Ach, Freunde, die Anreise durch Rumänien ist ein unsagbares Elend! Nein, die Straßen sind besser, als ich sie 2010 (?) mit Daniel erlebte, als wir uns in der Ankunftszeit in Debrecen um Stunden verschätzten. Dafür gibt es LKW über LKW und die fahren halt nicht auf der rechten Spur einer Autobahn, sondern auf einer serpentienenreichen Straße immer genau vor einem. Man kann sie kaum überholen und sie sind natürlich in jeder Kurve und in den Abfahrten wie den Anstiegen unendlich langsam. Und so brauchte ich für die 650 km von Kosice bis Suceava 12 Stunden netto! Außerdem war das Wetter trübe und immer wieder regnete es in Strömen. Das kann einem schon die Nerven ziehen! Aber ich kam endlich gut an, fand ein angenehmes Hotel- Zimmer (Hotel Continental- Bild zwei) und sogar ein gutes (leider zu teures!) Restaurant.
Anderntags, also am 25. 10., war ich erst um 15.00 Uhr mit Ancha, meiner neuen Chefin, verabredet. Ich nutzte den Vormittag, mir die Stadt zu erlaufen. Allerdings regnete es in Strömen und gegen Mittag hatte ich eine völlig durchnässte Hose, aufgequollene Schuhe und eine feuchte Jacke und ein paar Bilder, die nicht so toll geworden sind. Ich verstand, dass die sehenswertesten Bauten in Suceava die Kirchen im Stil der "Moldau- Klöster" (Bild drei) sind. Es gibt eine Menge davon in der Stadt. Die erste steht gleich vor dem Hotel. (Bild oben) Viele von den Klöstern und Kirchen der Region haben uralte Fresken und Außenwandmalereien bzw. Ikonen in Mauernischen, die quasi eine "Bibel in Bildern" darstellen. Verglichen mit mitteleuropäischen Kirchenbauten sind die hiesigen bescheiden und relativ klein. Innen hatte nur die wohlhabende Elite Platz, der Rest der Bevölkerung lauschte der Predigt außen und hatte - da des Lesens unkundig - die Religion als Bildprogramm vor sich. Die UNESCO würdigte die ganze Region mit dem Status des Weltkulturerbes.
Dann traf ich meine neuen Kolleginnen und die Direktorin, die entgegen der Darstellung meiner Vorgängerin genauso nett waren wie die Mails, die ich schon bekommen hatte. Der Termin bei der Maklerin stand und Mihai führte mich dorthin und übersetzte. Er fand den Preis in Ordnung und bestätigte, dass sowieso alle freien Wohnungen der Stadt bereits besetzt seien, weil das Semester begonnen hätte. Nur die "besseren" und "höherpreisigen" Wohnungen wären noch zu haben. Also stimmte ich zu, mir eine Wohnung für 250 Euro kalt anzusehen. Ich nahm sie sofort, denn sie ist sicher die beste Wohnung, die ich im Ausland je hatte. Ein großes Schlafzimmer wartet mit einem riesigen neuen Kleiderschrank und einem Wandschrank auf, der genügend Fächer für Bücher, Aktenordner usw. hat. Darin steht ein Doppelbett; die werte Gattin kann also kommen. ;-) Daneben gibt es noch ein großes Wohnzimmer mit Ausziehcouch (die Gäste können kommen!), einem Couchtisch, einem niedrigen Schuhregal und einem Tisch mit vier Stühlen. An einer Seite gibt es die Küchenzeile mit Waschmaschine und Kühlschrank, ein bisschen abgesetzt durch einen Pfeiler. Einen Computertisch, den ich hier aufstellen kann, gibt es auch. Das Bad ist klein, aber ausreichend. Es gibt ein Waschbecken und eine Duschkabine. Besonders hervorhebenswert ist die separate Heißwassser- Versorgung, die auch die Heizung bedient. Ich kann es also warm haben, wenn andere Leute noch auf den Startschuss der Heizsaison warten müssen. ;-)
Am Tag darauf (Donnerstag) hatte ich sozusagen frei und stellte also weitere Erkundungen an. Vor allem wollte ich wissen, ob man von meinem neuen Quartier (Bild vier- die Wohnung befindet sich oben links unter dem Dach) aus irgendwie Joggen oder Radfahren kann. Leider Fehlanzeige. Aber immerhin fand ich ein Kaufland in der Nähe. Ich kann also zu Fuß einkaufen und zur Schule gehen. Beides etwa 5 min! :-) Das bestärkte mich in der Absicht, die Wohnung wirklich zu mieten, ein Akt, der am Nachmittag über die Bühne ging. Zwei Monate im Voraus und eine Monatsmiete als Kaution- ich hatte gerade so 750 Euro in der Tasche. Daher war die Erleichterung groß, als der Vermieter sich bereit erklärte, die Miete über ein Konto entgegen zu nehmen. Ich kann es also überweisen und muss nicht immer Bargeld in großen Mengen mit mir rumtragen.
Egal. Was sah ich noch? Suceava besteht im Wesentlichen aus Banken, Apotheken, Notariaten, Zahnmedizinern, Advokaten, Kopie- Shops, Mobilfunkläden, Computer- Shops, Friseuren, Beauty- und Nailstudios und Kirchenläden. Lebensmittelläden gibt es kaum. Daneben einige Pubs, Bars, "Souflaki- Läden", Pizzerias und Lounges. Klar, zwei Mc Donalds gibt es auch. Die Menschen sehen an sich gut gekleidet bis schick aus- wie in der Ukraine. Zigeuner sind im Stadtbild kaum zu sehen, aber es gibt viele sichtbar arme Alte. Wie in der Ukraine stehen auch hier alte Männer um Schach- oder Go- Spiele herum und spielen dort um Geld. Das Publikum wettet auf den Sieg des einen oder anderen. (Bild sechs)
Etwas erschreckend fand ich, dass Parolen wie "Bessarabien gehört zu Rumänien" (Bild fünf) öfter zu finden sind. Man wird also dem NATO- Aufmarsch gegen Russland nichts entgegen setzen und den EU- Beitritt Moldawiens (das korrupt und arm ohne Ende ist und wo fast 50 % der Bevölkerung gegen einen "Anschluss" stimmen) befürworten. Im Fernsehen laufen übrigens Sendungen, die sich mit der Sprachenfrage beschäftigen. Ein großes Problem aus rumänischer Sicht besteht darin, dass viele Moldawier kein Rumänisch bzw. nur einen ähnlichen Dialekt sprechen, also die Schriftsprache nicht beherrschen. Mein Problem sind die russischen Truppen dort, aber das scheint man - wie in Polen - nicht ernst zu nehmen. Ich muss noch raus kriegen, ob es auch Rumänen gibt, die glauben, im Falle eines Krieges in Moskau bald eine Siegesparade abhalten zu können. (Solchen Quatsch hörte ich sowohl in Polen als auch in der Ukraine!)
Egal. Weite Teile der Stadt sind ziemlich hässlich, denn unter Ceausescu hat man auch nicht eben viel Wert auf architektonische Schönheit gelegt. Grotesk die nun wirklich großen Kirchen in den Neubaugebieten, die aber alle voll sind. (Vorletztes Bild) Überall Administration und Konsum- keine wirkliche "Arbeit", Verständlich, dass die Leute arm sind. Mihai meinte, für die Wiedererrichtung einer Kirche hätte man 5000 (!) Papiere mit Stempeln, Unterschriften etc. benötigt. Oh je...
Auch in der Schule gibt es Probleme, weil meine Qualifikation keine rumänische Entsprechung kennt. Der Doktor ist hier weniger interessant als der "erste pädagogische Grad", der aber nur nach einer rumänischen Prüfung vergeben wird. Kann sein, man stellt mich ein und bezahlt mich als Berufsanfänger. Das wären fast 150 Euro weniger, als ich bekäme, wenn man meine Dienstjahre und die "höchste Qualifikation" anerkennen würde. Also muss man kämpfen, denn ich will 10 Jahre hier bleiben. Da lohnt es sich schon...
Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
Freitag, 28. Oktober 2016
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen