Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 29. Mai 2017

Kurioses (?) aus der rumänischen Bildungslandschaft

Mich fragte eine nicht dumme und gar nicht unsympathische Schülerin, wie sie ihre Note in Geschichte verbessern könnte? - Wieso verbessern? Es gab zwei Tests und sie hätte doch besser lernen können. Immerhin hatte ich beide Male 10 Richtfragen, von denen dann vier im Test vorkamen, ins Internet (Facebook- Gruppe) gestellt. - Verblüffende Antwort: "Ja, aber nicht die Antworten." - Leider war das weder frech noch dumm. Es ist einfach die Erwartung der Schüler/innen an einen Lehrer. Der sagt, wie es ist, und die Schüler/innen lernen es dann. Schon die Idee, im Unterricht mitzudenken, die Ausführungen nachzuvollziehen und sich noch einmal mit den Handouts und Arbeitsblättern zu beschäftigen, ist Überforderung. Das Mädchen strebt einen Notendurchschnitt von 10,0 (10 Punkte sind die Maximalpunktezahl) und also den Status der "Leistungselite" der Schule an und verlangt demzufolge GENAU zu wissen, WAS sie LERNEN soll. Denken ist in diesem Weltbild nicht vorgesehen. Oder, um es mit den Worten eines sehr gut Deutsch sprechenden und etwas helleren, weil von einem westeuropäisch gebildeten Vater erzogenen, Mitschülers zu sagen: "Mit dem, was Sie wollen, Herr Steffen, kommen sie hier von einem anderen Planeten. Das ist außerirdisch." - So wurde ich zu einem Extraterrestrischen...

Mittwoch, 24. Mai 2017

Zeugnisübergabe

In Rumänien bekommen die Schüler/innen also vor dem Abitur ihre Zeugnisse als eine Art "Diplom" und die Übergabe wird im Kulturhaus der Stadt (Bild zwei- innen) festlich gestaltet. Etwas irritierend die Anzugsordnung, denn alle kommen wie mittelalterliche Magister oder neuzeitliche Doktoren der Medizin (an traditionsbewussten Fakultäten Englands) daher. Die Kostüme kann man ausleihen und so ist es wirklich ein bisschen wie Karneval. (Mal abgesehen vom Bühnenbild - Bild oben -, das wohl für "Madame Butterfly" gedacht war!) Interessant auch, wie man sich darunter kleidet. Manche hatten es drauf mit roten Kleidern, die zum schwarzen Überwurf passten, und den entsprechenden Schuhen. Andere wiederum sahen recht komisch aus mit blau gepunkteten Kleidchen oder die Jungs mit Jeans und Sportschuhen. Da geht also auch was "den Bach runter". ;-)

Die Veranstaltung selbst war bei mehr als 200 Abiturienten etwas ermüdend und dauerte von 15.30 Uhr bis fast 20.00 Uhr. Die Klassen wurden einzeln nach vorne gerufen und die Klassenleiterinnen hielten eine Laudatio auf die "beste, intelligenteste, empathischste, organisierteste usw. usf." Klasse ever. Hm...? Die Schüler/innen revanchierten sich mit Anekdoten aus dem Schulleben. Dann wurden die fünf Klassenbesten mit einem Diplom ausgezeichnet und andere erhielten Dank- Urkunden der Schule z.B. für die Teilnahme an nationalen Olympiaden usw. Ich hatte das Vergnügen, Alina Viziteu (Bild unten - das große Mädchen in der Mitte) zum besten Ergebnis im DSD eine Urkunde zu überreichen. Schade, dass dieses matheorientierte Mädchen noch nicht gelernt hat, sich gut "zu verkaufen"; sie hätte das DAAD- Vollzeitstipendium sicher verdient. So freue ich mich aber für Iasmina Raceanu, die es bekommen hat und die ebenfalls auf der Bühne stand.

Was ich noch bemerkenswert fand, ist, wie sehr die allseits beliebten Bilder als "Klassenfilm" ganz schnell die Grenzen des "Mediums" deutlich machten. Worüber ich lachen kann, was mich an etwas erinnert, ist anderen völlig Wurscht und so gerieten die Aufführungen der Clips, die z.T. sehr gut gemacht waren, trotz allem zum Langweiler der Veranstaltung. Nun ja, ich habe es gesehen und weiß nun, wie es da zugeht. Zum Abiball bin ich auch geladen, aber ich denke, ich werde kneifen. Zu wenig verbindet mich mit dem Jahrgang, in dem ich die Eltern und die allermeisten Schüler/innen nicht kenne. Ich mag auch meinen Kolleginnen nicht auf den Keks gehen, die sich dann verpflichtet fühlen müssten, mich zu unterhalten...

Sonntag, 21. Mai 2017

Finale Jdi und Rückfahrt

Das Finale war dieses Mal nicht so toll. Aber das Thema "Soll in der Ukraine das Rentenalter deutlich erhöht werden?" war auch nichts für 16- Jährige. Es fehlte ein bisschen die Linie in der Argumentation, wenn auch nichts wirklich Falsches gesagt wurde. Das Jurieren war kein Problem und auch meine Rede zur Auswertung ist beifällig aufgenommen worden.

Danach traf ich mich mit Ira und wir hatten einen schönen Abend. Noch einmal ein Gespräch mit einer starken Frau, die ihren Kinderwunsch und den Wunsch nach einer "ernsthaften Beziehung" mit einem eher schwachen Mann realisieren will. Mangels Alternative? Mal sehen, wie es mit ihr weiter geht. Ich schlief tief und fest und brach am Sonnabend um 09.00 Uhr auf. Pünktlich um 18.00 Uhr erreichte ich Ivano- Frankivsk und freute mich auf mein Quartier. "Pid Templem" mit koscherem Essen und Frühstücks- Menü- Karte (12 Gerichte), sauberen modernen Zimmern mit Klimaanlage usw. ist immer wieder die beste Adresse, die ich in der Ukraine kenne.

Dann trafen wir uns bei Juri (Bild oben- leider verwackelt vom Handy) in der Privat- Koliba. Sergej und Frau kamen auch und Elenas Salate (Bild zwei) waren lecker wie immer. Und wie immer war es ein so schöner Abend, wie man ihn nur mit so guten Freunden haben kann!

Heute bin ich um 10.00 Uhr los und war schon gegen 15.00 Uhr in Suceava. Eine Stunde bei der Einreise in die EU, wobei ich bei den Rumänen 20 min (!) stand. Verstehe das wer will. So kam ich sogar noch zu zwei Stunden Sport, konnte die Wäsche machen, den Unterricht vorbereiten usw. Morgen ist nun wieder Schule...
 

Vor dem Finale Jdi in Kiew

Ich glaube, ich war ganz gut in Sachen Rentenreform, obwohl es die Begleitlehrer sicher besser fanden als die Kids, die nach dem langen Tag und den zwei Halbfinaldebatten zum Thema "Sollen in der Ukraine die staatlichen Studienstipendien abgeschafft werden?" doch etwas überfordert wirkten. Qualifiziert hatten sich drei Schülerinnen der zweiten und nur eine aus der ersten Debatte. Das lag daran, dass die Pro- Seite der zweiten Debatte clevererweise zwischen Sozial- und akademischen Stipendien unterschieden und sich nur für die Abschaffung der "Leistungsstipendien" zugunsten der Sozialleistungen an bedürftige Studierende stark gemacht hatte. Damit fehlte der Contra- Seite der Wind in den Segeln, denn die wollten auf die soziale Lage der Studierenden und ihrer Eltern abheben, genau die Argumentation also, mit der das Mädchen aus der ersten Debatte auf Position Contra zwei überzeugt hatte.

Klar, in Deutschland würde niemand verstehen, warum man ein die Leistung belohnendes und also motivierendes Stipendium abschaffen will. Aber in der Ukraine ist halt manches anders: Wozu ein Leistungsstipendium ausschreiben, wenn die "guten Leistungen" gekauft werden und die wirklich guten Studierenden "aus eigener Kraft" oft nur mittelmäßige Noten erhalten? Diese Argumentation überzeugte, zumal die jungen Patrioten mit dem frei werdenden Geld vor allem Studierende aus den Luhansker und Donezker Gebieten unterstützen wollten, damit die nicht gezwungen sind, in Russland zu studieren. Gut gemacht!

Abends traf ich mich mit Olga und Julia in einem Pub am Hotel. Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wie die jungen Mütter pragmatisch und voller unverwüstlichem Optimismus mit den Widrigkeiten ihrer Existenz kämpfen. Die Männer sind eher schlapp, überlassen das Geldverdienen ihren Frauen und sind dennoch nicht bereit, im Haushalt auch nur einen Finger krumm zu machen. Aber die Frauen wollen eine Wohnung, Klavierunterricht für die Kinder, ein zweites Kind sogar, und sie arbeiten "wie die Pferde", wie Olga sarkastisch meinte. Sie kam erst 21.30 Uhr, weil sie keinen Tag früher frei ist (Vormittag: Schule; Nachmittag: Privatunterricht). Julia konnte um 20.00 Uhr da sein, da sie "nur" von 10.00- 20.00 Uhr in einer Privaten Fremdsprachenschule arbeitet. Was kann man da schon sagen? Uns geht es wirklich gut...

Am Freitag begann das Finale erst um 14.00 Uhr im Haus des Lehrers. Ich hatte Zeit, am Vormittag mit meinen ehemaligen Kolleginnen aus Ivano- Frankivsk und Chernivci zu schwatzen. Sehr schön. Dann setzte ich mein Foto- Shooting aus dem Hotel- Fenster fort. Kiew hat sich doch sehr geändert, sogar in den letzten zwei Jahren mehr als zuvor. So viele gigantische neue Hochhäuser! Sie zeugen von der boomenden Stadt, obwohl ich mich frage, wer sich die Wohnungen leisten kann... Oben sieht man die Brücke nach Posniaki. (Bild oben) Dann die Mutter Heimat, früher einsam und groß, jetzt nur noch eine Statue vor einer Hochhauskulisse. (Bild zwei) Darunter das Lavra- Kloster (Höhlenkloster- Bild drei). Bild vier zeigt die Brücke von Livobereshna zum Zentrum, als zum Evropeiskij. Das Bild mit der Neubaukirche am Rand "zielte" auf mein ehemaliges Wohngebiet. Janz weit draußen habe ich gewohnt! (Bild fünf) Unten der Blick zum "zentralen Hügel" (Kiew ist wie Rom auf sieben Hügeln erbaut) mit dem Freundschaftsbogen und dem Michalivskij- Kloster im Hintergrund.

Jdi in Kiew

Wieder einmal war ich von Veikko und dem Goethe- Institut als Jury- Vorsitzender zu Jdi nach Kiew eingeladen. Dieses Mal kam mir noch die Aufgabe zu, als "Experte" für das Thema der IWF-diktierten Renten- Reform zu fungieren. Montag früh kam die Bitte; Montag Abend war ich "Experte". ;-) Aber erst einmal musste ich in die schöne Hauptstadt am Dnipro kommen...

Ich fuhr also am Dienstag gegen 09.00 Uhr ab Suceava und rechnete schlimmstenfalls mit 2 Stunden Grenzwartezeit. Um 19.00 Uhr war das Treffen mit Konovalovs und den jungen Leuten Oleksyn im "Desiatka" geplant. Bei ca. 3 Stunden Fahrzeit nach Chernivci eigentlich kein Problem. Aber leider musste ich 5 (!) Stunden bei der Einreise warten und so fiel der Stadtgang aus. Was machen die Ukrainer da? Es gibt keine wirklichen Kontrollen; sie lesen einfach die Dokumente so lange oder haben Internetverbindungen wie auf einem deutschen Dorf. Es standen gar nicht so viele Autos dort, aber es ging und ging nicht vorwärts. Man kann es auch Schikane nennen, jedenfalls ging es auf der Gegenseite schneller und das obwohl es doch die Einreise in die EU ist...

Der Abend mit den Freunden war schön. Wir schwatzten so vor uns hin und brachen erst ab, als Elena zu frieren begann. Sie leidet sichtbar unter den Folgen der Krebsbehandlung. :-(

Anderntags brach ich um 08.30 Uhr auf, denn wer weiß, wie die Straßenverhältnisse zwischen Ivano und Ternopil sich entwickelt haben. Leider hat sich in der Tat wenig getan. Immerhin sind die größten Löcher geflickt und dort, wo vor zwei Jahren die Straße ganz fehlte, ist neuer Asphalt. So brauchte ich 9 Stunden bis Kiew und hatte sogar noch Zeit für ein kleines Nickerchen, ehe es mit Veikko in ein Restaurant zum Abendessen ging. Es war eine "Ukrainska Chata" und mithin eines der preiswerten Restaurants in Podil. Trotzdem bezahlte ich für uns zwei ebenso viel wie ich am Abend zuvor für 5 Personen (inklusive Wein!) ausgegeben hatte. Kiew eben...

Das Halbfinale fand am Donnerstag erst am Nachmittag statt. Zeit, vom Hotel "Tourist" an der Metrostation "Livobereshna" (Linkes Ufer) aus einen kurzen Bummel zum Dnipro hinunter zu machen. Ich kam am ESC- Gelände vorbei, das gerade noch gesäubert und beräumt wurde. Wusste nicht, dass es dort war, aber die Plakate, Bierzelte usw. sprachen für sich. Und Gott wachte über allem. (Bild eins) Ansonsten hielt sich der Trubel nun in Grenzen und vielleicht bissen sogar die Fische. (Bild zwei) Etwas weiter entfernt wächst das moderne Kiew vor der Kulisse eines Kirchleins, das vielleicht zeigen soll, dass es bei all dem Beschiss und Schwarzgeld nicht ohne Gottes Hilfe gehen wird. Ob der hilft? Ich fürchte ja. Für die Armen sind Bauten wie die im unteren Bild jedenfalls nicht gedacht...

Sonntag, 7. Mai 2017

Târgu, Piatra Neamț und Lacul Bicaz

Seit langem mal wieder Sonnenschein und angenehme 22 Grad- da muss man einfach los und was erleben. Einsamkeit und soziale Isolation machen krank und verkürzen das Leben, so las ich gerade mal wieder bei Manfred Spitzer (Früher war alles später), und also gilt es sich selbst Höhepunkte zu schaffen.

Gesagt getan. Gegen 10.00 Uhr rollte ich ab Suceava über weitschwingend- hügeliges Gelände in Richtung Târgu Neamț. Dort sollte eine Burg stehen, die als Gründung auf den Deutschen Orden zurück geht. Deutschordensburgen hatte ich in Polen schon viele gesehen, diese hier ähnelt aber doch eher der Zitadelle in Suceava und der Burg in Khotyn, die auch zum Fürstentum Moldawien gehörte. Wie dem auch sei. Von der als Ruine gesicherten und teilweise wiederaufgebauten Burg (Bild oben) hat man einen schönen Blick ins weite Land. (Bild zwei)

Einen Moment schwankte ich, ob ich dem psychohygienischen Tipp von Michael Winterhoff, mal einfach so vier Stunden im Wald (Naturpark) spazieren zu gehen, folgen, oder mir doch - wie immer - lieber historische Plätze ansehen sollte. Ich entschied mich für Letzteres und fuhr weiter nach Piatra Neamț (Kreuzburg). Das war mir von Teilnehmern der Deutscholympiade als sehr langweilig beschrieben worden, entfaltete dann aber doch einen (frühsommerlichen?) Charme. Das kleine Zentrum ist nett anzusehen (Bild drei) und ansonsten verblüfft die quer über die Stadt führende Seilbahntrasse mit ihren langsam dahingleitenden Gondeln. Im Winter geht es da wohl zu einem Ski- Gebiet, im Sommer kann man vielleicht wandern und Klettern. Outdoor- Läden gab es jedenfalls viele.

Ich aß in einem kleinen netten Restaurant am Straßenrand. das allerdings nicht einmal 30% der offerierten Köstlichkeiten wirklich im Angebot hatte, und fand dann noch mehr interessante Plätze zum Ausspannen. Aber ich war gesättigt und machte mich auf in die Berge.

Am Fuße der Berge der Ort Pângărați mit dem gleichnamigen See (fünftes Bild) und einer ebenfalls sehr alten kleinen Kirche im nahe gelegenen Kloster. Alles sehr hübsch, aber doch nicht mit den Ausblicken zu vergleichen, die sich nach dem Passieren der Staumauer auf den flächenmäßig sehr ausgedehnten Lacul Bicaz (Bisteritz- See) ergeben. Ich fuhr vielleicht eine Stunde auf gewundenen Straßen um den See (Bild sechs) herum, ehe ich am Ende des Stauraums auf eine langgestreckte Brücke über die Bistritz stieß. (Letztes Bild)

Der Blick auf die Uhr verriet, dass es keinen Spaß machen würde, jetzt noch nach Vatra Dornei und über Câmpulung zurück zu fahren. Die Landschaft ist bestimmt toll, aber die Zeit reichte einfach nicht. Beim nächsten Mal vielleicht. Dann gleich über Târgu Neamț hierher und weiter. Es lohnt sich bestimmt, auch die Hotels und Pensionen am Straßenrand zu erkunden. An einigen Stellen sah es so aus, als ob man hier gut wandern oder in den Bergen Rad fahren könnte. Vielleicht mache ich das in den freien Tagen im Juni, wenn sich bis dahin eine Lösung für mein Wohnungsproblem gefunden hat. Leider soll meine bisherige Klause verkauft werden und wenn sie nicht von jemandem gekauft wird, der an einem Dauer- Mieter interessiert ist, muss ich raus. So kurz vor dem Sommer ist das natürlich unangenehm. Na, Montag gibt es ein Gespräch mit der Wohnungsverwaltung. Mal sehen, was die vorschlagen...