen und alles missachten, was man eigentlich für die Schüler machen möchte. Sie geben einem zu verstehen, dass man seinen Scheiß gefälligst alleine zu machen hat, wenn es ihnen nicht direkt etwas nützt. Vor allem kann man seine Arbeit alleine machen. Es ist doch mein Projekt, oder? Man könnte darüber zum Stalinisten werden, aber das schaffen sie dann doch nicht...

Wie kann man solche Leute lieben? Vielleicht, weil wenigstens Matus, der nichts getrunken hatte, dann im Auto neben mir saß und versuchte, sich nett mit mir zu unterhalten. Er hatte Gespür für die Situation und wollte sich (für die anderen entschuldigen). Der Junge möchte Musiker werden oder Historiker. Ein Exot also, denn alle anderen wollen ja Jura, Medizin oder WiWi studieren... Bleibt als Trost die Hoffnung, trotz allem ein Zeichen gesetzt zu haben. Wo soll man sonst beginnen, das Zusammenleben als möglich vorzuzeigen, wenn nicht in der Schule, wenn nicht dort, wo man zusammen singt und tanzt? Den Rest drücken wir mal wieder in den Skat...  

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Roma- Integrations- Projekt Medzev III

Als wir heute in Medzev ankamen, lag die kleine Stadt in dichten Dunst gehüllt. Aus vielen Schornsteinen quillt dicker Rauch. Hier wird Holz verbrannt. (Bild oben) "Die Zigeuner ziehen los, sammeln Holz und verbrennen es, obwohl es noch viel zu feucht ist", schimpft ein älterer Mann, als er mich beim Fotografieren sieht. Das mag wohl stimmen. Geld geben die ortsansässigen Roma für Brennstoffe sicher nicht aus und ob sie es lagern könnten? Überall wird viel geklaut... Aber davon sprechen die Menschen, die meine Schülerinnen auf den Straßen treffen und interviewen seltsamerweise nicht. Alle wollen sie an den Roma etwas Gutes finden. Die Kamera vollbringt Wunder! Petia staunt: Sollte das die Wahrheit sein? Sonst klingt es doch immer ganz anders...

Ja, sonst. Heute sind die Bürgermeisterin und ein Mensch von der Polizei gut vorbereitet und sagen, was sie glauben, sagen zu müssen. Auch die Lehrerinnen an der Grundschule, in der sie filmen, sind voll des Lobes über ihre dunkelhäutigen Schüler. Diejenigen, die im Theaterstück mitspielen, überzeugen allerdings auch meine skeptischen Schülerinnen. Die sind wirklich süß und tanzen, wann immer Musik erklingt. (Zweites Bild von oben) Auch Sonia bestätigt den Lerneifer und Lernwillen ihrer Schützlinge. Dieses Mal wird sie etwas länger vor der Kamera festgehalten. (Viertes Bild von oben) Ihre Kleinen assistieren und alle sind zufrieden. Zufrieden sind auch Daniela und Bruno (Drittes Bild von oben und vorletztes Bild), die heute die gestern ausgemachten Termine abarbeiten konnten. Überall hätten sie von den Offiziellen feundliche Worte über die Roma gehört. Ich bin nicht sicher, ob die Schüler vielleicht nur deswegen zufrieden sind, weil sie denken, dass mich das Ergebnis freut. Ein Deutscher liebt die Roma eben; für den durchschnittlichen Slowaken eine Horror- Vorstellung. Dennoch ist die Atmosphäre sichtbar gut. Im direkten Kontakt ist für Stereotypen weniger Platz.

Mittags trifft mich der Schlag. Morgens hatte ich mein Geld gezählt und daher war ich ganz sicher, dass ich 880,- Euro eingesteckt habe. Als ich die Rechnungen begleichen will, sind im Portemonaie noch ganze 330,- Euro. Sonst fehlt nichts. Ich erzähle es Helmut, der es nicht glauben will. Ich habe auch keine Idee, wo das Geld hin sein kann. Die Roma waren es ganz sicher nicht! Ich werde abgelenkt durch den Umstand, dass nun auch Helmut etwas vermisst. Seine Tasche mit Dokumenten der Arbeitsstelle ist weg und findet sich nicht wieder an. Wir sind ratlos, denken an eine junge Familie, die mit ihren zwei Kindern am Tisch hinter uns saß, wollen aber niemanden verdächtigen. Habe ich das Geld zu Hause auf dem Tisch vergessen?

Nach dem Essen malen die Schüler aus Medzev die Kulissen für den Auftritt, der nun am Dienstag sein wird. (Bild unten) Zum Abschluss gehe ich mit dem Film- Team in Helmuts Cafe und wir trinken Kaffee und reden über dies und das. Daniela kennt sich mit Fremdenfeindlichkeit aus. Sie war zwei Jahre in der Schweiz und veranlasste ihre Eltern, in die Slowakei zurück zu gehen, weil sie das Mobbing an der Schule nicht aushielt. Ein kluges Mädchen, das authentisch spricht. Trotzdem will sie nicht in der Slowakei bleiben. Kanada vielleicht oder die USA- das sind so Ziele. Petronella und Bruno (Drittes Bild von unten) sprechen über die Schule, von Motorrädern und wilden Fahrten im Porsche. Von Karin (Zweites Bild unten) erfahre ich, dass auch ihre Eltern es in Deutschland versucht hatten. Sie arbeiteten als Ärzte in Hartmannsdorf, hielten es aber nur ein halbes Jahr lang aus. Karin will auch Ärztin werden und lernt (trotz der Erfahrung der Eltern?) fleißig Deutsch. Naja, ich würde mich von ihr behandeln lassen. Dann spiele ich Taxi und fahre einen jeden vor seine Haustür...

Das Geld findet sich nicht mehr an, aber ich rekonstruiere den Tag und bin nun sicher zu wissen, wer das Geld genommen hat. Ich kann den Täter nun beschuldigen, beschimpfen, anklagen... Aber lohnt sich das? Überführen kann ich ihn nicht wirklich. Aber enttäuscht bin ich schon. Da redet jemand davon, Geld verdienen zu wollen und als Jurist (!) am liebsten in der Schuldvollstreckung tätig zu werden. Na, dann man los. Da siegt ja auch oft nicht eben die Gerechtigkeit... :-(

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Roma- Integrations- Projekt Medzev II

Als ich heute dazukomme, steht die Inszenierung schon und wir üben "nur" noch die einzelnen Teile und die sprachliche Realisierung. Mann, ist das zäh! Aber Helmut (Bild oben) ist wie immer mit dem ganzen Körper, mit Seele und Stimme dabei! Während wir beinahe erfolglos versuchen, die slowakischen Schülerinnen und Schüler zum SPIELEN zu bringen, bewegen sich die Roma- Mädchen völlig zwanglos und - das Klischee ist einfach wahr! - voller natürlicher Grazie. Dabei sieht man ihnen den Spaß an, aber auch den Ernst, nichts falsch machen zu wollen. (Bild zwei und drei) Ausnahmslos alle sind sie geschminkt und genießen ihre "Kostüme". Zwei der älteren Mädchen (ca. 12 Jahre) hatten sich ausstaffiert, sie gehören zur Entourage des falschen Entertainers, dass es eine Art hatte. Pädophile müssen sich da schon mal zusammenreißen und mein Urteil, bisher noch nie so richtig hübsche Menschen unter den hiesigen Zigeunern gesehen zu haben, gerät - was die Kinder anlangt - arg ins Wanken. :-) Ich hatte jedenfalls mindestens so großen Spaß wie sie daran, "O Tannenbaum" mit ihnen zu üben! Dass der "weiße Lehrer" und auch noch Ausländer sich mit ihnen beschäftigt, war offensichtlich ein Erlebnis und die Begeisterung darüber teilte sich mir in wenigen Sekunden mit. Keines der Kinder hat Deutsch in der Schule und so erfanden wir erst einmal eine "Umschrift", welche die deutsche Schreibweise in ein phonetisch sprechbares Sprachwerk verwandelte. Dabei half Sonia, eine Romni, die erst Verkäuferin gelernt und dann jenseits der 30 als Mutter schon von zwei Kindern noch einmal die Schulbank gedrückt hat. Sie studierte im Anschluss erfolgreich Sozialpädagogik und arbeitet nun an der hiesigen Grundschule mit den Kindern ihres Volkes. Sie verstand alles unglaublich schnell und fast noch schneller schmetterten die Kleinen mit strahelnden Augen "und auch im Wuinter, wuenn es schnait"! ;-) In 20 min saß der Text!  


Das gibt ein herrliches Schlussbild, wenn alle singen. Aber so ganz untalentiert sind die Slowaken nun auch wieder nicht. Die beiden Akkordeonspielerinnen geben herrlich zwei verlotterte Straßenmusikanten und sind musikalisch absolut sicher. Das trifft auch auf Martina zu, die kräftig Saxophon bläst. (Zweites Bild von unten) Urkomisch auch unser "russisches Paar" (drittes Bild von unten). Sie tanzen Kalinka und treffen genau den Gestus neureicher Shopping- Bürger.  Daneben tritt übrigens noch ein "Pascha" mit seinen 6 Roma- Mädchen (die ganz Kleinen) auf. Was die 8- 10 Jährigen da an poppigem Bauchtanz aufführen, lässt einen schwach werden. Siehe oben! Also, dieser Teil der Arbeit läuft bei allen Schwierigkeiten im Detail insgesamt besser als gedacht.

Beim Mittagessen fragte ich Sonia ein bisschen aus. Sie war ganz gerührt und sprach davon, wie wichtig allein der Umstand sei, dass die Kinder endlich mal etwas mit den "anderen" gemeinsam erleben. Ihr Beispiel leuchtete mir sofort ein. Es ging um das Essen mit Messer und Gabel, das die meisten kleinen Romni nicht gewöhnt sind.
Gestern hätte man ihnen beim Fleisch- Schneiden helfen müssen und so manches Stück Kartoffel sei von der Gabel gefallen und auf dem sauberen Tischtuch der schönen Pension "Helion" gelandet. Heute hätte man dann Eierkuchen ausgewählt, damit das mit dem Fleisch nicht wieder passiert. Die slowakischen Schülerinnen wären gestern etwas angeekelt gewesen und den Roma- Kindern war das furchtbar peinlich. Heute gaben sie sich sichtbar Mühe. An meinem Tisch hatte ein Mädchen Schweißperlen an der Stirn, aber es klappte mit den Eierkuchen dennoch nicht richtig. Ihr konnte geholfen werden und sie strahlte über das ganze Gesicht. Und Sonia strahlte auch: "Sehen Sie. Dieses Mal sind alle Tischtücher sauber geblieben!" - Das sind so Erfolge...

Trotzdem. Für mein Filmprojekt sehe ich schwarz. Bei dem Versuch, die Bürgermeisterin, den Amtsleiter, den Pfarrer und die Inhaberin des Restaurants vor die Kamera zu bekommen, gab es nur Vertröstungen. Morgen hätte man Zeit, aber heute ginge es einfach nicht. Ob es morgen wirklich gelingen wird? Das wäre wie der (Licht)Blick des Mondes durch die dunklen Wolken am heutigen Abendhimmel... (Bild unten)

Roma- Integrations- Projekt Medzev I



Während ich in Michalovce die schriftlichen DSD II- Prüfungen zu beaufsichtigen hatte, begann unter Federführung von Helmut Bistika (im Bild oben in der Mitte) und unserer Freiwilligen Jenny Dickert der zweite Teil unseres Film- Theater- Projekts. Roma- Schülerinnen sollen gemeinsam mit slowakischen Schülerinnen und Schülern Theater spielen und das tun sie auch! Helmut und Jenny entwickelten mit den Teilnehmerinnen die Idee einer Casting- Show. Auf einem Bahnhof geht kein Zug mehr und ein zufällig mit seinem Anhang anwesender Produzent verantstaltet gegen die Langeweile ein Casting und verspricht allen Mitwirkenden Show- Auftritte. Er ist - natürlich - ein Hochstapler (wie auch einige der anderen Reisenden). Die Musik kommt nur z.T. von Kassette; zwei Mädels spielen Schifferklavier und Martina (schon im letzten Jahr unser "Star") produziert sich auf dem Saxophon! Das wird schon mal super.

Weniger gut funktioniert die Idee, das Ganze wieder mit Interviews zum Problem des Verhältnisses von Mantaken, Slowaken und Roma in Geschichte und Gegenwart zu umgeben. Auf der Straße, so sagten mir die Schülerinnen, möchte niemand mehr etwas zu den Roma sagen, sobald die Kamera ins Spiel kommt. DAS haben unsere Medien also fertig gebracht: Vor lauter political correctness haben die Leute schon Angst, von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen! Was für ein Elend! Lediglich zwei Kolleginnen der Grundschule (die beiden Bilder unten) waren bereit, sich zu äußern. Aber auch sie redeten - wie ich bei der Auswertung des Materials sehen konnte - gekonnt um den heißen Brei herum. Schade. Mal sehen, wie das an den anderen Tagen läuft.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Eine Klasse ist Klase

Nun hat David schon einen Scheck in der Hand und einen zweiten bekommt er gerade von seiner Klassenkameradin Zuzanna. Die IVg des Gymnasiums Pavel Horov hat eine tolle Aktion abgeliefert; es scheint, als hätten sie halb Michalivce in diese Aktion  involviert. Leider waren die Akteurinnen heute bei der schriftlichen Prüfung zum DSD II arg müde und es wurde mehr gegähnt, als gut sein konnte. Mal sehen, was draus wird. Ich hoffe nun für alle, die sich der Prüfung stellten, dass sie dennoch das Maximale aus sich heraus holen konnten!

Freitag, 28. November 2014

Ehrenrettung

Sie heißt Vanessa und ist die Schwester eines meiner Schüler aus Michalovce.Vanessa ist an einem Tumor operiert worden und es sieht nicht so gut aus. Die kleine Familie lebt ohne Vater und die Mutter ist nicht reich. Die Medikamente, die vielleicht Leben retten oder verlängern können, sind teuer und werden von der Kasse hier nicht bezahlt. Also hat David einen der in solchen Fällen üblichen Internet- Aufrufe gestartet und in drei Sprachen um Hilfe für seine jüngere Schwester gebeten. Klar, einige Lehrer haben spontan gespendet und ich dachte auch, dass die eine oder andere Mitschülerin etwas gibt. Nun aber hat die Gruppe in 14 Tagen über 750 Mitglieder gewonnen und die Aktivitäten der Schülerinnen häufen sich. Michalas Zumba- Verein veranstaltet eine Benefiz- Veranstaltung (Bild oben) und Zuzana hat im Eishockeyverein gesammelt. (Bild Mitte) An der Schule treten morgen diverse Schüler- Bands auf, der Eintritt geht als Spende an die Familie usw. usf. Die jungen Leute sind initiativ und ideenreich. Mitfühlend sowieso. (Bild unten) Das finde ich überwältigend und auch ermutigend. Es relativiert den Befund aus dem letzten Post. Vielleicht sind viele Dinge zu abstrakt und zu weit weg, wenn man sich politisch gar nicht interessiert und sozial wenig informiert ist. Aber die basic- instincts der Mitmenschlichkeit sind doch noch intakt. Ich lebe gleich wieder ein bisschen besser in diesem Land und der Optimismus in die Zukunft hebt sein Haupt. ;-) Vor allem aber: Möge das alles Vanessa helfen! Immerhin sollte ihr so viel Aufmerksamkeit Mut und Kraft geben. Was ist wichtiger als das Bewusstsein, mit seinem Schicksal nicht allein zu sein?


Dienstag, 25. November 2014

Vermarktung alles Menschlichen im Spiegel der Schule

2011 schrieb der linke französische Philosoph Lucien Sève in Le Monde Diplomatique unter der Überschrift Der Mensch im Kapitalismus: "Die auffälligste Fehlentwicklung der Zivilisation ist die Vermarktung alles Menschlichen." Darüber mit slowakischen Schülerinnen zu diskutieren fällt nicht leicht. Sie wollen Geld verdienen und finden es einfach nur gut, wenn ich ihnen erkläre, dass diese oder jene mitmenschliche "Leistung" in der letzten Zeit geldwert geworden ist. Ihnen kann anonyme Pflege nicht passieren, denn sie haben ja Familie. Auf die Idee, es könnten sich diese Bindungen in absehbarer Zeit auflösen, kommen sie nicht. Warum sollte jemand, der eine Wohnung in seinem Haus frei hat, diese gegen Hausdienstleistungen einem Studierenden kostenlos oder kostengünstig zur Verfügung stellen, wenn er sie doch vermieten könnte? Warum sollte eine pensionierte Musikpädagogin etwa einer jungen Interessentin kostenlos Geigenunterricht erteilen und dafür vielleicht eine Einkaufshilfe gewinnen, wenn sie Privatstunden gegen Geld geben kann? Das alles können sie sich nicht vorstellen, obwohl sie erzählen, wie Studenten hier eine gemietete Wohnung völlig verwahrlost hinterlassen haben, obwohl (!) sie Geld bezahlt hatten. Sie verstehen nicht, worin das Interesse eines Studierenden bestehen könnte, sich durch ein bisschen Hilfe und evtl. Zuwendung eine kostengünstige Wohnmöglichkeit zu sichern. Warum sollte er sich durch Zerstörungswut um diese Möglichkeit bringen? Antwort: "Weil der Mensch schlecht ist." - "Weil man nur der eigenen Familie vertrauen kann." - "Weil sich eben alles um Geld dreht. Und das ist auch gut so." Für sharing- economy haben sie nur ein abfälliges Grinsen übrig. Wer ist so blöd? Die Deutschen? DIE bestimmt nicht! Höchstens ihr ostdeutscher Lehrer kann so was gut finden. Die Idee kommt aus Havard? Aha... Egal. Wenn sie das Gerede von "menschlicher Wärme" und so hört, dann schalte sie ab, meinte Kamila empört. Man sieht ihr an, wie sie diese sozialistischen Ideen anwidern. "Wenn jemand Hilfe nicht bezahlen kann, dann soll er doch sterben." - Sprach eine angehende Ärztin, die schon seit einem Jahr nur noch für die Aufnahmeprüfung für dieses Studium lernt...

P.S.: Ich erzähle das einer sehr netten Kollegin. Die versteht mich sofort und erzählt, wie empört sie war, als ein Nachbarsjunge die Idee absurd fand, für Spracherwerb Geld zu zahlen. Sie meinte damit die Dummheit, sein Englisch nicht verbessern zu wollen; richtig empörte sie aber, dass er dafür nicht zahlen will...

Sonntag, 23. November 2014

kamenicky hrad

Freund Ludovit hat eine Sammlung von Sagen und Legenden seiner Heimat, der Region Šariš, und auf Wusch seines Verlegers die noch vorhandenen Reste "abgeknipst". Ein Spezialist also.  Als er mich einlud, ihn mal wieder zu besuchen, wünschte ich mir einen Ausflug zu einer mir noch unbekannten Burgruine. Der Wunsch wurde erfüllt und wir fuhren über Sabinov zu dem Dorf Kamenica. Den Wegweiser zur Burg hatte ich schon oft gesehen und auch den Höhenzug, auf dem sie verrmutlich stehen würde, hatte ich ausgemacht. Und es stimmte. Wie das Rückgrat einer kurz aus den Fluten auftauchenden Riesenseeschlange zieht sich der schmale und spitze, in der Mitte künstlich abgeflachte Grat durch die Landschaft. 

An den beiden Enden türmen sich Felsen auf; auf einem stand der Palast und auf dem anderen befand sich der Bergfried. Irgendwann verband man beide Teile mit Mauern und hatte in der Mitte wohl Platz für Soldatenquartiere etc. Die Burg diente dem Schutz der königlichen Jagden und sollte wohl auch die nahe ungarisch- polnische Grenze überwachen. Sei's wie es sei, Ludo wusste, dass der Legende nach Hussiten unter Jan Žižka die Burgbesatzung herausgelockt und dann geschlagen und danach die Burg besetzt hätten. Ob sie je eingenommen wurde? So stark befestigt war sie wohl nicht, aber wer das wissen will, kann ja selbst nachlesen...

Für uns waren heute das herrliche Wetter und die schönen Aussichten am wichtigsten. Von oben hat man wirklich einen ausgezeichneten Lug ins weite Land. (Bild oben) Aufgebrochen waren wir bei ca. 6 Grad und in der Sonne blieb es angenehm. Aber in den Gipfellagen der umgebenden Berge herrschen wohl schon andere Temperaturen. Jedenfalls ist alles voller Rauhreif. (Bild zwei)

Uns musste das nicht stören. Die Sonne beschien die Szenerie aus spärlichen Ruinen und stolzem Slowaken- Banner (was hat das mit der sächsisch- ungarischen Burg - die Bauherren waren Sachen - zu tun?) gar prächtig. Die vergilbte Farbe der Gräser erinnerte mich fatal an die Krim. (Bild drei) Einst wanderte ich in einem solchen Licht, allerdings bei 30 Grad mehr, über die Anhöhen bei Balaklava zur Ruine der dortigen Genueser- Festumg. Geradezu unwirklich schienen die Ende November dort oben ungerührt und herrlich gelb blühenden Blumen. (Bild vier) Da Ludo es so wollte, posierte ich vor der im Hintergrund wehenden Fahne. (Bild fünf) Es hat sich gelohnt, denn bei facebook ließ sich die mir bekannte Damenwelt nicht lumpen und postete bzw. "likete" (?) "forever young" (Ewa). Hm, schön wäre, wenn das stimmen könnte...

Dann mussten wir schnell nach unten, denn mit der untergehenden Sonne wurde es schnell finster. (Bild unten). Ein Kaffee in Sabinov beschloss den schönen Tag. Leider musste ich zu Hause angekommen doch noch wieder korrigeren, da ich gestern diverser neuer Projektantangelegenheiten wegen nicht dazu gekommen war. Aber das ist nun auch erst mal zu Ende. Nächste Woche sind schon die Prüfungen zum DSD...





Sonntag, 9. November 2014

Nachtrag: Sirava vom 24.- 26. 10.

Am 24. nahm ich das Gepäck der Gruppe auf, kaufte die Fahrkarten und fuhr selbst nach Michalovce, um die 10 Jungs und Mädchen wieder in Empfang zu nehmen, die - gemeinsam mit Tomas und Lenka vom GPH - einen Filmworkshop zu erleben. Der Zug hatte Verspätung, dann ließ das Essen ein bisschen auf sich warten. Also fiel die Vorstellungsrunde kurz aus. Ab zum Bowling. Anderntags Übungen zur Handhabung der Kamera, zu Interviewtechniken und ein bisschen Recherche zu den Zigeunern und Mantaken in Oberungarn. Nachmittags drehten die kids Clips und am Ende des Tages in drei Gruppen je einen kleinen Film. Das Wetter war Klasse. Morgens schon goldene Farben über dem Sirava Stausee. (Bild oben) Meine Gruppe fuhr los, die Burg Viniansky hrad zu suchen (und nicht zu finden). Dafür sah ich den gleichnamigen See zum ersten Mal. (Zweites Bild). Schöne Landschaft. Tomas und Karin spielten mit, aber meine "Lieblinge" von der Srobarova blödelten am meisten und "trugen" die Sache mit ihrem Spaß an der Idee. Sie filmten ihre Fragen an Passanten, kommentierten den Umstand, dass in einer ganzen Reisebusgesellschaft aus Ungarn niemand (!) eine der gängigen Fremdsprachen sprach, freuten sich an dem Laub auf den Wegen und waren einfach nur lustig. Ich spielte mit. (Bild drei und vier- unten links Petronela und rechts Simona) Abends rückte die Bande ab ins Thermalbad und im Anschluss daran hatten wir alle mit meinem neuen Chef Michael, der sich als begnadeter Entertainer entpuppte und den "Hit" memories of sirava (Ja, ja, memories of Heidelberg!) kreierte, einen lustigen Tagesabschluss. Die Jugendlichen sangen ihn noch bei ihrer Ankunft in Kosice! Ich hatte inzwischen die Filmclips zu schneiden, damit wir am Sonntag ein paar Arbeitsergebnisse sehen konnten. Das passierte dann auch.Während eine Gruppe ihre Eindrücke für den Bog formulierte, fuhr die jeweils andere mit Michael auf einer Yacht über den See. Dann Mittagessen und Abfahrt. Für eine sachgerechte "Evaluation" blieb keine Zeit. Ich hatte aber auch gar keine geplant! ;-) Trotzdem schockierten mich die Antworten auf einschlägige Nebenfragen. Alles war toll, schade, dass es schon zu Ende ist usw. Bloß... Ja, was "bloß"? - "Warum mussten wir immer arbeiten? Das hat nicht so viel Spaß gemacht." Das fanden auch Patricia und Emilia (Bild unten), deren Filmbeiträge sich wesentlich um Frisuren und den catwalk drehtren. Warum ärgere ich mich immer wieder über solche Sätze/ Tatsachen, die ich doch kenne und von denen ich genau weiß, wo sie her kommen? Simona war doch wenigstens ehrlich und den Mädels fällt halt nicht mehr ein...


Nun geht es um den zweiten Teil des Projekts. In Medzev soll ein Roma- Ensemble mit slowakischen Kindern zusammen (!) Theater spielen (vier Tage Proben!) und wir wollen das filmen und rund um die Proben und die Aufführung (am Nikolaus- Wochenende) Interviews zum "Zusammenleben der Minderheiten (Mantaken und Roma) in Geschichte und Gegenwart" führen. Helmut Bistika hat mich schon gewarnt: Politisch korrekte Antworten soll ich nicht erwarten. Letztens war wohl das ZDF da; die Reporter flohen den Ort entsetzt und das Material wurde nie gesendet. Und so wird die Realität wieder und wieder verdrängt. Erinnert mich das an was? Ach ja, wir haben den 09. November... ;-)

Bloß stellt sich die Frage nach der "Ergebnis- DVD". Wie soll ich die "Wirksamkeit" meiner Arbeit nachweisen, wenn sich weder die Interviewer noch ihre Partner der Grundüberzeugungen deutscher Reinheitsgebote bewusst sind? Schließlich meint man doch verlangen zu dürfen, dass Schule über Aufklärung Meinungen verändert! Was für ein tumber Wahn...





Levoca hat ein neues Restaurant


Wozu noch einmal über Levoca schreiben? Weil es ein neues feines Restaurant mit leckeren Speisen hat! Ich fuhr am Sonnabend hin, weil Karin es noch nicht gesehen hatte. Ja, ich bin gerne Reiseführer. Man sieht selbst oft ganz neu, was man mit den Augen des anderen sieht! Dieses Mal fand sich ein interessantes Stillleben an der Mauer auf dem Weg zur Bastion. (Bild oben) Seit drei Jahren renovieren sie dort. Aber nun ist was draus geworden! Ein Restaurant mit Freisitz und wahrscheinlich Hotelzimmern in dem hohen Dachstuhl! Innen altes Holz und die jahrhundertealten Mauern (zweites Bild von oben); dazu überall einfaches Glas. Das passt gut. Meine Schweinsmedaillons an Pilzragout und mit Butterreis waren etwas teurer als sonst in der Slowakei (8,90 Euro). Aber lecker! Richtig lecker! Auf den Fensterbänken ein nettes Herbstgesteck. (Bild drei von oben) Es machte Lust, einfach so ein bisschen zu fotografieren. Und das tat ich. Alte Häuser voller morbidem Charme (zweites Bild von unten); warum ist bei uns immer ALLES selbst in den ältesten Städten so langweilig NEU? Städte waren nie "neu"! Das Haus ist bewohnt und die Bewohner haben alle Fenster vollgestellt mit Pflanzen und Kakteen. Ich mag Fenster wie das im Bild ganz unten. Übrigens ging ich nur im Pullover und schwitzte dabei wie ein Affe! Strahlender Sonnenschein und 17 Grad! Wenn das die Folgen des Klimawandels sind, dann fahre ich gern noch ein paar hunderttausend Autokilometer dafür, dass künftig jeder Herbst zum Sommer wird! 

Abends schlossen wir den Tag im med malina. Karin fährt Montag wieder ab und da müssen Remmer und ich die einsamen Männerabende wieder aufnehmen. So'n Pech! Aber einsam kann auch schön sein. Heute nutzte ich den Tag für eine Rad- Rundfahrt auf meiner Standard- Rennstrecke. Bestzeiten waren nicht zu erwarten, aber dafür, dass ich die Saison eigentlich schon beendet hatte, kann sich das Resultat (2:50:24) sehen lassen. Vielleicht wiederhole ich das morgen; ich habe nämlich frei, weil die Schülerinnen meiner Schule ins Theater gehen. Nächste Woche dasselbe. Da feiert man den Jahrestag des Studentenaufstandes in Prag und Bratislava. Nur zu. Wer feiert richtet sonst keinen Schaden an! Warum ich darauf komme? Ich lese gerade "Zigeuner" von Rolf Bauerdick und leide mit ihm, wenn es um den Blast der Antiziganismus- Forschung geht, der wir die Deutungshoheit darüber verdanken, was "Roma und Sinti" alles (nicht) sind. (Was sie sind, davon haben die keine Ahnung, jedenfalls findet man in einschlägigen Texten wirklich nicht eine Antwort auf naheliegende Fragen. Man darf die einfach nicht stellen!) Jedenfalls fiel mir auf, wie blass die inkrimierten Äußerungen von Slowaken, die in einer Zeitung zitiert (!) wurden, gegen das bleiben, was ich täglich von Schülerinnen und Kolleginnen zu dem Thema höre. Ich werde jedenfalls gut auf mein Geld und meine Kamera aufpassen, wenn wir mit den Jungs und Mädels vom Zigeunerensemble der Grundschule Medzev proben! ;-)



Freitag, 7. November 2014

Kloster Jasov von innen

Mit Karin und Remmer nach Medzev unterwegs, machte ich natürlich einen Abstecher zum Prämonstratenser- Kloster Jasov. Bisher hatte ich das imposante Kloster, dessen barockes Eingangsportal zur Kirche als einziger Teil saniert schien, nur von außen gesehen. Heute ergab sich durch Zufall die Möglichkeit einer Führung durch das seit 20 Jahren in Sanierung befindliche Innere. Ja, das Kirchenschiff ist imposant, aber es erschien mir künstlerisch nicht wirklich wertvoll (nimmt man einmal den Adel des Alters weg). Die Akustik in dem hohen Gewölbe (Bild oben) ist wahrscheinlich aber gut. Es soll Orgelkonzerte geben...
Für mch am Interessantesten: Die Bibliothek. Nein, kein tolles Interieur wie in der Anna- Amalia, aber Bücher ab Mitte des 16. Jahrhunderts. Immer wieder beeindruckend der Anblick extra für das Äußere einer bestimmten Bibliothek neu eingebundener Bände, deren Gleichförmigkeit andererseits auch höhepunktlos wirkt. Demokratie im Büchersaal! (Bild zwei) Da drängt sich niemand vor, es sei denn, er besticht durch sein großes Format. Apropos Format! Großformatig lag eine gebundene Sammlung alter Stiche aus dem 17./ 18. Jahrhundert vor, in der man blättern konnte, wie man wollte. Der Führer spulte halt seinen Text ab; von der Bedeutung der präsentierten Stücke hatte er sichtlich keine Ahnung. Witzig am Rande: Unter den ca. 30% Bänden auf Deutsch fielen mir sofort die gesammelten Bände Gustav Freytags auf und - was soll man sagen? - eine broschierte Werkausgabe von Karl May! Ei, diese Mönche... Allerdings gab es auch ziemlich viele der im 19. Jahrhundert wohlfeilen Literaturgeschichten und diverse Zeitungssammlungen sind ohnehin ein Kleinod...

Sehr schön der hinter dem Kloster befindliche Barockgarten, dessen einstige Gestalt nur noch zu erahnen, deswegen aber umso "romantischer" ist. Französische Gärten sind natürlich nicht romantisch, dieser aber ist es in seiner Verlassen- und Sich- selbst- Überlassenheit ganz grandios. (Bild drei) Von hinten und aus der Ferne, der Garten ist eher langgestreckt als groß, sieht man auch den Verfall ( Bild vier) nicht so. Das Kloster wirkt mit all dem schütteren Grün des Herbstes fast granzil, obwohl es der Bauform nach doch eher ein Klotz ist. (Bild unten) Das war also sehr schön und überraschend. Ansonsten ist das Innere eher unspektakulär. Im ehemaligen Speiseraum stehen ein paar alte Schränke, im Foyer gibt es eine Art Historienbild, das wohl die Hochzeit eines Andrassy zeigt- die Familie gehörte zu den Schutzherren und "Sponsoren" des Klosters. (Zweites Bild von unten) Die Farben sind zerplatzt und an einer Stelle großflächig abgesprungen. Rührend die jungfräuliche, wie neu erscheinende Leinwand darunter. Kein bisschen vom Zahn der Zeit angenagt. Irgendwann wird man das von dem restaurierten
Kloster insgesamt sagen. Bloß wozu? Die Kirche hat den Riesenkomplex zurück erhalten und derzeit leben drei Mönche (?) in dem riesigen Komplex. Da ist was faul...