Auch ohne die Hinweise der Ausstellung zu dem von Winckelmann ausgehenden Wandel von Stil und Geschmack um die Mitte des 18. Jahrhunderts kann man hier auf Schritt und Tritt die ganz und gar nicht mehr barocke oder dem französischen Gartenkunstideal entsprechende Verquickung von Antike- Begeisterung (Bild zwei- Diana- Tempel) und englischem Landschaftspark bemerken. Die Umbauten am Schloss, das vorne von einer - damals modernen - klassizistischen Fassade geschmückt wird (Bild drei), hinten aber ganz frühbarock daher kommt, zeigen die Finanznot des Bauherren, der als Fürst seine Brötchen im Dienste Preußens verdienen musste. Wie dem auch sei. Ein schöner Park mit vielen geradezu romantischen Eckchen. Ein Beispiel ist die Blumengestaltung an der Kunstkate beim Ausgang. (Bild 4)
Nach dem Rundgang und einem kleinen Mittagsimbiss blieb noch Zeit für Wittenberg, das sehr schön restauriert ist und zum Reformations- Jubiläum einige neue Höhepunkte bekommen hat. Die Boulevard- Gestaltung mit dem frei gelegten kleinen Bachbett in der Mitte ist sehr gelungen. (Bild 5)
Neu war mir der Cranach- Hof, ein zu DDR- Zeiten völlig verfallenes und verwahrlostes Areal hinter dem Cranach- Haus. Dort gibt es eine Malwerkstatt, eine kleine Druckerei und eine Skulptur, die an einen der beiden Cranachs erinnert. Vielleicht an den älteren Lucas. Luther, zu dessen Wohnhaus wir natürlich auch gingen (Bild sechs), interessierte uns allerdings weniger. Überhaupt scheint, was die Öffentlichkeits- Arbeit anbelangt, Katharina von Bora ihm den Rang abzulaufen. Das soll wohl Modernität ausstellen und ein bisschen ablenken vom Verrat an den Bauern und dem ziemlich miesen Verhältnis Luthers zu den Juden. Immerhin beschäftigte sich eine Ausstellung in der Stadt mit dem Alltag in der DDR und mit dem dort gepflegten Atheismus. Hier wurde denn auch an Müntzer erinnert, der in Wittenberg studierte und dann Luthers erbitterter Gegner wurde. Ein bisschen erinnert ihr Zerwürfnis schon an das gespannte Verhältnis der modernen Sozialdemokratie zu kommunistischen bzw. konsequenter sozialistischen Richtungen. Reform oder Revolution? Aber diese Frage tauchte im heutigen Kontext natürlich so nicht auf.
Wir blieben jedenfalls den Traditionen unserer Herkunft treu und vermieden es, den Einladungen zum Besuch eines der vielen Begegnungsstätten (Evangelischer Weltbund, Augsburgische Kirche usw. usf.) zu folgen. Nicht, dass mir der Dialog mit Christen, zumal mit solchen, die für ganz vernünftige Ziele eintreten, nicht am Herzen läge, aber hier ging es wohl weniger um einen solchen Dialog als vielmehr um die (wenigstens versuchte) Mission, die beispielsweise als Hoffnung daher kam, ich könne doch noch meine "Berufung" erkennen, wobei mir die "Berufungsfabrik" helfen wollte. Das aber ist mein Ding nicht und ich habe durchaus mit ein bisschen Schadenfreude zur Kenntnis genommen, dass trotz des hohen Aufwands der Luther- Dekade deren Erfolge (zumal im Osten) weit hinter den Erwartungen zurück geblieben sind. Dass freilich bei der allgemeinen Unaufgehobenheit in einer Gesellschaft, deren gesichtsloser Massencharakter beim hilflosen Einzelnen zunehmend irrationale Ängste frei setzt, esoterische, autoritäre und sonstwie chaotische Sekten auf Kosten der großen Kirchen Erfolge feiern, ist mir nicht gleichgültig. Ohne die Rolle der Kirchen als womöglich staatstragend zu feiern, sind sie doch gegenüber dem Bodensatz verblödender Spiritualität das bei weitem kleinere Übel und in ihren Möglichkeiten, Menschen zu humanistischem Handeln zu mobilisieren, nicht gering zu schätzen. Und so haben wir Luthers Wohnhaus (sechs) doch besucht und ich habe ein bisschen darüber nachgedacht, ob Weber zu Recht behauptet, der Kapitalismus käme aus dem Geist des Protestantismus, oder ob es nicht vielmehr doch umgekehrt war: Der Geist des Protestantismus ist der Geist des aufkommenden Kapitalismus. Wie dem auch sei: Ein Dualismus ist es ohnehin nicht gewesen.
Jedenfalls hat die Stadt durch das Jubiläum gewonnen und sieht nun auch auf ihrer der Elbe zugewandten Rückseite ganz ansprechend aus. (Bild sieben)
Der ehemalige Bunkerberg ist mit diversen verspiegelten Gängen, Überdachungen und Brücken neu gestaltet und lädt zur Besinnung ein. Die wollte nicht wirklich kommen, aber wir genossen es trotzdem, die Wege über der Stadt entlang zu gehen.(Letztes Bild) Den Abschluss des Besuchs bildete dann die Besichtigung der Pfarrkirche mit dem Abendmahlbild von Cranach. Seit langem zum ersten Mal gab ich einem alten Bettler, der am Kirchenportal saß, zwei Euro als "milde Gabe", denn es empört mich jedes Mal, wie willig die Menschen für den Erhalt von "Gottes Haus" spenden und wie gedankenlos sie danach an ihrem "Nächsten" vorbei gehen. Klar, die Kirchen sind zu erhalten als Aufgabe aller, die Kultur und Tradition noch für wichtig erachten, aber trotzdem bleibt Fakt: Nicht Gott braucht ein Haus, sondern der Bedürftige auf den Stufen davor! In diesem Sinne freute uns abends das gute afghanische Essen samt der Freundlichkeit des Personals und hier eben der Umstand, dass diese wenigstens bleiben dürfen und ein Dach überm Kopf gefunden haben. Wer es nicht kennt: Das Restaurant "Hindukusch" in Leipzig/ Möckernsche- Straße ist sehr sehr zum empfehlen!
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