Solange ich in Chernivtsi gewohnt und gearbeitet habe, hat mich das Gefühl nicht los gelassen, mitten in einer großen Theaterkulisse "Gast" zu sein, in der die "einheimischen" Menschen bloß Statisten sind. Ukrainische Pelzmäntel, die Schapkas im Winter, die Platikbeutel schwenkenden "Shopperinnen" bauchfrei und mit Miniröckchen - das alles wirkte zwischen all den hochherrschaftlichen Häusern der alten Herrengasse (Kobylanska) oder am Theaterplatz (Bild 1) irgendwie deplaziert, nicht dorthin gehörig, obwohl es das alles so oder so ähnlich im multikulturellen Czernowitz sicher gegeben hat. Nicht zuletzt war es die auffällige Abwesenheit von Kultur (verstanden als Lesungen, Theater- Aufführungen, Straßenfeste usw.), von Abend- und Nachtleben, die den Eindruck verstärkte, als flüchteten die Bürger nach ihrem Tagesgeschäft in ihre vier Wände, um von der Stadt, von der fremden Architektur und der allgegenwärtigen nicht- ukrainischen Geschichte (als Nationalgeschichte interpretiert) Ruhe zu haben.
Hat sich etwas geändert? Zumindest scheint es, als ändere sich etwas. Im Zuge der 600- Jahrfeier ist Bewegung in die Stadt gekommen, die sich jetzt sogar sichtbar auf dem Straßenpflaster zu den vielen Sprachen bekennt, in denen sie regional und weltweit ein Begriff geworden ist. Und das Jiddische fehlt nicht! Einen weiteren Höhepunkt erlebte diese neu anmutende Atmosphäre anlässlich der den Czernowitzer Tagen vorausgehenden Dichterlesungen zu Ehren Paul Celans. Sonst kaum zur Kenntnis genommen, sollen dieses Mal erstaunlich viele junge Leute den an Celan erinnernden Autoren gelauscht haben. Klar erfüllt es mich mit ein klein wenig Stolz, wenn ich en passant erwähne, dass mir dieses von Absolventen "meiner Schule" berichtet wurde, von jungen Menschen also, denen ich einst mühsam den Sinn der Rede vom "Mutterland Wort" (Rose Ausländer) beizubringen versuchte.
Die Video- und Licht-Installation, mit der ein österreichischer Künstler über dem Kino die alte Synagoge wieder auferstehen lassen wollte, fiel zwar ins (Regen)Wasser, aber meinen Kollegen Zuckermann und den alten, aus früheren Zeiten übrig gebliebenen Max Schickler (er war einer unserer Hauptinterviewpartner im Film "Bukowina Style") hat es berührt. Den selingen Herrn Schlamp allerdings konnte die Nachricht nicht mehr erreichen; er ist nun doch noch vor seinem 100-sten verstorben.
Auch während der Czernowitzer- Tage ging es bunt zu. Man hatte sich bemüht, der schön heraus geputzten, aber immer noch etwas abgelegenen Kobylanska (Herrengasse) durch viele Straßenveranstaltungen etwas Flair zu verleihen. Die Czernowitzer sind immerhin stehen geblieben und haben den rumänischen Straßenmusikanten (Bild 2) gelauscht. Mitten in die Darbietung von Moldawiern (Bild 3) - denke ich - drängten sich plötzlich zwei alte Frauen, die in den Tänzen sichtbar gut beschlagen waren. Als sei dies ein Signal gewesen, mengten sich nun auch andere Umstehende in die Runde der Trachtenmädels und es wurde ein lustiger Tanz. Das von der österreichischen Partnerregion ausgerichtete Restaurant "Kärnten" hatte einen Freisitz eröffnet und vor dem "Kwant", einst ein polnisches Kellerrestaurant, stand eine Polin und präsentierte nationale Speisen ihrer Minderheit. Es hat Spaß gemacht, das alles zu sehen.
Nur das als Festgelände für die Veranstaltungen vor zwei Jahren geplante Areal um den See im Park am Hotel "Tscheremosch" ist immer noch nicht fertig. Man ahnt zwar, was es hatte werden sollen (und irgendwann sicher auch noch wird), aber sonst...- still ruht der See. Ich bin immer wieder gerne dort.
Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
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