Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
Samstag, 16. Mai 2009
Also nochmal: der "Bunker"...
Der "Bunker" ist ein hiesiger, einem UPA- Unterschlupf nachempfundener Bierkeller, der massiv für sich Werbung macht, aber eigentlich (gutes Zeichen?) nicht so recht angenommen zu sein scheint. Bisher fand ich ihn jedenfalls meist halb leer, wohingegen vergleichbare Keller wie "Boczka" (Fässchen) oder gar das beliebte "Desiatka" durchgängig gut besetzt sind und man ohne Voranmeldung eigentlich chancenlos ist, einen Platz zu bekommen. Dabei geht es im "Bunker" noch gemäßigt zu. In Lviv (Lemberg) soll es eine verschärfte Variante geben. Man wird dort am Eingang gefragt, ob man "Moskale" sei. Was passiert, wenn man das bejaht, weiß ich nicht, aber wenn man mit "Slawa Ukraina" (Ruhm der Ukraine) antwortet, gibt es wohl einen Begrüßungsschluck auf Kosten des Hauses. So jedenfalls geht die Fama. Das alles ist im "Bunker" nicht so, es findet sich nur der Hinweis, dass ehemalige UPA- Kämpfer Kaffee und Tee kostenlos erhalten. Im Eingangsbereich, gleich neben der Klotür, befindet sich die bereits erwähnte Großaufnahme eines Soldaten in einschlägiger Uniform (Bild oben). Andere Bilder gleicher Art hängen an den Wänden, die ansonsten mit Pistolen, Lageplänen und Slizzen von UPA- Bunkern, Stahlhelmen (witzigerweise denn doch einer sowjetrussischer Produktion!) und Ähnlichem dekoriert sind. Das Blut gefriert einem erst in den Adern, wenn man auf die Speisekarte (Bild links) sieht, wo die Gerichte romantische Namen wie (SS-) "Division Galizien" und "Bataillon Nachtigall" tragen. Immerhin sei zur Ehre (?) der Ukrainer gesagt, dass die meisten von ihnen von Geschichte keine Ahnung haben und sich Patriotismus, Nationalismus usw. im historisch fast "luftleeren" Raum der aktuellen Propaganda bewegen. Der Effekt mag dem der sozialistischen Agitation früherer Zeiten nicht unähnlich sein- man plappert nach und verbindet wenig bis nichts damit! So wird den Leuten gerade eingebleut, dass Stepan Bandera ihr "Held" (Bild links) sei. Die Bandera- Memorial- Stätten und Riesen- Denkmäler sprießen denn auch aus dem Boden wie Pilze nach einem warmen Herbstregen! Offensichtlich leiten viele Menschen im Kurzschluss daraus ab, dass seine Zusammenarbeit mit den Deutschen wohl ok gewesen sein muss. Der Sache Banderas noch nachträglich den Sieg wünschend, werden dann Deutsche in allen Uniformen (und besonders die in der abgebildeten!) akzeptabel. Dass Bandera genau von diesen Deutschen ins KZ gesteckt wurde, weil Hitler nichts weniger wollte als eine unabhängige Ukraine, wie sie Bandera vorschwebte, wer weiß das schon? Hier Kurz- da Umkehrschluss: Wenn Faschisten gut sind, muss man Antifaschisten eben aufhängen (Bild unten). Doch soll das nicht allen Leuten hier angelastet werden. Die meisten interessiert es schlicht nicht, womit aber gesagt ist, dass Widerstand dagegen kaum sichtbar wird. Wie dem auch sei, die (Sowjet-) Russen gelten meist als das verglichen mit den Deutschen größere Übel und wenn außer dem Bandera- Kult sonst an Geschichte erinnert wird, dann meist an den "Holodomor", jene tragischerweise auf Stalins Befehl hin herbei geführte Hungersnot, deren Zwangscharakter in der beabsichtigten schlagartigen Verstädterung (Industrialisierung) begründet lag und die gleichzeitig den Widerstand der ukrainisch- bäuerlichen Bevölkerung gegen die Kollektivierung und überhaupt gegen die erzwungene "sozialistische Umgestaltung" brechen sollte. (Von den nach neuere Schätzungen mehreren Millionen Toten weiß nun wiederum in Westeuropa kaum jemand!) Insofern die Bezeichnung "Holo- domor" allerdings eine Analogiebildung zu "Holo- caust" ist, erscheint bereits in der Wortbildung der erwünschte Nebeneffekt einer Gleichstellung mit dem jüdischen Genozid und eine Verschleierung der Tatsache, dass beispielsweise jenes hier einer Speise den Namen gebende "Bataillon Nachtigall" in Babyn Jar binnen weniger Tage den größten Teil der jüdischen Bevölkerung Kiews liquidieren konnte, was ohne aktive Mithilfe der Bevölkerung unmöglich gewesen wäre. Freilich ist das kaum bekannt und wird in der Schule so wenig gelehrt wie die Judenverfolgungen unter Chmelnitzki, der ja als Staatsgründer verehrt wird. Nun, sei es wie es sei, zumindest dem Wissenden möge der Bissen im Halse stecken bleiben, wenn er es über sich bringt, diese Speise anzurühren!
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