Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Samstag, 30. April 2022

27.04.2022 - Mit meinen Jungs im Museum

Sie hatten mich am letzten Schultag gefragt, was ich in den Ferien so mache, und ob ich etwas dagegen hätte, wenn sie mir das Geschichts- Museum zeigen. Ich hatte nichts dagegen und so trafen wir uns am Mittwoch um 11.00 Uhr an der Schule und fuhren ins Zentrum ins Museum. Ich holte vorher noch die Sprachdiplome (DSD II), die nun endlich angekommen sind und nächste Woche übergeben werden können.

Das Museum ist ein sehr schönes Gebäude, innen ganz fein saniert. Es gibt auch herausragende Exponate wie Goldschmuck, antike Vasen, alte Bücher, Schreibmaschinen, Zeitungen usw. Allerdings erschließt sich einem die Ausstellung nicht wirklich und es fehlt so etwas wie ein "Bild" der Geschichte. Das ändert sich ein bisschen in den Ausstellungsteilen ab dem 19. Jahrhundert. Insgesamt ein schönes Museum, dem nur eine etwas modernere Museumsdidaktik gut täte. Aber sei's drum. Sowieso wollten die Jungs (Bild unten v.l.n.r. Petru und Gheorghe aus der 10b und Petru aus der 10a) eigentlich mit mir reden, was wir dann in der Pizzeria auch ausgiebig taten. Danke Jungs! Das war ein schöner Tag. Ich war erst abends wieder zu Hause. 

 

25.04.2022 - Ostern in Suceava

Am Ostersonntag kam ich gut über die leere Grenze und konnte bei Tanases Lillis leckere Wachtel und Truthahn essen, Tiramisu und eine Menge Rotwein bei guten Gesprächen genießen. "Ist ein Familienfest", hatte Mircea gesagt, "aber du gehörst ja zur Familie". Und so war auch das geklärt. Am 25. spazierte ich ein wenig durch Stadt und - natürlich - hoch zur Burg. (Bild) Abends traf ich die Kolleg/innen im Restaurant und auch der Abend war schön. Am Dienstag ging es zurück. Mit Mirceas Hilfe konnte ich vorher noch meine Bremssteine wechseln lassen. Alles gut also. An der Grenze dann Anzeichen der neuesten Entwicklungen. Autos mit Anhängern und Dachgepäckträgern bis zum Horizont. In Transnistrien packt offenbar die Koffer, wer im Ausland Verwandte oder einen rumänischen Pass hat. Am Tag darauf wurden die transnistrischen Kontrollpunkte für Männer gesperrt. Die Anspannung wächst also. Am Donnerstag wollte ich eigentlich mit den Kolleginnen ins Land zum Picknick fahren, seit Wochen sprachen sie von kaum etwas anderem, aber dann fiel doch alles aus, weil sie nicht wollten, dass ich die Stadt verlasse. Ich soll schnell fliehen können, wenn "es" los geht. So waren wir nur abends in der Kneipe...    
 

19.04.2022 Tag der Deutschen Sprache an der Pädagogischen Universität

Tag der deutschen Sprache - DAAD und ÖAD sowie die Deutsche und die Österreichische Botschaft hatten eingeladen. Gekommen sind aber nur wir, meint: Meine Klasse 10 b und ich als "Delegation" vom LT Mihai Kogalniceanu. An den anderen DSD- bzw. Goethe- Schulen wie an der Schule, die von den Österreichern betreut wird, war der Lehrplan wichtiger. Dabei finde ich schon, dass Lehrmittel- Spenden, Stipendien und Schüleraustausche, Prämien bei Sprachwettbewerben usw. den Schulleitern ein bisschen mehr Wertschätzung abverlangen könnten. Aber was sol'ls? Das Programm war wie üblich offiziell- dröge. Ansprachen der Botschafterin bzw. des deutschen Geschäftsträgers, Grußworte vom DAAD, vom Rektorat, vom Lehrstuhl usw. usf. Für "Kultur" sorgte Alina (Bild oben), die ganz schnell einen deutschen Pop- Song vorbereitet hattet und ihn als Karaoke sozusagen vortrug. Hat sie aber doch Klasse gemacht. 


Dann wurde der Lehrstuhl vorgestellt und man machte Werbung bei meinen Schüler/innen, dort zu studieren. Wenn das die besten Studierenden waren, die uns da was erzählten, so meinte Andreea (zweites Bild von oben in der Mitte), dann könne sie besser Deutsch, was absolut nicht übertrieben ist. Roman (zweites Bild vorne neben Andreea) meinte nur erschüttert, dass sie in der Diskussion festgestellt hätten, dass die beiden kein Rumänisch können, sondern Russisch gesprochen hätten. Das wusste ich schon von meinem DAAD- Kollegen, der Rumänisch spricht, was ihm aber an der Uni kaum hilft. 


Dann wurde den Schüler/innen das Future- Lab vorgeführt. Ziemlich interessant. Die beiden Romans (Bild Mitte) konnten z.B. durch Konzentration eine Drohne mit einem Kopfsensor steuern. Andere lustige Dinge waren z.B. Musik aus dem Computer, wobei die Eingabegeräte Bananen, Äpfel und Möhren waren. Vorgeführt wurden auch die neuesten Google- Laptops für die Schule und Mini- Elektronen- Mikroskope. Für die Schüler/innen war es interessant, zu sehen, was alles für Tierchen in ihren Wollpullovern und Haaren herumturnten. Ich fand das immerhin gut für Biologie, Chemie oder Physik. Aber schon bei den Google- Laptops beschlich mich die bange Frage, wie lange die für das ganze Geld wohl durchhalten
und wie oft man die in 10 Jahren wird neu anschaffen müssen, weil entweder Hard- oder Software ungenügend geworden sind. Aber das bewegte die Kolleginnen von der Uni kein bisschen, so stolz waren sie auf ihre Spielereien, über deren Einsatz im Unterricht sich die Pädagogische Universität aber noch keine Gedanken gemacht hat, wie ich auf Nachfrage erfuhr. Hm, ein bisschen wenig für so viel Geld.

Madalina, Petru, die beiden Michaelas und Juliana hatten aber doch Spaß bei der Präsentation der Möglichkeiten von Bioströmen. (Zweites Bild von unten) Je nachdem, wie viele Schüler/innen sich an den Händen fassten, flog die Drohne höher oder weiter usw. Das Ganze dauerte mehr als eine Stunde. Danach waren meine technikbegeisterten Schülerlein dann aber doch müde. (Bild unten) Außerdem war die Schulzeit um und die Nachhilfestunden, die Musikschulen und was sonst noch alles als "Freizeit" vorgesehen ist, riefen und veranlassten uns zum Aufbruch. Trotzdem: Insgesamt ein schöner Tag. Für mich gut, weil ich nebenbei viele Gespräche führen und ein bisschen Alltagskommunikation "üben" konnte.    


 

18.04.2022 Debattenzirkel mit der 10. und 11. Klasse

Montags machen wir von 14.55 bis 15. 40 Uhr ein bisschen Diskussion, Argumentieren und Debatte mit der 11. (Bild oben vorne v.l.n.r. Maria und Michaela; Bild unten Vlada, Alexandra und Lidiana) und zwei Mädels aus der 10. Klasse (Bild oben hinten Michaela und Juliana) und am Donnerstag mit der 10. Klasse. Ich bin nicht zufrieden, weil man in nur 45 min so wenig machen kann, aber alle zwei Wochen etwas länger z.B. geht nicht, denn die Mädels haben Hunger und wollen nach Hause was essen. Trotzdem kommen sie und werden dafür mit Bananen, Schokolade und Waffeln verwöhnt. Kleines Dankeschön für engagierte Debatten. 

Dieses Mal zum Thema, ob ein Mädchen, das schon mit einem anderen Jungen geht, ihrem Freund kurz vor dessen Examen die Trennung verkünden, oder ihn lieber noch ein paar Tage belügen soll. Hat in der 10. Klasse nicht so gut geklappt, weil die Jungs das Thema doof und die Mädchen es noch nicht so spannend fanden. Aber den Mädels aus der 11. waren ganz bei der Sache und stritten noch auf dem Nachhauseweg auf Rumänisch weiter. So soll Schule sein.   

 

17.04.2022 - Kälte

Ich weiß nicht, wie "Frieren gegen Putin" funktionieren soll, aber knapp 15 Grad in der Bude sind auf die Dauer wenig angenehm. Seit dem 01. April ist ja nun Sommer befohlen, bloß hält sich der nicht dran. Selbst um die Mittagszeit ist die Bude noch so ausgekühlt, dass man den Elektro- Heizer in betrieb nehmen muss. Der allerdings wärmt die Luft, nicht aber die Füße! Habe aber bemerkt, dass ein Schal um den Hals auch gegen kalte Füße hilft! Merkwürdig, aber wahr. Trotzdem: Man möchte sich nicht vorstellen, wie Leute nächtelang bei 4 Grad in Metro- Schächten zubringen. Scheiß Welt! Dagegen ist die Kühle in meinen Zimmern dann wieder nichts...

Samstag, 16. April 2022

Weinfest

Ich merke, dass es zehrt, wenn man sich nur vom Zuhause zur Schule und von dort wieder nach Hause bewegt. Dazu kommt, dass das Drumherum nervt: Klassenbücher, Protokolle, Pläne, Unterrichts- Vorbereitungen, immer noch Corona- Nachholestunden vom letzten Jahr (am Freitag das letzte Mal!) und dazu die nervliche Anspannung in Sachen Ukraine. Ich fühle etwas, das ich bisher nicht kannte: Ich glaube, ich habe Burnout! Jedenfalls sehne ich die Osterferien herbei und hoffe, dass es keine schweren Angriffe auf Odessa gibt, weil dann der Strom der Flüchtlinge sicher wieder wachsen und die Grenzpassage erschweren wird. Zur Zeit dürfte es gehen, so dass ich plane nach Rumänien zu reisen. Wenigstens das. Aber immerhin habe ich mich heute aufgerafft, mal wieder die Nase an die Luft zu stecken. Ich kam zum Weinfest zurecht, habe aber nichts gekauft. (Bild) Mit dem Probieren ist es nicht so und was soll ich eine Flasche nach Etikett kaufen? Trotzdem tat es gut, sich einfach wieder einmal durch Leute zu schieben...

Geburtstag

Ach ja, Geburtstag hatte ich auch... Es gelang mir dieses Jahr mich ziemlich unsichtbar zu machen und bis auf wirklich alte Freunde hat kaum jemand meiner gedacht, was ich gewollt hatte und gut finde. Es nervt bloß!

Meine Kolleginnen wussten natürlich Bescheid und Angela (auf dem Bild vorne links) hatte einen leckeren Käsekuchen gebacken. Ich habe zwei Stück gegessen. ;-) Ansonsten hat Aliona nicht schweigen können und so kamen noch die Jungs von der 10 a zum Gratulieren. Am Montag überreichte mir Sofia einen Oster- Wein als Geschenk. Naja, mit den Kolleginnen war ich natürlich abends noch zum Essen. Es war lustig wie immer, nur ein bisschen getrübt dadurch, dass Anna sich durch Kritik an Russland und den Russen angegriffen fühlte. Zu Unrecht, wie ich meine, aber die Nerven liegen halt blank. Dabei ist zu bedenken, dass Anna in Odessa studiert und einen Ukrainer zum Mann hat. Es geht wirklich viel durcheinander in diesen Tagen...

2022-04-01 Mündliche Prüfungen zum DSD I

Was für ein Hin und Her! Kaum hatte ich den Prüfungsplan fertig, kamen neue Termine des Ministeriums dazwischen. Vorprüfungen, Vergleichsarbeiten, Olympiaden- die Anforderungen überschlugen sich. Meine Kolleginnen saßen wochenlang jedes Wochenende bis spät abends über den Korrekturen unter Aufsicht von Klassenraum- Kameras, die direkt vom Ministerium aus abrufbar sind. Für mich bedeutete dies, die Prüfungspläne mindestens drei Mal umzuschreiben bis alles passte. Dann habe ich vom 28. 03. bis 01. 04. täglich von 08.00 bis 16.00 Uhr ohne Pause geprüft. Das schlaucht und am Ende ist man froh, von der diesjährigen Teilnehmerin an der Internationalen Deutscholympiade (Bild oben) am LT N. Gogol einen selbstgebackenen Kuchen "präsentiert" zu bekommen. Zucker hin und Zucker her - ich habe ihn probiert und er war gut! ;-)

Abends traf ich Josef Salanz und Kathrin, die DAAD- Besatzung in Chisinau, in einem Café in ihrer Nähe. Auf dem Weg dorthin kam ich an der russischen Botschaft vorbei und sah mir die "massiven Proteste" an. Nichts gegen die jungen Leute dort. Aber es sah doch sehr mickrig aus. Man will sich nicht exponieren, da man a) nicht weiß, was kommt und man b) die russischsprachigen Mitbürger nicht verprellen will. Inzwischen rollen ja auch Euro- Hilfsgelder und damit "professionalisiert" sich alles, meint, Korruption und Bereicherungssucht blühen. Das nimmt vielen jungen Leuten den Enthusiasmus. Was für ein Elend... 

2022-03-26 Bulle, der ich bin

Irgendetwas muss man ja tun, um sich fit zu halten. Die sitzenden Tätigkeiten den ganzen Tag über bekommen meinem Zucker gar nicht. Deshalb habe ich das Bier abgeschafft. Ein Glas Rotwein (0,1) muss als Gute- Nacht- Schluck reichen. Und ich fand ein bisschen Muskel- Aufbau angebracht, weil das Sitzen auf das Kreuz geht. Also habe ich trainiert und mein übliches Programm enorm gesteigert. Von 12 Hantelbewegungen pro Übung und 20 min bin ich auf 25 und etwas über eine Stunde hoch und von 4x 30 Zügen am Bauchmuskeltrainer auf 4x 100 oder mehr. Man sieht - wie früher auch - nichts von der neuen Bullizität. Aber die Folgen blieben dennoch nicht aus: Den Griff an meinem Gerät habe ich nun einfach so rausgedreht - er hielt der neuen Belastung nicht stand. ;-) Nun muss ich sehen, ob ich jemanden zum Schweißen finde... 

2022-03-19 Spaziergang durchs Wohngebiet

So richtig Ruhe will nicht einkehren. Zwar ist die erste Panik vorbei, aber nun stehen die Flüchtlinge an den Grenzen und einige meiner Schüler/innen sind aktiv mit freiwilliger Hilfe beschäftigt. Ich tue das meine, um mitzuhelfen. Aber vor den Geldautomaten bilden sich Schlangen und es gibt keine Euro mehr. An den Zahlstellen vor den Banken und vor der Post bilden sich Schlangen, weil die Leute an die Überweisungen ihrer Familienmitglieder aus dem Ausland kommen wollen. (Bild oben) Ich sehe das mit gemischten Gefühlen, denn noch habe ich zwar Euro für die Mietzahlungen, aber für die Vorauszahlung über den Sommer brauche ich frisches Geld. Meine Sofia hat auch Panik und will für drei Monate im Voraus bezahlt werden. Sie fürchtet, dass ich gehe...

Jedenfalls bin ich an dem Wochenende um den 19. 03. das erste Mal seit Wochen wieder einfach mal so draußen und spazieren gewesen. Höchste Zeit, denn das Sitzen und Streiten auf Facebook, Twitter & Co. zehrt an den Nerven. Sreiten? Nun ja, einige meiner ukrainischen Freund/innen begannen alle Vorurteile Putins gegenüber der Ukraine zu bestätigen: Nein, man soll gefangene russische Generäle nicht einfach so umbringen und schon gar nicht soll man damit warten, bis man ihre Kinder vor ihren Augen erschießen kann. Was da hoch kommt, ist dümmstes 19. Jahrhundert. Auf russischer Seite kämpft man ums "Reich", auf ukrainischer um den Nationalstaat. Mit Demokratie und so haben beide nix am Hut. Das zeigt sich u.a. am Personenkult um Selenskyi und an der völligen Verneinung alles Russischen, was mit der Überhöhung alles Ukrainischen Hand in Hand geht. Der Kosaken- Kitsch in meiner Timeline kann ermüden... 

Ansonsten geht es für manche Russen hier auch schon um "Heimat oder Tod" (Bild Mitte). Schmierereien sind in Chisinau selten; wenn es welche gibt, dann sind es russische nationalistische Parolen. Auf der anderen Seite gibt es eine enorme Hilfsbereitschaft, was die Aufnahme hunderttausender Geflüchteter und die Versorgung der Transitreisenden anbelangt. Und das, obwohl die Moldauer wirklich kaum was übrig haben, was schon im Straßenbild sichtbar wird. (Bild unten) Es war schönes Wetter und ich habe mich erholt. Man muss leben - trotz allem.   

2022-03-09 Schriftliche Prüfungen zum DSD I

Wie schnell doch wieder "Normalität" einkehrt. Jedenfalls an der Schule. Obwohl, so ganz "normal" ist es nicht mehr. Seit den ersten Tagen hat sich atmosphärisch etwas verändert. Diszipliniert waren die Kids immer, aber jetzt sind sie so sehr bestrebt, mir Freude zu machen, dass es auffällt. Verglichen mit den Stunden, die ich zu Hause am Computer und vor den Nachrichtenkanälen verbringe, ist Schule Erholung...

Am 09. 03. waren die schriftlichen Prüfungen zum DSD. (Bilder) Haro Ortmann half mir die Prüfungen am LT N. Gogol zu organisieren. Alles ging glatt und bis auf drei Schülerinnen, die mit ihren Eltern das Land verlassen hatten, sind alle erschienen. 

Am 08. 03. war ich mit den Kolleginnen Frauentag feiern. Sie bemühten sich um gute Stimmung, aber ab und zu schossen doch Tränen aus den Augen. Meine Kolleginnen sind im besten Sinne "Sowjetmenschen" und können nicht verstehen, wie das möglich ist. Für gewöhnlich sprechen sie den lustigsten Sprachmix, den ich je gehört habe. Übergangslos werden Russisch und Rumänisch gemischt. Nun sind sie betroffen und fürchten, dass auch in der Moldau die nationalen Differenzen wieder von vorn beginnen. Grund genug das zu befürchten haben sie. Die "Russen" hier fühlen Aufwind und sind ganz auf der Schiene der russischen Propaganda. Man sieht, wie einseitiger Medienkonsum verblödet, vor allem dann, wenn man glauben will, was man hört, weil alles andere an die Substanz des Selbstbildes ginge. Für viele ist durchaus einsichtig, dass die Russen die Ukraine von Nazis befreien. Man hat hier die Ukrainisierungspolitik im Nachbarland (wie auch die Sprachpolitik in der Moldau) als Angriff auf die nationale Identität gewertet. Ungutes Klima also. Dazu gab es einen Probealarm der Sirenen. Man hört das nicht unbeteiligt...

2022-03-04 Abitur- Foto- Session

Wie ich die Zeit bis dahin verbracht habe? Ich weiß es nicht mehr. Wie in Trance. Zunächst hatte ich meine Koffer gepackt, war aber sicher, dass ich nicht gehen würde, ehe es wirklich brenzlig wird. "Sie haben es gut. Sie können gehen. Wir müssen bleiben." Dieser Satz einer Schülerin ging mir ans Herz. Ich würde bleiben bis ich gehen muss. Inzwischen zeigten die Bilder aus der Ukraine, dass man wahrscheinlich in seiner Wohnung sicherer ist als im Auto auf der Straße... Schüler/innen und Kolleginnen waren dankbar. Ich bin hier der "Friedensengel". Er solle mich beobachten, meinte ein Schüler. "Meine Eltern haben gesagt, wenn der Ausländer geht, gehen sie auch." Einige gingen. Die Botschaft zog Familienangehörige ab. Ich begriff, dass Alltag das Beste ist, was den Schüler/innen jetzt passieren kann, und bereitete meine Prüfungen auf das DSD vor. Viel Theater, weil ich nicht prüfungsberechtigt bin, die ZfA aber keine Reisemittel für FBK mehr zur Verfügung stellt und ohnehin der Luftraum geschlossen ist. An den Grenzen ist die Hölle los usw. usf. Trotzdem habe ich alles vorbereitet und durchgeführt. Kurz vor den Prüfungen gab es noch einen Fototermin mit meinen Mädels aus der 12b. (Foto) Sie wollten unbedingt, dass ich in ihr Abitur- Album komme. Na, dann man los...  

2022-02-24 Blick aus dem Fenster

Der Tag, an dem der Krieg begann, war unwirklich. In der Schule Schockstarre bei den Schüler/innen, Weinen bei den Kolleg/innen. Bei mir totale Denkhemmung: Warum hatte ich das bis zum Schluss für unmöglich gehalten? Trotz Tschetschenien und Syrien, trotz der eindeutigen Rhetorik Putins...

Dann kamen die Anrufe, die ersten Berichte von Einschlägen in Kiew und Iwano- Frankiwsk. Mein Facebook lief heiß wegen der Anfragen, wer wo ist, wo bleiben oder fliehen will. Was für ein Tag! Der Blick aus dem Fenster unwirklich - bei aller Schönheit des Abends bedrohlich. Was würde aus dieser Stadt werden, wenn Panzer durch die Wohngebiete rollen? An Schlaf war nicht zu denken. Die 14. Russische Armee steht nur 100 km von hier. Dass sie ein Papiertiger ist, wusste ich noch nicht. Krieg bei uns in Europa? Unglaublich...