In der politischen Diskussion muss man sich
gegen Plattheiten wehren. Wer jetzt wieder versucht, Ossis
(schlecht) gegen Wessis (gut) auszuspielen, der betreibt gefährliche Falschspielerei. Auch billige
Kennzeichnungen wie "Nazis" oder "rechts" nützen nichts. So oder so
ist jede dieser Demonstrationen eine Demonstration des Versagens der
etablierten Politik. Sie erreicht die Menschen nicht mehr, weil diese längst begriffen haben, dass sie (außerhalb des
Wahlkampfes) nicht wirklich gemeint sind. Auf dem Höhepunkt
der Sanktioniererei gegen Putin war die Mehrheit der Deutschen dagegen, musste aber in den Zeitungen lesen und im Fernsehen sehen, dass es niemanden interessiert, ob ein Volk Krieg oder einen Kriegskurs gegen Russland
will oder nicht. Eines Tages werden die Leute sagen, die Flüchtlinge aus
der Ukraine sind Produkt einer Politik, deren Verfehltheit längst klar ist. Und die Menschen werden nicht
einsehen, warum sie dafür zahlen sollen. Auch ein solider Anti-
Amerikanismus ist ein Motor der Anti-
Asylbewerber- Haltung. "Die" führen Kriege,
von denen "wir" nichts haben, warum also sollen "wir" für die Kosten
aufkommen? So denken die Leute und wenn man ehrlich ist, muss man einsehen: Da ist was
Wahres dran. Aber statt hier den Hebel anzusetzen und den Frust
dahin zu lenken, wo er herkommt und hin gehört, haben Linke nur platte Etikettierungen, die niemandem nützen, und die Rechten
freut's - sie haben nun Grund genug, weiter nach "rechts" zu rücken. Das nützt ihnen nichts, denn in Dresden steht keine
Programmbewegung auf der Straße und deswegen kann man die Leute auch nicht als künftige Wähler von der Straße holen. In Dresden (und anderswo) steht unsere
parlamentarische Demokratie als solche auf dem Spiel und das macht
die Sache richtig gefährlich.
Damit ist nicht gesagt, dass diese Versammlungen etwa nicht widerlich wären. Dummheit ist immer widerlich und wenn sie sich auch noch explizit
gegen andere Menschen, zumal Hilfebedürftige, wendet, dann sind die
gezeigten Haltungen auf jeden Fall intolerabel. Und da darf es auch
keine Abstriche geben. Und trotzdem sollte man gerade jetzt alles tun, um den
Kontakt zu diesen Menschen nicht abbrechen zu lassen. Es sind Menschen (und also können sie ihre Meinungen ändern). Schaffen wir
das nicht, zeigen - wie einst Gustav Heinemann mit Blick auf die 68er Studentenunruhen sprach - von den fünf Fingern einer Hand vier auf uns
zurück, wenn wir mit dem verbliebenen auf die Bösen zeigen! Das
einzusehen und immer auf's Neue handlungsleitend zu machen, ist das Brot eines jeden politisch sich Einmischenden.
Bei Pegida sind nicht nur Dumme unterwegs. Man sieht Lehrer, Ärzte und sogar von Juristen war die Rede. Das sind doch
Menschen, die denken können und die auch was wissen. Vielleicht
erinnern sie sich (anders als der Herr Bachmann) noch daran, dass Putin im Tschetschenien- Konflikt
(in dem "die Guten" auf der Seite der "Unabhängigkeitskämpfer" standen) schon 1999 vor einem "Kalifat" bzw. den "Vereinigten
Staaten des Islam" (Wladimir Putin, Reden an die Deutschen, CompactEdition, S. 12) warnte, Ideen also, die damals über Kämpfer, die
aus Afghanistan (sic!) kamen, als Ziel des "Unabhängigkeitskampfes"
formuliert wurden. Mittlerweile sind es nicht mehr nur die Kabarettisten, die ja
ohnehin die Rolle der einstmals "freien Presse" übernommen haben,
die darauf hinweisen, dass nicht nur die Taliban oder die
Dschihadisten ein Produkt amerikanischer Politik sind: Den IS hat
man aufgebaut, um Einfluss in Putins islamischem Hinterhof zu
gewinnen, dann hat man ihn (etwas erfolgreicher) gegen Syrien in Marsch
gesetzt (und über die Türkei subventioniert), und jetzt wundert man
sich, dass die Leute ein bisschen erwachsener geworden sind und
begriffen haben, dass sie nur für amerikanische Interessen verheizt
werden sollten. Jetzt machen die ihr "eigenes Ding" und schon haben
"wir" ein Problem. Mehr Menschen, als man gemeinhin glaubt,
verstehen, dass Syrien nicht eine humanitäre Katastrophe ist, die da
mal eben so vom Himmel fiel. Mehr Menschen (vielleicht
gerade Ossis!) als man gemeinhin glaubt, verstehen, warum es
Wirtschaftsflüchtlinge usw. gibt. Und alle diese Menschen fragen
sich, warum "die einen" davon immer den Profit und "die anderen"
davon immer wieder nur die steuerlichen Belastungen und sicher oft
auch eine Störung der bürgerlichen Ruhe in ihren Wohnorten haben.
Nein, so verstehen es die wenigsten Leute, denn sonst würden sie die Linkspartei unterwandern und einer vernünftigen
Oppositions- und Friedenspolitik ihre Stimme leihen...
Aber unterschwellig gibt
es dieses "Wissen" und darum darf man sich nicht denkfaul und bequem auf billige
Demonstrantenschelte einlassen, die wieder nur der Ablenkung von den
wirklichen Problemen dient. Es gibt keine
andere Chance: Nazis raus (aus den Köpfen), das ist alles, was man erreichen muss! Alles andere würde alle Fehler wiederholen, die schon in der
Ukraine- Diskussion zwischen einer angemessenen Einschätzung der Lage und bloßem Putin- Verständnis standen. Wer da am Anfang von "Maidan- Faschisten" schwafelte, hat am Ende Recht bekommen (ohne jemals
wirklich Recht gehabt zu haben!). Man hat nicht begriffen, warum ein "Volk" auf den Maidan ging,
und nun begreift man wieder nicht, warum Teile "unseres Volkes" (dumm-
klar) denselben Weg versuchen. Im Falle der Ukraine haben Linke nicht helfend, ja nicht einmal verständnisvoll
eingegriffen. Dort hat man (im Falle der Partei DIE LINKE) sogar die erst pro- oligarchisch und nun pro-
russisch und dazu noch unsäglich nationalistisch und militant agierenden Kommunisten (?)
für "links" gehalten und mehr als die Maidan- Aktivisten unterstützt. Nichts ist dort so verhasst,
wie die Beutelschneider der KPU! Wenn es "faschistisch" ist, gegen
diese Mafia zu sein, dann sind die Leute eben gerne "Faschisten"! Hoffentlich schafft man im Umgang mit Pegida nicht parallele
Zustände und macht Fehler aus einer ähnlich falschen Lageeinschätzung. Hier wie dort gibt es Meinungsführer und Stimmungsmacher, die eindeutig rechts (und womöglich gar neofaschistisch) agieren. Hier wie dort gibt es intolerable Parolen und Haltungen. Aber hier wie dort sind nicht Hunderttausende (Maidan) oder Zehntausende (Dresden) Faschisten! Feindbilder wie diese sind billig, sie erklären scheinbar alles, aber sie helfen niemandem! Gegendemos sind nötig,
aber Pragmatismus im Umgang mit dem Problem, konkrete Arbeit für Flüchtlinge und gegen die verfehlte und scheinheilige Asylpolitik von Merkel & Co. sind nötiger. Alltägliche und
unspektakuläre Arbei ist schwer, aber nur durch dieses Vorbild können "Mitläufer" von Pegida beschämt werden. Die anderen brauchen erst einmal Arbeit, die sich lohnt, und die Sicherheit, sie zu behalten. Und die ganz "Harten" brauchen eine Anklage wegen Volksverhetzung und die Erfahrung einer wehrhaften Demokratie!
P.S.: Ein Ausblick auf 2015 a la Orwell und Huxley (und mithin realistisch) sieht Pro- Asyl- Demos, die vom Oberlandesgericht (wie vorher schon die Anti-
Nazi- Demos) verboten und inkrimiert werden. Die ehremamtliche Arbeit der Aufrechten wird durch Abschiebungen (gerne auch zu Ostern und Weihnachten) konterkariert und frustriert wendet sich ab, wer bisher noch daran glaubte, dass die Zivilgesellschaft Macht gewinnen könnte. Dumme von rechts bis rosa (und die tiefrot Linken) sehen am
Umgang mit der Person Bodo Ramelows, in welch hohem Maße eine "Allianz" für die
(Mit)Menschlichkeit unerwünscht ist. Vor allem natürlich im Westen,
wo die "Guten" zu Hause sind, wird das Scheitern des rot- rot- grünen Projekts Genugtuung auslösen und manch Grüner wird es mit einer Flasche nachhaltigen Biosekts der gehobenen Preisklasse freudig begießen... Ach, das Elend ist groß und das Licht am Ende des Tunnels ist nur der alles überrollende Schnellzug der Marke "Liberalismus". Keine Hoffnung? Nein, keine, wenn wir sie aufgeben und aufhören, etwas dafür zu tun!
Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
Dienstag, 30. Dezember 2014
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