Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Freitag, 28. Juni 2019

Ivano und Chernivtsi - 25.06.19



Anderntags Stadtrundgang in Ivano. Die "Kleinen" wären nicht so jung, wie sie nun mal sind, wenn sie nicht den Spaß höher als die Bildung hängen würden. Ich war nicht traurig deswegen und ließ sie mit den Tretdingern einmal um den See fahren. (Bild oben) Lustig war, dass Alexandra sich kräftig mühte, Andrei zu fahren und im Doppelpack nicht gegen Teodor zu verlieren. Das Ergebnis war ein strahlendes, aber ziemlich verschwitztes Kind...

Dann fuhren wir nach Chernivtsi, wo uns Valentina Jacoban erwartete. Die Jugend machte dann "ihr Ding" und ich bezog mein Hotel und traf Felix Zuckerman. Ein entspannter und schöner Abend im Freisitz des "Sorbonne", das wirklich exquisite Küche zu bieten hat. Da es mich interessierte, erzählte Felix viel von den jüdischen Seiten der Stadt, die ich am nächsten Tag selbst noch einmal aufsuchte. Neu sind das Denkmal für Rosse Ausländer (zweites Bild) und das Holocaust- Denkmal, das an das Ghetto und die Deportationen erinnert. (Bild drei) Ob Eisikowicz (Bild vier) auch deportiert wurde? Die Inschrift hatte ich auch vor zehn Jahren schon einmal fotografiert. Seitdem hat nur der Putz an der Fassade gelitten...   

Im ehemaligen Ghetto findet sich auch die "große Synagoge" (Bild unten) Immerhin ist sie außen saniert. Ein mondänes Schild am Eingang verrät irgendeine Nutzung, die sich mir aber nicht erschloss. So dicht kam ich nicht heran, da alles Privatgelände ist. Eine Fabrik? Es sieht so aus. Gleichzeitig wird ein schlossähnliches Haus auf dem Gelände saniert, das früher vielleicht die Fabrikanten- Villa war. Vom Hof aus kann man offensichtlich über die Abbruchkante hinaus auf die Unterstadt mit Bahnhof sehen. Dort sind weiße kitschige Säulen errichtet, die von Heiligen- Figuren gekrönt werden. Ein ebenso weißes Geländer signalisiert einen Aussichtspunkt (heiliger Natur). Das passt eigentlich nicht zu einem Fabrik- Gelände...

Nun, ich werde Felix das nächste Mal danach fragen. Wir sind ja nun, nachdem wir uns neun Jahre nicht gesehen haben, per Du. ;-) Aber das ist ok. Wir hatten uns immer gut verstanden und auch an diesem Abend war alles harmonisch und gut.

Am Nachmittag nahm ich meine Bande wieder auf und wir kamen gut über die Grenze und waren also schnell in Suceava. Ich ging was essen und konnte den Abend ruhig beschließen. Obwohl ich am Tag "Dracula" gelesen hatten, schlief ich gut. Es ist schon ok ab und an mit seinen Schülern auf Reisen zu gehen. Mir hat es Spaß gemacht. Freilich versteht das nicht jeder und die Eltern bedanken sich zwar brav für die Erlebnisse, die ich ihren Kindern verschaffe, aber verstehen tun sie das nicht. Lehrer- Sein wird eben als ein Job wie alle anderen aufgefasst, obwohl überall steht, es sollte nicht so sein. Wenn es dann mal anders ist und ein Lehrer echtes Interesse an seinen Schülern entwickelt und sich für sie freut, wenn sie etwas sehen und lernen (und wenn sie ihm dabei Freude machen), dann löst das Erstaunen aus. Eben so ist die Welt und deswegen ist sie auch nicht gut!






Mit Schülern in Khotyn und Kamenets Podolski- 24.06.19

"Meine Debattanten" (ohne Teodora) hatten sich gewünscht, noch einmal zu ihren neuen Freunden nach Chernivtsi zu fahren. Gleichzeitig könnten wir nachholen, wozu beim ersten Mal keine Zeit war: Noch etwas von der Ukraine sehen. Ganz oben auf der Wunschliste von Teodor stand Khotyn (Bild oben), das als Festung eine moldauische Gründung war und mit diversen historischen Persönlichkeiten der hiesigen Geschichte verbunden ist. Nichts leichter als das, zumal die Straßen sich als relativ gut herausstellten. 

In Khotyn nichts Neues seit meinem letzten besuch vor vielleicht 10 Jahren. In dem Palas, damals in Renovierung, befinden sich heute kitschige Bilder von Schlachten und Helden. Hat der "Historien- Maler" etwa selbst die Renovierung bezahlt, um Ausstellungsfläche zu haben? Elendes Zeugs. Schön das Haus des Burghauptmanns, an dem man die Ziegelfassade frei gelegt hat. (Bild zwei) Leider kommt man nicht rein. Den Keller mit Tortur- Museum gab es früher schon...

In Kamenets ist doch was passiert. Einige Straßenzüge und das Klosterareal hinter der Kirche mit der Madonna auf dem Minarett sind hergestellt. Insgesamt hat das Tempo des historisierenden Wiederaufbaus allerdings nachgelassen. Ich nehme an, dass man einfach nicht weiß, wie man das Areal nutzen soll. Die Wohnungen dort sind sicher attraktiv- aber wer kann sie sich leisten? Wer Geld hat, verlässt das Kaff, dass außer der tollen Burg (drittes Bild) nichts hat.

Trotzdem war es ein schönes Gefühl, mal wieder über die steinalte Brücke, die schon so viel erlebt hat, in Richtung Burg zu gehen- (Bild unten) Dort stagniert die Sanierung ebenfalls.Alles noch so wie vor zehn Jahren. Das Land hat sicher andere Sorgen. Und die Touristen kommen auch so. Abends erreichten wir dann Ivano, bezogen Zimmer im Nadia und hatten einen (auch für die Schüler hoffe ich) schönen Abend mit Juri, seiner Schwiegermutter, Ira, Taras und Olga. Ich jedenfalls war froh, Ira zu sehen. Mehr junge Frau als Mädchen (wie früher), aber immer noch von Gott geküsst. Ich habe es genossen....

Samstag, 22. Juni 2019

Abstieg vom Pip Ivan am 18. 06.

Doch, doch, ich war auch dabei! (Bild oben mit Sergei- der Beweis!) Außer uns - im unteren Teil des Wegs - noch Kühe und Pferde auf saftigen Wiesen. Gras von einer derart grünen Farbe habe ich nie zuvor gesehen! Doch ist das erste Bild eigentlich ein Vorgriff. Die feuchte Wolkendecke hatte sich schon kurz nachdem wir den Rückweg angetreten hatten, wieder verdichtete und ließ wettermäßig nichts Gutes ahnen. Kurz nachdem das Bild oben entstanden war, begann es denn auch zu regnen. Aber - wie gesagt - das war vielleicht noch drei Kilometer vor unserem "Basis- Lager"...

Zunächst gelang es mir nun doch noch, einige der markanten Steinformationen zu Gesicht zu bekommen (und aufs Foto zu bannen- zweites Foto), die überall unseren Weg säumten. Etwas erschwert wurde mir dies durch das Marschtempo, das Sergei vorgab, obwohl von dem kommenden Regen und dem Gewitter zunächst noch nichts zu bemerken war. Auf dem langen Kamm- Weg vom Pip Ivan zurück zum Smotritsch (Bild drei) gelang das noch relativ mühelos. Ich musste dann halt ein bisschen joggen. ;-) Auf den felsigen Strecken hatte ich dann aber keine Muße mehr, zum Apparat zu greifen, weshalb das Ganze hier wie eine entspannte Wanderung aussieht. Dabei ging es abschnittsweise ganz schön steil bergauf, was bergab an den Muskelgruppen rund ums Schienbein und oberhalb der Knie leicht zu bemerken war. Wenn ich den Abstieg als Test für die Beschaffenheit des "Materials" nehme, muss ich sagen, dass ich mich einerseits als fast Sechzigjähriger nicht so schlecht geschlagen habe (erst auf den letzten drei Kilometern musste ich die geübten Bergwanderer ziehen lassen!); andererseits ging das alles auch schon mal besser... :-(

Apropos "geübte Bergwanderer". Juri und Sergei fahren in den Bergen Rad, im Winter Ski. Auch wandern tun sie oft. Ihnen sind die Berge so vertraut, dass sie kaum noch nach links oder rechts schauen. Absolut "unromantisches" Verhältnis zum Berg also. Für sie war es nur die sportliche Herausforderung, die zählte, weshalb ich mich beim Abstieg wie auf der Flucht wähnte. Immerhin gönnten sie sich (und mir) eine längere Rast für eine kleine Stärkung, bei der heißer Tee nicht fehlen durfte. (Viertes Bild) Wenigstens da oben (unterhalb des Smotritsch bei einem Felsen, der "Bergohr" genannt wird) hatte ich Zeit, die Berglandschaft zu genießen. (Bild fünf)

Am Ende war ich ziemlich kaputt, aber doch dankbar für das Tempo, denn kaum hatten wir unser Holzhaus erreicht, brach ein Unwetter über das Tal herein, das ich nicht am Berg hätte erleben wollen. Statt das durchstehen zu müssen konnten wir jetzt duschen und noch einen Kaffee trinken, ehe es nach Ivano zurück ging. Im Ganzen also ein überaus gelungener Ausflug, bei dem ich an Hartmut Rosa denken musste: Ich habe sie gespürt, die "vertikale Resonanz", also das erhabene Gefühl der unberührten großartigen Natur! (Bild unten eine der vielen Quellen.) Am wichtigsten aber war die "horizontale Resonanz", der absolute Spaß mit meinen beiden Wanderkollegen, das Gefühl einfacher Freundschaft. Und im Schnittpunkt der beiden Resonanzen schließlich das mit sich selbst in Übereinstimmung befindliche Ich, das sein In- der Welt- Sein als glückliches Aufgehobensein in einem immer noch leistungsfähigen Körper spürte. Rosa nennt das "Momente gelingenden Lebens"- und er hat Recht!

P.S.: Auf- und Abstieg dauerten keine strammen 10 Stunden, sondern - mit den erwähnten Pausen, für die man gut eine Stunde veranschlagen darf - 8,5! Den Bergbewohner hat es sehr gewundert...

Aufstieg auf den Pip Ivan am 18.06.

In aller Herrgottsfrühe ging es also los. Anfangs brauchten wir die Fleecejacken, denn es schien bei dem Nebel (Bild oben - Smotritsch im Frühnebel) doch empfindlich kühl. Das gab sich allerdings bald und wir wanderten im T-Shirt weiter, denn die Anstiege setzten recht schnell den inneren Verbrennungsmotor in Gang und uns wurde warm. Im Prinzip beginnt der Aufstieg gleich hinter der noch im Bau befindlichen Dorfkirche (zweites Bild). Wie auf dem Weg zum Hoverla führt auch hier die Route erst einmal über Wiesen und Wälder, ehe man die Knüppelholz- Zone überwinden muss und die Hochgebirgslandschaft (Bild drei) beginnt.

Anders als am Hoverla ist es hier allerdings erstens steiler und zweitens steiniger. Am Rand sind oft merkwürdige Felsformationen zu sehen, die ich jedoch wegen des Nebels zunächst nicht sah (und also auch nicht fotografieren konnte). Dafür entschädigten die ringsumher blühenden Matten. Ich bedauerte den Sonnenaufgang im Gebirge wegen des Nebels nicht erleben zu können, aber man kann halt nicht alles haben. Herrlich waren die absolute Ruhe dort oben und der Umstand, dass um diese Zeit außer uns niemand am Berg war. 

Unser Wirt veranschlagte 10 Stunden Weg für geübte Bergwanderer; Juri hatte drei Stunden angekündigt. Am Ende waren wir nach ca. vier Stunden auf dem Gipfel (erst auf dem Berg- Gipfel des Smotritsch - ca. 1980 m hoch; dann auf dem Pip Ivan mit 2020 m) und das lag nicht (!) an mir. Freilich hatten wir ausführlich und in Ruhe gefrühstückt. Die Zeit müsste man abziehen. Auf dem Gipfel steht seit Anfang des letzten Jahrhunderts eine alte Wetter- und Sternwarte (vorletztes Bild), die heute von einer Polin in Privatinitiative restauriert wird.

Das Gebiet gehörte früher freilich zu Polen und befand sich im Dreiländereck Tschechoslowakei - Polen- Rumänien. Auf dem Passweg kann man noch die alten Grenzmarkierungen bemerken; leider auch die Geschützstellungen und Grabensysteme aus dem Ersten (?) Weltkrieg. Schöner dann schon der Anblick wilder Biwakplätze, auf denen sich langsam Leben zu regen begann, als wir vorbeigingen. Die Bergwanderer dort waren sicher von der Sonne gekitzelt worden, die nun endlich durch die Wolken brach und den Blick auf die umliegende Höhen- Landschaft frei machte. (Bild unten) Ich konnte endlich ein bisschen fotografieren und bis nach Rumänien schauen!

Wir rasteten ein bisschen und Juri, wie immer sehr kommunikativ, knüpfte ein Gespräch mit dem Bergwart an, der dort oben seine Arbeitsräume hat. Nein, Hubschrauber zur Bergrettung hätten sie keine. Im Unglücksfall gehen sie halt zu zweit raus und versuchen die Verunglückten zu bergen. Als Unterkunft für Wanderer, die von schlechtem Wetter überrascht werden und nicht mehr absteigen können, gibt es nur primitive Pritschen, die in die hohen Räume der Wetterwarte eingezogen sind. (Vorletztes Bild) Wir wollten das Innere sehen und der Mann führte uns bereitwillig herum. Es gab es aber noch nicht viel zu sehen. Der Bau ist eigentlich eine Ruine, sehr schwer zu rekonstruieren, weil das Baumaterial in Einzelteilen von Menschen den Berg herauf bewegt werden muss. Wahrlich keine so schöne Vorstellung. Trotzdem sind jedes Jahr polnische Studenten oben, die eben solche Arbeiten ausführen. Wer weiß? Vielleicht sind sie fertig, wenn ich in zehn Jahren noch einmal wiederkomme...

Smotritsch am 17. 06.

Aus Putna und vom Radfahren zurückgekehrt ging es ans Sachen- Packen, denn am Montag wollte ich schon in die Ukraine aufbrechen. Ich traf gegen Abend in Ivano- Frankivsk ein und ging als erstes mit Juri essen und den kommenden Tag besprechen. Geplant war die Reise zum Pip Ivan ("Pope Iwan"), dem zweithöchsten Berg der Ukraine, den wir am Dienstag besteigen wollten.

Am Montag fuhren wir um 17.00 Uhr aus Ivano ab. Mit von der Partie war Sergei. Taras ließ sich leider entschuldigen. Er hatte einen wichtigen Termin auf Arbeit. Schade. Trotzdem fuhren wir guten Mutes los. Mein Mut sank kurz nach Kolomea, als ich den Zustand der Straßen bemerken musste, über die wir die letzten Kilometer in die Berge fahren sollten. (Bild eins zeigt einen der besseren Abschnitte!) Wir brauchten für die 120 km viereinhalb Stunden, davon mehr als drei für die letzten 68 km! Ich konnte zum Teil nur im ersten Gang vorwärts kommen und hatte trotzdem Angst um die Federn und Stoßdämpfer! Ehe der Tourismus in den ukrainischen Karpaten wirklich florieren kann, ist also noch einiges zu tun.

Dafür entschädigte mich und uns der wunderschöne Abend im letzten Haus von Smotritsch, dem gottverlassenen Dorf vor dem Aufstieg. (Bild zwei) Dusche und Zimmer waren sauber und zweckmäßig eingerichtet; das Ganze romantisch mit bäuerlichen Werkzeugen dekoriert, die bei uns kaum im Museum zu finden sind. Juri machte sich sofort ans Grillen (Bild unten) und wir anderen deckten den Tisch und schnitten auf. Mit ein bisschen Musik, Bier und Wein und fetten Würsten verging der Abend zu schnell. Als wir beschlossen, morgen um 05.00 Uhr aufzubrechen, war es 23.30 Uhr...

Putna am 15.06.

Pauline (zweites Bild) erwartete Gäste. (An)Gekommen ist jedoch nur Julika, eine andere Freiwillige. Die wünschte sich eine Exkursion zu den Moldau- Klöstern und ich war - wie immer (Jungpionier halt!) - dazu bereit. Allerdings wählte ich dieses Mal das Kloster Putna aus, das zwar keine tollen  Außen- Fresken, dafür aber die Monumentalität der Anlage zu bieten hat. (Bild oben) Im Land ist es beliebt und ein Symbol, weil es eine Gründung des Stefan cel Mare (gest. 1504) und gleichzeitig die Grablege seiner Familie ist. Außerdem ist es das einzige wichtige Kloster, das Pauline noch nicht und ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. (Das letzte Mal war ich wohl 2008 mit den Schwiegereltern da...) Ein Grund mehr diese Mal dorthin zu fahren.

Was mich an Putna immer wieder reizt ist die Lage in einer absolut reizvollen Landschaft. (Viertes Bild) Man spürt die Nähe der Karpaten, ohne wirklich schon in den Bergen zu sein. Bei dem schönen Wetter konnten wir die Fahrt denn auch genießen.

Aber klar: Was ist eine Kloster- Tour, wenn man die berühmten Außen- Fresken nicht zu Gesicht bekommt? Wir waren also doch noch in Sucevița und Moldovița. Da hatte es mir - wie immer - der Platon angetan, der aus der ungebrochenen griechischen Tradition der byzantinischen Kirche heraus bei den Orthodoxen als "Kirchenvater" gilt. (Drittes Bild) Gut, seine Theorie der Seelenwanderung, er wird deshalb immer mit einem Sarg über dem Kopf dargestellt, damit jeder versteht, dass ihm als erstem die Toten wichtiger als die Lebenden gewesen wären, nimmt christliche Theorien des Realismus (real sind die Ideen von der Welt im Jenseits und nicht die Realien auf der Erde) vorweg, aber ihn deswegen zum "Kirchenvater" machen? Sei's drum. Wegen des imposanten Sargs ist und bleibt er (neben den Meerestieren) mein Liebling auf den Fresken. 

Am frühen Nachmittag waren wir dann wieder zu Hause und ich konnte mich noch auf's Rad schwingen und was für die Gesundheit tun. Den Mädels hat es gefallen- sagten sie jedenfalls und ich hoffe es.