Leider begann es zu regnen, als Anne- Sophie und ich den Friedhof erreichten, der unweit meiner Jogging- Strecke um den See herum zu finden ist. Ich war einmal schon fast da, drehte aber bei der damaligen Foto- Wanderung genau einen Querweg vorher ab, weil mir die Gegend dort nicht eben interessant erschien. Nun, mit sachkundiger Führung, war ich also da.
Der Friedhof ist an seiner noch teilweise intakten (oder doch einst restaurierten?) Feldstein- Mauer in seinen ehemaligen Ausmaßen gut zu erkennen. Ein großes Areal, auf dem die Grabstellen jedoch zumeist eingeebnet sind. Eine Frau machte Heu, als wir kamen. Ich hätte sie fragen sollen, ob das als Friedhof- Pflege zu interpretieren sei, oder ob sie nur privat das Gelände nutzt. Wie dem auch sei, auf diese Weise sieht man, dass da (fast) nichts mehr ist. Vereinzelt finden sich Reste von Grabstellen, Grabsteine keine. Wahrscheinlich haben schon die Nazis sie für andere Zwecke "verwendet". Was noch steht, ist wohl später wiederaufgestellt oder neu errichtet worden. Wie in Czernowitz sind diese historischen Steine wild von Unkraut und Gebüsch überwachsen. In Czernowitz übrigens plant die "Aktion Sühnezeichen" eine Aktion zur Pflege des Friedhofs- so Anne- Sophie, die es aus dem Internet hat. Sollen sie. Nötig wäre es auf jeden Fall. In Sniatyn gibt es eine ähnliche, allerdings deutsch- polnisch- ukrainische Gemeinschaftsaktion, die den Bewohnern der Stadt am Beispiel ihres historischen Friedhofs die Geschichte näher bringen soll. Auch in Ivano wusste keiner meiner Schüler, wo sich der jüdische Friedhof befindet...
Ein kleiner Teil des hiesigen Friedhofs ist bis in die 60er oder 70er Jahre hinein noch genutzt worden. Dort finden sich Gräber eher schon sowjetischen Zuschnitts. Einen separaten Teil mögen die deutschsprachigen Juden gehabt haben, jedenfalls liegen nahe dem Eingang einige Reste von Grabsteinen mit deutschen Namen.
Das war es denn auch schon. Mehrere separate Gedenksteine erinnern u.a. an die "beinahe 100 000 Sowjetbürger", die dem Terror zum Opfer fielen, an die ermordeten Juden von Borodszany, deren Überreste hier noch bestattet werden konnten. Ein neuerer Stein trägt eine hebräische und ukrainische Inschrift und am Eingang steht geschrieben, dass eine jüdische Familie den Erhalt des Friedhos ermöglicht hat. "Der Toten wird in ihren Familien in den USA und in Israel gedacht werden", so oder so ähnlich steht da geschrieben. Vermutlich zutreffend, denn jüdische "Familien" wird es in der Ukraine, wo ohnehin kaum jemand der ermordeten Juden gedenken würde, in nennenswerter Anzahl nicht mehr geben. Auch die Gemeinde in Ivano ist eine "Gemeinde auf Abruf", eine Gemeinde, in der man auf das Visum wartet oder auf die Ausreise, die man höchstens der noch lebenden Omas oder Opas wegen aufschiebt. Wo die begraben werden? Wer weiß- frische Gräber fehlen auf dem historischen Friedhof...
Oben, am regenverhangenen Himmel, krächzten die Raben. Totenvögel. Irgendwie passend zu dem verlassenen Areal, in dem sich außer uns nur ein Liebespärchen befand, dass sich vom Regen nicht vom Sockel des zentralen Gedenksteins vertreiben ließ. Liebe auf so einem Friedhof? Irgendwie passend zu der Hoffnung auf Zukunft, die es doch zu bewahren gilt (wenn es auch schwer fällt)...
Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
Samstag, 20. Juni 2009
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