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Vermarktung alles Menschlichen im Spiegel der Schule
2011 schrieb der linke französische Philosoph Lucien Sève in Le Monde Diplomatique unter der Überschrift Der Mensch im Kapitalismus: "Die auffälligste Fehlentwicklung der Zivilisation ist die Vermarktung
alles Menschlichen." Darüber mit slowakischen Schülerinnen zu diskutieren fällt nicht leicht. Sie wollen Geld verdienen und finden es einfach nur gut, wenn ich ihnen erkläre, dass diese oder jene mitmenschliche "Leistung" in der letzten Zeit geldwert geworden ist. Ihnen kann anonyme Pflege nicht passieren, denn sie haben ja Familie. Auf die Idee, es könnten sich diese Bindungen in absehbarer Zeit auflösen, kommen sie nicht. Warum sollte jemand, der eine Wohnung in seinem Haus frei hat, diese gegen Hausdienstleistungen einem Studierenden kostenlos oder kostengünstig zur Verfügung stellen, wenn er sie doch vermieten könnte? Warum sollte eine pensionierte Musikpädagogin etwa einer jungen Interessentin kostenlos Geigenunterricht erteilen und dafür vielleicht eine Einkaufshilfe gewinnen, wenn sie Privatstunden gegen Geld geben kann? Das alles können sie sich nicht vorstellen, obwohl sie erzählen, wie Studenten hier eine gemietete Wohnung völlig verwahrlost hinterlassen haben, obwohl (!) sie Geld bezahlt hatten. Sie verstehen nicht, worin das Interesse eines Studierenden bestehen könnte, sich durch ein bisschen Hilfe und evtl. Zuwendung eine kostengünstige Wohnmöglichkeit zu sichern. Warum sollte er sich durch Zerstörungswut um diese Möglichkeit bringen? Antwort: "Weil der Mensch schlecht ist." - "Weil man nur der eigenen Familie vertrauen kann." - "Weil sich eben alles um Geld dreht. Und das ist auch gut so." Für sharing- economy haben sie nur ein abfälliges Grinsen übrig. Wer ist so blöd? Die Deutschen? DIE bestimmt nicht! Höchstens ihr ostdeutscher Lehrer kann so was gut finden. Die Idee kommt aus Havard? Aha... Egal. Wenn sie das Gerede von "menschlicher Wärme" und so hört, dann schalte sie ab, meinte Kamila empört. Man sieht ihr an, wie sie diese sozialistischen Ideen anwidern. "Wenn jemand Hilfe nicht bezahlen kann, dann soll er doch sterben." - Sprach eine angehende Ärztin, die schon seit einem Jahr nur noch für die Aufnahmeprüfung für dieses Studium lernt...
P.S.: Ich erzähle das einer sehr netten Kollegin. Die versteht mich sofort und erzählt, wie empört sie war, als ein Nachbarsjunge die Idee absurd fand, für Spracherwerb Geld zu zahlen. Sie meinte damit die Dummheit, sein Englisch nicht verbessern zu wollen; richtig empörte sie aber, dass er dafür nicht zahlen will...
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