Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Mittwoch, 29. April 2009

Ukrainertum

Die Westukraine ist schon eine "harte Nuss" für den gegen Nationalismus und insbesondere alle Formen von Nationalfaschismus eingestellten Beobachter. Zu hart? Na, was hier an UPA- Kult und Hitler- Begeisterung anzutreffen ist, das stimmt schon bedenklich. In Ivano gibt es den "Bunker", eine eigentlich ganz nette Bierkneipe, um die ich aber meist einen Bogen mache, weil mich die Kriegsbilder an den Wänden, die Militaria, die Porträts der Nazi- Kollaboratuere in der Eingangszone und die faschistoide Volksmusik ziemlich nerven. Während ich in Kiew noch fand, dass die Berufung auf die Volkskunst und die Gestaltung von Schulfeiern mit Volkstanz usw. der Staatsidee geschuldet sei, bin ich hier manchmal nahe dran, von "Völkischem" zu sprechen. Ich hätte immerhin nicht gedacht, wie verbreitet Ukainer- Hemden als Sonntagstracht doch sind und wie viele junge Leute sich in den Freilicht- Museen sammeln, um Ukrainertum zu demonstrieren. Dabei reagieren viele mit wahren Phobien auf die russische Sprache und Russisch sprechen kommt ihnen wie Verrat an der Heimat vor. Die ausgesprochene Losung "Die Ikraine den Ukrainern" richtet sich bei vielen dezidiert gegen alle, die - aus ihrer Sicht aus böswilligen Motiven - den Gebrauch der ukrainischen Sprache verweigern. Das ist schon massiv und man kommt schwer dagegen an, sollte es ja auch nicht mit dem Holzhammer, sondern mit Überzeugungsarbeit versuchen. Immerhin ist es lustig anzusehen, wenn junge Pfadfinder es so weit treiben, sich in ihrem Habitus ins Großväterliche der samartischen Zeiten zurück zu begeben.

Man mag dann schon fast froh auf die Macho- Spiele schauen, die junge Pfadfinder da abziehen. Eines schien darin zu bestehen. einem Mädchen mit Gewalt einen Kuss abzuringen. Die mit den einschlägigen Versuchen einher gehenden Rangeleien waren schon ziemlich deftig und viel "Fleisch" kam denn bei den leicht bekleideten Mädchen auch zum Vorschein, wenn sie am Boden lagen und ihre Gegenwehr durch allerhand Griffe gebrochen wurde. Das Spiel war aus, wenn der Kuss als "Knutsch" auf den Mund gelungen war. Dann kam die neue Runde und vier, fünf Mädchen reckten die Arme und schrieen "Ich, ich, ich", um als nächste das Unterwerfungsspiel unter männliche Gewalt an sich auszuprobieren. Ist das der Preis, um den sie in den Männerclub der Pfadfinderei aufgenommen werden? Immerhin schwärmen viele, die den Kollektivismus des Komsomol in der "kommunistischen Zeit" tief verachten, von den natürlich "ganz anderen" Kollektiverlebnissen bei dieser paramilitärischen Organisation. Nun ja. Angesichts der derart militant vorgetragenen Problemstellungen des hiesigen Nationalismus finde ich auch das gar nicht mehr so harmlos und hätte - trotz der zur Schau gestellten Freiwilligkeit, die Stärke der Männer zu akzeptieren und an sich demonstriert haben zu wollen - doch was dran auszusetzen. Es ist nicht leicht, unvoreingenommen zu bleiben.

1 Kommentar:

Ihor hat gesagt…

Dem verehrten Herrn Doktor eine Empfehlung: was die Frage der UPA angeht, lesen Sie bitte die ernsthaften historischen Untersuchungen und nicht die Flugblätter der russischen Propaganda. Wenn Sie das täten, so hätten Sie gewusst, dass z. B. die Hauptfigur der Ukrainischen Nationalistenbewegung und der UPA Stepan Bandera praktisch die ganze Zeit des Zweiten Weltkrieges in einem deutschen KZ verbracht hat, weil er sich geweigert hat die Deklaration der Unabhängigkeit der Ukraine zu widerrufen, die er und seine Gleichgesinnten am 30. Juni 1941 verkündet haben. Und was die UPA angeht, so wurde beim Nürnberger Prozess deutlich gesagt, dass sie KEINE Nazi-Kollaborateure waren. Darum überlassen Sie bitte Ihre russisch-sowjetischen Klischees bezüglich ukrainischen Nationalismus den Analphabeten und lesen Sie endlich historisches Material!
Nazar