Der erste Rundgang vermittelte den Eindruck einer kleinen Altstadt, die ich als Hansestädter nicht beschreiben muss. Es reicht der Hinweis auf norddeutsche Hafen- und Handelsstädte. Anderntags bemerkten wir doch, dass schon der innere Stadtring von Riga doch größer ist. Und natürlich ist viel los. Überall Kneipen und Freisitze, Restaurants und Clubs. (Bild oben) Für mich war Herder wichtig, dessen Denkmal wir auch gleich fanden. (Bild zwei) Es steht vor seinem ehemaligen Wirkungsort und nun war es mir fasslicher, im Tagebuch seiner Überfahrt von dem Ostseeturn zu lesen, der einem so deplaziert vorkommt, wenn man nur Weimar als Zentrum seines Wirkens vor Augen hat. Klar, die alten Gildehäuser suchen ihresgleichen im Ostseeraum. In Belgien wären sie vielleicht weniger aufgefallen. Aber sie deuten an, dass Reichtum durchaus auch im Ostteil des alten Hansegebiets zu Hause war. (Bild drei) Nicht auf dem Bild, weil es den Eindruck stört, ist der schwarze sargähnliche Bau, der nun das Okkupationsmuseum beinhaltet. Brrr... Überhaupt sind die Bezugnahmen auf die sowjetische Zeit ziemlich platt. Schon in Vilnius sahen wir die typischen Straßen- Lampen mit rotem Stern im Lorbeerkranz, aus dessen Rund man den Stern fein säuberlich ausgesägt hatte. Im Vordergrund stehen die Leidensgeschichte der Bürger und atmosphärisch der "Hass auf alles Sowjetische/ Kommunistische". Von historischer Einordnung, Differenzierung oder wenigstens Erklärung keine Spur. Stattdessen Seitenhiebe auf Putins Russland. Dabei hörten wir viel Russisch auf der Straße. In Litauen fiel auf, dass viele Kellnerinnen und Kellner mühelos ins Russische wechseln, wenn sie auf Russisch angesprochen werden; in Riga hörten wir erstmals beim Personal mehr Russisch als Lettisch.
Sei's drum. An die Altstadt, die ähnlich wie Lübeck von der einen Seite durch einen Wasserlauf und von der anderen von der Ostsee geschützt wurde, schließt sich die "Neustadt" an. "Neustadt" meint hier ein großes Areal im Stil der Jahrhundertwende und der zwanziger Jahre. Am Eingang steht eine Art Siegessäule mit einer Frauenfigur obenauf. Sie ähnelt der Säule auf dem Kiewer Maidan, ist aber schlanker und höher. An der Hauptachse dort steht eine große russische Kirche und es gibt viele Boutiquen und Geschäfte. Wir speisten in einem Hinterhoflokal mexikanisch und waren's zufrieden. Die deftige lettische Küche sprach uns beide nicht an und der Freisitz im Hof war witzig gestaltet und das Menü kann man "sehr preiswert" nennen.
Wir gingen allerdings nicht weiter in diesen Stadtteil hinein, sondern wählten den Weg an den alten Wällen entlang, der nun durch eine schöne Parkanlage führt. Unser Ziel waren die Markthallen, deren Interieur und Verkaufskultur an den "Besarabski" in Kiew erinnert. Fleisch liegt in Kühltheken aus, etwas weiter gibt es Obst und Gemüse und auch Öl, Teigwaren, Uhrmacher und Stoffverkäufer fehlen nicht. Hier kaufen die, die sich die schicken Läden in den neuen Einkaufszentren davor nicht leisten können. Aber nicht das wollte ich sehen. Vielmehr reizten mich die Hallen als solche, denn es sind alte Zeppelin- Hallen! (Bild vier) Wenn man sie von innen her als solche ansieht, bekommt man erst einen richtigen Eindruck von dem Volumen der Gaszigarren! Drei Stück gibt es davon.
Unweit der heutigen Markthallen findet sich die "Speicherstadt". (Bild unten) Nicht so hoch und groß wie das Hamburger Pendant, aber doch ausgedehnt und von regem Handel und Wandel kündend, ist es heute recht ruhig dort. Es gibt einige Clubs, viele Büros, auch Lager und einige Verkaufsräume. Während der Nazi- Zeit diente das Viertel als Ghetto, wovon ein Museum ganz am Ende zeugt. Ja, dieses Museum legt wirklich "Zeugnis" ab. Neben einigen Ausstellungshallen mit Filmausschnitten, Dokumenten, Möbeln usw. beeindruckt die lange Wand mit der unendlichen Reihe eingravierter Namen der Opfer. (Vorletztes Bild) Im Hintergrund sieht man die russische Kirche, die noch von (schlecht erhaltenen) Holzhäusern umgeben ist...- das sogenannte "russische Viertel". Dort steht auch das ebenfalls ziemlich heruntergekommene Monument der "Freundschaft zur Sowjetunion", eine Gebäude im pyramidalen Zuckerbäckerstil ähnlich dem Kulturpalast in Warschau. Es dient immer noch der lettischen Akademie der Wissenschaften als Domizil. Um dieses Hochhaus ist es nicht schade, aber um den Zustand des gesamten Areals schon. Es hat Flair und man kann nur hoffen, dass "trotz der russischen Vergangenheit" die Häuser bald als erhaltenswert erkannt werden. Die hinter unserem Hotel befindlichen Holzhäuser im ähnlichen Stil sind z.T. bereits nobelsaniert. Aber das ist sicher der Lage gegenüber der Altstadt und der Nähe zu den Marinas geschuldet.
Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...
Freitag, 11. September 2015
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