Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Mittwoch, 30. März 2011

Frühlingserwachen?

Bisher war es ja nicht so toll mit Frühling und Ende März könnte es doch schon mal ein paar warme Tage gegeben haben. Gab es aber nicht. Während anderswo von Krokussen und knospendem Grün die Rede ist, hat es die Natur in Ivano gerade mal bis zum Schneeglöckchen (kamen die nicht sonst im Februar?) geschafft. Kaum zu glauben, dass die Klimaerwärmung fortschreitet. Tut sie aber- klar doch. Heute immerhin waren 17 Grad angesagt und bis auf den kühlen Wind war es wirklich warm. Was für ein Satz! Aber wie soll man es sonst sagen? Es war nicht mild, sondern eher warm und kalt zur gleichen Zeit. Schätze mal, da fehlen morgen im Unterricht gleich wieder 30 % der Schüler wegen Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Husten und Heiserkeit etc. So anfällig habe ich zumindest meine Mitschüler vor 35 Jahren nicht in Erinnerung ;-)

Egal. Ich wollte nicht im Hause sitzen, wenn draußen endlich mal die Sonne lacht, und bin deshalb an den See spazieren gegangen. Endlich hatte ich Gelegenheit, nach dem Kreuz zu sehen, dass seit einiger Zeit mitten auf einer Wiese vor einem Wohngebiet steht. Es sieht aus wie ein Grab und beim Vorbeijoggen hatte ich so meine Vermutungen angestellt: Mord? Ein hier verschiedener Alkoholiker? Vom Auto konnte da eigentlich keiner überfahren worden sein... Von Nahem zeigte sich, dass das Kreuz einen Betonhaufen ziert, der wie der Reste eines Fundaments, eines Bunkers o.ä. ausschaut. Die Inschrift auf der Kranzschleife besagt jedenfalls, man gedenke hier der Opfer des Genozids. Aber welcher ist gemeint? In der Regel geht hier Holodomor (Große Hungersnot in der Ostukraine) vor Holocaust, obwohl unter dem See die Reste eines jüdischen Friedhofs ruhen. Schade, ich werde es kaum erfahren, denn wer von meinen Bekannten kennt sich schon in Stadtgeschichte aus? Ist genauso uninteressant wie Politik und alles andere...

Ich hab dann in der Stille des existierenden Teils des jüdischen Friedhofs den Sonnenuntergang genossen. Hier wenigstens ist klar, welcher Genozid gemeint ist...

Dienstag, 29. März 2011

Visaprobleme III

Nun ist es also "amtlich". Papiere von ukrainischen Konsulaten, Empfehlungen von Außenministerien usw. interessieren ukrainische Innenbehörden nicht. Entscheidend bleibt der Satz von den "fehlenden gesetzlichen Normen" (vgl. Schreiben des Konsulats unter Visaprobleme II). Da haben also zwei Minister ohne gesetzliche Grundlagen zu schaffen mal eben was verhandelt, was nun hier keinen mehr interessiert, woran man in Berlin aber zu glauben scheint. Naja, ist vielleicht doch etwas ungewöhnlich, dass auch Minister - gelinde gesagt - "hinters Licht" geführt werden ;-) Ich kann nur hoffen, dass die Kolleginnen, die hier bleiben, ihre Probleme im nächsten Jahr lösen können. Für mich ist nun Ende Mai Schluss. Wenn ich danach noch einmal hier sein sollte, dann als Tourist und zu Besuch bei Freunden, zu denen Stützen dieses Systems gewiss nicht gehören!

Sonntag, 27. März 2011

Zhovkva

Durch Zhovkva bin ich früher ein paar Mal gefahren, wenn es von Lviv aus nach Polen ging. Später war ich dann mal mit Marta da. Da es nur 22 km von Lviv sind, beschloss ich trotz der einsetzenden Kälte - minus 2 Grad und Schneefall - vor der Heimreise doch noch einen Abstecher zu machen. Mich interessierte, wie weit die Arbeiten an der schon seit Jahren eingerüsteten Synagoge fortgeschritten sind. Es geht wirklich langsam vorwärts, falls die Arbeiten nicht eingestellt sind! Eine obere Fassadenfront ist verstrichen und gemalert worden. Sonst alles wie es war. Schade um das Bauwerk, dessen Erhaltungszustand förmlich nach Sanierung schreit. So weit ich sehe, gibt es in der ganzen Ukraine keine Synagogenruine, die mehr erhaltene Bausubstanz aufweist- bis auf die Wehrsynagoge in Sataniv, die wohl schon zu Sowjetzeiten Museum war, jetzt aber wieder dem Vandalismus anheimgefallen ist...

Auch sonst nichts Neues. Die Außenhaut vom Schloss der Ziolkewkis ist gemacht, innen ist der Hof beräumt und alles ist wie zum Beginn von Sanierungsarbeiten hergerichtet. Hoffentlich passiert es bald, denn die für das kleine Nest gigantischen Kirchen sind sehenswert und alles zusammen (Schloss, Rathaus, Reste der Wehrmauer, Kirchen, Kloster, Holzkirche, Reste der Renaissancebebauung am Markt und Synagoge) ein tolles Ensemble.

Erst mal sind Ferien!

Ferien sind schön, aber langweilig. Nix los und draußen mieses Wetter. Habe pfundweise Papiere aussortiert und weggeschmissen, Lehrbücher, die hier in der Schule besser aufgehoben sind als bei mir, beiseite gestellt, den Computer demontiert und die guten Teile zur Verwertung gegeben usw. Da kommt wenig Freude auf und so war ich froh, als am Donnerstag das Wetter ein wenig Richtung Sonnenschein umschlug. Ich beschloss, am Freitag nach Lviv zu fahren, eine Kollegin zu besuchen, schön essen zu gehen, kurz: die Seele baumeln zu lassen. Bei 17 Grad war das denn auch ganz angenehm, nur der Sturm war heftig. Zunächst hielt ich an einem schon seit Jahren bemerkten Betondenkmal an, dessen Sinn sich mir dennoch nicht erschloss, da die vermutlich einmal metallene Inschrift demontiert ist. Vielleicht hat Danilo hier einen Volksstamm geschlagen, ehe er in die Lviver Berge vordrang, um dort seinem Sohn zu Ehren die Stadt des Löwen (Lew= Löwe) zu gründen? Sicher ist die Etymologie wohl nicht, aber von Leonberg oder Lewenberg bis Lemberg ist es ja nur eine kleine Maulfaulheit weit weg ;-)

Abends dann in der jüdischen Gaststätte an der "Goldenen Rose" - der ehemals berühmtesten Synagoge der Stadt. Wenn man eine Gastlichkeit in Lviv uneingeschränkt empfehlen kann, dann dieses Restaurant. Das Ambiente ist gemütlich, die Bedienung professionell und das Essen jenseits aller Kritik. Besonders sei auf den Vorspeisenteller "jüdischer Art" hingewiesen. Hm, lecker, lecker... Ganz stilecht bekommt man eine Wasserschüssel gereicht, Wasser wird gegossen und man darf die Hände waschen. Nach dem Essen ein weiteres Ritual. Wer möchte, darf den Preis für sein Essen selbst festsetzen und mit der Kellnerin zu feilschen beginnen. Die hat das wirklich gelernt und es ist eine Freude zuzusehen, wie lange es dauern kann, ehe man sich einig ist - und dann meist ein sehr gutes Trinkgeld obenauf gepackt hat ;-)

Ich hab drauf verzichtet, weil mein Ukrainisch dafür nun wirklich nicht reicht. Allerdings ließ ich mir einen Preis vorschlagen und war beinahe nicht abgeneigt, die 350 UAH (ca. 30 Euro) zu zahlen. Aber dann ließ ich mir doch die Rechnung bringen, die (mit 2 Euro Trinkgeld) dennoch um 100 UAH geringer ausfiel!

Samstag, 19. März 2011

Visaprobleme II

Die Antwort auf meine Anfrage beim ukrainischen Konsulat kam schnell. Vielen Dank! Sie bestätigt, was sich schon herumgesprochen hatte: Es gibt für das Verfahren keine gesetzlichen Regelungen! Nun soll es also eine Telefonnummer im Ministerium richten. Allerdings kann man sich da wohl nur beraten lassen, ob einem auch geholfen wird? Schau'n wir mal...

Sehr geehrter Herr Dr. Steffen,

auf Ihren e-mail vom 17.03.11 teilen wir folgendes mit.

Wie Sie wissen, gab es zwischen den Außenministerien unserer beiden Länder eine Disskussion bezüglich der Visa für Fachkräfte der DAAD und anderer Institutionen, die Bildungsprograme für die Ukraine organisiert haben. Als Übergangslösung hat das Außenministerium der Ukraine empfohlen, für diese Fachkräfte Visa des Typs H auszustellen. Diese Visa sollen bei örtlichen Meldebehörden (OWIR) mit den entsprechenden Anträgen der jeweiligen Arbeitsstellen registriert werden. Nach dem Besuch des deutschen Außenministers Herrn Westerwelle im März in der Ukraine haben sich die beiden Seiten geeinigt, dass in in Zukunft für diese Fachkräfte Visa IM 1 (Arbeitsvisum) ausgestellt werden soll.

Wie Sie sehen, es gibt zur Zeit keine gesetzliche Normen dazu.

Meine Empfehlung für Sie: besorgen Sie von Ihrer jetzigen Arbeitsstelle in der Ukraine ein Schreiben mit der Bitte, Sie mit Ihrem Visum zu registrieren. Falls Fragen entstehen sollen, können Sie sich telefonisch beim Außenministerium der Ukraine beraten lassen. Zuständig dafür wäre Herr Moschkiwski, Te.: o44 238 18 16.

Mit freundlichen Grüßen

Konsularabteilung der Botschaft

Donnerstag, 17. März 2011

Visaprobleme

Wie heißt es doch so schön auf der Homepage des ukrainischen Konsulats? "Seit Juli 2001 werden Ausländer nur noch bei der Ein- und Ausreise an der Grenze registriert. Ausländer, die in die Ukraine mit dem Ziel der Erwerbstätigkeit, des Geschäftes oder in privaten Angelegenheiten mit dem Visum, deren Gültigkeit mehr als 90 Tage beträgt, angekommen sind, müssen sich bei der zuständigen Meldebehörden registrieren lassen. Die Art des Visums muß dem Reiseziel entsprechen." Soweit so unklar. Welches ist die zuständige Meldebehörde? Mensch denkt, das OVIR an seinem Aufenthaltsort und lässt sich von seinem Direktor, der einen Bekannten hat, der einen kennt usw. einen Termin machen. Wenn es voll ist, können wir also vorgelassen werden. Mensch schnappt sich eine revierkundige junge Kollegin (aber immerhin doch nahe der 30!) und geht mit ihr los, die notwendige Registrierung einzuholen. Hm, dass der Beamte den Deutschen gar nicht anschaut ist insoweit versändlich, als die junge Kollegin recht attraktiv ausschaut. Dass er meiner Dolmetscherin nicht zuhört, sondern immer schon bevor diese den Mund öffnet, alles besser weiß, nervt. Ich will mich einschalten, werde aber durch die Frage unterbochen, wie meine Begleiterin heiße. Dazu muss man vielleicht erklärend anmerken, dass in der Ukraine wie in Russland die Nennung von Vor- und Vatersname die gängige Höflichkeitsform für erwachsene Menschen darstellt, wenn auch deutlich Ältere das Privileg genießen, deutlich Jüngere mit Diminutiva ihrer Vornamensform anzureden. Aber der Typ, der da lässig mit einer Hand in der Hosentasche und gelangweilt auf den Ellenbogen gestützt am Tisch sitzt, ist nicht "deutlich älter", schon gar nicht älter als ich. Trotzdem redet er auf "Olga" ein: "Hier, Olga, lesen sie selbst." - "Können sie lesen Olga?" - "Warum wollen sie nicht verstehen Olga?" usw. Er behandelt sie wie eine Schwachsinnige und ich kann mich nicht einschalten, weil ich nicht alles durch einen Wutanfall verderben darf. Nach ca. 20 nervigen Minuten sind wir wieder draußen und wissen nur, dass ich hier keine Registrierung bekomme, weil die aus Sicht des Innenministeriums der UA nicht notwendig sei. Klasse, wenn sie nur nicht aus Sicht des Außenministeriums unabdingbar wäre! Das bedauerte sogar der lässige Typ im Amt. Aber: Wenn ich wegen seiner Weigerung, mich zu registrieren, Ärger an der Grenze bekäme, sei das nicht seine Sache: Die Grenzbehörde unterstehe nun mal dem Außenministerium, das seine Regelungen habe; er hingegen unterstehe dem Innenministerium, das wiederum andere Anweisungen ausgegeben hat. Was wir tun könnten? Nichts... Mal sehen, was meine Anfrage beim Konsulat und die Bitte ergibt, mir die Angaben zu dem zugrunde liegenden Gesetz zuzusenden. Vermutlich nicht viel. Kafka lässt grüßen!

Sonntag, 13. März 2011

Friedhof in Sniatyn

Sniatyn ist eine Provinzstadt an der Grenze Galiziens zur Bukovina. Ehemals Sitz einer k.u.k. Kreishauptmannschaft und dann bis 1939 polnisch, erlangte es kurze Berühmtheit als Ort des Übertritts der polnischen Vorkriegsregierung ins rumänische Exil. um 1900 lebten etwas mehr als 10 000 Menschen dort und so viele mögen es heute auch sein. Allerdings waren früher mehr als ein Drittel der Einwohner jüdisch, was heute kaum noch so sein dürfte, am historischen Friedhof finden sich jedenfalls - anders als in Chernivtsi/ Czernowitz oder Ivano- Frankivsk/ Stanislawow keine jüdischen Grabstätten jüngeren Datums. Da haben die Herrn Volkmann alias der Hamburger Journalist Paul Grubbe (vgl. http://www.zeit.de/1995/44/Arbeitsgemeinschaft_Holocaust) ganze Arbeit geleistet. Es ist immer wieder erschreckend, wie solche Leute ruhigen Gewissens (?) alt werden können. Von den Linken sagt man immerhin, sie stürben früh, weil ihnen das Elend der Welt (an dem sie meist nicht eben schuldig sind) so zusetzt. Nun, sei's drum...

Ich kam am Sonnabend, dem 12. 03., wieder mal durch Sniatyn und beschloss des schönen Wetters wegen, endlich mal anzuhalten und den direkt an der Straße gelegenen historischen Friedhof in Augenschein zu nehmen. Im Sommer hatten dort deutsche Freiwillige gearbeitet und eine Ausstellung organisiert, die die heutigen Bürger mit der Geschichte ihrer Stadt anhand des Friedhofs bekannt machen sollte. Ob das funktioniert hat, weiß ich nicht. Die Frage ist, ob der noch nicht abgetragene Erdhaufen vor den Resten zusammengeschobener polnischer Gräber die Einstellung eines (durch die Freiwilligenarbeit?) verhinderten Aktes von Geschichts"glättung" mittel Bulldozer ist, oder ob die Arbeiten begonnen haben, eben weil jemand daran erinnert hat, dass hier einst Polen, Juden, Ukrainer und Deutsche (Kolonie Augustdorf) ziemlich friedlich zusammen gelebt haben. Ich fürchte, es trifft Letzteres zu, weiß es aber nicht...

Die jüdischen Grablegen sind jedenfalls verschont und wahrscheinlich im Sommer wenigstens teilweise unter dem Gehölz frei gelegt worden. Die Steine sind erstaunlich gut erhalten. Auf einigen sind deutlich Reste der alten Farbigkeit zu erkennen. Etwas weiter hinten, dort, wo ein paar geschlossene Gräberreihen sich in einzelne erhaltene Steine auflösen, die unter dem Holz hervor gucken, neigen sich die Grabsteine, als wollten sie sich vor den Toten verneigen. Eine Tafel möglicher Erinnerung an die Deportierten und Erschlagenen habe ich nicht finden können. Dabei sind hier der jüdische, polnische und ukrainische Teil des Friedhofs kaum voneinander getrennt. Eine Betonmauer markierte früher wohl die Grenze. Vielleicht habe ich wegen der schmutzigen Pfade nicht gründlich genug suchen können, aber wenn der Eingang nicht auf der Rückseite liegt, dann mussten die Juden durch die polnischen Grablegen zu ihrem Friedhof. Hm, möge es so gewesen sein...

Dem Haupteingang gegenüber an der hinteren Stirnseite des Friedhofs ist der sowjetische Ehrenfreidhof. Er ist gepflegt und frisch hergerichtet. Das Kreuz zeugt von der Umwertung der Symbolik wie von der bleibenden Achtung gegen die Toten. Irgendwie schön, dass man von dort aus sowohl auf die frischen Gräber jüngst Verstorbener wie auf jüdische und polnische Gräber blicken kann. Deutsche Namen sah ich nicht. Mag sein, dass ihre Kolonie einen eigenen Friedhof hatte.