Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Dienstag, 28. Juni 2011

Rechtsprechung aus dem Beduinenzelt

Neugierig geworden, was einen entsandten Programmlehrer der BR Deutschland zur „illegalen Arbeitsaufnahme“ in der freien und souveränen und überdies schönsten Ukraine bewogen hat, die es weltweit gibt? Nun, Ende August 2010 eingereist im Status eines akkreditierten (also diplomatisch beim Außenministerium in Kiew zentral registrierten) Auslandslehrers, bekamen wir Ende Oktober 2010 unsere Pässe ohne Visum zurück. Die Botschaft erreichte in der Sache nichts und zog uns, also alle im Programm tätigen Lehrkräfte, aus der Ukraine ab, da wir nun über keine Arbeitsgenehmigung mehr verfügten. Im Februar 2011 kam ich zur Abwicklung meiner Angelegenheiten wieder, arbeitete für das nicht aufgehobene deutsche Programm ohne ukrainische Vergütung bis zum Mai und reiste dann aus. Im Juni wieder eingereist, traf mich nun die volle Härte des Gesetzes! Die unappetitlichen Einzelheiten der Behandlung auf einem ukrainischen Amt, die Widerwärtigkeit des Umgangs mit einem Beschuldigten, erspare ich mir hier. Fakt ist nur: Nach und nach brachen die Anklagepunkte in sich zusammen. Übrig blieb der Zeitraum September- Oktober, in dem ich, weil ich von nichts Anderem wusste und – da man die Botschaft nicht von irgendwelchen Absichten, unseren Status zu ändern, informiert hatte – auch nichts ahnen musste, brav in meiner Schule gearbeitet hatte. Ich sollte mich schuldig bekennen, tat das aber nicht, da ein Schuldeingeständnis – und das war beabsichtig – alle Kollegen des Programms und die deutsche Seite insgesamt ins Unrecht gesetzt hätte. Also ging der Fall vor „Gericht“…

Oh du österreichisches Amtsgericht vom Ende des 19. Jahrhunderts! Hinter der gut restaurierten Fassade des imposanten Gebäudes der Gestank der Kübel aus dem vorigen Jahrhundert, die lieblichen Düfte der Bäuerinnen, die man wegen unerlaubten Handels am Straßenrand verknackt, der Gestank der BOMSCHi (Obdachlose), denen das Schlafen auf der Straße untersagt wird, das Geschnatter der Justiziarinnen, die den tumben Bäuerlein verklickern, warum sie und wozu sie schuldig gesprochen werden… Wir schoben uns durch das stinkende Gewühl, um ein auf 30 min angesetztes Gerichtsverfahren über uns (die Amtsleute inklusive) ergehen zu lassen. Wie läuft das nun ab?

Erst einmal wird man aufgerufen, darf aber nicht hinein. Zu Richter Rudenko vorgelassen werden erst einmal nur die Amtsleute, die mit ihm die Sache besprechen und das Urteil vorformulieren. Nach ca. 20 min muss man dann selbst rein und „darf“ stehend vor einem Mikrofon auf Fragen antworten. Das Blablabla kreiste um die Frage, auf welcher Grundlage ich in der Ukraine gearbeitet hätte. Nun, die Grundlage ist eine internationale und seit 1992 rechtsgültige, dem Kulturvertrag angefügte Abmachung namens „Lehrerentsendeprogramm“. Das sollte ich, der Tourist, nun vorzeigen, was schlichtweg nicht möglich war. Das Dokument läge wenige Minuten von hier an meiner Schule. „Liegt also nicht vor“, konstatierte Richter Rudenko und verlas das Urteil, demzufolge ich nur im Status eines Immigrationswilligen (Visum IM1) hätte eine Arbeit aufnehmen dürfen „sofern internationale Verträge nichts anderes regelten“. Ob ich das akzeptieren würde? – Wieso? Er hat doch selbst vorgelesen, das anderslautende internationale Verträge dieser Interpretation entgegen stehen. Da stutzte das Mensch und vertagte sich um 30 min.

Sichtlich erregt, weil das besprochene Szenarium offensichtlich verletzt war, rannte mein Ankläger vom OVIR hinter ihm her. Er wolle Wasser kaufen, entschuldigte er sich bei uns, nur gab es weit und breit keine Verkaufsstelle ;-) Dann kam er wieder- sichtlich enttäuscht. Nach 30 min erschien Richter Rudenko in einem schwarzen Kostüm, das wohl die schwerlich vorhandene „Würde“ dieses Gerichts unterstreichen sollte. Um den Hals hatte er eine goldene Plakette am ukrainischen Band, womit er vollends wie der Bestschüler seines Jahrgangs bei einer Abiturfeier daher kam. Ohne Aufzublicken verlas er dann das Urteil: schuldig nach den Paragrafen blablabla und verurteilt – wegen nicht nachzuweisender Vorsätzlichkeit – zur Minimalstrafe von 510,- UAH (entspricht ungefähr meinem letzten Gehalt für 10 h Unterricht). Ob man das Urteil schriftlichen haben könne? Ja, wenn man es beantragt. Ok, raus.

Aber nicht alle gingen. Während wir, der Dolmetscher, eine Zeugin und ich, rausgedrängt wurden, stürmten die Beamten des OVIR zum Richter, dem sie nun wohl Vorhaltungen machten. Soll man als Anzeichen beginnender Rechtsstaatlichkeit werten, dass das abgekartete Spiel zwischen Verwaltung und Gericht wenigstens nicht das abgesprochene, sondern ein milderes Urteil zur Folge hatte? Wohl nicht. Angst hatte der Richter nur vor den möglicherweise entstehenden Verwicklungen, denn anders als BOMSCH und Bäuerin sprach ich im Namen der Botschaft der BR Deutschland. Anders auch als die Provinzidioten vom Amt, für die eine Deutsche Botschaft in Kiew und also weit weg ist und die, wenn sie an sich selbst denken, zu Recht niemals davon würden ausgehen können, dass sich die ukrainische Botschaft ihretwegen bemühen würde, hatte der (vielleicht in Kiew) studierte Mann eine Ahnung davon, was alles passieren könnte, wenn ich den Weg durch die Instanzen nehme. Er hatte deutlich gehört: Der Protest der Botschaft ist beim Außenministerium der Ukraine eingereicht… Apropos, die Beduinen mögen mir verzeihen. Vielleicht geht es dort nach altem Recht und nach alter Sitte gerechter zu!

homo sovieticus

Was man zum Abschied erleben muss… Im Mai hatte ich nicht nur die übliche Miete bis zum 15. 06., sondern die Hälfte mehr bezahlt und damit den 30. 06. als Auszugstermin festgelegt. Mein „chosjain“ (Wirt, Vermieter), der nach eigenen Angaben die Deutschen seit seiner Zeit bei der BAM sooo liebt (er habe gut verdient damals), war erfreut darüber und alles schien in Ordnung. Daher wunderte ich mich nicht wenig, als er Anfang Juni kam und darauf bestand, ich solle am 15. 06. Die Wohnung räumen, da seine Frau renovieren wolle. Erst war ich schockiert, verlangte also mein Geld zurück, was ihm sichtlich Unbehagen bereitete, dann spielte ich mit seiner Geldgier und bot ihm noch 50,- Euro an, wenn ich bis zum 23. 06. bleiben könnte. Er willigte ein. Irgendwann kam er dann mit Strom- und Gasrechnungen, ich zahlte und spielte auf die 50,- Euro an, die er am Ende als „Renovierungsbeihilfe“ bekommen würde. „Aber warum denn? Das ist doch nicht nötig.“ Wir hätten uns doch immer so gut verstanden, die Wohnung sei so sauber und ordentlich und anderes Bla Bla Bla. Na gut, das Gewissen hatte also doch noch gesprochen…

Hatte es das? Am 22. 06. morgens um 07.15 Uhr stürmten dann Beamte der Ausländerbehörde in meine Wohnung. Ungeachtet der Tatsache, dass ich nur spärlich bekleidet auf das Sturmklingeln hin die Tür geöffnet hatte, verhandelten sie mit dem halbnackten Mann und einer ebenfalls nur im kurzen Nachthemd da stehenden, in dem Raum gerade aus dem Bett aufgeschreckten Freundin und luden mich zu um 10.00 Uhr auf ihr Amt. Was dort geschah, ist schon eine andere Sache, die am 23. 06. weiter ging. An diesem Tag zog ich erst einmal aus. Der Fußboden war gewischt, das Bad geschrubbt, die Gardinen und Tischdecken gewaschen, meine Sachen waren alle raus. Übergabe: Hilfsbereit trug Petro Gawrilowitsch Moklak, er sei hier namentlich erwähnt, eine meiner Taschen zum Auto, beugte sich dann zu mir und erinnerte mich flüsternd an „mein Versprechen“. Aha, das Gewissen sprach also- ich gab ihm das vereinbarte Geld. „Frank“, sprach es noch, „der Mietvertrag. Hast du den Mietvertrag? Bitte gib ihn mir.“ – Den Mietvertrag? Na meinetwegen, was sollte ich nun noch damit. Ich gab ihm das notariell beglaubigte Papier mit unseren Abmachungen und dem Nachweis meiner Zahlungen und wir schieden freundlich. Nun, ok, leicht angewidert war ich schon. Kriecher!

Doch ist das nicht die Geschichte. Die Geschichte ging auf dem OVIR in der Ausländerbehörde weiter. Dort schleifte man mich am Nachmittag des 23. 06. vor Gericht, das mich rechtskräftig zu einer minimalen Strafe (510,- UAH = 1 Monatsgehalt an meiner Schule) verurteilte. Nun war ich – wie ich dachte – wieder ein freier Mann. Da hatte ich aber nicht mit dem Chef des OVIR gerechnet, der das Ganze doch nur inszeniert hatte, um an Geld zu kommen. Nachdem seine Träume in der Hauptsache geplatzt waren, bestand die einzige Chance, mich noch ran zu kriegen, in einer Anschuldigung, die seiner Androhung einer „Deportation“ mit sofortiger Wirkung Nachdruck verleihen konnte. Um das abzuwenden wäre wohl eine „Strafe“ – zu zahlen an den Chef persönlich – fällig gewesen. Was hatte der aber gegen mich in der Hand, nachdem seine Anschuldigung „illegaler Arbeitsaufnahme“ nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte? Aha, es gäbe da eine Anzeige, ich hätte a) eine Wohnung illegal gemietet, mich dann b) geweigert, die Wohnung zum vereinbarten Termin zu verlassen, und c) wäre sie in einem erbärmlichen Zustand und müsste nun meinetwegen aufwändig renoviert werden… Was? Der Chosjain, dieses Schwein, hatte mit dem SBU (Geheimdienst) zusammen seit Wochen an der Konstruktion einer Anklage gegen mich gearbeitet, die „Beweise“ meiner Unschuld an sich gebracht und mir dafür noch 50,- Euro abgenommen? Was hat man dir dafür versprochen, du Sowjetarsch? So also waren/ sind sie, die um eines geringen persönlichen Vorteils willen Verwandte, Freunde, Kollegen ans Messer des KGB geliefert haben, um dann mit anderen „za vstrechu i za drushbu“ zu trinken. So kam man also ins „Lager“, zur Zwangsarbeit, in die Ljubljanka! Und der Spuk ist immer noch nicht vorbei: der homo sovieticus lebt und feiert 20 Jahre nach dem Ende dieses sich „sozialistisch“ nennenden Monstrums Urständ in jedem Amt, in jeder Behörde postsowjetischer Kleptokratien! Was für ein Abschied aus diesem abgrundtief verkommenen Land! Ach, Freunde, entschuldigt meine Wut, aber der chosjain ist ein Schwein! Es heißt PETRO GAWRILOWITSCH MOKLAK!

Sonntag, 19. Juni 2011

Klettern- Wow!

Nicht so früh bitte! "Ok, dann 09.30!" Um 09.30 Uhr waren Dasha und ich bei Konovalovs. Taras bog zeitgleich mit seinem Fahrrad um die Ecke. Kurze Verabschiedung von Juri, dann ging es los in die Dovbush- Felsen, so eine Art "Kleines Elbsandstein- Gebirge" in der Nähe von Bolechiv. Dort angekommen führten uns Taras und Anja, die Mitglieder im Ivano- Frankivsker Kletterclub sind, zum "Idioten- Berg", also dahin, wo die Anfänger (Dasha und ich) auch hochkommen. Das erste Kompliment von Taras lautete dann auch: "Da sind schön viel dickere Leute als du hoch gekommen. Warte mal bis zu oben bist, dann wirst du stolz auf dich sein!"

Hm, ich hatte spontan meine Zweifel, als ich den Felsen sah. Aber Taras machte uns beideb, also Dasha und mir, Mut, er hatte wie immer "ein gutes Gefühl" ;-). Als Erster ging Taras hoch und klinkte die Sicherheitsleine ein. Ja, das sah ziemlich leicht aus. Er schien am Fels zu kleben und kam nach wenigen Minuten fröhlich "hopsend" den Berg wieder runter.

Wer ist der Nächste? Das sollte ich sein, nun ja, ich hatte versprochen, mich nicht zu drücken und ließ also fremden Willen geschehen. Außerdem wollte Dasha nicht die erste sein und da muss man als "Mann und Freund" Mut zeigen- versteht sich :-( Wie ich das machen solle? "Ach", meinte Taras, "klettere einfach hoch und du wirst alles sehen". Aha. Das ist also mein "Instrukteur"! Anfangs war es doch sehr ungewohnt und ich dachte ständig, man könnte in so kleinen Vertiefungen nicht stehen. Je höher ich kam, umso ruhiger wurde ich merkwürigerweise. Der Körper "begriff", dass er sich anschmiegen muss und bald schob ich mich wie ein dicke unförmige Schlange, aber eben doch, Meter um Meter den Berg hinauf. Das erste zerklüftete Stück ging schnell, dann kam eine glatte, etwas überhängende Stelle und ich war mit dem Latein am Ende. "Drück dich an die Wand, du musst dich abstützen. Oben sind Griffe. Mehr links, mehr links", tönte es von unten. Ok, dann los. Rücken an die Wand, mit einem Bein Gegendruck ausüben, das andere hochschwingen. Hm, schwingen? So elegant sah es wohl nicht aus! Aber immerhin, das Manöver gelang und ich stand auf einem kleinen Felsvorsprung, die Hand am Haken. Oben! Geschafft!

Runter sollte ein Kinderspiel sein, denn ich konnte/ sollte mich abseitelen. Aber schon beim ersten zaghaften "Hopser" kam das Seil von hinten scharf an meinem Kopf vorbei und hätte mir fast die (festgebundene) Brille vom Kopf gerissen. Ich hantierte ein bisschen, bis das Seil vor mir zwischen den Beinen durchlief und hatte nun die richtige Position. Die "Hopser" wurden immer schwungvoller und just als eine Ferienlagermeute als "Publikum" den Hang hinauf kam, schloss ich meine erste Kletterpartie recht profimäßig ab. Glück gehabt, denn es kam eine junge Frau auf mich zu, fragte mich, ob ich in der 5. Schule Lehrer sei, und verkündete der Kinderschar, dass ich der deutsche Kollege von ihrer Schule sei. Dann gab es noch ein Foto mit ihr und ich war froh, nunmehr auch noch in dieser Hinsicht als "Legende" (der deutsche Bergkletterer!) in die Annalen des Schulklatsches einzugehen ;-). Geschafft!

Dann war Dasha dran, die auch mutig ihre Aufgabe anging. Sie war zumindest nicht schlechter als ich, würde ich mal sagen. Die Schwierigkeiten an derselben Stelle wie ich meisterte sie - wie ich - auf Zuruf von unten. Auch sie hatte anfangs Probleme mit dem Abseilen. Man vertraut dem "Freisitz" eben doch nicht gleich! Oben ein glückliches, unten ein geschafftes Gesicht. Wir verstehen nun beide, dass ein solches Hobby wirklich Spaß machen kann. Taras bedauerte in diesem Zusammenhang, dass die Felsen so weit von Ivano seien. Er müsse erst mit dem Zug bis Bolechiv, dann mit dem Fahrrad bis zum Berg und diesen dann rauf bis zu den Felsen. Zurück dasselbe. An einem Tag mit ukrainischen öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu schaffen...

Ira sah schon deutlich professioneller aus, sie habe das schon einmal gemacht, sagte sie. Beim abschließenden "Fachsimpeln" erinnerte mich Taras doch sehr an Juri. Der eine tröstete mich damit, dass ich das schlechteste Fahrrad gehabt hätte, der andere bemitleidete mich, weil ich als einziger ohne Kletterschuhe unterwegs war. Immerhin habe ich begriffen, das Klettern ein bergkontaktintensive Angelegenheit ist und man besser dreiviertellange Hosen als Sporthosen trägt. Die Knie weisen nun doch einige Schürfspuren auf...

Wir verlegten - auf Anjas Wunsch - die Route auf eine andere Bergseite und wieder stieg Taras als sei er am Berg festgeklebt den Fels hinauf. Das schien mir bemerkenswert, denn von unten sah man kaum Felsvorsprünge o.ä. "Das ist noch leichter, als der andere Weg", strahlte der unverschämte Kerl. Aber er sollte nicht Recht behalten, jedenfalls nicht was Dasha anlangte. Nun zeigte aber erst einmal Anja, was sie kann. In weitem Spagat meisterte sie schwierige Stellen und war in Nullkommanix oben und wieder unten. So schnell kan das gehen! Dasha war noch einmal mutig- ich hatte mich mit einem Bierchen zu den "Instruktoren" gesetzt und genoss es, zuzusehen. Das hatte Taras mir versprochen! Dasha aber kam dieses Mal doch nicht ganz bis oben, obwohl wir sie ein Stück hochzuziehen versuchten. Das war aber gegen ihren Stolz und ehe sie es nur mit fremder Hilfe schaffen sollte, brach sie die Aktion lieber auf halber Höhe ab. Trotzdem Hut ab!

Ira zeigte dann ihr Talent, indem sie ohne weitere Probleme, so schien es, die Strecke bis oben meisterte und beim Absteigen auch noch die Karabinerhaken einholte. Das sollte erst ihr zweites Mal gewesen sein? Diese kleine Lügnerin! ;-) Was den Berg anlangt, so stimmte es wohl, aber ansonsten geht sie öfters mit Taras und Anja zur Kletterwand. Das übt also doch! Ab und an schien sie einfach am Berg zu stehen, den Körper weit vom Fels, mit den Augen einen Griff suchend. Wie macht man so was? Das sah schon gut aus.

Dann machten Dasha und Anja unser Picknick zurecht. Tomaten, Käse, belegte Brote, Wasser, Saft und Rafaello ;-) deckten den Holztisch. Wir aßen in fröhlicher Runde und brachten dann die Seile und Haken zum Auto. Dort wollte ein kleiner Mann mit traurigen Augen ein wenig Geld verdienen. Er kam auf uns zu und hielt einen Vortrag über die Siedlungsgeschichte des Berges. Dazu zeigte er Münzen und Keramikbruchstücke. Er war ein bisschen aufdringlich, aber auf eine nette und etwas hilflose Art. Die "Jugendlichen" hörten dem Historiker und Maler - wie er sich vorstellte - höflich zu und bedankten sich artig. Ich überlegte, wie man ihm etwas Geld hätte zukommen lassen können, fand aber keinen Weg. Er sah einfach zu "lieb" aus, um ihm einfach was in die Hand zu drücken. Womöglich hätte er abgelehnt. So wird er sein Hobby nie zu Geld machen können, eine sympathische Unfähigkeit, die ihm aber nichts nützt. Ich fühlte mich nicht gut, als wir gingen. Abschließend drehten wir noch eine Runde um das kleine Bergmassiv und Anja zeigte uns, wo die Ivanoer Kletterer "ihren" Biwak- Platz haben und wo die Lviver den ihren. Das war es dann. Dann Wetter war nicht zu warm und es blieb trocken. Ein schöner Tag. Abends saß ich mit Dasha noch im Freisitz des "Franko". Das war wieder Mal ein gelungener Tag!

Montag, 13. Juni 2011

Radtour zum Petros

Um 07.45 Uhr kommt das Auto mit den drei Mountainbikes um die Ecke. Um 10.00 erreichen wir den Ausgangspunkt der "Reise" kurz vor Rakhiv, ein Gehöft, wo Sergej das Auto unterstellt. Was noch? Ach ja, da kommt ein Mann um die Ecke, wird als alter Bekannter begrüßt, und verkauft uns drei Billets zum "Studententrarif". Es ist immerhin eine Radwanderung im Naturschutzgebiet. Dann mal los Student!

Gegen 10.30 Uhr sind wir abmarschbereit und los geht es. 10 m auf der Straße, dann biegen wir auf einen steinigen Landweg, der geradewegs und zunächst nur sanft ansteigend in die Berge führt. Treten und treten und fluchen der vielen Steine wegen, die von Anfang an die A- Backen mächtig strapazieren. Trotz der Steigung kommen wir gut voran, "wir", das sind Jurij und ich. Sergej trainiert und ist schon lange nicht mehr zu sehen. Er wartet auf uns bei km 10. Man staune, es gibt eine Auszeichnung des Weges und Kilometermarkierungen. Bloß unten auf der Straße kein Hinweis. Wo die Billets kaufen? Keine Idee- auf unserem Bauernhof hätte ich nach Eiern gefragt oder nach Geflügel, aber nie nach den Eintrittskarten...

Auf Höhe von Kilometer 10 treffen wir den Bürgermeister des Ortes mit einer geländegängigen Suzuki. Er ist auf Inspektionsfahrt und kontrolliert wirklich unsere "Studenten- Billets". Macht nichts, er kennt den Verkäufer... Bisher lief alles gut, nur der Ar...h schmerzt mächtig. Dann geht es steil bergan. 10 % meint Jurij. Ich trete in der kleinsten Übersetzung und der Schweiß bricht aus. Treten und treten und treten. Jurij lobt mich, ich hätte das richtige Tempo und würde mich nicht gleich zu Anfang verausgaben. Ich muss grinsen: Schneller? Ich krieche schon auf dem Zahnfleisch! Jurij tröstet mich. Ich hätte das schlechteste Rad und er z.B. eine viel bessere Schaltung. Bei mir seien nur 28 Zähne auf dem Rad, er hätte 32. Ja, ja, er hat auch Oberschenkel wie ein Matador, während sich meine langsam aber sicher zusammenkrampfen. Es beginnt wirklich weh zu tun. Bloß keine Pause machen. Die gleichmäßige Bewegung ist noch am besten...

Ich trete und trete und trete und nehme kaum etwas von der Landschaft wahr. Wir sind schon hoch, unten in einer Schlucht rauscht ein Fluss, aber hingucken geht nicht. Der kleinste Stein, den ich übersehe, würde mich absteigen lassen. Langsam stelle ich fest, wie der Schub weniger wird. Das Rad bewegt sich nur noch wie durch ein Wunder vorwärts. Ein Stein, nicht aufgepasst, der Lenker stellt sich quer. Eigentlich kein Problem, Antritt und drüber. Antritt... Da kommt nichts mehr. Ich muss mit den Füßen auf den Boden. Pedale wieder hoch, rauf, weiter... Mann o Mann, kann man kraftlos sein! Ich schiebe einen Bonbon in den Mund, Tipp von Sergej. Klar, Traubenzucker wäre besser, seine Wirkung kennt man. Aber, oh Wunder, der Bonbon tut's auch. Irgendein Gefühl kehrt in die Muskeln zurück. Es geht doch weiter. Jurij macht Mut- nur noch 5 km, nur noch 3 km, nur noch 500 m... Ab und an greife ich zum Bonbon. Wirkt der Zucker? Ist es nur die Psychologie? Ich halte durch. Meter um Meter geht es vorwärts. Doch dann ist Schluss, Aus und Vorbei. Im linken Oberschenkel zieht es, krampft, der Krampf löst sich nicht mehr. Wir sehen Sergej bereits mit Feuer machen beschäftigt, als ich aufgeben muss. Buchstäblich die letzten 30 m schiebe ich das Rad. Am Wegrand eine Quelle. Das Wasser schmeckt köstlich- ein wenig eisenhaltig, scheint mir. Nur noch 200 m bis zum Gipfel, meint Jurij, dann sind wir 18 km bergauf gefahren und werden auf ca. 1600 m sein!

Essen! Das Feuer geht schwer an, alles ist nass. Aber Sergej ist Profi. Wir sammeln kleine Äste, blasen und blasen, dann endlich kommen die Würstchen auf die Grillplatte. Jurij kocht Tee. Brot, Tomaten, Käse, Grillwürste - wir leeren meine kleine aus Ungarn mitgebrachte Flasche "Unicum" (Kräuterlikör). Das ist wie Doping meint Jurij, ich zweifle. Noch 200m bergauf und dann ist von 45 km zurück die Rede... Ich steige ächzend auf das Rad, ist das noch ein Hinterteil oder bloß noch eine Wunde? Aber, o Wunder, nichts krampft, nach 5 min sitze ich ruhig im Sattel und nach ein paar Minuten sind wir "oben". Unterhalb des Gipfels vom Petros eine Schutzhütte. Zugemüllt und kaputt- leider. Letztes Jahr war noch alles neu und heil, meint Jurij. Wir treffen den Bürgermeister wieder. Das wird vor Saisonbeginn gemacht, verspricht er. Noch ein paar Meter und wir sind auf einem Bergrücken. Oben eine Gruppe Wanderer. Sie kommen aus dem Lviver Gebiet und wollen noch zum Pip Iwan im rumänischen Grenzgebiet. Der mächtige Berg ist von hier aus am Horizont zu erkennen. Der Weg geht nun fast ohne größere Niveauunterschiede immer am Bergrand entlang. Man kann hier weiter zum Pip Iwan (Pope Johannes) oder zum Hoverla, dem höchsten Berg der Ukraine. Wir schlagen die Richtung zum Hoverla ein. Sergej sprintet davon, ich "rase" mit Jurij hinterher. Aber, was ist das? Sergej steht am Wegrand und hat eine gerissene Kette in der Hand. "Fahr du langsam voraus", meint Jurij, "wir müssen erst reparieren." O Danke! Ich radle nun wie ein echter Rad- "Wanderer" den Weg entlang und genieße die herrliche Sicht in die Berge. Ab und an kommen nun Wanderer des Wegs. Immer hält man an, begrüßt sich, fragt nach dem Wohin und Woher. Es ist eine freundliche Atmosphäre dort oben. Ganz anders als "unten", wo die gestressten Menschen eher zu oft alles andere als nett sind. Es geht bergab. Soll ich weiter? Was, wenn Jurij die Kette nicht flicken kann? Dann muss ich den Berg wieder hoch! Nein, ich warte, fühle mich aber merkwürdig erholt. Kein Ziehen mehr in den Beinen, alles ok.

Jurij und Sergej kommen und hui geht es den Berg hinab. 28 km werden wir nun in Serpentinen hinunter fahren. Der Weg durch den Wald ist schmierig, überall Pfützen, dazu die Steine. Ich sehe schon bald aus wie ein Schwein. Die anfängliche Freude über die schnelle "Kilometerfresserei" vergeht. Stehe ich auf einem Bein im Pedal, krampft es wieder. Das Kreuz tut weh, der Schulterfürtel schmerzt. Langsam verliere ich das Gefühl in der Hand. Auf die Unterarme wirken die Stöße immer härter. Ein Stein, eine Delle, eine Traktorenspur, ich müsste aus dem Sattel, aber schwer sitzt der Schreibtischkörper auf dem schmalen Sitz. Es schmerzt schon wieder gewltig, wenn ich wieder mal einem Stein nicht ausweichen konnte. Dabei saust der Wind in den Ohren. Der Langsamste bin ich dieses Mal aber nicht. Sergej hat mächtig Respekt vor der Abfahrt. Als Jurij davon schießt, meinte er nur: "Ich hab Frau und Kinder und bin der einzige Ernährer." Zumindest fühle ich mich nun nicht mehr als Bremsklotz. Aber der Weg nimmt kein Ende. Ab und an müssen wir absteigen und die Räder schieben oder tragen, weil die Spuren der Fahrzeuge den Weg unpassierbar gemacht haben. Hat das alles ein Ende? Es hat. Irgendwann lichtet sich der Wald, die Neigung lässt nach, der Weg wird besser. Wir sind fast "unten".

An einem Flüsschen waschen wir die Räder. Ich staune. Meine Butterbrote gehen weg; die beiden Kameraden haben Hunger und selbst nichts mehr mit. Aha, sie haben wohl doch viel länger als geplant gebraucht. Meinetwegen? Bis zum Essplatz, meint Sergej, fährt er sonst 1,50 h. Ich hätte 2,30 h gebraucht. Naja. Am Berg war ich dann wegen der Kette kein Hindernis mehr, bergab auch nicht. Wie weit es nun noch sei? Ach, nur noch 15 km auf Asphalt. "Nur noch" 15 km...

Beim Aufsteigen schmerzt wieder das Hinterteil. Aber die Beine treten gut. Jurij bleibt bei mir, aber schnell lege ich die höchste Übersetzung auf und trample fleißig Sergej hinterher. Wir schaffen Kilometer um Kilometer und ich bin erstaunt, wie schnell Beinmuskulatur sich erholt. Inzwischen fahren Sergej und Jurij ein paar Meter vor mir, schwitzen wie ich, aber ich lasse nicht abreißen. Wann sind wir am Ziel? Jetzt, nein, noch ein Dorf und noch eins. Ja, an dieser Kirche sind wir heute morgen vorbei. Es zieht sich. Dann tritt Sergej an, Jurij hinterher. Aha, Endspurt. Mich packt der Ehrgeiz, ich gehe aus dem Sattel, nehme Fahrt auf, trete so schnell ich kann. Kraft ist erstaunlicherweise da, nur fehlen mir jetzt die 4 Zähne der Übersetzung. Ich schaffe es immerhin, den Sichtkontakt nicht zu verlieren. Vielleicht 1 min nach dem Sieger der Wettfahrt, knapp Sergej vor Jurij, schnaufe ich in den Hof. Man klopft mir herzlich auf die Schulter. "Du bist ein Held", sagt Jurij, "you are a hero", sagt Sergej. Es ist 21.00 Uhr und exakt 68 km liegen hinter uns. Um 23.00 Uhr sind wir in Ivano. Mein Ar...h tut weh, sonst geht es mir gut. Nach traumlosem Schlaf erwache ich heute morgen. Alles ist ok, bloß irgendsoein "Polster" dort, wo das Hinterteil auf dem Stuhl sitzt, erinnert an den gestrigen Tag. Danke Jurij, danke Sergej! Das war einfach nur super!

Dienstag, 7. Juni 2011

Rückreise über Kosice

Am 29. Mai war dann wieder Sachen- Packen angesagt. Ich wollte am 30. bis Krakow kommen und dann am 01. Juni früh in Kosice sein. Das klappte auch. Die Straße nach Zakopane war frei und ich kam gut durch. In 7 h zur ersten Übernachtung, obwohl der Omega im Benzinsparmodus lief ;-) Das Motelik (Foto oben) war ok; für das schöne und ruhige Zimmer zahlte ich 25 Euro mit Frühstück und bewachtem Parkplatz. Ja, die Konkurrenz an der Strecke ist groß...

Die Fahrt an Zakopane vorbei auf Presov zu führte durch eine schöne Gebirgslandschaft. Auf polnischer Seite gute und neu ausgebaute Straßen, auf slowakischer ausgebesserte und geflickte kleine Landsträßchen, die für den Winter nichts Gutes ahnen lassen. Sehr auffällig eine schöne Gebirgsformation direkt an der Grenze im Nationalpark (Foto von slowakischer seite aus).

In nur 2,5 h erreichte ich Kosice, wo ich allerdings bei dem Versuch, mein im Internet gebuchtes Hotel zu beziehen, vor einer verschlossenen Rezeption stand. Das Auto ließ ich auf einem angrenzenden Parkplatz, 3 h Standzeit = 6,- Euro! Ich suchte die preiswerten Restaurants, als solche waren mir slowakische Gastlichkeiten jedenfalls von früher her im Gedächtnis geblieben, und fand in einem Hofdurchgang einen Freisitz, wo das Bier 1,45 und die Pasta 7,50 kostete. Bis auf den Bierpreis kann man das "bei uns" auch haben. Zur Ehre des Restaurants sei gesagt, dass die Pasta überaus lecker und richtig scharf war! Beim dritten Versuch traf ich dann eine freundliche junge Frau an der Rezeption, konnte duschen, traf abends meine neuen Kollegen.

In zwei Tagen Kosice lernte ich zumindest äußerlich alles kennen, was die kleine Stadt zu bieten hat. Davon am Auffälligsten sicherlich die "Hlavna" (Hauptstraße), eine Straße mit historischem Flair und vielen Kneipen, die auch abends gut besetzt waren. Der Dom (Foto) ist schön, ebenso das Operntheater. Noch zwei, drei Straßen sind "touristisch" bzw. "studentisch" belebt mit Kneipen, Clubs, Bars und Restaurants; der Rest der Altstadt ist zwar schön, aber leer... Mal sehen, ob dieser erste Eindruck von meiner neuen Wirkungsstätte schon der beste ist, oder ob da noch was nachkommt. Ich lernte anderntags beim Besuch "meiner" neuen Schulen einige - sehr freundliche - Kolleginnen kennen und hatte von daher ein gutes Gefühl für den Neuanfang. Allerdings schwant mir, dass es viel viel Arbeit geben wird. Nun, Abwarten und Bier trinken ;-)

Dann wieder Station bei Zsuzsi und Gabor. Mein kleiner "Freund" Csabi freut sich immer sehr, wenn ich komme, und ich denke, ich werde nun öfter als früher in Niekladhaza sein. Die Fahrt von Kosice dauert nur etwas länger als eine Stunde. Gabor hatte an diesem Abend eine Party zum "pädagogischen Tag" und kam erst am anderen Morgen ziemlich kaputt und spät nach Hause. Zsu musste zur Schule, wo sie einen Kurs Tanz- Therapie leitet. Ich war also mit Csabi allein und staunte wieder einmal, wie wenig Berührungsängste kleine Kinder haben, obwohl sie nichts von dem verstehen, was ich sage, und ich nix von dem verstand, was er sagte. Der helle Knabe kam schnell auf eine auch mir verständliche Zeichensprache und wir schafften es, gemeinsam zu frühstücken, Karten zu spielen und spider- man auf Ungarisch zu sehen. Nun gut, da hab ich das auch mal gesehen...

Nachmittags waren wir baden; die Firma Lasse Berger und Co. hinterlässt großflächig Kiesgruben, die teilweise als Badeseen genutzt werden können. Langsam entsteht um Niekladhaza herum sogar so etwas wie ein Feriengebiet! Viel Mondlandschaft ist aber auch dabei :-( Abends gab es Huhn vom Grill, Bier aus einer Privatbrauerei um die Ecke und viel Spaß. Am Sonntag schaffte ich es dann als "Tourist" über die Grenze. Die Folge meines neuen Status waren 100 UAH "Tribut" an die Miliz nach weniger als 10 km im Land. Ich weiß bis jetzt noch nicht, wo das Ortseingangsschild gestanden haben soll, es war auch eigentlich kein Ort in der Nähe, aber so sind sie nun mal... Seit Sonntag 19.00 Uhr hat Ivano- Frankivsk mich noch einmal wieder!

Fern und nah- Halle

Am 23. Mai traf ich wohlbehalten in Leipzig ein und hatte den lautstarken "Rauswurf" aus der UA schon fast wieder vergessen. Mein Papier von der Botschaft, in dem erklärt wurde, warum mein Visum keinen Stempel hat, verhinderte sicher Ärgeres, schützte mich aber nicht vor unflätigen und wüsten Beschimpfungen und der lautstarken Auseinandersetzung mit einem Vorgesetzten des Schalterbeamten. Ich schrie aber lauter und irgendwie wirkte auch dieses Mal die für einen ukrainischen Offizier unverständliche Furchtlosigkeit. So treten Herren auf und als solcher durfte ich dann "raus", ohne dass man weitere Forderungen stellte (vorher war öfters von "Schtraf" die Rede gewesen). In Niekladhaza ließ ich meine Sachen; Zsuzsa und Gabor sei gedankt! Dann genoss ich die Zeit in Leipzig, feierte ein kleines bisschen Silberhochzeit (mit Uta abends beim Griechen), und sah mir mit ihr gemeinsam Halle an. Bisher war ich vielleicht zwei oder drei Mal in der stadt, in der Franziska studiert, gewesen, aber Zeit zur "Besichtigung" hatte ich mir nie genommen. Kennt Kiew wie seine Westentasche und braucht 30 km weiter ein Navi! Skandal! Nun ist Halle immer noch keine Perle Deutschlands, aber einige schöne Ecken gibt es doch. Es war ein schöner Tag.

Abschied in Chernivci

Am 20. Mai bin ich - die Sachen waren schon gepackt - noch einmal nach Chernivci, Arbeiten zurück geben und Abschied nehmen. Lust auf Unterricht hatte keiner mehr und sowieso hatten die kids vorgesorgt. Das Wetter war schön und also sind wir zur "Eistee- und Konversationsparty" in den nahe gelegenen Park ausgewichen. Die anfängliche Beklemmung und Traurigkeit verflog schnell, es wurde gegessen (Lena hatte wie immer Kuchen besorgt!) und getrunken, geklatscht und gequatscht. Bogdana sang in bester Karaoke- Manier Lieder in verschiedenen Stilen (sie sang Japanisch, Aserbeidshanisch, Englisch, Französisch und Deutsch), anders jedenfalls kann man es nicht sagen, denn Japanisch war das "Japanisch" so wenig wie das "Französisch" ihrer Lieder Französisch war. Aber sie hat ein gutes Gehör und sang nach, wie sie es verstanden hatte. Nach ein bisschen Eingewöhnungszeit konnte ich erraten, welche französischen Sätze sich hinter den genuschelten Tönen verbargen. Wir haben viel gelacht. Nach und nach gingen die einen und die anderen zur Musikschule, zur Nachhilfe usw. und verschwanden so aus meinem Blickfeld. Dann brachen alle schnell auf und die Tränen hielten sich in Grenzen. es war ein schöner Abschied von netten jungen Menschen, mit denen ich wirklich gern weiter gearbeitet hätte.

Abends Treffen mit Anja (Bild unten rechts), Natascha, Lesia (Bild unten links) und Aljona. Roman konnte leider nicht. Dafür hatte Nadia diesmal Zeit gefunden und Diana mitgebracht. Meine Lieblinge aus der ehemaligen 11. und 10. Klasse! Hier fehlte nur Viktor, der in Kiew studiert und den ich beim vorletzten Mal in der Hauptstadt traf. Ein schöner Abend auch der. Allerdings war er lang, die Temperaturen waren hoch, das Bier floss reichlich und als Natascha, die erstaunlicherweise bis dahin nichts getrunken hatte, um Whisky bat, war es um mich geschehen. Ich hätte den Rest lieber nicht trinken sollen! Zwar kam ich noch in guter Haltung (hoffe ich) und auf jeden Fall allein ins Hotel, aber dann war es um mich geschehen. Die Kpfschmerzen am nächsten Tag waren böse, böse...

Jugend debattiert in Kiew

Habe mich also von Bogdana breitschlagen lassen. Als Vorjahressiegerin war sie zum diesjährigen Landesfinale JDI eingeladen, durfte aber als Unter- 18- Jährige nicht ohne Begleitperson fahren. Am 12. 05. ging es in aller Frühe - um 06.00 Uhr - hier los und wir waren pünktlich zur Jurorenschulung um 14.30 Uhr im Goethe- Institut. Immerhin konnte ich so noch einmal in aller Ruhe durch Kiew bummeln und am 13. ein paar Dinge auf der Botschaft erledigen. Das Wetter war schön und ich sah zum ersten Mal seit 10 Jahren das berühmte Goldene Tor (Bild oben) ohne Gerüste!

Untergebracht waren wir im Hotel "Ukraina" - Bogdana bemerkte dazu trocken, aber sehr treffend, es sei ein "ehrliches Hotel", denn es mache seinem Namen alle Ehre: Nichts ist ganz schlecht, aber auch nichts wirklich gut ;-)

Am Nachmittag des 13. 05. besuchte ich die Halbfinals im GI. "Meine Kandidatin", Evgenia aus Chernivci - ich hatte ihr wenigstens mit Material und in der entscheidenden Phase mit ein paar Argumentationshilfen "unter die Arme gegriffen" - schlug sich erstaunlich tapfer, lief zu großer Form auf und erreichte das Finale. Das bedeutete für mich, abends noch einmal Tutor zu sein, denn natürlich hatte sie nicht mit einer solchen Situation gerechnet und war auf das Finalthema schlecht vorbereitet. "Soll privater Waffenbesitz in der UA verboten werden?" Klar, sollte er, aber wie so etwas durchsetzen und kontrollieren? Hier hat praktisch jeder, der mal Offizier war, eine Waffe, und wer sonst noch eine haben will, hat auch eine. Aber für ein Mädchen mit wahrlich anderen Interessen war das keine leichte Aufgabe. Sie hat sie gut gemeistert und wurde am Ende Dritte (Bild unten rechts außen). Bravo Genia! Auch Bogdana schlug sich tapfer und war eine souveräne Jurorin mit einem souveränen Auftritt bei Ihrer Vorstellung als Landessiegerin 2010. Was ein Jahr so ausmacht! Aus der Schülerin ist eine junge Frau geworden - das meinte auch Veikko Frauenstein, Projektkoordinator aus Ptag (Bild Mitte), mit dem ich ansonsten die Abende verbrachte. Na, Tetjana Midjana, Dozentin aus Lviv, nicht vergessen, die mir auch eine nette Bgleitung war.

Am 15. ging es dann zurück. Obwohl Bogdana früh zu Hause sein wollte, ihr saß - wie immer - der Lernstress im Nacken, fanden wir Zeit, uns noch einmal Schloss Dubno anzusehen. Nun ist es fast fertig restauriert, beherbergt ein Museum und hat noch viele freie Räume zur anderweitigen Verwendung. Eine schöne Anlage. Wer vorbei kommt (zwischen Lutzk und Ternopil- an der Straße Kiew- Lviv), sollte Halt machen und es sich ansehen...