Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Freitag, 11. September 2015

Jurmala

"Jurmala" klingt irgendwie Finnisch und ist mir als sowjet- exotisch noch im Ohr. Wie viele Schlager mögen diesen Strand (Bild oben) besingen? Neben der Krim war der ausgedehnte Kurort, heute an die 30 km lang (!) und ansonsten an "normale" Ostsee- Bäder erinnernd, der wohl populärste Erholungsort der Sowjetunion. Natürlich mussten wir dahin. Das Gelände liegt auf der Rückseite der Riga gegenüber liegenden Landzunge, auf der auch unser Hotel steht, und ist schnell zu erreichen. Angesichts der Geschichte nach 1945 ist das fast völlige Fehlen der gigantischen und gesichtslosen Hotelbunker, die manche Landschaft bei Jalta, Aluschta usw. verunstalten, doch auffällig. Man hat offenbar die überkommenen Villen im norddeutschen Bäderstil (Bild zwei) weitergenutzt und vernutzt. Einige solcher "Buden" sahen wir noch. In manchen wohnten offensichtlich Menschen seit vielen Jahren. Aber davon gibt es nicht mehr viele. Die meisten der z.T. prunkvollen und von großen Gärten umgebenen Villen haben offensichtlich zahlungskräftige Investoren gefunden. In den Car- Ports stehen die passenden Limousinen und es gibt Restaurationen, die nicht mehr für "Jedermann" sind. Adrenalinsüchtige Spinner können auch die hoch hängende Gondel eines Vergnügungsgeräts mieten und dort oben dinieren. Werden die jedes Mal herabgelassen, wenn einem die Vodka- Blase drückt? Das sahen wir nicht. Die Geschichte und ihre Bilder hinterließen hier auch Spuren. Unweit des zentralen Boulevards steht die Figur eines lettischen (?) Helden, der dem teutonischen Drachen den Kopf abschlägt. Interessant die Frage, ob das ein Überbleibsel aus Sowjetzeiten ist, oder ob sich nun die Letten zu Siegern in den Kriegen gegen die Deutschen erklären wollen? In der Ukraine stehen ja nun auch schon überall T- 34 mit ukrainischer Fahne statt Sowjetstern rum und künden vom ruhmreichen Sieg der Ukraine über Hitler- Deutschland... ;-)      

Wir haben dort jedenfalls in einem grusinischen Lokal lecker gegessen und nur die eher etwas unengagierte Bedienung verflucht, deren Arbeitsfleiß in die Sowjetunion gepasst hätte. Lange zu warten hatten wir am letzten Abend in Riga nicht. Auch auf der schwimmenden Plattform, von der aus wir das etwas täppische Ablegemanöver neureicher Russen (?) beobachten konnten, die dann auch noch ihre gerade gekaufte Vodka- Flasche vergaßen, war das Essen super-lecker. Aber dafür bezahlten wir den Blick auf die fantastisch- turmreiche Silhouette Rigas mit. Das teuerste Essen unserer Reise. Und trotzdem war es gut. Der abendliche Blick über den Sund auf die Stadt...- das hat schon was ...



Die alte Hansestadt Riga

Der erste Rundgang vermittelte den Eindruck einer kleinen Altstadt, die ich als Hansestädter nicht beschreiben muss. Es reicht der Hinweis auf norddeutsche Hafen- und Handelsstädte. Anderntags bemerkten wir doch, dass schon der innere Stadtring von Riga doch größer ist. Und natürlich ist viel los. Überall Kneipen und Freisitze, Restaurants und Clubs. (Bild oben) Für mich war Herder wichtig, dessen Denkmal wir auch gleich fanden. (Bild zwei) Es steht vor seinem ehemaligen Wirkungsort und nun war es mir fasslicher, im Tagebuch seiner Überfahrt von dem Ostseeturn zu lesen, der einem so deplaziert vorkommt, wenn man nur Weimar als Zentrum seines Wirkens vor Augen hat. Klar, die alten Gildehäuser suchen ihresgleichen im Ostseeraum. In Belgien wären sie vielleicht weniger aufgefallen. Aber sie deuten an, dass Reichtum durchaus auch im Ostteil des alten Hansegebiets zu Hause war. (Bild drei) Nicht auf dem Bild, weil es den Eindruck stört, ist der schwarze sargähnliche Bau, der nun das Okkupationsmuseum beinhaltet. Brrr... Überhaupt sind die Bezugnahmen auf die sowjetische Zeit ziemlich platt. Schon in Vilnius sahen wir die typischen Straßen- Lampen mit rotem Stern im Lorbeerkranz, aus dessen Rund man den Stern fein säuberlich ausgesägt hatte. Im Vordergrund stehen die Leidensgeschichte der Bürger und atmosphärisch der "Hass auf alles Sowjetische/ Kommunistische". Von historischer Einordnung, Differenzierung oder wenigstens Erklärung keine Spur. Stattdessen Seitenhiebe auf Putins Russland. Dabei hörten wir viel Russisch auf der Straße. In Litauen fiel auf, dass viele Kellnerinnen und Kellner mühelos ins Russische wechseln, wenn sie auf Russisch angesprochen werden; in Riga hörten wir erstmals beim Personal mehr Russisch als Lettisch.

Sei's drum. An die Altstadt, die ähnlich wie Lübeck von der einen Seite durch einen Wasserlauf und von der anderen von der Ostsee geschützt wurde, schließt sich die "Neustadt" an. "Neustadt" meint hier ein großes Areal im Stil der Jahrhundertwende und der zwanziger Jahre. Am Eingang steht eine Art Siegessäule mit einer Frauenfigur obenauf. Sie ähnelt der Säule auf dem Kiewer Maidan, ist aber schlanker und höher. An der Hauptachse dort steht eine große russische Kirche und es gibt viele Boutiquen und Geschäfte. Wir speisten in einem Hinterhoflokal mexikanisch und waren's zufrieden. Die deftige lettische Küche sprach uns beide nicht an und der Freisitz im Hof war witzig gestaltet und das Menü kann man "sehr preiswert" nennen.

Wir gingen allerdings nicht weiter in diesen Stadtteil hinein, sondern wählten den Weg an den alten Wällen entlang, der nun durch eine schöne Parkanlage führt. Unser Ziel waren die Markthallen, deren Interieur und Verkaufskultur an den "Besarabski" in Kiew erinnert. Fleisch liegt in Kühltheken aus, etwas weiter gibt es Obst und Gemüse und auch Öl, Teigwaren, Uhrmacher und Stoffverkäufer fehlen nicht. Hier kaufen die, die sich die schicken Läden in den neuen Einkaufszentren davor nicht leisten können. Aber nicht das wollte ich sehen. Vielmehr reizten mich die Hallen als solche, denn es sind alte Zeppelin- Hallen! (Bild vier) Wenn man sie von innen her als solche ansieht, bekommt man erst einen richtigen Eindruck von dem Volumen der Gaszigarren! Drei Stück gibt es davon.

Unweit der heutigen Markthallen findet sich die "Speicherstadt". (Bild unten) Nicht so hoch und groß wie das Hamburger Pendant, aber doch ausgedehnt und von regem Handel und Wandel kündend, ist es heute recht ruhig dort. Es gibt einige Clubs, viele Büros, auch Lager und einige Verkaufsräume. Während der Nazi- Zeit diente das Viertel als Ghetto, wovon ein Museum ganz am Ende zeugt. Ja, dieses Museum legt wirklich "Zeugnis" ab. Neben einigen Ausstellungshallen mit Filmausschnitten, Dokumenten, Möbeln usw. beeindruckt die lange Wand mit der unendlichen Reihe eingravierter Namen der Opfer. (Vorletztes Bild) Im Hintergrund sieht man die russische Kirche, die noch von (schlecht erhaltenen) Holzhäusern umgeben ist...- das sogenannte "russische Viertel". Dort steht auch das ebenfalls ziemlich heruntergekommene Monument der "Freundschaft zur Sowjetunion", eine Gebäude im pyramidalen Zuckerbäckerstil ähnlich dem Kulturpalast in Warschau. Es dient immer noch der lettischen Akademie der Wissenschaften als Domizil. Um dieses Hochhaus ist es nicht schade, aber um den Zustand des gesamten Areals schon. Es hat Flair und man kann nur hoffen, dass "trotz der russischen Vergangenheit" die Häuser bald als erhaltenswert erkannt werden. Die hinter unserem Hotel befindlichen Holzhäuser im ähnlichen Stil sind z.T. bereits nobelsaniert. Aber das ist sicher der Lage gegenüber der Altstadt und der Nähe zu den Marinas geschuldet.


Rundale und Bauskas

Naja, wer bei Frau Prof. Chr. Träger "zur Schule" gegangen ist kennt sich mit den Birons aus, und so mussten wir natürlich Rundale sehen, das Schloss, das einst Anna Iwanowna für ihren Favoriten, den Herzog von Kurland, bauen ließ. Architekt eben jener Rastrelli, von dem so viele Bauten in Russland und der Ukraine sind. Ich sah schon das Winterpalais in weiland Leningrad und später den Marienpalast und die Andreas- Kirche in Kiew. Nun also das monströse Rundale. Es ragt etwas kahl aus einer reizlosen lettischen Landschaft, die zu verschönern ein Kanal und ein Barock- Garten angelegt wurden. Dabei hätte nur ein englischer Park, hätten nur hohe Bäume den Eindruck des Monumental- Wuchtigen und Deplazierten mindern können! Rokkoko? Da ist nichts Leichtes, nichts Verspieltes, nur endlose Fensterreihen. (Bild oben) "Versailles des Ostens" mag insofern stimmen, als es nichts Vergleichbares in der Region gibt. Aber "schön" oder "hübsch" ist anders. "Interessant"- das mag stimmen. Das Wetter war regnerisch und wir hatten keine Lust, inmitten diverser Reisegruppen das Interieur zu besichtigen.

Ich kam dennoch auf meine Kosten. Auf dem Weg nach Rundale sahen wir eine Burg, die auf dem Rückweg zu besichtigen wir uns vorgenommen hatten. Bauskas. Bauskas? Im 15. Jh. von den Deutschordensrittern errichtet, war es danach Residenz der kurländischen Herzöge. Und ich hatte noch nie was davon gehört! Schande. Die Renaissance- Anlage mit der Ruine des Ordensschlosses (zweites Bild) ist gut erhalten, liegt in einer hügelig- waldigen Umgebung am Zusammenfluss zweier Flüsse (u.a. Memel) Ich stand in einem der vielen Räume und hörte eine gute halbe Stunde den Proben zu einer Aufführung mittelalterlicher Musik zu. Das passte großartig, denn draußen rann der Regen in Strömen vom Himmel... An Interieur ist in der im nordischen Krieg verwüsteten Anlage nicht mehr viel zu sehen; dennoch gibt es schöne Öfen, Fußböden, Balkendecken usw. Neben den Wappenstühlen des herzoglichen Paars fielen die
wappengeschmückten Fenster (Bild unten) auf, da sie u.a. auch das Wappen Mecklenburgs zeigten. Da gab es also dynastische Verbindungen.

Von der Fahrt nach Riga ist nur zu berichten, dass einem die niedrigen Nadelholzwälder irgendwann auf den Keks gehen. Das Land ist platt und ohne Seen oder Flüsse. Langweilig. Allerdings fiel gleich nach der Grenze auf, dass Dörfer jetzt wieder aus einem Haufen Häuser mit einer Kirche in der Mitte bestehen und sowohl die Straßenränder als auch die Häuser und Gärten fein gehäckelt und geputzt daher kommen. Das Land sieht aufgeräumter aus als Litauen und man sieht, dass mehr Geld im Umlauf ist. Aber eine urbane Landschaft ist es nun wirklich nicht. Da wundert man sich mehr noch als im Falle von Litauen, wo ich das annahm, wie einsam und trotzdem raumgreifend plötzlich die Riesenstadt Riga aus der Wüstung auftaucht. Wir bezogen unser hübsches kleines Hotel der Altstadt genau gegenüber (Bild unten- Blick aus dem Fenster) und erfreuten uns trotz des regnerischen Wetters am Panorama der großen alten Hansestadt. Lübeck und Rostock lassen grüßen. Ich fühlte mich gleich wie zu Hause. ;-)


Kaunas

Am 22. 07. brachen wir ins ca. 100 km entfernte Kaunas auf. Die Stadt, heute die zweitgrößte Litauens und Universitätsstadt, war mit der dortigen Burg lange Zeit ein Zankapfel zwischen dem Deutschen Orden und Litauen, da der Landstrich Ostpreußen von Livland trennte und so eine Vereinigung des Deutschen- mit dem Schwertbrüderorden unmöglich machte. Aus dieser Zeit stammen die Reste der beeindruckenden Befestigungsanlagen, die man beim Eintritt in die Altstadt passieren muss. (Bild oben) 1410 wurde der Konflikt dann zugunsten von Polen- Litauen entschieden und die Stadt verlor ihre militärische, gewann aber Bedeutung als Handelsstadt.

Davon zeugt das beeindruckende gotische Haus (ältestes Haus der Stadt), von dem nicht klar ist, ob es einem deutschen oder litauischen Handelsmann gehörte. Ist auch egal. Auf jeden Fall hatte der Mann Beziehungen zu Hansestädten, denn in jeder derselben wäre es mit seiner Architektur ein Schmuckstück des Heimischen. (Bild Mitte) Obwohl kein Museum, kann man es besichtigen. Auf unser Klingeln hin öffnete eine sehr nette Mitarbeiterin der Kirchenverwaltung, die dort Schulungs- und Veranstaltungsräume unterhält, und zeigte uns die Räumlichkeiten und den Keller, der eine kleine Ausstellung zur Baugeschichte enthält. In unmittelbarer Nähe dieses Hauses hatte Adam Mickiewicz seinen ersten Wirkungsort. Aha...

Die andere Seite des Memel- Hoch- Ufers erklommen wir nicht, obwohl es mir (endlich) wieder gut ging. Stattdessen erwanderten wir die kleine aber feine Altstadt, die langsam aus dem sowjetischen Schlaf erwacht. Schlaf? Es verwundert immer wieder, wie selektiv der sowjetische Denkmalschutz vorging und wie bedenkenlos gewaltige Denkmäler der Arbeits- und Schöpferkraft des Volkes dem Verfall bzw. dem Vandalismus preisgegeben wurden. Immer wieder fanden wir im Baltikum insbesondere Kirchen, die als Möbellager und Pferdeställe genutzt wurden und deren wertvolles Inventar so ruiniert ist. Ein Glück, dass man wenigstens die Außenhaut der meisten Bauten wiederherstellen kann und das auch tut. Sonst ist von Kaunas wenig zu berichten. Es hat einen sehenswerten Boulevard (die Hauptachse zum Markt) mit vielen kleinen Cafes und Restaurants. Wir speisten "italienisch" und waren's zufrieden. Abends nahmen wir Abschied von Vilnius.  


Vilnius

Angekommen in Vilnius bezogen wir unser Hotel am Rand der Altstadt und gingen erst einmal die Restaurant- Szene erkunden. Schon in der ins Zentrum führenden Straße im Stil aller "Epochen" seit 1900 wurden wir fündig, konnten draußen sitzen und preiswert was "Russisches" (Piroggen) ;-) essen. Dass mir anderntags immer noch so schlecht war wie am Tag vorher lag sicher nicht an diesen leckeren Essprodukten...

Der folgende Tag wurde schwer für mich. Zwar erkundeten wir die ganze City, aber immer meiner ganz und gar nicht vorhandenen Kraft und Lauflaune angepasst. Vilnius ist erstaunlich hügelig. Wir sahen die einzige noch funktionierende Synagoge und all die aus Reiseführern etc. hinlänglich bekannten barocken Monumente der Altstadt. Etwas enttäuschend die "schwarze Madonna", die wohl jeder Pole gesehen haben muss. Das Tor, in dessen Kapelle sie steht und durch ein offenes Rundfenster von der Straße aus zu sehen ist, ist nicht eben groß und so fehlt der "prächtige Rahmen". Rings herum viele Kirchen, dann kleine Gassen mit netten Restaurants. Wenn man etwas sucht, findet man wirklich preiswerte Angebote; das, was für Touristen ist, entspricht moderaten deutschen Preisen. Wir aßen etwas und setzten unsere Runde fort. Von den alten Wällen und Resten der Stadtbefestigung aus sieht man den alten Burgberg mit den alles überragenden Ruinen des Sitzes litauischer Großfürsten. (Erstes Bild) Der Gediminas- Turm erinnerte mich an die Burgruine in Lutzk (UA). Wirklich: Dieselbe Architektur! Unter dem Berg ein beeindruckendes gotisches Kirchen- Ensemble. (Bild zwei)  

Den Burgberg bestiegen wir trotz allem zu Fuß. Es lohnt sich auf jeden Fall. Man überblickt das Dächergewirr der Altstadt und hat gleichzeitig einen schönen Ausblick auf die am anderen Flußufer entstehende "repräsentative" Neubaucity. (Bild drei) Bergab nahmen wir dann die Standseilbahn- ein "Funikuler" wie in Kiew. Zurück zum Hotel ging es dann immer am Fluss entlang. (Bild vier) Eine Stadt mit Fluss hat eben immer etwas Besonderes...

Abends trafen wir Julia, ihren Mann und den Sohn (aus Ivano- Frankivsk). Alle sind sie vor einem Jahr in Nacht und Nebel aus der UA geflohen, als der Schwiegervater in der Maidan- Zeit Briefe erhielt, in denen stand, man wüsste, wo der Enkel zu finden sei... Seitdem versuchen sie in Litauen Fuß zu fassen. Oleksy probiert dies und das im Handel, Julia lernt Litauisch und fürchtet den Tag, an dem ihr Sohn in den Kindergarten soll. Der spuckt andere Kinder an und tritt sie mit Füßen, wenn er in Litauen ist. "Zu Hause" in der Ukraine gibt es diese Probleme nicht. Was für ein Elend! Wir wanderten gemeinsam durch einen der wunderschönen Parks der Stadt und schwatzten ein bisschen. Julia freute sich über unser kurzes Treffen; wir konnten ihr nur alles Gute und viel Kraft wünschen. Den Abschluss bildete ein Essen in einem 5- Sterne- Restaurant mit Diplom aus Paris an der Wand. Utas "beefsteak tartar" war nichts Besonderes, allerdings war der Rotwein edel. Mein Bier war nicht schlecht, aber den Babyschleim, der sich "gnoccis" nannte, hätten sie glatt behalten können. Ich bekam, was selten passiert, nur einen halben Teller runter und fürchtete für den nächsten Tag. DAS war nix- allerdings blieb es der einzige kulinarische Reinfall. Man soll eben essen, was zu einem passt: Preiswerte Standards! ;-)



Mittwoch, 2. September 2015

Trakai und die Karaimen

Wiewohl schwach am Fleische erreichten wir nach ein paar Stunden Fahrt das litauische Trakai. Hinter der polnischen Grenze änderte sich das Landesbild schlagartig. Während in den Masuren ordentlich was los ist und an jedem noch so kleinen See Boote liegen, Zelte stehen und Hotels einladen, erschien Litauen auf den ersten Blick wie ukrainische Landschaft auf dem Weg nach Kiew: Ziemlich leer, vereinzelt stehende Häuschen, die Straßen nicht so gut in Schuss (aber doch würden sich die Ukrainer freuen, wenn sie solche hätten!) und es fehlten auch nicht die aufgelassenen und langsam verrottenden Kolchos- Stallungen. Die Straßenränder waren "naturbelassen". Irgendwie postsowjetisch und auch im Vergleich mit Lettland und Estland erschien Litauen bis zum Schluss als das noch "sowjetischste" der drei Ex- Sowjetrepubliken. Auf den Straßen bewegt sich sichtbar Europas automobiler Schrott. Ich dachte, sie würden die bei uns gekauften Altfahrzeuge aufmöbeln und weiter verkaufen; offensichtlich bleiben aber viele der Altwagen im Land und kurven dort etwas abenteuerlich über die autobahnähnlichen Straßen, auf denen man nichts desto trotz wenden konnte, auf denen Radfahrer und Traktoren fuhren und Busse Haltestellen hatten. Hm...   Aber das ist nur ein Eindruck und am Ende nicht so wichtig. Es zeigt nur, dass das europäische Reichtumsversprechen noch nicht wahr geworden ist.

Trakai als touristisches Ziel ist natürlich lohnenswert. Die Burg liegt auf einer Insel (Bild oben und Bild zwei) und ist die zweite ihrer Art. Ziemlich genau gegenüber sieht man auch die Reste der ersten von den litauischen Großfürsten gebauten Burgen. Sie dienten gegen "unsere Jungs", d.h. gegen die Kreuzritter, die damals Litauens Nachbarn waren. Mit der Rekonstruktion der Burg, die sich heute wesentlich als Nachbau präsentiert, ist zu Zeiten der ersten litauischen Republik begonnen worden. Nationaldenkmal. Viel zu sehen gibt es daher nicht. Aber beeindruckend ist es schon. Mich interessierte aber mehr der Hinweis, es gäbe im Ort Trakai noch immer Karaimen, mir als "Karäer" von der Krim her bekannt. Und wirklich fanden wir das Museum. (Bild unten) Die Wohnhäuser (vorletztes Bild) sollen typisch sein. Ja, so was könnte irgendwo bei Ismail auch stehen. ;-) Trotzdem sieht man hier wohl eine Verfallsgeschichte, denn im Mittelalter gab es hier eine ummauerte wehrhafte Stadt, von der nicht viel mehr übrig ist. Wir verließen Trakai in Richtung Vilnius, wo wir unser Hotel bezogen. Mir wurde nicht besser. Im Magen war es flau und der Körper blieb matt.      



Elk

Am 19. 07. fuhren wir dann dieselbe Strecke des Vortages noch einmal, hielten allerdings in Ostroda, wo uns Marcin erwartete. 15 Jahre älter und kein bisschen anders (im Habitus)! ;-) Wir haben die Stunden am See bei noch schönem Wetter genossen. Endlich ging es weiter zum  Tagesziel Elk in den Masuren. Unser schönes Quartier, den Alten Speicher (Bild oben) fanden wir problemlos. Er liegt der Stadt genau gegenüber und so bot sich uns ein tolles Panorama. (Bild Mitte)

Über die Schloss- Straße, vom Schloss war allerdings nichts zu sehen, gelangten wir schnell in die Stadt. Die Brücke (Bild unten) zeigt, der Ort, wo das Schloss oder die Burg hätte liegen sollen, ist in der Tat eine strategisch gut gelegene Insel. Da mag also was gestanden haben, aber wir fanden es nicht heraus. Elk selbst wirkt durch seine Lage, weniger durch das Stadtbild. Das hat sich erst spät herausgebildet, Typ "preußisches Landstädtchen" aus dem 19. Jahrhundert. Wie es früher aussah konnte man an einer Fotostrecke sehen, die mehrsprachig Ansicht und Sozialstruktur der alten deutschen Stadt vorzeigte. So unverkrampft kann Umgang mit Geschichte sein! Wir jedenfalls erreichten nach dem Stadtgang unser Hotel mit Müh und Not. Dann prasselte der Regen aufs Dach; wir allerdings saßen gemütlich im Gastraum und speisten - soweit ich mich erinnere - hervorragend. Am nächsten Tag allerdings war es wohl eine Bratwurst vom Vortag (jedenfalls schmeckte sie labberig und ich ahnte schon beim Essen, dass da was faul ist), die mir gehörig den Magen verdarb. Ich konnte zwar Auto fahren, es schmerzte nicht wirklich, aber ich wurde zusehends matter und matter. Na, nehmen wir an, es war ein ausrutscher des ansonsten tadellos geführten Hotels.