Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Roma- Integrations- Projekt Medzev III

Als wir heute in Medzev ankamen, lag die kleine Stadt in dichten Dunst gehüllt. Aus vielen Schornsteinen quillt dicker Rauch. Hier wird Holz verbrannt. (Bild oben) "Die Zigeuner ziehen los, sammeln Holz und verbrennen es, obwohl es noch viel zu feucht ist", schimpft ein älterer Mann, als er mich beim Fotografieren sieht. Das mag wohl stimmen. Geld geben die ortsansässigen Roma für Brennstoffe sicher nicht aus und ob sie es lagern könnten? Überall wird viel geklaut... Aber davon sprechen die Menschen, die meine Schülerinnen auf den Straßen treffen und interviewen seltsamerweise nicht. Alle wollen sie an den Roma etwas Gutes finden. Die Kamera vollbringt Wunder! Petia staunt: Sollte das die Wahrheit sein? Sonst klingt es doch immer ganz anders...

Ja, sonst. Heute sind die Bürgermeisterin und ein Mensch von der Polizei gut vorbereitet und sagen, was sie glauben, sagen zu müssen. Auch die Lehrerinnen an der Grundschule, in der sie filmen, sind voll des Lobes über ihre dunkelhäutigen Schüler. Diejenigen, die im Theaterstück mitspielen, überzeugen allerdings auch meine skeptischen Schülerinnen. Die sind wirklich süß und tanzen, wann immer Musik erklingt. (Zweites Bild von oben) Auch Sonia bestätigt den Lerneifer und Lernwillen ihrer Schützlinge. Dieses Mal wird sie etwas länger vor der Kamera festgehalten. (Viertes Bild von oben) Ihre Kleinen assistieren und alle sind zufrieden. Zufrieden sind auch Daniela und Bruno (Drittes Bild von oben und vorletztes Bild), die heute die gestern ausgemachten Termine abarbeiten konnten. Überall hätten sie von den Offiziellen feundliche Worte über die Roma gehört. Ich bin nicht sicher, ob die Schüler vielleicht nur deswegen zufrieden sind, weil sie denken, dass mich das Ergebnis freut. Ein Deutscher liebt die Roma eben; für den durchschnittlichen Slowaken eine Horror- Vorstellung. Dennoch ist die Atmosphäre sichtbar gut. Im direkten Kontakt ist für Stereotypen weniger Platz.

Mittags trifft mich der Schlag. Morgens hatte ich mein Geld gezählt und daher war ich ganz sicher, dass ich 880,- Euro eingesteckt habe. Als ich die Rechnungen begleichen will, sind im Portemonaie noch ganze 330,- Euro. Sonst fehlt nichts. Ich erzähle es Helmut, der es nicht glauben will. Ich habe auch keine Idee, wo das Geld hin sein kann. Die Roma waren es ganz sicher nicht! Ich werde abgelenkt durch den Umstand, dass nun auch Helmut etwas vermisst. Seine Tasche mit Dokumenten der Arbeitsstelle ist weg und findet sich nicht wieder an. Wir sind ratlos, denken an eine junge Familie, die mit ihren zwei Kindern am Tisch hinter uns saß, wollen aber niemanden verdächtigen. Habe ich das Geld zu Hause auf dem Tisch vergessen?

Nach dem Essen malen die Schüler aus Medzev die Kulissen für den Auftritt, der nun am Dienstag sein wird. (Bild unten) Zum Abschluss gehe ich mit dem Film- Team in Helmuts Cafe und wir trinken Kaffee und reden über dies und das. Daniela kennt sich mit Fremdenfeindlichkeit aus. Sie war zwei Jahre in der Schweiz und veranlasste ihre Eltern, in die Slowakei zurück zu gehen, weil sie das Mobbing an der Schule nicht aushielt. Ein kluges Mädchen, das authentisch spricht. Trotzdem will sie nicht in der Slowakei bleiben. Kanada vielleicht oder die USA- das sind so Ziele. Petronella und Bruno (Drittes Bild von unten) sprechen über die Schule, von Motorrädern und wilden Fahrten im Porsche. Von Karin (Zweites Bild unten) erfahre ich, dass auch ihre Eltern es in Deutschland versucht hatten. Sie arbeiteten als Ärzte in Hartmannsdorf, hielten es aber nur ein halbes Jahr lang aus. Karin will auch Ärztin werden und lernt (trotz der Erfahrung der Eltern?) fleißig Deutsch. Naja, ich würde mich von ihr behandeln lassen. Dann spiele ich Taxi und fahre einen jeden vor seine Haustür...

Das Geld findet sich nicht mehr an, aber ich rekonstruiere den Tag und bin nun sicher zu wissen, wer das Geld genommen hat. Ich kann den Täter nun beschuldigen, beschimpfen, anklagen... Aber lohnt sich das? Überführen kann ich ihn nicht wirklich. Aber enttäuscht bin ich schon. Da redet jemand davon, Geld verdienen zu wollen und als Jurist (!) am liebsten in der Schuldvollstreckung tätig zu werden. Na, dann man los. Da siegt ja auch oft nicht eben die Gerechtigkeit... :-(

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