Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Donnerstag, 25. Juni 2015

Masken und Spiegelungen- ein Integrationsprojekt 5. Tag



Der vierte Tag war lang. Sehr lang. Wir begannen um 09.00 und probten, arbeiteten bis 12.30 Uhr. Um 13.30 gab es einen kleinen Spaziergang zum Golfplatz mit der Siedlung der "Reichen und Schönen." Derart erfrischt ging es dann von 15.00 bis 18.30 Uhr und endlich von 20.00 bis 21.00 Uhr. Die Kids hingen in den Seilen und wollten nur noch schlafen! ;-) Klar, die Großen versammelten sich in meiner Suite und schwatzen weiter über Roma, Slowaken, Gott und die Welt. Sonia und Boris gehörten jetzt dazu, freuten sich über das Interesse und wurden gesprächiger. Auch die Schüler fragten, erzählten, registrierten manche der Reaktionen mit Betroffenheit. Nein, Sonia und Boris wären ja nicht so. Wenn alle Roma so wären... Sind sie aber nicht. Sonia wusste manch Bedrückendes von den beengten Wohnverhältnissen usw. zu erzählen. "Ja, doch, Wasser und Gas hat die Familie x." Aber anderen wäre es eben abgestellt und die Kinder könnten sich nicht mal waschen, ehe sie zur Schule kommen. Sie liebt sie alle und ihre Tanzgruppengirls sind wie ihre Kinder. Nur in einem ist sie hart: Wer die Schule schwänzt, fliegt raus. Was für eine Frau! Sie hat die Kostüme geschneidert, den Stoff finanziert. Das ginge nun, weil sie ihrem Mann beigebracht habe, mit Geld umzugehen. Sonst sei es üblich, dass Roma, die in England z.B. verdient hätten, in ein paar Tagen "Feier für alle" das Verdiente auf den Kopf hauen. Sie selbst sei natürlich nicht gut angesehen, auch in der eigenen Familie nicht, weil sie nicht gibt. Doch, doch, sie gäbe auch, beteuert sie, aber nur, wenn jemand dafür etwas tut. Noch einmal: Was für eine Frau! Man kann das kritisieren, natürlich hatte sie immer Cola, Chips und Schokolade in den Händen, aber sie kaufte und gab den Kindern, die nicht ihre sind. Man spürt, wie sehr sie hofft, dass es den Kleinen gelingen möge, anders zu leben…
 
Naja, der letzte Tag brach an. Generalprobe. Alles klappt wie am Schnürchen. ;-) 25 min Programm in 3 Tagen erarbeitet! Helmut ist nicht nur ein Künstler- er ist ein Magier und ein Ausbund an Ideen und Charisma. Das "Publikum" erschien und guckte etwas steif. (Bild oben) Das kann Helmut nicht sehen! Wenig später war das Mädel schon neben ihm und er machte Spaß, führte vor, wie man in kurzer Zeit jemanden dazu bringt, zu zeigen, was sie/ er kann. (Bild zwei) Applaus. Und dann ging es los. Temperamentvoll klagte die Roma- Frau (Bild drei) ihren Säufer- Gatten an, nicht zu arbeiten und stattdessen alles Geld der Familie zu versaufen. Tomas trumpfte auf und verbot ihr das Wort; dann kamen die kleinen Jungs als weinende Kinder und wünschten sich, dass die Eltern aufhören zu streiten. Die Mutter schickt sie ins Bett. Traurig packt einer der Kleinen seinen Koffer und macht sich auf den Weg. Diana (sechstes Bild) ist sein Schutzengel und führt ihn bei der Suche nach einer Familie. Er kommt zu Menschen, die etwas rezitieren, sieht andere tanzen... - Fremde, die glücklich sind. Es ist schon unheimlich, wie die Roma im Publikum mitgehen. Sie kennen das alles live und in Farbe! Als dann die Romnija auftreten und tanzen, erst getragen und dann immer fröhlicher, bricht der Bann. Rhythmisches Klatschen, einige singen mit, nur die slowakischen Mädchen der Gast- Klasse gucken verwirrt. Diana führt den Kleinen - einen Slowaken - in die neue Gemeinschaft und er tanzt selig mit den Mädchen. Die anderen Darsteller kommen hinzu. Dann gehen die tanzenden Romnija auf die Jungs im Publikum zu und ziehen sie in den Kreis. Helmut motiviert die anderen Gäste, mitzutun. Die Slowaken sind steif und wehren sich. Inzwischen tanzen die beiden Begleitlehrer - beide Roma - "völlig losgelöst" von der Erde... Die slowakischen Mädels greifen ein und bis auf zwei Mädchen tanzen nun alle. Was für ein Moment! In diesem Augenblick sind WIRKLICH alle Grenzen gefallen und alle sind vereint. Das hat geklappt? In nur vier Tagen??? Wahnsinn! Die Begleitlehrer bestürmen Helmut, bedanken sich, später ruft die Schule an und bedauert, dass nicht alle Klassen gekommen sind. Die Schüler haben von uns geschwärmt. ;-) ...

Wir gehen zum Fotoshooting mit den Masken, machen das Abschiedsbild. Und wieder bin ich verblüfft. Einige Romnija tuscheln mit Sonia und beim Mittag kommen sie und geben mir ein Blatt, das sie alle unterschrieben haben. Herzchen sind drauf und jeder hat etwas auf Slowakisch oder Slowenglish geschrieben. U.a. steht da - am Anfang (!) dieses Sommers - vor den Ferien: " Das war (?!) der beste Sommer meines Lebens. Vielen Dank." (Fedo) "I lowe jou and Dzeny and Helmud" (Ivana) ... Auch slowakische Mädchen weinen. Es ist zu Ende und sie weinen. Dann tuscheln auch sie und fragen Jutta, ob sie auch... dürfen. Kurz vor der Abfahrt kommt eines der Mantaken- Mädchen und übergibt mir, was sie für mich geschrieben haben: "Lieber Frank, danke für eine super Woche. Wir hatten viel Spaß und wir haben neue Leute kennen gelernt. Alles war gut, das schlechteste war, das die Woche kurtz war. Wir wollen noch einmal kommen. Wir hoffen das wir auch nechstes Jahr kommen. Wir hoffen, und auch alle, die hier waren. Wir denken, das Sie mit uns Spaß gehabt. Sie haben viele Photos for uns gemacht aber wir freuen sich das Sie for uns einen Film machen. Sie sind super. Wir lieben Sie. Tschüs!" Da ist man dann auch gerührt. ;-)

Kurz vor der Abfahrt kommen Sonia und Boris mit einer Tafel "Merci" und einer Flasche Kräuterlikör. Sonia hat auch Tränen in den Augen. Wir wären alle so gut gewesen und es wäre doch für die Kinder so wichtig. Und: Nun habe sie auch einmal die Tatra gesehen! Ich gehe in den Bus und wate fast im Wasser. Überall schluchzt es. Kurze Ansprache. Was Lustiges. Da flüstert es neben mir: "Ich will nicht nach Hause. Ich möchte hier bleiben." - Nein, die kleine Romni weint nicht. Ihre Augen sind groß und - wie immer - ist das Gesicht zu ernst für den kleinen Körper und das kindliche Gemüt. Was kann man tun? Kann man etwas tun?           

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