Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Sonntag, 31. Mai 2015

Rad kaputt

In der Stadt ist was los. Am Freitag Abend fand in diesem originellen Tragluft- Zelt Theater statt. (Bild oben) Aber ich schaute nur ein bisschen zu und ging dann doch weiter. Zu viel Text und zu wenig Spiel. Aber auch andernorts sind Bühnen montiert und werden Skating- Hindernisse aufgebaut. Heute wird wohl volles Programm sein...

Mir war wichtiger, endlich wieder Sport machen zu können. Das Wetter war super und also rauf auf's Rad. Doch - o weh - meine Strecke war wegen eines Motorrad- Rennens gesperrt. Von weitem brüllten die Motoren und ich fragte mich, wer so was braucht, aber es war viel Publikum da. Ich wich über das Cermel- Tal nach Alpinka aus und probierte dort ein paar neue Wege, die nicht eben erquicklich waren, aber schöne Aussichten boten. (Bild zwei)

Endlich nahm ich einen der ausgeschilderten Radwege und konnte gut bergauf fahren. Oben führte der Weg über die (gesperrte) Straße weiter zum Ski- Lift. Ich nahm (leider) einen anderen Abzweig, von dem ich schon wusste, dass er ins Tal hinab nach Bela Kosicka führt und von dort aufsteigt zu dem zweiten Asphaltweg im Tal. Von dort kann man zurück fahren. Der Weg (drittes Bild) war an sich schön und zeigte die Berge, die ich sehe, wenn ich auf der Straße zum Stausee fahre, aus einer anderen Perspektive (Bild vier).

Leider führte er aber auch einen kurzen Teil über Stock und Stein
durch den Wald. (Bild fünf) Ein Stock war es denn auch, der sich bei ziemlicher Geschwindigkeit in der Schaltung verfing und diese in die Speichen meines Rades drückte. Die Speichen hielten! Leider war dadurch der Druck so groß, dass es den Schalthebel aus seiner Verankerung im deformierten Rahmen riss. Das Rad ist hin! (Bild unten) Ich hatte 20 km vor mir, schob den Bock den Berg hinauf und ließ ihn dann herunter rollen. Als Roller benutzte ich ihn auch auf dem letzten Stück bis nach Hause. War fünf Stunden unterwegs und ging dann frustriert in die Kneipe. Kollege Remmer de Boer, ausgewiesener Fahrrad- Fan und Schrauber bestätigte, was ich schon ahnte: Ein Neuaufbau mit Ersatzrahmen wird teurer als ein Neukauf, zumal man exakt den passenden Rahmen bekommen müsste, da sonst Bremsen, Schaltungen usw. nicht passen. Schade!

Was nun? Ich werde heute mein gutes Stück auseinander nehmen und alles retten, was als Ersatzteil später verwendbar sein wird. Dann schaue ich mal, was es so zu kaufen gibt. Gute Räder fangen so bei 500,- Euro an und dieses Mal sollte ich mir vielleicht ein gutes Rad leisten. Ich bin ja noch ein Jahr lang hier und werde sicher auch später weiter trainieren. Vielleicht ist das also nicht mal so schlimm- aber ein fast komplett funktionstüchtiges Rad wegwerfen zu müssen, das nervt mich!





Übergabe der Sprachdiplome

Am Freitag dann die Übergabe der DSD II- Diplome im Goethe- Lesesaal der Stadt, der passenderweise eine Ausstellung zur "Kunstperiode" zeigte. Stimmungsvoll umrahmte dieses Mal die von Michael Oberhaus aus der Taufe gehobene Schülerband der Srobarova den Festakt. (Bild oben) Mit dabei alte Bekannte vom letzten Film- Projekt: Matus spielte Gitarre (auf dem Bild oben in der Mitte), Andrea und Daniela (zweites Bild) sangen zur Gitarrenmusik deutsche Texte. Michael selbst stand im Hintergrund an den Drums.

Die Botschaft war dieses Mal nicht vertreten; der Honorarkonsul sprach nicht mit den Lehrern und ließ sich über die Kulturabteilung entschuldigen. Mich hätte es sehr gewundert, wenn so ein "hoher Herr" und auch noch Professor der hiesigen Technischen Universität Angehörigen von Schulen die Ehre gegeben hätte. Es ist halt wie überall im Osten. So mussten meine Chefin (auf dem zweiten Bild links am Bildrand) und Michael in seiner Eigenschaft als Fachschaftsberater die Festrede übernehmen und das ging auch.



Im Anschluss an die Reden und die Musike wurden die Diplome übergeben. Zum letzten Mal hatte ich den dominanten Part zu spielen und insgesamt 26 Mal Schülerinnen oder Schüler aufzurufen. So viele Diplomanden wird es im nächsten Jahr nicht mehr geben und "meine Schulen" werden im Trend angekommen sein und wie die anderen vielleicht noch 10- 12 Absolventinnen auszeichnen können. Für mich bedeutet das wersentlich weniger Korrekturaufwand, ist aber trotzdem schade. In diesem Jahr also einen großen Dank an alle diejenigen. die es dann doch probiert und am Ende geschafft haben. Im Bild unten meine Lieblinge von der VIII OA. Vor zwei Jahren hätte ich nie gedacht, dass mir die um 07.10 Uhr (!) gelegenen Stunden mit Lukas, Livia, Josef, Richard und Martina (von.hinten links nach vorne rechts) fehlen werden. Rasti (vorne links), Dominik und Samuel (hinten) waren da schon nicht mehr dabei. Alle haben mich mit einem Notizbuch und einem Kugelschreiber "für den besten Lehrer" beschenkt und ich freute mich. Danke Mädels und Jungs! Macht was aus eurem Leben!

Leider kann man nach der Feierstunde nicht mit "seinen Kleinen" noch mal in eine Kneipe gehen, weil das Essen für Kolleginnen und Direktoren im "Colonial" aufgetragen war. Ich hatte dort Spaß mit Ervin Schmotzer und den Kolleginnen von der GS Medzev. Ein schöner Tag. 

Samstag, 30. Mai 2015

Letzte Tage in Kiew und Rückreise



Nach dem ganzen Trubel, am Nachmittag des Finales wurde ich in den Kreis der ZfA- Kolleginnen geladen und verlebte noch einen schönen Nachmittag, am Abend traf ich Viktor, Lena und Mira aus Chernivci und Ivano- Frankivsk, den Abend vorher war ich mit Olga, Dascha, Luda und Ira (Bild oben) ebenfalls bis spät in die Nacht zusammen, tat Erholung wirklich Not. Ich bekam langsam Probleme, den Debatten zu folgen und mich an das zu erinnern, was ich gerade gesagt hatte. Den Kredit, den ich mir dennoch durch mein Auftreten in den Halbfinals und dem Finale erworben hatte, wollte ich keinesfalls verspielen. Auch schien es mir wenig attraktiv, völlig übermüdet in einen Unfall auf ukrainischen Straßen verwickelt zu werden...

Da tat der Abschied von der Großstadt gut und die abendlichen Spaziergänge im von früher her bekannten Birkenwäldchen waren sehr entspannend. (Bild zwei) Ich nahm dann Abschied vom Debattentraining und bewegte mich am Sonnabend in Richtung Sil', dorthin also, wo Kollegin Kiesewalter auch in diesem Jahr ihren Sprachkurs veranstalten will. Leider kann ich nicht teilnehmen, aber vielleicht fahre ich noch einmal zu Besuch in das unweit der Grenze gelegene Kaff, dessen Hotel "Edelweis" nicht halb so schick ist wie das "Tirol", in dessen Restaurant man wirklich lecker speisen kann (drittes Bild). Eine Anregung für die Kollegen? Mal sehen...

Sonntag war auch noch Zeit. Ich war schon dicht an der Grenze und da niemand auf mich wartete, konnte ich noch ein paar Schritte in die Berge gehen. Über das in Erschließung befindliche Baugelände des "Tirol" viertes Bild) ging es einen  nassen Waldweg bergan (sechstes Bild), der aber bald auf einen über Felder und Wiesen wieder zu Tal führenden Weg stieß (Vorletztes Bild), der doch wirklich einen Bogen machte und mich über das Dorf (Bild unten) und seine Feld- und Wiesenidylle (nie wollte ich dort wohnen!) zum "Tirol" und meinem Auto zurückführte. (fünftesBild ) Zwei Stunden später war ich dann schon zu Hause und sollte mich wiieder an den Schulalltag gewöhnen...

Überhaupt hatte ich nur fahren können (mit Dienstauftrag der ZfA), weil an meinen Schulen das Abitur stattfand. Ich hatte also nichts zu tun. Das machte auch die vergangene Woche angenehm, denn ohne Abiturienten entspannte sich das Programm doch merklich. Ich hatte Montag bis Mittag Zeit und auch am Donnerstag gab es nur zwei Stunden. Zwischendurch nahm mich allerdings die Vorbereitung auf die Sprachwoche am Sirava (nächste Woche) und auf das Projekt "Masken und Spiegelungen" in Anspruch (letzte Juni/ erste Juli- Woche). Man hat halt zu tun und muss zusehen, nicht allzuviel Selbstausbeutung im Namen der eigenen Interessen an solchen Arbeits- und Ergebnisformen zuzulassen. Wenn ich allerdings das Fazit meiner Han- Lektüre »Der Kapitalismus liebt die Stille nicht» (Byung-Chul Han) auf mich beziehe, muss ich sagen, dass ich doch immer wieder Zeit für Stille und Sport in der Natur finde. Siehe oben! ;-)

X. Landesfinale JDI in Kiew

Die Halbfinals zum Thema "Soll in der UA eine staatliche Krankenkasse eingeführt werden?" waren nicht so doll. Mir schwante Böses, denn das Finalthema lautete: "Sollen in der UA extremistische Parteien verboten werden?" Ist das ein Thema für 16Jährige wenige Tage nach der Unterzeichnung des Gesetzes zum Verbot kommunistischer und nationalsozialistischer Symbole und der Verbotsdiskussion um die KPU? Ich hatte mir entschuldigende Sätze zurecht gelegt, konnte sie dann aber nur in ein dickes Lob ummünzen. Schon nach den ersten Sätzen wusste ich: Das wird die beste Finaldebatte, die ich je erlebt habe. Und sie wurde es! Diese Namen wird man sich merken müssen: Valeria Djachuk, Inna Lobazova, Polina Chernoivan und Vitalina Nizhynska (Bild unten) haben zum 10. Jubiläum des Wettbewerbs vor ca. 250 Gästen (u.a. dem deutschen Botschafter - Bild oben) Unglaubliches geleistet. Glückwunsch an Vitalina (Siegerin) und Valeria (Zweitplatzierte), die nun die Ukraine beim Internationalen Finale in Riga vertreten werden. Ich wünschte, Bundestagsdebatten wären so konstruktiv und so zielorientiert!
 
Jedenfalls hatte ich eine angenehme Aufgabe, gemeinsam mit den Juroren (zweites Bild) die Leistungen der Debattantinnen zu würdigen. Dabei erhielt die Kollegin aus Donezk (rechts im Bild) donnernden Applaus für ihre Reiseodyssee, die mehrere Tage in Anspruch nahm, Zeit und Nerven kostete (Passierscheine!) und nicht ganz ohne Risiko war, die sie aber trotzdem unternahm, damit auch Donetzk bei diesem ukrainischen Finale vertreten ist! Hut ab Viktoria! Gemeinsam mit den Vertreterinnen der Deutschen Botschaft, der ZfA, der Klitschko- Stiftung, der Hertie- Stiftung und des Goethe- Instituts (v.l.n.r.) konnte ich dann die Siegerin auszeichnen und die Finalistinnen beglückwünschen. (Bild unten) Sehr schön, dass die Organisatoren zusätzlich auch die Dritt- und Vierplazierte mit der Teilnahme am Landesfinale Polen auszeichneten. Sie haben es verdient, denn diese Debatte war nicht nur inhaltsreich, sie war auch geprägt von einem unheimlichen Teamgeist; jede trug zum Gelingen bei und dachte dabei mehr an die Sache als an den eigenen Sieg. Eine feine Lehrstunde in Demokratie, die dieses Land so bitter nötig hat! 





Kiew im Mai

Ich reiste am 15. 05. bis Lviv, traf mich mit Marta, und fuhr am Sonnabend, dem 16. 05., weiter nach Kiew. Abends noch traf ich "meine Truppe" vom Anfang der 2000er; mit Olga, Lubchen, Vika und Julia waren wir oft unterwegs und so gab es viele Erinnerungen an den 1. Mai bei Julia auf dem Dorf usw. Aber natürlich spielte die Gegenwart mit ihren Zwängen auch eine Rolle in unseren Gesprächen. Ljuba, eine Woche zuvor von der Krim angereist, berichtete vom Leben dort. Während es den alten Eliten ukrainischer Verwaltungsbeamter, die nicht in den neuen Staatsdienst übernommen wurden, schlecht gehe und viele Menschen, die in privaten Firmen, die jetzt in die UA abgewandert sind, arbeitslos wurden, stehen sich Lehrer, Polizisten und andere beim russischen Staate Beschäftigte besser als vorher. Die Reisebedingungen seien allerdings mies und sie saß "auf Abruf" bei ihrer Familie, bereit, die nächste sich bietende Mitfahrgelegenheit zu nutzen. Olga sprach von den neuen Formen der Korruption und der Bereicherungssucht auch ehemaliger Maidan- Aktivistinnen, die sich nun in diversen Beschaffungsfirmen für Militärausrüstung eine goldene Nase mit dem kalkulierten Tod der ukrainischen männlichen Jugend verdienen. Das empörte auch Dascha, die an Stelle von Vika, die ihrer Tochter wegen nicht kommen konnte, mit im Kreise saß. Sie ist sowieso eine militnte Gegnerin aller Hetze und Propaganda...

Am Sonntag gab es dann eine ganztägige Jurorenschulung für die Begleitlehrer der jungen Debattantinnen, die am X. Landesfinale JDI in Kiew teilnahmen. Das war der Job, um dessentwillen ich vom Goethe- Institut nach Kiew geladen war. Am Montag hatten die Debattantinnen den Vormittag Zeit zur Vorbereitung auf die Halbfinals und ich nutzte die Gelegenheit, mal wieder ein bisschen durch Kiew zu spazieren. Von meinem Hotel "Podil Plaza" ging ich über den Kontraktova den Andriyevskiy hinauf und bestaunte die historisierend- blöde Lückenbebauung in der einzigen noch halbwegs ursprünglichen historischen Straße Kiews. (Bild oben) Bebauungsverdichtung ist eben ein (kapitalistisches) Prinzip der Kapitalisierung von Baugrund; da spielen Denkmalsschutzgründe keine Rolle. Immerhin vergreift man sich (noch) nicht an der Andreaskirche. (Zweites Bild) Das im gleißenden Sonnenicht strahglende Michaels- Kloster (Drittes Bild) ist ja auch ein Neu- Nachbau des unter Stalin abgerissenen Originals. Ein Gewinn für die Stadt, ohne Zweifel.  

Hinter dem Michalivskiy kann man auf das linke Ufer und die Trufanov- Insel schauen. Sofort fallen wieder neue Hochhäuser und gigantische Brückenbauten auf. (Bild vier) Brücken braucht die Stadt, "grüne Lungen" auch. Da ist es schade zu sehen, wie die einst ziemlich naturbelassene Trufanov- Insel von den Brücken- und Straßen um immer neue Teile beschnitten und im Strandbereich "mondän" ausgebaut wird. Manchem Kiewer wird bei solchen Gegensätzen von Tradition und Moderne in der Tat der Kopf schwirren. (Bild unten- Hauswandbemalung am Fuße des Andreas- Steiges) Mit Ukrainer- Hemd und Samsung S 6 rein in den SUV und das Naturschutzgebiet in den Karpaten kaputt gefahren, um dann am Lagerfeuer ein traditionelles Shashlyk zuzubereiten und 'ne Flasche "Wässerchen" drüber zu leeren. Widersprüchlichkeiten der Moderne...

Sonntag, 10. Mai 2015

Ein 9. Mai in Ivano- Frankivsk und am Hoverla

Juri hatte schon alles geklärt. Wir fahren zum Hoverla! Ski- Fahren? Ohne mich! ;-) Na gut, dann fahren wir Fahrrad. Nee, das wollte ich auch nicht. Den Hoverla im Schnee? Das wollte ich sehen und machen. Sergej und Juri sollen doch ruhig per Ski abfahren, ich steige dann eben runter. Gesagt, getan. Außer uns fuhren noch Serjoschas Tochter und der Schwiegersohn in spe mit. Echte Profis, die im free riding an Ukraine- Meisterschaften teilnehmen! Auch ein älterer Kollege von Juri wollte mit und so fuhren wir mit zwei Autos. Elena wollte und konnte uns leider nicht begleiten. Nach einer Krebs- Operation und diversen Bestrahlungen fühlt sie sich zu schwach. Schade. Sie machte so einen guten Eindruck und ich hatte gehofft... Aber Krebs ist Krebs. Da darf man sich nicht überanstrengen. Ich drücke ihr die Daumen!

Bevor wir abfuhren, lugte ich zum Heldendenkmal, das unweit von Juris Wohnung liegt. Die Polizei war da und bewachte das Geschehen. Sonst aber geschah nichts. Eine einzige gebeugte alte Frau in schwarzen Kleidern stand vor dem Denkmal und legte Blumen nieder. Wie anders war das früher in Sewastopol, wo ich immer das Miteinander der Generationen bis zum Urenkel/ zur Urenkelin bewundert habe! Die Traditionen sind wirklich andere. Und doch: Warum müssen sich die Veteranen nun in einem Landesteil ihrer Vergangenheit schämen? Als Feiertag wurde der Tag durchaus begangen, wie ich dann sah. Überall Ukrainer- Hemden und Fahnen. Keine direkte Bezugnahme auf die "andere Seite" der Geschichte, aber hier und dort doch symbolische Handlungen, die eindeutig sind. So lag am Denkmal für die 14 dort erschossenen ukrainischen Patrioten, das Denkmal steht vor der Synagoge und erinnert nicht an die 40 000 deportierten und ermordeten Juden(!), ein Blumenstrauß mit galizischer Kokarde. Man schluckt. Und doch: Insgesamt sah ich an diesem Tag zwar jede Menge ukrainische Fahnen, aber keine einzige (!), wirklich: keine einzige galizische (UPA-) Fahne! 

Doch. Das freute mich. Es sind kleine Zeichen, aber es sind Zeichen! In den Dörfern dann festlich gekleidete Menschen. Aber keine einzige "Heldenbrust" sah ich. Die Veteranen gehen nicht mehr mit den sowjetischen Orden auf die Straße. Es ist zu russisch! Was für ein Blödsinn, aber so ist es. Stattdessen trugen die jungen Menschen Ukraine- Fahnen auf den Hoverla und banden sie dort an Stöcke, an Eisengitter usw. Aber - auch hier - keine einzige galizische Farbe! Es ist Patriotismus in den Farben der Ukraine und nicht in denen der extremen Kräfte vom rechten Rand. Erst ganz am Schluss, beim Abstieg, sah ich eine verstörende Szene. Da rasteten junge Männer in Uniformen, die mir zum Soldatendienst zu jung erschienen, aber Kalaschnikows trugen. (Bild ganz unten) Ein Offizier mit rotem Barett stand daneben- auch er blutjung. Spielen die Krieg, oder sind die "Bergschützen"? Wie dem auch sei. Die haben auf einem Touristenpfad nix zu suchen!

Aber davon ab. Unser Ziel hieß Hoverla, mit 2060 Metern der höchste Berg der Ukraine. Früher war er polnisch, in Sichtweite die ehemals tschechische Grenze. Juris älterer Kollege hatte einige Anekdoten parat, was da oben während des WK I alles passiert sei. Im Wesentlichen liefen sie darauf hinaus, dass man die schmale Verpflegung teilte, weil da oben vom Hass da unten noch nicht viel angekommen war. Berge als Gleichnis?

Naja. Sonst war es wie immer. Der Schnee hatte sich doch schon verzogen und es war für Juri keine komplette Abfahrt möglich. Auf Höhe des Wasserfalls endete die geschlossene Schneedecke. Von den Eisfeldern wehte kalte Luft herüber, aber der Sonnenschein heizte auch tüchtig ein. So konnte ich in semiprofessioneller Kleidung, Juri hatte seinen Sportschrank ausgeräumt und Serjoscha spendierte die Wanderschuhe, mühelos den Aufstieg meistern. Juri (viertes Bild von unten) stieg in Ski- Schuhen auf! So was hatte ich vorher noch nicht gesehen! Er behauptete, das ginge gut. Und wirklich, auf dem letzten Teil des Abstieges war er der Schnellste. Ihn wurmte doch, dass ICH als erster oben war! ;-) Aber am Ende waren wir quitt. Er hatte im selben Knie Schmerzen wie ich und stieg sehr steif aus dem Auto aus. Zwei alte Männer in Freundschaft am Berg! Lach! :-)

Schade. Ich konnte nicht sehen, wie er oben in weiten Schwüngen den Berg hinab fuhr. Das Schneefeld lag etwas verdeckt vom Gehweg. Aber die Bilder beweisen, dort oben lag noch genügend Schnee. Serjoscha hatte einen anderen Weg gewählt. Er hatte Glück, da hinter ihm eine Wächte abrutschte. Sie hätte ihn auch mitnehmen können! Das sind die Unwägsamkeiten des free riding. Mich wunderte es, denn beim Radfahren ist Juri der Hazardeur und Serjoscha betont immer, er habe "Frau und Kind". ;-) Aber beim Skifahren ist es wohl anders.Vieelleicht, weil der Vater vor der Tochter nicht "feige" sein darf. Ukrainische Männer sind, wie sympathisch auch immer, doch ukrainische Männer!


Egal wie. Es war ein wunderbarer Tag und Muskelkater gehört dazu. Freilich, meinen großen Zehnagel habe ich wohl auch eingebüßt, da Serjoschas Schuhe eine Nummer zu klein waren und daher den Druck auf den Zehnagel direkt weitergaben. Aber was soll's? Der wächst nach! ;-) Dafür stand ich mal wieder oben am Gipfeldenkmal! (Drittes Bild von unten) Der Eindruck täuscht. Ich sehe irgendwie verbissen aus, das muss die Sonne sein. Aber gerade ihretwegen wurde es ein so wunderbarer Tag. Und wegen der Freundschaft, die in den selbstverständlichen kleinen Gesten sich ausdrückt: Da kriegt man Schuhe, weil die eigenen Jogging- Schuhe für untauglich befunden werden. Da packt Juri das Butterbrot aus und natürlich hat Elena für mich mitgeschmiert. Der ältere Kollege teilt sein Mars, man lacht, erzählt und ist fröhlich. Alle freuen sich, das ich da bin. Wie sollte ich mich nicht freuen? Gerade das macht den Unterschied zur Slowakei, aber auch zu Deutschland. Man ist bei uns freundlich; herzlich ist anders. Fragt noch jemand, warum ich mein Leben mit Osteuropa verbunden habe? Ja, das habe ich. Und ich bedauere es nicht!










Ivano- Frankivsk vom Fluss aus gesehen

Der Vormittag war ruhig und sonnig. Ich hatte noch Zeit und ging vom Heldenpark aus zum Fluss, an dem ich - ich gestehe es ungern - früher eher selten war. Warum eigentlich? Wie schön die nahe Umgebung von Ivano ist! (Bild oben) Ganz naturbelassen, nur an den Rändern gegen Hochwasser eingedeicht, sieht das Flussbild natürwüchsig aus! Ich beobachtete Störche und Reiher. (Zweites Bild) Man kann ein paar Stunden dort spazieren gehen...


Aber alles ist eben auch vernachlässigt. Industrieruinen prägen das Bild längs der Schienenstränge. An den Stadt- Randgebieten sieht man, wieviel zu tun ist. (Bild drei- Busstation vor einem vergamnmelten Park) Das Land braucht Frieden, Hilfe, Kreativität und Optimismus. Das Land braucht Straßen, die den Namen verdienen. (Bild vier, fünf und Bild unten) Die Menschen brauchen Gehälter, von denen man leben kann. Meine Kolleginnen stritten ein bisschen, weil die eine ihren Verdienst mit 150 Euro/ Monat angab, was die anderen beiden aber nicht erreichen. Rentner haben immer noch nicht mehr als 60- 100 Euro! Und es mangelt an Perspektiven für die Jugend. Beide Töchter der Freunde sind in Deutschland; eine wird dort heiraten. Von "meiner Clique" ist Julia schon länger in Litauen und Taras setzt seine Hoffnungen auf die USA. Wer kann, geht. Wohin soll das führen?

Aber, so die übereinstimmende Meinung aller meiner Gesprächspartner: Es ist eben ALLES wieder wie früher. Die Korruption blüht und an die Ukraine denken die Menschen bloß mit den Sprechblasen der Propaganda. "Slawa Ukraina!" - "Heroem Slawa!", aber selbst nicht mal Steuern zahlen! Man kauft sich vom Wehrdienst frei, kauft Jobs, kauft Abschlüsse, kauft einen Operationstermin... Wann wird der Stolz auf die eigene Leistung diese hohlen Phrasen verdrängen, die niemanden satt, keinen glücklich (aber Viele unglücklich) machen? Das Land ist groß und die Menschen sind doch gut. Sie müssen sich die Chance, es auch leben zu können, erst noch erkämpfen.Es braucht einen neuen Maidan, einen wirklich Volksaufstand mit sozialen Zielen! Die Phrasen stören nur...

Was es Neues gäbe?- fragte Vita. Katastrophen? Was ist schon eine Katastrophe? - Aber dann benannte sie die wirkliche Katastrophe: "Wenn einer den Brief bekommt. Wenn am anderen Morgen die Nachbarin weint und der Junge weg ist, den du seit der Schule kennst. Das ist eine Katastrophe!" Und dann erzählen sie mir, dass nicht einmal die Entschädigung des Staates für ein im Kampf gefallenes Familienmitglied bei den Familien ankommt. Auf dem Einberufungsbefehl stehe unten ein großes "F" für "freiwillig", obwohl es doch ein Gestellungsbefehl des Staates ist. Niemand habe das ernst genommen, erst langsam begreifen die Betroffenen, dass sie auch mit dem "Heldentod" betrogen wurden. Auch hier zeige sich das Vaterland für den Einsatz des Lebens seiner Bürger nur in der Propaganda erkenntlich; in Wirklichkeit fehlt der Sohn, der Vater, der Mann und der Ernährer. Es fehlt die erhoffte Rentenversicherung der Eltern, die Sozialversicherung der jungen Mutter, die Hoffnung des Kindes. Dafür gibt es viele Plastikblumen und falsche Kränze mit hohlen Sprüchen auf dem Heldengrab. Was für ein Elend! Immer und immer wieder- nicht nur in der Ukraine!   




Besuch bei Freunden: Ivano- Frankivsk

Am 07. Mai ist für die Abiturienten in Kosice letzter Schultag und die anderen Schüler haben (aus mir unerfindlichen Gründen!) Wandertag! Ich bin also entbehrlich und nutze das lange Wochenende zum Besuch in Ivano- Frankivsk. Da alle anderen arbeiten müssen, habe ich am 08. morgens ausführlich Zeit, mir mal wieder in Ruhe die Stadt anzusehen. Das Bandera- Memorial (Bild oben) ist also fertig (hässlich in der Ikonografie und der Perspektive auf einen tristen Betonblock!) und enthält nun im Museumsteil unter der kahlen Betonscheibe (warum kriegen diese Helden nie ein bisschen Grün und Blumen?) eine geglättete und geschönte Heldengeschichte, der die Freiwilligen der Bataillione nacheifern...

"Gott mit uns" steht auf dem Abzeichen von AIDAR. (Bild unten/ Grabbild)  Aber mit wem ist der eigentlich? Zuerst war's der Schlachtruf Gustav Adolfs, der in Lützen fiel, dann der derjenigen, mit deren Niederlage bei Poltava (gegen Russland!) Schwedens große Zeit endete. "Gott mit uns" begleitete den Aufstieg Preußens (incl. der Niederlagen gegen die Russen im Siebenjährigen Krieg) und den zweimaligen Niedergang Deutschlands 1918 und 1945 (u.a. gegen Russen!). Und nun ist auch dieser junge Mann von seinem Gott verlassen worden und seine Knochen ruhen ohne Sieg und Gloria neben den Heldengräbern von Banderas UPA- Kämpfern im Memorialkomplex von Ivano- Frankivsk. (Bild unten) Neben ihm weitere seiner Kameraden. Und es ist noch viel Platz auf dem alten polnisch- deutschen Friedhof hinter dem Hotel Nadia... 

Ich wünschte, es würden künftig dort mehr Blumen wachsen! Aber dazu müsste man vielleicht mal mit dem Quatsch aufhören, für jeden Blödsinn gleich den lieben (?) Gott zum Landsmann zu machen! Manchmal hilft auch Bibel lesen: "Werde sein (Gottes) Freund und halte Frieden! Nur dadurch kommt das Gute dir zu. Hi 22,21" Für die neuen Helden auf dem Friedhof käme eine solche Einsicht zu spät. Leider!

Mittwoch, 6. Mai 2015

Subotica

Wieder einmal bei Berta und Alfred zu Besuch. Wie immer gab es leckeres Essen und der gute Wein floss in Strömen. Keinen Abend gingen wir vor 22.00 Uhr ins Bett. Gute Gespräche. Sonst nichts Neues. Am 01. Mai waren wir mit dem Rad in Palic, wo uns ein Volksfest "sozialistischen Zuschnitts" (mit Rummel, Grillwurst usw.) erwartete. Massen von Menschen! Alfred wurde mehrmals erkannt und einmal erhielt der "verehrte Lehrer" Freibier (ich auch!). Abends mit Fachberater Menrath, der ein gebürtiger Bosnier ist, in einer Ethno- Salasz. Die Musik a la Ederlezi war exzellent! Das Angebot Alfred noch einmal auf einer Stelle zu beerben und also in Subotica zu arbeiten, hat etwas Verlockendes. Mal sehen, vielleicht komme ich darauf zurück. ;-) Leider konnten wir den schmucken Garten (Bild) nicht nutzen, da es am 02. 05. regnete. Aber egal. Es war ein schönes Wochenende. Auf der Rückfahrt schaute ich bei Zsuzsi rein, die sich gefreut hat. Sollte ich öfter tun! :-)