Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 29. März 2021

Aufenthaltsgenehmigung

Zwei Monate, 5 Amtsgänge und eine Botschaftsintervention später bin ich seit heute im Besitz einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung! Jetzt kann ich endlich einen Mobilfunkvertrag schießen und ein Bankkonto einrichten. Mal sehen, wie lange es dann dauert, ehe ich mein erstes Gehalt bekomme und wie viel das dann ist. 

Übrigens stand mein Auto während der Zeit im Amt im Parkverbot und als ich zurück kam, wartete ein Polizeiauto genau hinter meinem Wagen. Und, was soll ich sagen? Die hatten meine Karte bereits in ihrem Computer und sogar mit meinem Kennzeichen verbunden! Daher wussten sie, dass ich nun Maut bezahlen müsste uzw. ab dem Datum der Einreise und nicht erst ab Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung. Ich bin also ein doppelter Gangster, denn die Maut für die nächsten 3 Monate habe ich erst vor 14 Tagen bezahlt! Das kostet pro Tag 4,50 Euro! Ups? Und dazu noch ca. 50 Euro für das Parkverbot (in dem außer mir noch mindestens 10 PKW mit moldawischem Kennzeichen standen). Also freundlich verhandeln, sich ein bisschen als Botschaftsmitarbeiter und Spezialist im Auftrag des Ministeriums ausgeben und am Ende darum bitten, den Strafbefehl an die Botschaft zu senden, da ich noch kein moldawisches Konto und auch nicht genügend Geld bei mir hätte. Hat geklappt - wie eigentlich immer: Mit 10 Euro "auf die Kralle" waren die beiden Polizisten dann zufrieden und wir schieden als gute Freunde! ;-)

Samstag, 27. März 2021

Park Richtung Riscani

Auf der anderen Seite von "meinem Jogging- Park", und also dem Wohngebiet mit dem "Kaufland" gegenüber, liegt - auch durch ein verwildertes Parkgelände von meiner Wohngegend getrennt - "Riscani". Nichts als eine triste Neubausiedlung ohne erkennbar urbanes Flair, also ohne Kneipen, ohne Einkaufseinrichtungen usw. Dafür Tankstellen, Vulkanisier- Betriebe, ein Auto- Park und die deutsche "Hegelmann"- Niederlassung. (Nie vorher gehört!) In der Mitte des "Parks" der "Schacht" von Chisinau. "Schacht"? Ja, es muss wohl mal eine Art Bergbau hier gegeben haben. Jetzt findet sich dort allerdings nur ein Reitstall...

Aber fangen wir von vorne bzw. von oben an. Noch auf meiner Seite gibt es an der "Straße der Studenten" einen Festsaal (Bild oben), wie er hier überall üblich ist. Auch in Moldova müssen die Hochzeiten gigantisch sein, wenn man solche Räumlichkeiten braucht. Rings umher ist freilich alles ziemlich verkommen.

Dann geht es auf Waldpfaden und z.T. fast durchs Unterholz zur anderen Seite. (Bild Mitte) Der Ausschnitt auf dem Bild sieht zwar so aus, als könne man hier joggen, aber das täuscht: Nein, man kann dort definitiv nicht joggen. Höchstens trail- running wäre möglich...  

Im unteren Teil, jenseits von "Schacht" und Pferdeställen, gibt es einen kleinen, relativ gepflegten und also parkähnlichen Teil. (Bild unten) Aber der ist nicht sehr weitläufig und überall von kleinen Müllhalden begrenzt. Wie in Kiew sitzen also auch hier bei schönem Wetter die Leute und grillen, saufen und werfen dann den Müll auf die Haufen, die ihre Vorgänger angefangen haben. Überall Flaschen, Plastik, Essensreste etc. Man versteht es zwar nicht, muss aber zufrieden sein, dass die Leute sich offensichtlich vom Müll angezogen fühlen und nicht immer wieder neue Stellen zumüllen. Was freilich an solchem Ambiente so anheimelnd sein soll, dass ich mich wieder mitten rein setzen will...- ich versteh's nicht. 

Samstag, 13. März 2021

Alter Vergnügungspark

Am Donnerstag habe ich das Paket mit den DSD I- Arbeiten auf den Botschaftskurier gegeben und nun ist das Stress- Kapitel ad acta. Zur Feier der schönen, aber ziemlich kalten Tages, beschloss ich, meine Stadterkundungen fortzusetzen. Ich nahm mir ein Parkgelände vor, das - am Decebal- Boulevard gelegen - bei Google keinen richtigen Namen hat, aber wohl ein Ausläufer des alten, heute leider verfallenen Vergnügungsparks gewesen ist. Dessen Reste liegen weit oberhalb der Strecke, die ich gegangen bin, so dass ich die rostigen Riesenräder und Karussells hier nicht dokumentieren kann. Ich sah sie nur vom Auto aus.
Das Parkgelände erstreckt sich um zwei kleine Stau- Seen herum (siehe Bild oben) und beherbergt heute mehrere Spielplätze, einen Gondelteich (Bild oben) und einen Skulpturenpark mit Werken im üblichen "Volkskultur- Stil". Braucht man sich nicht anschauen. Zum Spazierengehen ist das Gelände aber ganz gut geeignet, es gibt auch ein paar Hochzeitskneipen in dem Gebiet. Mal sehen, wie es dort im Sommer ist.

Interessanter sind die Gegensätze zwischen den Neubauten und den übrig gebliebenen, noch bewohnten Häusern im "traditionellen Stil", die so auch zur Sowjetunion gehörten. Wohnen möchte man da freilich nicht. (Bild zwei) Zu meinem Erstaunen kommt man, wenn man den Park durchquert hat, auf der Rückseite des Hotels "Chisinau" heraus, also dort, wo ich meine erste Nacht hier verbrachte. Das davor gelegene Hotel (Bild drei) kannte ich auch schon vom ersten Tag her. Es war damals geschlossen.

Ansonsten entdeckte ich auf meinem Weg den sowjetischen Teil der Stadt und sah, dass das Hotel "Chisinau" in seinem typischen Stalin- Stil nur einen Eckpunkt des rund um den Bahnhof (letztes Bild) herum im Stil der 40er und 50er Jahre gebauten Viertels bildet. Also, wenn ich jetzt mal jemanden mit dem Auto vom Bahnhof abholen soll, dann weiß ich, wie ich dahin komme. 

Auf der Rückfahrt erkundete ich noch ein paar Hauptstraßen mit dem Auto und war stolz, dass mir die Orientierung auch ohne Navi gut gelang. Ich wusste immer in etwa, wo ich war, und fand so mühelos nach Hause. In den Tagen darauf schneite es und die Bäume biegenden Sturmböen luden nicht zu weiteren Spaziergängen ein. Ich blieb also lesend zu Hause. 

Montag, 8. März 2021

Stadtspaziergang am 08. März

Frauentag ist Feiertag und alles ist zu - so meine Kolleginnen. Bemerkt habe ich das nicht. Alle Läden hatten geöffnet und es war mächtig was los. Auf den Baustellen wurde gearbeitet und in der Stadt arbeiteten städtische Angestellte auf den Grünflächen. Und doch waren zwei Dinge anders: Zum einen fehlten in den Restaurants die roten Streifen, mit denen die Tische abgeklebt waren, die wegen Corona frei bleiben sollten. Heute waren die Kneipen alle voll - Lockdown auf moldawisch! ;-) Zum anderen standen überall Menschen rum, die im Namen politischer Parteien, des Bürgermeisters oder einfach auch nur von Orange.MD rote Luftballons verteilten. Eine ganze Stadt voller roter Luftballons - das also ist Frauentag!

Ansonsten alles wie immer. Die Frauen kochen und machen, damit sie dann mit ihren Männern, die die Flaschen öffnen, ordentlich ihren Ehrentag begehen können. (Siehe Bild oben) Die kaufen natürlich die Blumen.

Ich habe den Tag genutzt, um mich zu Fuß in die Stadt zu begeben. Es ist eigentlich nicht weit. Von mir, der ich fast am Stadtrand wohne, sind es nur 50 min bis zum zentralen Park des Zentrums. Allerdings ist man als Fußgänger nicht immer gut dran. Aber davon schrieb ich hier schon. Nur als Beleg noch ein Bild von der (wüsten) Übergangszone meines Wohngebiets zum Zentrum. (Bild zwei)

Mein Plan war, den berühmten Park "Valea Morilor" aufzusuchen und dort in der Gegend ein bisschen zu spazieren. Auf dem Weg dorthin fand ich erst einmal Freund Pilsudski, der mir hier nicht hinzugehören schien. Unter der Büste steht allerdings, er sei ein "Freund der Moldau" gewesen, was wohl meint: Ein Feind der Sowjetherrschaft. (Bild drei) Sei's drum. Nun haben die Polen hier also auch ein Denkmal. 

Zentral im "Valea Morilor", was "Tal der Mühlen" bedeutet, ist ein angestauter See, der mich ein bisschen an den gefluteten jüdischen Friedhof in Iwano Frankiwsk erinnert. Wahrscheinlich hat man hier früher Wassermühlen betrieben; Windmühlen sicher nicht. Aber populär ist der Aufgang bzw. Abstieg im sowjet- klassizistischen Stil. (Bild vier) Insgesamt war das Areal viel kleiner, als ich angenommen und gehofft hatte. In der Tat könnte man dort Rad fahren, entsprechende Spuren sind aufgezeichnet, meine Schüler/innen haben Recht. Allerdings würde das bedeuten, ca. 20 Mal rumzufahren und dabei ständig Fußgängern auszuweichen. Also nix für mich. :-( 

Dann habe ich den Dendropark gesucht und auch gefunden. Leider gibt es aber keine Verbindung zwischen den beiden Parks, da eine Straße quer durch führt. Wie es sich für einen sowjetischen Park gehört, ist er von einem starken Metallgitterzaun umgeben. Das obere Tor, durch das ich - laut google maps - hätte gehen sollen, ist nun leider gesperrt: Privatgrundstück! Einen anderen Eingang zu suchen hatte ich keine Lust, denn auf den ersten 2- 3 km, die ich einsehen konnte, gab es keine Lücke im Zaun.  

Also zurück. An der Botschaft vorbei fand ich das Gelände der Universität, das nationale Geschichts- Museum mit Helikopter und altem Traktor davor, und endlich einen vollkommen leeren Bier- Pub, in dem es leckeres ungefiltertes Bier und ein gutes "Mici" (Hackfleischröllchen) gab. Kostenpunkt: 5 Euro. 

Auf der Rückseite des zentralen Parks mit Nationalkathedrale und Heldenbogen gibt es ein kleines Areal, auf dem Künstler (?) - also jedenfalls Menschen, die malen können - ihre Werke ausstellen und verkaufen. Gräulich, gräulich. (Bild fünf) Im strikten Gegensatz zu so viel gestrigem Kitsch dann eine ganz moderne WiFi- Zone. (Bild sechs) Vielleicht sieht man es nicht so genau, aber die "Blätter" dieses künstlichen Baums bestehen aus Photovoltaik- Platten, so dass man hier nebenbei auch sein Handy ganz ökologisch laden bzw. seinen Laptop klimaunschädlich anschließen kann.  

Weiter auf dem Weg zurück muss man eine lange Brücke entlang, die den hiesigen Fluss überquert, aus dessen "Promenade" man allerdings gar nichts gemacht hat. Nur Autos fahren dran vorbei. (Bild sieben) Auch hier kann man, das Stadtbild betrachtend, nur sagen: Schön ist anders. 

Die weitere Perspektive auf mein "Microrayon" ähnelt den Golan- Höhen. Massige Häuserhümpel, nennt man das "Wohnscheiben"?, dominieren den Horizont. (Bild acht) Da trottet man dann also lang. Aber da das Wetter schön war und ich viel Zeit hatte, kam es mir nicht drauf an. Ich mag es, fremde Städte zu Fuß in Besitz zu nehmen.

Mächtig imposant sind aber nur die Neubauten am Rande meines ansonsten sowjetisch geprägten Wohngebiets. Im Inneren sieht es dann doch bisweilen trostlos aus. Meine Kolleginnen haben nicht verstehen können, was ich gegen die Idee habe, man würde hier eben lieber eine Wohnung als Eigentum haben. Ich fragte mich und sie, was sie machen, wenn die Hauser endgültig abgewohnt und kaputt sind, wenn die Dächer repariert und die Heizungen erneuert werden müssen. Darüber hatten sie noch nicht nachgedacht. Noch funktioniert es und wenn das Dach kaputt ist, legt man halt zusammen und schmiert neuen Teer oben drauf. Ansonsten gibt es wohl auch noch Verantwortlichkeiten der Kommune für das, was wir "Gemeineigentum" nennen würden. Wie hier die Vorsorge aussieht, zeigt das letzte Bild. Leider keine Ausnahme. Jedenfalls war ich nach ca. 5 Stunden wieder hier und kennen nun wohl alles Wichtige, was man in Chisinau gesehen haben muss. 

Autostadt Chisinau

Auf der anderen Seite von meinem "Wäldchen", in dem meine Schüler nach eigener Aussage "wandern" gehen (Bild unten), soll "Kaufland" sein. Gut, ich schaue mir das mal an.

Erste Beobachtung: Mit dem Auto kann man dorthin kommen; mit dem Bus ist es eine Weltreise, weil es keine direkte Verbindung gibt. Aber zu Fuß kommt man in 35 min hin, wenn man denn ankommt. Quer durch das Wäldchen geht es jedenfalls nicht, das wären höchstens 15 min; nein, man muss außen rum. 

Mich wundert nun nicht mehr, dass mein Vorgänger auf der Straße schwer von einem Auto angefahren wurde. Es gibt zwischen den Wohngebieten einfach keine Fußwege. Gar keine! (Bild oben) 

Wer denkt, die kommen noch und ich habe nur eine Baustelle fotografiert, der irrt. Auch in den älteren und schon wieder verkommenen Bauabschnitten gibt es keine Fußgängerwege. Wie auch bei mir vor dem Haus fällt man aus der Haustür direkt auf einen Betonweg, der von Autos und Fußgängern gemeinsam genutzt wird. (Bild unten) Aus den ehemaligen Kinderspielplätzen sind längst Parkplätze geworden. Das sieht dann so aus, dass selbst Polizisten im Angesicht herumtobender Kinder (in meinem Hinterhof befindet sich eine Grundschule) die Geschwindigkeit ihres Fahrzeugs keineswegs reduzieren, sondern hupen und aus dem Fenster auf die Kinder einschimpfen, sie sollten besser aufpassen... 

Das alles erinnert sehr an das Prinzip der Dorfstraße zu einer Zeit, als nur der KGB einen klapprigen Moskwitsch hatte und zwei Mal in der Woche das Milchauto kam. Offensichtlich vermisst die ehemals dörflliche Bevölkerung auch ihre Gärten am Haus, was man auf Bild zwei sehen kann. Was da so kurios aussieht, hat aber doch seinen Sinn, denn diese "Skulpturen" verhindern (vielleicht), dass alles angepflanzte Grün gleich wieder zertrampelt oder kaputt gefahren wird. 

Immerhin fand ich "Kaufland", wo sich die Menschen durch die Reihen schoben. Das Angebot ist in der Tat vielfältiger, als im "Nr.1" oder bei "Linea", die hier Marktführer sind. Mich nervt das nur und ich ging wieder. Einzig die Nussmischungen hätten mich gereizt, weil es sie sonst nirgends gibt. Allerdings sind 6 Euro pro Tüte "Seeberger Nussmischung" auch ein etwas stolzer Preis... 

Wie man es auch dreht und wendet, aus deutscher Sicht wird das neue

Wohngebiet auch mit "Kaufland" nicht schöner. (Bild drei) Was soll ich sagen, wenn ich demnächst wieder gefragt werde, wie mir Chisinau gefällt? Jeder Mensch liebt seine Heimat, das Problem entsteht aber immer dann, wenn man nichts anderes kennt und glaubt, "bei mir zu Hause ist es am schönsten". So oft habe ich nun schon das Loblied auf das schöne Moldawien gelesen, aber ich habe die Schönheiten noch nicht entdecken können.