Trotz heftiger Regenschauer und Hagelschlag bei Kalusch brachen wir das Unternehmen nicht ab und fuhren optimistisch meinem "ersten Urlaub" dieses Jahres entgegen. Das Wetter besserte sich dann etwas, aber das Kloster in Goschiw - an meinem üblichen Arbeitsweg nach Drogobyc gelegen - konnte ich dennoch nicht fotografieren. Dafür klarte es auf dem Weg in die Berge etwas auf und ich konnte einige Fotos von Lebensformen machen, die nicht einmal mehr in der Ukraine "typisch" sind: Auffallend viele Häuser sind noch ganz traditionell aus Holz und einer "chata" (Kate) ähnlicher als einem Wohnhaus (Bild links), Autos gibt es wenige, dafür viele Kühe, gearbeitet wird mit einfachsten Mitteln; selbst so etwas wie "Mechanisierung" (von Motorisierung zu schweigen) fehlt. Die Täler sind abgelegen, an Stelle von Straßen gibt es mehr oder weniger gut in Schuss gehaltene Wege, die mit einem Sand- Steine- Gemisch immer mal wieder befestigt werden (zweites Bild links). Hier weiter zu fahren, hatte ich wenig Lust, aber ich merkte mir den Tipp der Konovalovs, einmal doch in diesen Gegenden zu wandern. Ohnehin kann man, das sollte ich in den nächsten Tagen noch zu Genüge erfahren, auf die Wegeverhältnisse keine Rücksicht nehmen, wenn man etwas Interessantes abseits der großen und von Lwiw bis Chop (über Striy, Uzhorod) wirklich gut ausgebauten, von Lwiw bis Kiew aber immer noch ziemlich erbärmlichen, Transitstraße sehen will.
"Interessant" ist vielleicht das falsche Wort, wenn es um Grablegen wie die auf dem dritten Bild geht. Überall in der Westukraine gibt es Erinnerungen an den Krieg um eine versuchte Unanbhängigkeit der Ukraine (1918) sowie Zeichen einstiger Auseinandersetzungen zwischen den Polen und der UPA bzw. der UPA und der Sowjetmacht. Neben Hinrichtungsstätten immer wieder einzelne Kreuze (meist wie hier aus Birkenholz), mit denen Dorfbewohner, Freunde oder Familienangehörige der Ermordeten gedenken. Eine Erde, die so viel Blut gesehen hat, ist wie ein Menetekel, wenn es um Idee und Realität des Kommunismus (oder seines ersten Versuchs) geht. Die Menschen hier werden auf absehbare Zeit mit diesem Wort nichts Positives mehr verbinden (können).
Die von den Konovalows angepriesene "Bäder- Region" im Vorkarpatenland beginnt mit Morshyn, dessen Wasser ("Morshynska") zu den besten Mineralwässern hierzulande zählt. Der Kurort selbst lebt allerdings nur noch als Legende aus früheren, besseren Zeiten. Truskawiec und andere haben ihn überholt und ihm die Klientel genommen - jedenfalls wirkte der Ort ziemlich verweist, die Anlagen doch etwas herunter gekommen. Einzig um die aus Sowjetzeiten stammende zentrale Trinkhalle (links im Bild) herum gab es etwas Leben. Hier sitzen und spazieren wohl diejenigen, die ihrem Kurort seit Jahrzehnten die Treue halten und die sich kaum etwas anderes leisten können. Die Vier- Sterne- Koliba mit Sauna etc. pp. hatte jedenfalls keine Gäste und im Straßenbild fehlten die sonst so typischen Offroader oder Riesen- SUVs der Neureichen.
Dann kam mein Part. Ich konnte Drogobyc vorzeigen, wobei es uns dieses Mal von mir "geführt" ;-) in Stadtgegenden verschlug, die ich beim ersten Mal ganz übersehen hatte. Es gibt also einen Ring um die Altstadt, an dem die einst besseren Häuser gelegen sind. Bessere Häuser? Man sieht sogar heute noch, wann die Stadt sprunghaft zu Reichtum gekommen ist. Hinter den vielen bröckelnden Fassaden und verwahrlosten Gärten finden sich immer noch Paläste, die von altem Glanz künden und heute mit Mühe erhalten werden. Insgesamt sieht man, wie schwer es der stadt und ihren Bürgern fällt, das Stadtbild zu verschönern, die alten Gebäude zu erhalten oder zu sanieren und mit Leben zu füllen. Aber ganz so trostlos, wie mein erster Eindruck war, ist die Stadt doch nicht. Es gibt viel Substanz für Künftiges. Ich drücke meinen Schülern die Daumen, dass sie in eine ständig schöner werdende Heimatstadt hineinwachsen, die sie endlich - trotz Mickiewicz- Denkmal und deutschen Gräbern - als "ihre" Stadt begreifen und gestalten sollten. (Das Grabmahl links ist aus dem späten 18. oder frühen 19. Jahrhundert und erinnert an einen k.u.k. Hüttenmeister - merkwürdig, dass es auf dem ansonsten von Polonisierung der Deutschen, aus den Hausmanns wurden "Hausmanowy" etc., kündenden Friedhof noch von Blumen geziert ist.) Es wäre jedenfalls im Sinne eines künftig bis in diese Gegenden vereinigten Europa, ehemals "mitteleuropäische" Multiethnizität und Multikulturalität stolz heraus zu stellen und das Erbe eines Bruno Schulz offensiv und bejahend anzutreten. Dessen Geburts- oder Wohnhaus haben wir dieses Mal nicht gefunden, weil nicht gesucht. Meine Schüler werden es mir zeigen...
Von Frau Schütrumpf stammt übrigens der Tipp, noch einmal die "Dona Juanita" von Eberhard Panitz zur Hand zu nehmen. Die Handlung spiele in Drogobyc bzw. Drohobetsch, wie es die Deutschen nannten.
Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
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