Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Freitag, 31. Mai 2024

2024-05-31 Letzter Schultag- Abschied von Freunden

Letzter Schultag mit Diplom- Übergabe. Mein Lieblings- Jahrgang geht nun in die Abiturprüfungen, bewirbt sich an den Universitäten des Auslands und ist dann weg. Vier Jahre waren wir zusammen. Als ich Sofia (Bild oben) kennenlernte, schauten mich auf einem Computer- Bildschirm kluge Augen an- der Rest war Maske. Auch "meine Jungs" (Bild Mitte) waren damals Maskenträger und ich erinnere mich kaum an die maulfaulen Kerls von damals. Alina, Cristina und Alexandra (drittes Bild v.l.n.r) sagten früher so gut wie gar nichts. Anders als Sofia. Die wusste immer was. 
Aber auch ihr Mund blieb verschlossen, als ein Jahr später der russische Überfalls auf die Ukraine die Schule lähmte und sich in den Gesichtern der jungen Jugendlichen Schockstarre ausbreitete. "Sie haben es gut. Sie können gehen. Wir müssen bleiben." Das war wieder Sofia und als ich sie nach diesen Worten ansah, wusste ich, dass ich bleibe. Egal, was kommt. Seitdem sind wir gute Freunde, die Schüler/innen und ich. 

Dann kam meine Entlassung und Michaela, Bogdan, Iuliana und andere schrieben den Brief, der bei Frau Rühl das "Fass zum Überlaufen" brachte. Sie hatten genau das Gefühl artikuliert, das ich meine: Das Besondere, das die "Kriegs- und Krisengeneration" mit mir Verbindende. Ich wurde "ausnahmsweise" verlängert. Meine neuen Freundinnen und Freunde haben sich auf ihre Weise bedankt: 40 DSD II Diplome, die anfangs alles andere als wahrscheinlich waren. Aber Alexandra taute auf und Cristina war am Ende ganz souverän. Selbst Alina, die nur in ihr Englisch verliebt schien, raffte sich auf und bestand die Prüfungen. Und die Romans und noch einige andere, von denen ich es nicht mehr geglaubt hatte. Plötzlich wollten sie alle und haben bewiesen, dass sie lernstark sind und alles schaffen, wenn sie es wollen. 

Hätte ich vor 4 oder 3 Jahren gedacht, dass ich einst mit Gheorghe (Bild Mitte der Dritte v. l.) über Spinoza und Kant debattieren würde? Und das stundenlang...  
Andreea (Bild unten) hat heute spontan und unvorbereitet die Rede der Leiterin der Rechtsabteilung der Deutschen Auslandsvertretung gedolmetscht und damit noch einmal ihre Sonderstellung unterstrichen. Beim DSD I habe ich noch gegen den Widerstand meiner Kolleginnen durchsetzen müssen, dass ein so junges Mädchen über Feminismus reden darf. Und SIE konnte das. Beim DSD II hätte sie über jedes Thema spontan und unvorbereitet einen guten Vortrag in perfektem Deutsch halten können. Ich werde sie und ihre klugen Beiträge vermissen. Auch andere, von denen ich hier keine Fotos habe und die ich nicht alle erwähnen kann (es waren ja 40 Absolvent/innen), werden eine Lücke hinterlassen, die ich erst wirklich spüren werde, wenn ich am 01. September wieder durch die Flure meiner Schule gehe und die vertrauten Gesichter mich nicht mehr anstrahlen: "Hallo, Herr Steffen. Wie geht es Ihnen?" Kein Petru mehr da... 

Aber so ist das. Schön war's. Und nun können die erwachsen gewordenen "Kleinen" ihren Lehrer vergessen. Das muss so sein und also ist es auch gut so. 

2024-05-26_Staropramen

Nein, ich mag kein "foodporn", aber es war einfach eine Freude in Chişinău echtes Basturma (Bild oben) zu finden. Ich aß, trank mein Bier, und fühlte mich wie in den besten Zeiten in Chernivtsi oder Iwano. Natürlich tat das Prachtwetter sein Übriges...

Katia hatte mir gesagt, sie habe ein Restaurant "Staropramen" entdeckt und man könnte dort mal hin gehen. Ich war etwas erstaunt, denn bisher dachte ich, ich kenne alle Restaurants im Umkreis. Ich ahnte, welches Lokal sie meint und schaute mal vorbei. In der Tat hatte ich das ganz am Anfang meiner Zeit hier einmal besucht und abgewählt. Damals war mir nur der Tresen aufgefallen, an dem Biertrinker standen, die qualmten wie alte Dampfloks.   
 
Naja, vielleicht ist das im Winter immer noch so, aber mit dem Biergarten zur Straße (Bild Mitte) machte die Kneipe, die nun deutlich überall Staropramen- Reklame trägt, plötzlich was her und ich setzte mich. Angenehm still war es, denn zunächst war niemand da. Dann allerdings kamen 5 junge Männer Typ "aserbaidshanische Mafia" und grölten in ihre Telefone, wieherten rum und rannten aus unerfindlichen Gründen andauernd zu zweit oder zu dritt zu ihrem Luxus- Hummer auf der Straße. O weh- da musste ich doch fliehen.

Aber bis dahin war es sehr angenehm und das, was dort als Esquillados (Bild unten) angeboten wurde, schmeckte sehr lecker und tat meinem Zucker nichts. Ich werde es wieder probieren und ohne Mafia habe ich bestimmt eine neue Sommer- Adresse. Gut so. 

Freitag, 17. Mai 2024

2024-05-17 Spendenübergabe am LT N. Gogol

Letztes Jahr waren Alfred und Alexander hier, die einen Transporter voller Spendengüter nach Soroka gebracht haben. Irgendwas ist dabei schief gelaufen, denn Restgelder aus dem Hilfsfonds der Reformierten Kirchengemeinde Luzern sollten auf keinen Fall mehr nach Soroka gehen. Also erhielt ich die Anfrage, ob ich ein sinnvolles Projekt kennen würde, für das 1000 SF verwendet werden könnten.  
Ich kannte nicht wirklich eins, aber ich wusste, dass am LT N. Gogol eine Gruppe ukrainischer Flüchtlingskinder teilintegriert lernt (eine ukrainische Kollegin unterrichtet auch Fächer nach dem ukrainischen Lehrplan). Ob man dort nicht... Das ging dann ganz schnell. Kollegin Zaharova vermittelte, die Schule fing Feuer, ich half ein bisschen mit, das Projekt eines integrativen Schulfestes zu schärfen, und schon war die Konzeption fertig. Alexander war ebenfalls angetan und so kam das Geld auf mein Konto. Da es in diesem Jahr nicht mehr sinnvoll ist, so ein Fest auszurichten, haben wir es auf September verlegt. Und ich habe eine Spendenübergabebescheinigung (Bild oben) ausgefertigt, die heute bei der Schulleiterin unterzeichnet wurde. Die jungen ukrainischen Fußballer (Bild unten) stellten sich brav auf und riefen "Djakuju" und "Danke" in die Kamera und schon war die Sache perfekt. Mal sehen, was im September passiert. Aber ich bin optimistisch, dass die Kolleg/innen eine schöne Sache auf die Beine stellen, auf die dann auch die Luzerner stolz sein können. Es gibt also immer noch Initiativen, über die man sich freuen kann. 
 

Montag, 13. Mai 2024

2024-05-09 "Herrentag" mit den Jungs

Wir wollten doch das Geburtstags- Bier- Fässchen zusammen niedermachen und so trafen wir uns im Park und besetzten  eine der überdachten Sitzecken dort. (Bild unten) "Wir", das waren Petru, Alexandru, ich, Gheorghe und Tolja (im Bild oben v.l.n.r. ohne Tolja, der fotografierte). Alexandru hatte einen Camping- Tisch mitgebracht, auf dem wir die Steaks und Würste, den Senf und alles andere ausbreiten konnten. Tolja war Grillverantwortlicher und machte seine Sache hervorragend. Es schmeckte "wie in Deutschland". 
 
Den Grill hatte ich spendiert wie auch den Rest. Ich dachte, ich wäre großzügig gewesen, aber den Jungs hat es geschmeckt und sie entfalteten einen Appetit wie die "siebenköpfigen Raupen". Also wurde noch was geholt. Am Ende war alles alle, es war 24:00 Uhr und wir waren mittelmäßig betrunken. Zum Glück sind alle schon 18 und in den Ferien bei einer Nicht- Schulveranstaltung wiegt das mit der vernachlässigten Aufsichtspflicht vielleicht nicht so schwer. Immerhin haben wir ausführlich über den Alkohol- Genuss und seine Folgen gesprochen- und sie dabei vergessen. Gheorghe schrieb anderntags, bei ihm "rieche es verdammt nach Kater". Man sieht, Deutsch können die Kerle. Immerhin haben wir 6 Stunden u.a. über Kant, die Politik, die Zukunft, ihre Mädchen und sonst noch was geredet. Muss man können, wenn man das in der Fremdsprache schaffen will. Also: Kompliment an die Kerls. 

2024-05-08 Asconi

Ferien! Wir müssen schon deshalb etwas unternehmen, weil die Kolleginnen ja in der Schule rumsitzen müssen, denn "Ferien" haben nur die Schüler/innen. Ein Ausflug mit "dem Deutschen" ist ein Grund, die Schule unter den neidischen Blicken der anderen Fachschaften etwas vorzeitig zu verlassen.

Also trafen wir uns 13.30 Uhr vor der Schule und fuhren mit zwei Autos nach Asconi vor den Toren  Chişinăus. Asconi ist ein Weingut, das akzeptable Weine führt, wesentlich aber wohl auch von der Gastronomie lebt. (Bild oben) 

Das Gelände mit diversen Attraktionen, den Kolleginnen hatten es die Militärmotorräder aus dem Zweiten Weltkrieg oder der Zeit kurz danach angetan (Bild zwei), scheint riesengroß und hat verschiedene Areale, von denen einige sicherlich verschiedenen Feierlichkeiten vorbehalten sind, andere dem normalen Publikumsverkehr dienen. Wie viele Menschen dort gleichzeitig Platz finden? Schwer zu schätzen. Ich meinet wirklich, es könnten 1000 sein- so groß ist das Gelände.
Wir hatten einen Tisch in einer großen Halle reserviert. Zuständig war Evelyna, Alionas Tochter (Bild unten in der Mitte, Aliona links), die das Etablissement kannte und uns dirigierte. Evelyna war auch kurz meine Schülerin gewesen- ich kam nach ihrem DSD und erlebte sie noch im Unterricht, ehe sie die Schule als beste Absolventin verließ. Sie und Valeria (Bild unten rechts) fuhren auch die Autos, so dass ich trinken konnte. Rotwein natürlich! Zu Essen gab es vor allem traditionelle Placinta und viele Fleischgerichte. Ich aß seit langem mal wieder ein Schaschlik und muss sagen, es war "wie in der Ukraine"! Gegen 20.00 Uhr waren wir dann wieder an der Schule, wo ich mit Ceci und "Lisman" (die Kolleginnen reden sich mit Nick- Names oder mit dem Nachnamen an) den Abend noch im "Anchiano" ausklingen ließ. 

2024-05-05 Andys nach Ostern

Beim letzten Mal war von leeren Klassen die Rede. Dieses Mal von einem leeren Restaurant! Am Montag nach Ostern war ich in "Andy's Pizza" der einzige Gast. (Bild) 

Der Grund scheint ziemlich klar. Petru, den ich am Ostersonntag im Park traf, klagte, dass er erst einmal spazieren müsse, weil er sich sonst des vollen Bauches wegen übergeben müsste. "Total überfressen, Herr Steffen, total überfressen", klagte er. Da haben sicher auch seine anderen Landsleute am Montag noch keine Lust auf ein ausgiebiges Mittagsmahl. Ich habe es genossen, die Kneipe für mich zu haben, zumal schönes Wetter war. 
 

2024-04-30 Nachlassende Arbeitsmoral...

An der Schule ist einerseits "die Luft raus", weil alle nach dem überlangen Semester (seit Januar ohne Pause!) die Oster- Ferien herbei sehnen, andererseits stehen die "großen Klassenarbeiten" (Teze), diverse ministerielle Vergleichsarbeiten, Vorprüfungen und allgemein die Notenvergabe an. Alles in den letzten Wochen. Seit das DSD I vorbei ist, ist der "DSD- Unterricht", so sind meine Stunden tituliert, das fünfte Rad am Wagen und die Schüler/innen zeigen das - zum ersten Mal, seit ich hier bin - ganz schamlos und kommen verspätet oder gar nicht mehr zum Unterricht. (Bild) Peinlich ist das besonders dann, wenn die Besten fehlen und ich allein mit denen im Raum zurückbleibe, die weder ein Wort Deutsch sprechen wollen noch können. Was tun? Englisch können sie ja auch nicht und mein Rumänisch reicht nicht über die Bierbestellung im Restaurant hinaus. Zum ersten Mal in meinem Berufsleben stellte ich fest, dass ich nicht mehr um die Gunst der Kleinen "kämpfen" mag. Ich glaube es wird Zeit, dass ich "in Rente gehe".