Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 29. Februar 2016

Wie schwer ist eigentlich Weltbürgertum?

Slowakische Schüler/innen bekommen eine Aufgabe, wobei eine von 36 als Antwort schrieb:"Don't give a shit". Die anderen 35 äußerten sich. In Situation A ist die Frage, ob eine junge Frau in sehr teuren Designerklamotten, die zu einem wichtigen Vorstellungsgespräch zu einem Star- Architekten geht, ohne Rücksicht auf Geld und Karriere ein Kind retten sollte, das in einem Teich zu ertrinken droht. Von den 35 Schüler/innen waren 33 bedingungslos dafür und nur zwei meinten, sie könnte versuchen, Hilfe zu holen, um ihre Klamotten zu schonen und den Job zu kriegen. In Situation B kommt die junge Frau nach Hause. Sie hat den Job. Im Postkasten findet sie einen Spendenaufruf. Sie kann mit 100 Euro ein Kind in Afrika 6 Monate lang vor dem Hungertod bewahren. Soll sie es tun? Von den 35 Schüler/innen waren 3 dafür; 32 hatten Einwände und meinten - zugespitzt - "sie soll nicht 100 Euro für schwarze Kinder geben. (Maros). Dabei muss man wissen, dass in der Slowakei mit den "Schwarzen" auch Zigeuner gemeint sind... Die meisten waren jedoch dagegen, weil man ja nicht wisse, ob das Geld auch ankommt. Aber es gab auch die Meinung, dass das ganz allein ihre Entscheidung sei, ob sie sich selbst etwas kaufen will, oder ob sie eben Geld spendet: "Wir können sie nicht richten." (Gabriela) Eine Schülerin meinte: "Wer von uns würde 100 Euro nur so einem Kind in Afrika geben? Ich meine: Keiner von uns." (Tania) In der Variante C, in der dann gefragt wurde, ob sie das Geld geben solle, wenn das Kind eines Nachbarn sich auf der Afrika- Safari verletzt hat und der Nachbar um Hilfe bittet, waren dann wieder 32 von 35 der Meinung, sie solle helfen und das Geld sofort überweisen, "weil sie jetzt mehr Verantwortung fühlen muss." (Nicole) "Ich denke, dass wir den Kindern in Afrika helfen sollen", so Adriana, die als eine der wenigen für Hilfe plädierte, "aber dem Kind eines Nachbarn zu helfen ist ein bisschen natürlicher." Natürlich klingt u.a. auch so: "Wenn es das Kind des Nachbarn ist, kann der die Hilfe vielleicht zurück geben." (Ivana) Wir hätten eben "keinen persönlichen Kontakt und wir denken, das betrifft uns nicht" (Matus). Nur eine Stimme von 35 sprach sich ganz singulär und bedingungslos so aus: "Das bedeutet für unsere globalisierte Welt, dass jeder krank werden kann und wir müssen versuchen, jedem zu helfen." Auf Nachfrage bestätigte Daniel, den Sinn des Modalverbs richtig erfasst zu haben. Ja, wir MÜSSEN es wenigstens versuchen! Allerdings steht der EINEN WELT, deren Kiwi und Bananen wir so selbstverständlich konsumieren wie ihr Öl und die Produkte indonesischer Billigarbeiter,  kein Bürger dieser Welt gegenüber. Wir haben Konsum- und Wutbürger, Patrioten und Nationalisten, Touristen und Liebhaber afrikanischer Tierserien...- bloß Weltbürger haben wir nicht! Leider.

(zu den Übungen vgl. http://www.srf.ch/kultur/im-fokus/filosofix)

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