Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 14. Juni 2010

Halicz

Auf der Rückreise von Lviv (Lemberg, als Leonberg nach dem Sohn des Danilo von Halicz/ Galizien benannt und von Lew- Löwe - abgeleitet) nach Ivano- Frankivsk gönnte ich mir einen Abstecher zum Museum, das am Ort des historischen Fürstensitzes errichtet wurde und das ich vorher nie besucht hatte. Erstaunlich, dass die Anlage, die immerhin deutliche Spuren eines einst mächtigen Walls zeigt (oder wurde der nachträglich wieder aufgeschüttet?) und Fundamentreste einer Klosteranlage birgt, erst Mitte der 30er Jahre ausgegraben wurde.

Ob das nett anzusehende Museumsgebäude Fundstücke oder nur eine Ausstellung präsentiert, konnte ich nicht erkunden, da es geschlossen war. Die romanische Kirche im Zentrum des durch eine rekonstruierte Wehrmauer umgrenzten Areals ist jedenfalls eine Rekonstruktion mit Bauteilen, die eher nicht dem originalen Zustand zugehörig scheinen. Allerdings zeigt sie im Innern einen Zierstein, der (wenn ich mich recht erinnere) einen Drachen darstellt, und der durchaus vom Original stammen könnte. Aber das müsste man mal genauer unter die Lupe nehmen. Beeindruckend immerhin die schlichte Raumgestaltung, die aufgrund der Kuppelhöhe den Innenraum weit mächtiger wirken lässt, als er von außen erscheint.

Etwas abseits erhebt sich außerhalb der Wallanlage ein begehbarer (aber ebenfalls verschlossener) Grabhügel. Was man von der Straße aus nicht so sieht, ist, dass das Ganze auf einem nach drei Seiten hin steil abfallenden und durch einen Fluss geschützten Hügel steht und also gut zu verteidigen war. Heute bietet sich vom Grabhügel aus ein schöner Rundblick in eine liebliche Landschaft rings um den kleinen Fluss herum, der sich tief in die Hügelketten eingeschnitten hat. Man müsste mal sehen, ob man da wandern kann...

Polizeikontrollen

Als Präsident Juschtschenko noch die Hoffnung seines Landes war, gab es immerhin deutliche Signale hin zu einer Liberalisierung beispielsweise im Bereich der Medien. Eine seiner für mich sympathischsten Maßnahmen war aber die deutliche Reduzierung der aus Sowjetzeiten übrig gebliebenen und von ehemals totaler Kontrolle zeugenden DAI (Milizkontrollposten, meist feste Bauten an allen wichtigen Straßenkreuzungen). Als ich 2006 nach Chernivci (Czernowitz) kam, dachte ich für ein paar Monate, die West- Ukraine hätte gar keine Polizei. Zwar änderte sich dieser Zustand langsam und die Kontrollen nahmen wieder zu, aber gegenüber dem, was jetzt gerade passiert, war das alles nur Kinderspiel! Zwar sind noch keine neuen Posten errichtet worden, aber dafür stehen die Uniformierten wieder an fast jeder Kreuzung. Provisorische "Stopp"- Schilder markieren nun die Punkte, wo die modernen Wegelagerer vielleicht auch mal zu Recht, öfters aber zu Unrecht (und immer unhöflich und autoritär) ihren Wege- Zoll einfordern. Kolleginnen meinten, auf diese Weise sei z.B. unterbunden worden, dass Demonstranten aus dem Westen massenhaft in Kiew an den Demonstration gegen das Gesetz über die russische Schwarzmeerflotte in Sewastopol hätten teilnehmen können. Busfahrer wurden einfach mit dem Entzug ihrer Lizenzen bedroht! Wie dem auch sei, das Klima ist sichtbar rauer geworden und das, was hier nicht zu Unrecht einfach "die Macht" heißt, zeigt ganz ohne Maske ihr (notfalls zur offenen Gewalt neigendes?) Gesicht. Stört das jemanden? Ich habe noch keine Klagen gehört. Man ist es gewohnt. Und außerdem herrscht wohl ein Bewusstsein vor, das eine meiner Schülerinnen mit Blick auf ein mögliches Strafmündigkeitsalter von 12 (!) Jahren so umschrieb: "Dank der Senkung des Strafmündigkeitsalter werden die Bürger näher an einer sicheren Gesellschaft sein, da die Versuche, eine eigene Welt zu erschaffen, verhindert werden." Ja, wo kämen wir da auch hin, wenn da einer einfach mal versuchen würde, anders als die anderen (und womöglich noch anders als es die neue alte Tradition bestimmt) zu leben? Da sei die allgegenwärtige Milizkontrolle vor...

Montag, 7. Juni 2010

Ohne Kommentar





Donnerstag, 3. Juni 2010

Schulbesuch in Drohobych

Am Montag war also offizieller Schulbesuch in Drohobych. Für mich auch Abschied von meinem ersten dortigen Jahrgang. Nach diversen Reden, es sprachen mein Chef als Vertreter der ZfA, ein Stellvertreter des Bürgermeisters, der Leiter der örtlichen Schulbehörde, die Direktorin und natürlich Schülerinnen und Schüler nebst meiner Wenigkeit, gab es das obligate Kulturprogramm und anschließend ein Essen in einem nahe gelegenen Motel. Das Kulturprogramm war ausgesprochen nett anzusehen und im Format gerade so, wie es sein sollte. Nicht zu knapp und nicht zu lang und - wie schon gesagt - äußerst sehens- und hörenswert.

Neben diversen Gesangsdarbietungen karaokegestählter Stimmen aus der 11. und wohl der 8. Klasse gab es einen Kosakentanz der Kleinen mit Mädchenreigen in nationalen Kostümen. Sportlich sportlich die Jungs! Für mich immer wieder sehenswert Khrystyna Kushnir (Bild Mitte), eine Absolventin der 11., die am Ende doch gut Deutsch gelernt hat, aber viel viel besser tanzen kann. Auch die Tanzeinlage zum Abschied war Extraklasse und ich wüsste nicht, was ein Profi da hätte besser machen sollen.

Unten also unser Abschiedsbild. Ab September werde ich wahrscheinlich wieder in Chernivci (Czernowitz) arbeiten, wo wir am Mittwoch zur Diplomverleihung, zu meinem Antrittsbesuch und zur Verabschiedung des dortigen Kollegen waren. So ist es. Die einen bedauern meinen Weggang, die anderen freuen sich auf mein (Wieder)kommen, mir bleiben die gemischten Gefühle, es am liebsten allen Recht zu machen, das aber leider nicht zu können. Mal sehen, wie das die 10er in Drohobych weg stecken. Heute schien es, als herrsche eine Art von bockiger Leistungsverweigerung seit sie wissen, dass ich nicht die ganze Zeit in ihrem Intensivkurs sein werde und dann auch nicht wieder komme. Muss zusehen, wie wir das in den verbleibenden Tagen noch wieder hin kriegen, damit mein Nachfolger einen guten Start hat und die kids was für ihr Leben und nicht nur etwas für ihren Lehrer lernen....

Buczacz- jüdischer Friedhof

Wegen der Diplomübergaben war der Chef in Ivano und wir hatten den Sonntag zu überbrücken, ehe es nach Drohobych gehen konnte. Ich schlug Buczacz vor, weil es in relativer Nähe doch am meisten Sehenswertes bietet. Und so war es auch. Den Pinsel- Altar kann man sich nicht oft genug ansehen und als besonderen Höhepunkt gab es eine Führung durchs Museum. Angeboten hatte sie ein örtlicher Geschichtslehrer, der auch als Reiseführer arbeitet. Es war sehr angenehm, einen Menschen zu treffen, der nicht zuallererst Geld wollte, sondern der offensichtlich stolz auf die Geschichte seines Ortes war, die er in all ihren polnischen, jüdischen und ukrainischen Facetten präsentierte. Dass die Eltern von Siegmund Freud aus Buczacz stammen, wusste ich schon, dass auch Simon Wiesenthal von hier ist, erfuhren wir erst jetzt. Für mich war dann der Besuch auf dem jüdischen Friedhof interessant. Er ist von beachtlicher Größe, wenn auch der mittlere Teil fehlt, weil die Nazis aus den dortigen Steinen Gehwegplatten hergestellt haben. Glücklicherweise ist aber der älteste Teil verschont geblieben, wenn auch völlig überwuchert und kaum noch erreichbar. Unser Führer zeigte mir stolz Grabsteine, die er für einen israelischen Professor gesäubert hatte, und die Inschriften aus dem frühen 17. Jahrhundert tragen. So etwas hatte ich bis dato noch nicht gesehen. Reste eines chassidischen Heiligtums konnten wir aber des dichten Bewuchses wegen nicht auffinden. Da muss ich im Herbst oder Winter noch einmal hin.

Montag, 31. Mai 2010

Wypusk- Abschlussball

Nun haben sie es also geschafft und sie freuten sich auch. Die 11. Klassen der MS 5 in Ivano- Frankivsk gehen nach 10 Schuljahren "ins Leben". Bevor sie ihre neue "Freiheit" mit Alkohol begießen und betanzen konnten, mussten sie allerdings noch Ehrungen (Goldene Medaillen, Sprach- Diplome, Zeugnisse) über sich ergehen lassen und selbst Ehrungen (Direktor, Klassenleiter, erste Klassenlehrerin, der Deutsch- Trottel usw,) aussprechen. Das haben sie alles gut bewältigt, wenn die Veranstaltung auch 3,5 h und mithin eine Stunde länger als geplant gedauert hat...

Auf jeden Fall war es die erwartete Gala der großen Roben. Meine persönliche Favoritin: Khrystyna (Bild oben) mit ihrem glatten und einfach lang fallenden Kleid. Natürlich meint das gar nicht, dass etwa die sympathische Ulyana deswegen etwa nicht hübsch anzusehen gewesen wäre. Das Bild in der Mitte strafte jeden, der das behauptete, Lügen. Aber es ist für mich dennoch schwer, den Ballkleidern aus einer (in meinen Augen) vergangenen Epoche etwas abzugewinnen. Ich mag das Mädel in Jeans! Wie in jedem Jahr haben dann eine ganze Reihe der jungen Damen die grande toilette bereits wenige Minuten nach der Zeremonie abgeworfen. Wollten sie zeigen, dass die Eltern auch noch für etwas bequemere Festgarderobe sorgen können? Oder kamen sie sich verkleidet vor und identifizierten sich nicht wirklich mit der ihnen zugedachten Rolle? Wer weiß...

Ich konnte sie nicht fragen weil ich doch recht frühzeitig ging. Der Tamada (Animateur) forderte die Trinksprüche im Minutentakt ein und obwohl ich mein Glas (entgegen der Sitte) nicht leerte, ahnte ich ein Desaster voraus, dem ich entgehen wollte. Ohnehin schienen mir Lehrer bei dieser Veranstaltung entbehrlich. Wozu Sentimentalität? Wenn jemand wirklich meint, dass z.B. ich auf seinem Lebensweg wichtig war und wenn er mich vermisst, wird er sich melden. Tut er das nicht, ist das nicht weiter schlimm, weil so der Lauf der Dinge ist. Was bleibt, erweist die Zeit, nicht das Ritual. Leeres Ritual? Keineswegs! Nur keines für mich eben, eher eins für alle diejenigen, die daran aus welchen Gründen auch immer wirklich Teil haben.

Da fühlt man sich schon mal ein bisschen fremd inmitten all der Freundlich- und Höflichkeit. Und natürlich gab es auch wieder Programmeinlagen, mit denen ich Schwierigkeiten hatte. Tänzerisch und choreografisch waren die Weißkittel Klasse. Bloß fand ich, der ich schönen Mädchenbeinen gewiss nicht kritisch gegenüber stehe, die öffentliche Präsentation von Unterwäsche doch nicht ganz so toll. Werde ich langsam alt? Möglich wär's ja...

Samstag, 29. Mai 2010

Jugend debattiert international

Am Sonntag bin ich mit Anja und Bohdana aus meiner Schule in Ivano- Frankivsk nach Kiew gefahren, wo das Landesfinale "Jugend debattiert international" stattfand. Beide hatten fleißig Argumente für die Fragen "Sollen in der Ukraine behinderte und nicht- behinderte Schüler gemeinsam unterrichtet werden?" sowie "Sollte nur die schulische Leistung für die Aufnahme an der Universität entscheidend sein?" gesammelt, geistig sortiert und formulieren gelernt. Ein bisschen kurz kam die Vorbereitung auf die Finalfrage "Sollten in der Ukraine Denkmäler aus der sozialistischen Zeit den Status schützenswerter Objekte erhalten?". So richtig glaubten wir alle nicht daran, dass jemand "von uns" im Finale stehen würde. Aber die Mädels hatten Spaß an der Vorbereitung und so habe auch ich es nicht nur als Belastung empfunden, neben all den anderen Aufgaben nun auch noch täglich 3 Stunden mit den beiden zu üben. Und es hat sich gelohnt! Gemeinsam mit ihren Kameradinnen aus Lviv, Kiew, Kharkov, Donezk, Mikolaiv etc. haben sie nach einem dreitägigen Siegertraining spannende und sprachlich wie sachlich hochkarätige Halbfinaldebatten hingelegt. Ich durfte bei meinen Kandidatinnen nicht jurieren und hatte so nur Natalia und Sofia (Bild oben) erlebt. Mit Sofia aus Lviv meinte ich die klare Favoritin für das Finale gesehen zu haben. Aber es seien die beiden aus Ivano auch nicht schlecht gewesen, berichteten die Kolleginnen. Am Ende standen mit Sofia, Natalia (beide Lviv) und Bohdana aus Ivano drei Freundinnen aus der West- Ukraine im Finale. verstärkt wurden sie durch Olessja aus Kharkiv (mit Bohdana Bild Mitte). Anja hat es auf einen beachtlichen 5. Platz unter 16 Teilnehmerinnen gebracht. Was für eine Leistung, mit 16 Jahren in einer nur an der Schule gelernten Fremdsprache öffentlich (es waren über 100 Gäste im Saal, darunter Vertreter der Deutschen Botschaft, des Goethe- Instituts, der Hertie- Stiftung sowie der Stiftung EVZ, der ZfA, des ukrainischen Bildungsministeriums usw.) zu debattieren! Gewonnen hat dann doch Bohdana (Bild unten bei der Gratulation durch meinen Chef Herrn Ax und die Leiterin des Goethe- Instituts) , die mit Natalia aus Lviv im November zum internationalen Finale nach Berlin fahren und eine Auszeichnung aus den Händen des Bundespräsidenten entgegen nehmen wird. Klasse! Die Tage waren anstrengend, aber was ist schöner, als wenn man den Erfolg seiner Arbeit so sympathisch bestätigt sieht?