Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Dienstag, 22. Juni 2021

Schloss Wettin und der Petersberg

Klar, die nähere Umgebung sollte noch mehr zu bieten haben, als wir bei gelegentlichen Ausfahrten (meist allerdings nach Thüringen oder innerhalb Sachsens) bereits erkundet haben. Immerhin ist das Gebiet diesseits der Elbe frühes germanisches Eroberungs- und Kolonisationsterritorium und auch lange Zeit ein stark befestigtes Grenzgebiet gegen die Slawen. 

Trotzdem waren wir überrascht, auf dem "Petersberg" eine romanische Klosteranlage imposanter Größe vorzufinden. (Bild oben) Kein Wunder, handelt es sich doch um die älteste Grablege der Wettiner, also der Stammväter und -mütter der sächsischen und thüringischen Fürstenfamilien. (Bild zwei) Konrad hatte eine Schwäbin zur Frau, was meint, dass die frühen dynastischen Verbindungen nicht "aus schlechtem Hause" waren und sicher Geld gebracht haben, von dem sich dann das Kloster stiften ließ.

Ich mag romanische Kirchen - das stelle ich immer wieder fest. Die Schlichtheit des Hauptschiffes (Bild drei) finde ich überwältigend und die im Laufe der Jahrhunderte "ausgeleerten" Kirchenräume überzeugen, weil hier ein "Armutszeugnis" abgelegt wird, das natürlich nichts mit der Realität der Kirche, aber doch viel mit ihrem (besseren) Anspruch zu tun hat. Davon lasse ich mich immer wieder fesseln. 

Das eigentliche Ziel unseres Ausflugs war aber Wettin mit dem Stammschloss der gleichnamigen Dynastie. Schon des Öfteren war mir das Hinweisschild auf der Autobahn aufgefallen und ich wollte seit Langem die historische Wissenslücke schließen. Nun war es so weit, aber erst kam der Petersberg dazwischen, an dem ich fast achtlos vorüber gefahren wäre.

Und dann lag da noch eine der letzten erhaltenen Templer- Kapellen auf dem Weg. (Bild fünf) Da staunt der Laie! Die Templer hatten also Anwesen in ganz Europa und nicht nur in Frankreich, wo sie dann ihr Ende fanden. 

Das hiesige Dominium hat Konrad den Templern gestiftet. Ob er auch was dafür bekommen hat? Keine Idee. Die Kapelle ist jedenfalls gotisch und überzeugt ebenfalls durch ihren schlichten Innenraum (Bild drei), der heute für Kulturveranstaltungen genutzt wird. Ein paar Bemalungsreste finden sich ebenfalls. Über eine alte Wendeltreppe im Treppenturm an der Außenfront kommt man ins Dachgestühl, wo sich eine kleine Glocke findet. Ansonsten finden auf dem Gelände Ausgrabungsarbeiten statt. 

Wenige Kilometer weiter dann Wettin, das - wie der Rathausturm anzeigt - alte Stadtrechte hat. Noch heute gilt die Gemeinde Wettin- Löbejün als "Stadt" und hat sogar einen Stadt- Bus- Verkehr zwischen den weit auseinander liegenden Ortsteilen. Aber das interessierte uns weniger. Rund um den ansehnlichen Marktplatz, wo wir sehr preiswert und sehr gut zu Mittag gegessen haben, liegen historische Straßen mit alten Häusern, denen man ihr Alter nur z.T. ansieht, da viele irgendwann "modern" saniert und also verschandelt wurden. Man würde gerne sehen, was unter dem Grauputz zum Vorschein kommt, wenn sich jemand der Mühe unterziehen könnte. Aber das wird sobald nichts, denn der Leerstand zeigt an, wie es um die Stadt bestellt ist. Nichts los in Wettin, wo sich nur gelegentlich Besucher einstellen, die von dort auf Rad- oder Bootstour entlang der Saale gehen (vorletztes Bild).  

Die Burg Wettin ist nur noch in Teilen erhalten und in ihrer Ausdehnung nur zu erahnen. Sie zählt trotzdem zu den größten Burganlagen Deutschlands, wie stolz vermeldet wird, und beherbergt heute ein künstlerisch ausgerichtetes Gymnasium, an dem mächtig gebaut wird. Der Blick über die Saale- Landschaft ist atemberaubend.

Auf dem Rückweg gab es auch noch eine Überraschung. Kurz vor Löbejün im Ortsteil "Priester" (!) steht eine restaurierte Version der romanischen Dorfkirchen, an denen wir vorher vorbei gefahren waren. (Bild unten) Man hat also vor Jahrhunderten auch schon "standardisiert" gebaut, was übrigens auch das Kloster Petersberg anzeigt. Es erinnert sehr an einen romanischen Vorfahren des Doberaner Münsters! Insgesamt also eine interessante Ausfahrt an einem schönen Sommertag.    

16.06.2021 - Erste Radfahrt nach sechs Monaten

Nein, das ist noch nicht die Ostsee! Das sind geflutete Tagebaue auf dem Weg von Leipzig nach Delitzsch. Und - ja - man kann dort baden, was in den folgenden heißen Tagen auch von vielen Menschen rege genutzt wurde. Bei meiner ersten Ausfahrt nach so langer Zeit war es allerdings schon spät und ich habe nicht an den Badestellen z.B. des Schladitzer Sees fotografiert, sondern "unterwegs" an abgelegener Stelle.

Mit meinem Radelerlebnis war ich zufrieden. Zwar habe ich keine 50 km geschafft - ich wollte es ruhig angehen lassen - und auch das Tempo spielte keine Rolle, trotzdem bin ich mit einem 20er Schnitt und einer sehr ausgeruhten Herzfrequenz zu Hause wieder angekommen. Das war ok, denn so blieben mir Muskelkater und Krämpfe und das sonstige Theater erspart. Langsam habe ich mich an die sportliche Form herangetastet, ehe ich vor vier Tagen das erste Mal die "große 50-km-Runde" mit 22,7 km/h absolvierte. Gestern dann bin ich die 50 km auf den Deichen Richtung Halle mit 25 km/h gefahren. Ergebnis? Zufriedenheit (und einen aufgeriebenen A...sch! ;-)

 

Freitag, 18. Juni 2021

Nachtrag: 15.06.21- Heimfahrt nach Leipzig

Ich startete früh, weil ich Schlimmes befürchtete. Und so war es auch. Obwohl ich schon um 07.30 Uhr an der rumänisch- ungarischen Grenze war, empfing mich dort schon ein Stau. (Bild oben) Ok, dass um 08.00 Uhr Ablösung war, sollte eigentlich nicht bedeuten, dass von 07.45 bis 08.15 Uhr nichts mehr ging. Na ja, wer weiß, wieviel Protokolle die schreiben müssen...

Um 09.00 Uhr war ich dann endlich "drüben" und kam problemlos und schnell durch Ungarn und die Slowakei. Dort gab es nicht einmal eine Kontrolle. In Tschechien dann aber Stau ohne Ende auf den Autobahnen. An jeder Einengung wegen Baustelle - und es gab viele - kam es mindestens zu stockendem Verkehr, da die rechte Fahrbahn durch eine unendliche Karawane dicht an dicht fahrender LKW besetzt war, die dann in den zu engen Spuren an den Baustellen auch die "linke" Bahn blockierten. (Bild unten) Durch Prag brauchte ich auch ca. eine Stunde länger. So wurden es am Ende 1200 km ohne Pause in 14 Stunden. Ab Dresden tat mir dann doch Allerwerteste ein bisschen weh! 

Nachtrag: 14. 06. 21 - Fahrt über das Maramures nach Satu Mare

Ich hatte Zeit und also bog ich dieses Mal von der Hauptstraße in Richtung Baia Mare ab. Diese Strecke war ich einmal 2006 oder 2008 gefahren und ich erinnere mich ungern an den Horrortrip über die  kaputten Straßen und die daraus resultierende 6-stündige Verspätung, mit der Daniel und ich damals in Debrecen eintrafen...

Aber dieses Mal war alles anders. Bei herrlichem, nur gelegentlich durch Schauer unterbrochenen Sonnenscheinwetter fuhr ich über frisch renovierte und fast leere Straßen durch eine malerische Wald- (Bild oben) und Berglandschaft. (Bild unten) Wirklich schön. Ich war auf diese Weise etwa eine Stunde schneller als sonst und werde mir die Strecke merken. Wermutstropfen: Die Nähe zur ukrainischen Grenze brachte diverse Einwahlen meines Telefons ins fremde Netz mit sich, was wieder vollständig abgeräumte Konten sowohl des moldawischen als auch des deutschen Providers mit sich brache. Was für eine Beutelschneiderei!

 

Samstag, 12. Juni 2021

Abfahrt

Kurz bevor alle Sachen gepackt waren, kurz vor der Abwesenheits- Grundreinigung der Wohnung und kurz vor den letzten Überlegungen, was ich vergessen haben könnte resp. was wieder mal überflüssigerweise seinen Weg in die Koffer und Taschen gefunden hat, traf ich meine Kolleginnen zum Abschiedsessen. Ausdrücklich eingeladen waren dieses Mal die jüngeren Mitstreiterinnen, die sich denn auch das "Toro" seiner Terrasse und des Blicks auf Park und See wegen gewünscht hatten, dann aber doch nicht kamen. Das mag an dem Wetter gelegen haben, denn es goss nicht aus Kannen oder Eimern, sondern wirklich aus Kübeln. (Bild oben) Trotzdem ließ sich der "harte Kern" die Laune nicht verderben und so wurde es ein schöner Abend. (Bild Mitte: Angela und Aliona)

Am Freitag ging es dann los. Fahrt und Grenzübertritt waren angenehm. In Suceava angekommen, saß ich mit meiner Nachfolgerin auf der Stelle am NCPR und mit meiner Ex- Chefin Anca zusammen. Mihai war leider in Bucarest; warum Ramona nicht gekommen ist, weiß ich nicht. Egal.

Am Sonnabend traf ich Andra, die ihren Bachelow in Law in London gemacht hat und sich nun auf ein Erasmus- Jahr in Wien vorbereitet. Sehr nettes Gespräch mit der Überfliegerin, die einst beste Absolventin unserer Schule war und auch in London beste Studentin ihrer Uni (über alle Fakultäten hinweg) wurde und dafür gleich mehrere Stipendien erhielt. Trotz der drei Jahre London war ihr Deutsch immer noch ausgezeichnet. 

Abends dann Tanases in fröhlicher Runde. Auch heute werden wir - trotz erneut starkem Regen (Bild unten) gemeinsam Mittag essen. Um 16.00 Uhr treffe ich dann Serban, Ioana und Maria aus der 12b. Mal sehen, ob noch jemand kommt. Jedenfalls freue ich mich, dass "die Kleinen" mich sehen wollen. Am Montag geht es dann weiter nach Satu Mare, ehe ich am Dienstag bis Leipzig durchfahre, Die Corona- Regeln verhindern leider immer noch einen Aufenthalt in Ungarn oder der Slowakei. Schade...  

Samstag, 5. Juni 2021

Kindertagsnachfeier

Am 01. 06. war Kindertag. Sonst war es wohl ein Feiertag, aber am 31. 05. kam die Order: Dieses Jahr nicht. Und so war am 01. 06. auch nichts los, was ich beobachten konnte. Sowieso war es regnerisch und kalt. Aber heute, bei schönem Wetter, fielen mir die vielen Kinder- Tanzgruppen auf dem Afghanistan- Platz auf. Viel Publikum gab es allerdings nicht. Mir schien, dass im Wesentlichen die Eltern, Großeltern und Geschwister um die jungen Tänzerinnen (Bild oben) und Sänger (Bild unten) herum standen. 

Ein bisschen befremdlich für #meetoo gewöhnte West- Bürger das Outfit der Kleinen. Wie schon aus der Ukraine bekannt, bieten sie einen jedes Pädophilen- Herz erfreuenden Anblick, wobei nicht die nackten Mädchenbeine gemeint sind, die man im Vordergrund sieht. Hinter den jungen Sängerinnen, die- wie übrigens auch die Knaben - englischsprachige Karaoke- Pop- Songs zum Besten gaben, stehen die rosa gekleideten Mädels mit Strümpfen und Strapsen wie die kleinen N*tten, aber doch allerliebst anzusehen. Mir ist es ziemlich egal, weil doch ohnehin alles im Auge des Betrachters und dann in seinen Gedanken liegt, aber ich höre schon den Aufschrei meiner gender- gestählten künftigen Freiwilligen weiblichen Geschlechts...

Nachtrag: 31. 05. 21 Letztes Klingeln und Diplomübergaben

Am 31. 05. war letzter Schultag, d.h. die 10. und 11. Klassen gehen - wie auch die Grundschüler - in die dreimonatige Sommerpause. Die 9. und 12. Klassen haben jedoch noch bis Anfang Juli Abschluss- bzw. Abiturprüfungen. Aber das zählt für die Abiturienten schon nicht mehr zur Schule, weswegen sie wie in Rumänien mit den Roben mittelalterlicher Magister antreten. "Antreten" ist dabei wörtlich gemeint, denn wenn die militärische Disziplin auch nicht so hooch ist wie etwa in Polen, so ist das "letzte Klingeln" doch quasi- militärisch in Appell- Form organisiert. Apropos "organisiert": Noch am Freitag Abend war die Veranstaltung wegen Corona untersagt worden, aber niemand glaubte daran, weswegen die Schüler ihren Tanz auch am Sonnabend geübt haben. Allerdings war bis zum Schluss nicht klar, was in welcher Form stattfinden würde. Am Sonntag muss sich dann irgendetwas neu entschieden haben, denn wir sollten mal eben den ständigen Vertreter der BR Deutschland in Moldawien von 09.00 Uhr auf 08.30 Uhr umbestellen. Eigentlich eine Zumutung, aber Herr Kinne ist wohl Kummer gewohnt und kam um 08.30 Uhr.

Dann begann alles mit dem Einmarsch der Schüler/innen der 9. und 12. Klassen. Sie gingen dabei durch zwei Luftballon- Tore, von denen das Eingangstor in den Farben Schwarz- Rot- Gold, das zweite Tor in den moldawischen Staatsfarben geschmückt war. Nach der Nationalhymne und der Hymne von Chisinau und den üblichen Reden (Bild oben die Schulleitung, FBK Liesegang mit Marius, der die Rede übersetzte, und verdeckt im Hintergrund der Ständige Vertreter) löste dich die Veranstaltung nach ca. 1,5 Stunden (Kurzvariante- wie mir versichert wurde) in einen allgemeinen Tanz der Schüler auf (Bild drei). Vorher aber der Höhepunkt: Das letzte Klingeln! Wie in der Ukraine auch klingelt eine Erstklässlerin und wird dabei von einem Absolventen getragen (Bild zwei). Eine schöne Tradition, wie ich meine.    

Nach der Außenveranstaltung ging es zur Diplomübergabe in die Aula der Schule. Allerdings waren die Schüler/innen der 10. Klassen für 09.00 Uhr bestellt worden; als wir um 10.30 Uhr kamen, waren von den ca. 100 Diplomand/innen nur noch wenige da. (Bild fünf). Verständlich. 

Auf einen Kaffee bei der Direktorin haben wir dann verzichtet, denn um 11.00 Uhr war die Diplomübergabe an der russischen Schule (LT N. Gogol) geplant. Auch dort wartete eine Vertreterin der Deutschen Botschaft, was als Argument gelten konnte. Ansonsten sind die Schulen darauf erpicht, jeweils klar zu machen, wer hier die erste Geige spielt. Die Schulkonkurrenz, verstärkt durch die Sprachdifferenz und die daran festgemachten politischen Animositäten, ist ein bisschen grotesk. Am liebsten hätte jede Schule mit dem DSD ein Alleinstellungsmerkmal im Land und die Bestrebungen der ZfA neue Schulen zu gewinnen, werden nicht gerne gesehen. Ich stehe dann zwischen den Stühlen, da es für mich natürlich keine Präferenzen gibt.

An der "Gogol" (Bild unten: Frau Gockel von der Kulturabteilung, FBK Liesegang, Kollegin Zaharova und ein Diplomand bei deiner Dankesrede) ging es intimer zu. Der Bär "tobte" draußen auf dem großen Schulhof. Dafür waren hier auch die Kleinen von den vierten Klassen anwesend, die für ihre Ergebnisse in der ersten Internationalen Vergleichsarbeit Deutsch ausgezeichnet wurden. (Viertes Bild) Ich habe etwas gegen die Test- Wut und die Rolle, die Rankings hier spielen (die Schüler liefern sich groteske Kämpfe um die Zehntel- Stellen hinter dem Komma, die über Platz 1 oder 2 in der Klassen- und Schulwertung entscheiden), aber die Kleinen nahmen die Maske mit deutsch- rumänischen Fahnen und ihre Urkunden stolz entgegen. Wenigstens gibt es bei den Deutschen nur das Prädikat aufgedruckt und keine Punkte. 

Hier haben wir dann noch einen Kaffee getrunken und von einem jungen Deutsch- Kollegen, der gerade seinen Master macht, erfahren, wie die Lehrer- Förderung hier läuft. Für drei Jahre bekommen die angehenden Lehrer/innen richtig viel Geld als Anreiz. Dann fallen sie auf das normale Gehalts- Niveau zurück, meint, verlassen die Schulen. Man sieht, der Anreiz ist falsch gesetzt. Trotzdem hofft mein Chef, dass der junge Mann bleibt. Er wird demnächst alle Stipendien angeboten bekommen, die vom PAD für Lehrer- Weiterbildungen vergeben werden. Mal sehen, ob es hilft. 

Abends noch einmal essen, Dieses Mal in einem Nobelrestaurant gegenüber der Deutschen Botschaft. Es war auch Christine Gockels letzter Abend mit uns. Sie wird nach Hongkong versetzt und ich habe mit Interesse gehört, wie der Umzug von Botschaftsangehörigen organisiert wird und wie das mit den Katzen ist, die - wegen Tollwut - mehrere Monate gut und teuer betreut in Quarantäne müssen. Wenn das Opa Wilde hören könnte...

Nachtrag: 30. 05. 21 - Exkursion nach Puchari und Mimi (Nachmittag)

Auch das Weingut "Chateau Mimi" ("Chateau" bezeichnet, anders als etwa beim Weinkombinat "Cricova", das Recht, sortenreine Weine von einer genau bezeichneten Lage zu vermarkten und nicht etwa ein wirkliches Schloss), hat einen guten Ruf im Land. In der Tat ist das Hauptgebäude imposant und einem Schloss nachempfunden. (Drittes Bild) Angelegt hat das Weingut der letzte Gouverneur des Zaren, ein Herr namens Mimi. 

Auch hier natürlich Weinkeller, die allerdings - anders als in den anderen Gütern - keine wirklichen Keller sind, sondern extra belüftete und architektonisch gekühlte Lagerhallen im Erdgeschoss der Produktionsanlage. Dabei werden die frisch geernteten Reben oben eingebracht und zerkleinert und der Most rutsch mithilfe der Schwerkraft nach unten, ehe er alle Vorproduktionsschritte hinter sich hat und in Fässer abgefüllt wird, die dann 8- 18 Monate liegen, ehe das Endprodukt in die Falschen kommt. Allerdings verbindet mich mit "Mimi" wie mit "Cricova" eine herzliche Abneigung, im Falle von Mimi noch verstärkt durch die lächerlich bunten Aufmachungen der Weinflaschen. (Bild unten) Es gibt allerdings auch ein paar klassisch etikettierte Sorten, deren Flaschenabfüllungen mit vielen Gold- und Silbermedaillen geziert sind, die man trinken kann. Bloß sind sie - aus deutscher Sicht - ihr Geld nicht Wert. Freilich ist trinkbarer Wein wohl nirgends so billig wie bei uns, aber wenn ich schon 6- 12 Euro/ Flasche ausgebe, dann nicht für "Mimi", sondern für "Purchari". 

Davon ab ist die Anlage beliebt, repräsentativ und durch die Bepflanzung (Zweites Bild) auch schön anzusehen. Vor allem wegen der repräsentativen Kulisse zieht das Weingut es reiche Hochzeitspaare an, die hier ihre Mega- Partys zelebrieren. Wir konnten uns so eine lächerlich- geschmacklose "Zeremonie" von oben ansehen. (Bild oben) Warum geschmacklos? Nun, das Paar trat aus dem Inneren des Gebäudes durch zwei sich öffnende riesige Torflügel vor die versammelten engeren Verwandten und Freunde (die anderen Gäste feierten schon in einem angrenzenden großen Glas- Pavillon). Dazu spielte so eine Art Micky- Mouse- Musik im elektronischen Blechbüchsen- Stil, zwei Drohnen stiegen auf, um die Szene von oben zu filmen, rosa Luftballons wurden aufgelassen und das Kunstblumen- Tor wurde von Disko- Lichtern in den Farben gelb bis lila angestrahlt. Ok, danach wandte ich mich ab und schaute mir den Innenhof an, in dessen Zentrum ein "Grill- Ofen" (zweites Bild) steht, auf dem außerhalb der Corona- Zeiten traditionelle Gerichte zubereitet werden. Ganz hübsch. 

Wir fuhren dann zurück und auch dieser Tag klang in einem Restaurant in Chisinau aus. Ich glaube, für mich war es das dann. Die nächsten Male werde ich nur noch hierher kommen, wenn es Gästen etwas zu zeigen gilt. An Höhepunkten war das übrigens fast alles, was das Land zu bieten hat. Zwei Festungen muss ich noch erkunden. Mehr gibt es nicht zu sehen. 

Nachtrag: 30. 05. 21 - Exkursion nach Puchari und Mimi (Vormittag)

Fast am südlichen Ende des Landes, wenn man so will "kurz vor Odessa", liegt das alte, gleichwohl neu eröffnete Weingut "Purchari". (Bild oben) Ich war darauf besonders neugierig, kommen von hier doch meine Lieblingsrotweine. Nicht eben preiswert, Weine auf dem Preisniveau von Aldi, Lidl & Co. sind in diesem armen Land samt und sonders Essig- Abfüllungen oder Zuckeraufschwemmungen, sind die Weine von "Purchari" ohne Ausnahme von guter bis exzellenter Qualität. Es gibt auch Weißweine und Champagner (also wirklich handgedrehte Flaschengärungen).

Historisch ist "Purchari" berühmt als älteste Weinschule (seit 1827) des Zarenreichs. Hier lernten die Winzer dem Hof edle Weine nach französischem Vorbild zu verschaffen und irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts gab es die erste Goldmedaille in Paris. Die Kelleranlage geht jedoch auf einen Einsiedler- Mönch zurück, der hier schon im 15. Jahrhundert Wein für den Messgebrauch anbaute und einen Keller grub, der nicht nur konstante Temperatur, sondern auch eine ideale Raumfeuchte garantierte. Die stammt von einer Quelle, die am Ende des historischen Kellerraums entspringt. (Bild zwei)

Davon ab ist das Weingut heute stolz auf seine Modernität und die fortschrittlichen Produktions- Methoden. Man hat Wein im "barrique", versucht aber, diese teure Technologie (ein Fass ist nur 3- 5 Jahre brauchbar) zu ersetzen, indem man aus Italien Amphoren anschaffte (Drittes Bild), die - aus einem "atmenden" Tonmaterial gefertigt - gleichwertige Fermentierungsreaktionen garantieren, aber nachhaltig seien. Ich lasse mir das gefallen, solange die Weine so schmecken, wie sie schmecken.      

Insgesamt war der Besuch sehr lohnend, da ein schöner Freisitz mit Blick ins Land eine angenehme Atmosphäre garantierte. Das dort servierte Essen ta sein Übriges für Rundum- Zufriedenheit. 

Auf der Rückfahrt versuchte ich mit mehr oder weniger großem Erfolg ein paar Eindrücke vom "Land" (im doppelten Wortsinne) einzufangen. Leider verwackelten die meisten Bilder, denn die Straßen haben durchaus ukrainisches Format und man muss aufpassen, nicht in irgendeinem tieferen Schlagloch einen Reifen oder die Achse einzubüßen. Zwei derartige Reparaturen konnten wir unterwegs sehen.

Der Standard der Dörfer scheint mir noch ein bisschen übler als in der Ukraine zu sein. Vor allem stehen die Häuser nicht an der Straße aufgereiht, sondern bilden mit den Stallungen und sonstigen Wirtschaftsgebäuden ein ineinander geschachteltes Ensemble, dem man die Subsistenz- Wirtschaft ansieht. (Viertes Bild) Was man selbst produzieren und vermutlich auch mit Nachbarn austauschen kann, wird eben selbst hergestellt. Falls Moldawien jemals der EU beitreten sollte, wird überdies ein gigantisches Asbest- Entsorgungs- Programm fällig, denn die meisten Häuser sind asbestgedeckt. 

Ansonsten das übliche Straßenbild mit kleinen Kiosken, einer Unmenge von Vulkanisier- Buden und kleinen Hauswaren- und Lebensmittel- Läden. (Bild unten) 




 

Nachtrag: 29. 05. 21 Excursion nach Cricova Chateau Varthely

Der Chef hatte sich mit Familie und Freunden angesagt und Aliona organisierte die Exkursion durch die wichtigsten Weingüter des Landes. Den Anfang machte das Flaggschiff "Cricova" vor den Toren von Chisinau. Ehe es los ging, beobachtete ich allerdings die Schüler/innen der 12. Klassen vor dem Eingang des LT Kogalniceanu beim Einüben des Tanzes zum "letzten Klingeln". (Bild oben)
Dann kurze Fahrt nach Cricova, einem beliebten "Vorort" von Chisinau. Jedenfalls träumen alle meine Kolleginnen von einem kleinen Häuschen dort. Wohnen in Ruhe und doch nicht weit von der Hauptstadt. Anna hat es schon geschafft. Sie baut dort mit ihrem Mann ein altes Häuschen um und aus.

Die Attraktion des Weingutes natürlich der Keller. Die unterirdische Stadt erstreckt sich mit einem "Straßennetz" von 120 km unter der Erde. (Bild zwei) Wozu diese Riesenanlagen gut sein sollen, hat sich mir wieder nicht erschlossen. Anfangs habe man hier nur Baumaterial für die "Weiße Stadt" Chisinau gewinnen wollen. Bloß, warum unter Tage? Man hätte doch einen Tagebau anlegen können, um den Kalkstein zu brechen. Egal, nun ist man stolz auf den größten Weinkeller der Welt. 

Wie unten zu sehen, waren alle Lumpen dieser Welt (von Lukaschenko über Erdogan und ein paar asiatische Despoten bis Putin) schon da. Merkels Foto prangt an prominenter Stelle (viertes Bild) und natürlich hat sie - wie alle anderen - eine Jahrgangssammlung zum "Altern" hinterlassen, die ihr gehört. (Drittes Bild)

Leider folgt die Weinproduktion dem alten Kombinatsprinzip und entgegen der begeisterten Meinung aller Moldawier, mit denen ich bisher darüber sprach, ist das meiste untrinkbarer Schrott. Ein paar brauchbare Sorten habe ich allerdings auch schon gefunden.

Ganz anders "Chateau Vartely" in unmittelbarer Näher am Ortsausgang von Orhei gelegen. (Fünftes Bild) Die sanften Weinhänge vor den Toren machten einen sehr geputzten Eindruck und - anders als vor Cricova - gab es kein Unkraut zwischen den Rebstöcken. Der Inhaber des Gutes habe sein Fach in Deutschland gelernt, wurde uns stolz erzählt. Ansonsten gibt es französische Rebsorten und moldawische (Feteasca Negra und Saperavi). Leider fast alles Weißweinsorten und so endete mein versuch, mir einen teuren Geschenk- Rotwein zu leisten, im Desaster des Irrtums. Teuer war der in brauner Flasche abgefüllte Wein schon, bloß rot war er nicht. Ich hatte mich von der Flaschenfarbe neppen lassen. 

Das Gelände des Weingutes hat ein paar Attraktionen insofern, als es - wie eigentlich in allen Gütern, die wir besichtigt haben - Gästeappartements gibt, in denen Hochzeitsgäste und Gäste ähnlicher Großpartys für teuer Geld übernachten können. Immerhin waren sie hier originell insofern, als die Häuser den Baustilen einzelner moldawischer Regionen nachempfunden sind. Allerdings dem der Reichen- Häuser und nicht dem der Dorf- Katen. (Sechstes Bild)

Natürlich wurden wir wieder in den obligatorischen Weinkeller geführt, wo man sich davon überzeugen kann, dass der Wein wirklich im "barrique" gelagert wird. (Siebtes Bild) Nicole war ganz stolz auf ihren Ole, den alles interessierte und der genau wissen wollte, warum ein originales Holzfass (aus Italien oder Frankreich mit einem Kostenpunkt von 500 bis 1500 Euro) mit einem künstlichen Silicon- Stopfen verschlossen wird. 

Ich fand sehr stimmungsvoll und interessant das Zimmer für die Weinproben, in dem Weine aus allen möglichen Regionen der Welt gelagert und zum Vergleich angeboten werden. (Bild unten) Während das Südafrika- Regal so gut gefüllt war wie das aus Kalifornien, war im Slowakei- Regal gähnende Leere. Die Diskussion darum, was ich bekomme, wenn ich slowakische Weine mitbringe, war lustig, führte aber am Ende zu nichts. Man hat wohl seine eigenen Einkäufer. 

Insgesamt ein schöner Tag, der abends in einer Kneipe unweit des "Papirus"- Ladens (wie ich später erfuhr) ausklang.

Nachtrag: Das Schuljahr geht schon zu Ende

Ein bisschen Stillleben muss sein... Am letzten Freitag im Mai kamen Schülerinnen der 12 b, um sich zu verabschieden. Sie brachten die Blumen mit (siehe Bild), leider fand ich hier keine Vase und musste ein Gurkenglas nehmen :-( , und einen Gutschein von einem Schreibwarengeschäft. Ich denke, "Papirus" gehört dem Vater von Marius, der leider doch kein Stipendium vom DAAD erhalten hat, obwohl er gewiss ein kluger und aufgeweckter Kerl ist. Ich durfte also für 25 Euro einkaufen und unternahm das am letzten Mittwoch. Allerdings suchte ich den Laden eine gute Stunde lang, weil das Internet- Foto ein großes Geschäft suggerierte. Aber dann fragte ich doch in dem kleinen kleinen Laden an der Ecke nach und siehe, es war das "Papirus". Mit Kreide für die nächsten 5 Schuljahre, Druckerpapier und jeder Menge Korrekturstifte ausgerüstet schlich ich dann wieder nach Hause. Nach einer Stunde Fußmarsch tat mir dann doch das Kreuz weh. Aber egal. Danke an die Klasse!