Schemnitz ist die älteste Bergstadt auf slowakischem Territorium. Erstmals wurde das Gebiet als Bergbausiedlung zu einer Zeit erwähnt, da auch in Freiberg oder Goslar der Bergbau zu neuer Blüte gelangte. Wie Freiberg wurde die Stadt als "freie ungarische Bergstadt" durch Silber schnell wohlhabend. Im Stadtbild dominiert aber die Epoche der zweiten von Mathias Corvinus eingeleiteten Blüte zur Zeit der Renaissance- darin Freiberg ganz ähnlich. Überhaupt gibt es im Stadtbild manch Ähnlichkeit (Bild oben). Bloß eine Mariensäule fehlt meines Wissens in Freiberg. (Bild oben)
Wo Silber ist, sind Begehrlichkeiten. In Freiberg zeugt das trutzige Schloss weniger vom Repräsentationsbedürfnis sächsischer Herrscher denn von der Notwendigkeit, den Reichtum zu schützen. So hat auch Schemnitz ein "Altes" und eine "Neues Schloss". Das alte ist eine mittlere Sensation. Nach dem Mongoleneinfall wurde eine verwüstete Kirche zur Festung umgebaut. Wo gibt es das noch? (Bild zwei) Hinter den Renaissance- Arkaden im Innenhof verbergen sich Stallungen und Lagerräume, deren Kreuzgewölbe an alte Seitenkapellen erinnern. (Bild vier) In die Fassade eingelassen und beim Umbau als Material verwendet wurden auch alte Grabplatten. Innen sieht man an den Vorder- und Rückfront deutlich den Bogen des gotischen Gewölbeansatzes. Leider sind vom alten Altar des Meisters von Schemnitz (MS) nur Reproduktionen der Holzplatten zu sehen, die von Paris über Wien bis New York verstreut in Museen gezeigt werden. Die Arbeit kann sich fürwahr zwischen anderen hochgotischen Werken sehen lassen! Nach Außen und zur Stadt hin ist die Anlage noch durch eine Mauer mit Wehrgang und durch massive Türme geschützt. (Bild drei) Einer, der als Torturm genutzt wurde, steht über dem alten Beinhaus der frühen Klosteranlage. Man kann in das romanische Gewölbe hinabsteigen. Alles sehr imposant!
Witzig auch, dass der leicht ansteigende Wehrgang "Himmelsteig" genannt wurde, ironischerweise auch deshalb, weil derjenige, der dort entlang zum Kerker nebst Folterkammer geführt wurde, wenig Aussicht darauf hatte, der Erde wiedergeschenkt zu werden. Ziemlich folgerichtig fällt der Wehrgang auf der gegenüber liegenden Seite wieder ab, aber ob man diesen Teil dann "Höllengang" genannt hat, ist nicht überliefert. ;-) Im Turm zeigt man alte Schmiedearbeiten und unterhalb sind schmiedeeiserne Grabkreuze und Mahnmale im neogotischen Stil zu sehen. Alles Eisengussarbeiten.
Steigt man vom Burgberg hinab, hat man ein schönes Panorama der Stadt vor Augen. Rechts gegenüber liegt das "Neue Schloss", das nur aus einem wehrhaften Zentralbau mit einem hoch liegenden Zugang besteht und vermutlich früher auch von einer Mauer umgeben war. Von oben hat man einen schönen Ausblick über die terassenförmig in das Tal hinein gebaute Stadt. (Bild sechs- Altes Schloss von oben) Etwas weiter links der Kalvarienberg mit einer Kirche als Krönung. Aber das war mir schon nicht mehr so interessant. Faszinierend hingegen die mittelalterlichen Grundrisse, die sich in der verwinkelten Hinterhofbebauung bis heute abzeichnen. (Vgl. drittes Bild) Die Fassaden der Häuser sind fast alle renoviert; die Stadt ist seit den 90er Jahren UNESCO- Welterbe. (Fünftes Bild)
Im hinteren Teil des zentralen Platzes stehen noch einige Renaissance- Schmuckstücke, die restauriert werden müssen. Aber so was beraucht halt Zeit. Bereits fertig ein reiches Bürger- Haus mit einer historisierenden Fassade mit vier schönen Figuren als Dachschmuck. (Bild acht) Übrigens kann man einen historischen Schacht unter der Stadt besichtigen und im Bergbaumuseum eine Mineraliensammlung bestaunen. Und genau wie Freiberg hatte auch Schemnitz eine Bergakademie. Allerdings soll nur deren Forstabteilung von überregionaler Bedeutung gewesen sein, wenn die Einrichtung auch älter als die Freiberger ist. Auf Initiative Maria- Theresias, sagt man, wurden um 1770 Lehrstühle aus Prag hierher verlegt. Der Unterricht fand in einem noch erhaltenen Zentralbau und in diversen Bürgerhäusern statt. In 100 Jahren studierten etwas mehr als 5000 Leute hier das Forst- und Bergwesen. Zwar versuchte man dann auch Maschinenbau u.ä. Fachrichtungen zu etablieren, aber mit dem Niedergang der Erzförderung erlosch auch das Interesse möglicher Studierender an der nun provinziellen Kleinstadt. 1919 wurde die Akademie geschlossen; die Ungarn nahmen nur das Forstinstitut mit und siedelten es in Sopron an.
Danach fiel Schemnitz in seinen Dornröschenschlaf, aus dem es erst heute wieder erweckt wurde. Ohne EU- Fördermittel würde die kleine Stadt, die heute weniger als 10000 Einwohner zählt, die Denkmalschutzarbeiten sicher nicht bewältigen können. Überall sieht man alte Bausubstanz und viele Häuser prangen mit Erkern aus der Zeit der Renaissance. (Bild sieben) Ob allerdings die Feuerversicherungen über die vielen holzschindelgedeckten Häuser wirklich froh sind? (Bild neun- nach meiner Meinung zeigt es ein klassisches "Huthaus", aber ob es stimmt, war nicht rauszukriegen) Mir soll's jedenfalls egal sein. Wie das Erzgebirge ist übrigens auch das Schemnitz umgebende Bergland entwaldet, womit geklärt ist, wozu der Bergbau eine Forstakademie brauchte. Es finden sich dort viele dem Wasserantrieb dienende Wasserbecken, hübsch slowakisch "tajchy" genannt. ;-)
Alles konnten wir nicht sehen, denn Kollege Remmer (Bild elf) ist von Norderney und mag - ganz im Gegensatz zu seiner Karin (im Bild vorne) - die Bewegung bergauf und bergab gar nicht. ;-) So entging mir der Besuch auf dem historischen Friedhof. Schade. Dafür entschädigten mich ein guter Mittagstisch in der Pension "Kachelmann" (sehr zu empfehlen) und der Kaffee im Restaurant Böhm. Letzteres liegt ganz im Zentrum und wartet mit einem rustikalen Interieur mit Kamin und historischer Gewölbedecke auf. Im Winter ist das sicher sehr gemütlich, im Sommer immerhin schön kühl. Natürlich war auch Kulturweit- Freiwilliger Bennet mit von der Partie. (Bild zehn
Karin)
Immerhin schafften wir aber den Weg bis zum neuen Schloss (letztes Bild), in dem sich ein Bergbau- und Waffenmuseum befindet, das wir uns aber geschenkt haben. Wie viele Rüstkammern habe ich nun in meinem Leben schon gesehen? Außerdem mussten wir zurück und der Weg ist weit. Für die knapp 300 km bis Kosice brauchten wir gut drei Stunden, woran man sieht, dass ich auf der Strecke gute "Sponsoren" hatte. ;-) Was ein "Sponsor" ist? Nun, das ist ein mit unerlaubt schneller Geschwindigkeit und bisweilen riskant überholender voraus fahrender und also die Aufmerksamkeit einer möglichen Polizeikontrolle bindender BMW oder SUV- Fahrer slowakischen Ungestüms! Noch Fragen? Um 21:00 Uhr kam ich endlich zum Abendessen...
Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
Dienstag, 24. Mai 2016
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