Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 8. März 2021

Stadtspaziergang am 08. März

Frauentag ist Feiertag und alles ist zu - so meine Kolleginnen. Bemerkt habe ich das nicht. Alle Läden hatten geöffnet und es war mächtig was los. Auf den Baustellen wurde gearbeitet und in der Stadt arbeiteten städtische Angestellte auf den Grünflächen. Und doch waren zwei Dinge anders: Zum einen fehlten in den Restaurants die roten Streifen, mit denen die Tische abgeklebt waren, die wegen Corona frei bleiben sollten. Heute waren die Kneipen alle voll - Lockdown auf moldawisch! ;-) Zum anderen standen überall Menschen rum, die im Namen politischer Parteien, des Bürgermeisters oder einfach auch nur von Orange.MD rote Luftballons verteilten. Eine ganze Stadt voller roter Luftballons - das also ist Frauentag!

Ansonsten alles wie immer. Die Frauen kochen und machen, damit sie dann mit ihren Männern, die die Flaschen öffnen, ordentlich ihren Ehrentag begehen können. (Siehe Bild oben) Die kaufen natürlich die Blumen.

Ich habe den Tag genutzt, um mich zu Fuß in die Stadt zu begeben. Es ist eigentlich nicht weit. Von mir, der ich fast am Stadtrand wohne, sind es nur 50 min bis zum zentralen Park des Zentrums. Allerdings ist man als Fußgänger nicht immer gut dran. Aber davon schrieb ich hier schon. Nur als Beleg noch ein Bild von der (wüsten) Übergangszone meines Wohngebiets zum Zentrum. (Bild zwei)

Mein Plan war, den berühmten Park "Valea Morilor" aufzusuchen und dort in der Gegend ein bisschen zu spazieren. Auf dem Weg dorthin fand ich erst einmal Freund Pilsudski, der mir hier nicht hinzugehören schien. Unter der Büste steht allerdings, er sei ein "Freund der Moldau" gewesen, was wohl meint: Ein Feind der Sowjetherrschaft. (Bild drei) Sei's drum. Nun haben die Polen hier also auch ein Denkmal. 

Zentral im "Valea Morilor", was "Tal der Mühlen" bedeutet, ist ein angestauter See, der mich ein bisschen an den gefluteten jüdischen Friedhof in Iwano Frankiwsk erinnert. Wahrscheinlich hat man hier früher Wassermühlen betrieben; Windmühlen sicher nicht. Aber populär ist der Aufgang bzw. Abstieg im sowjet- klassizistischen Stil. (Bild vier) Insgesamt war das Areal viel kleiner, als ich angenommen und gehofft hatte. In der Tat könnte man dort Rad fahren, entsprechende Spuren sind aufgezeichnet, meine Schüler/innen haben Recht. Allerdings würde das bedeuten, ca. 20 Mal rumzufahren und dabei ständig Fußgängern auszuweichen. Also nix für mich. :-( 

Dann habe ich den Dendropark gesucht und auch gefunden. Leider gibt es aber keine Verbindung zwischen den beiden Parks, da eine Straße quer durch führt. Wie es sich für einen sowjetischen Park gehört, ist er von einem starken Metallgitterzaun umgeben. Das obere Tor, durch das ich - laut google maps - hätte gehen sollen, ist nun leider gesperrt: Privatgrundstück! Einen anderen Eingang zu suchen hatte ich keine Lust, denn auf den ersten 2- 3 km, die ich einsehen konnte, gab es keine Lücke im Zaun.  

Also zurück. An der Botschaft vorbei fand ich das Gelände der Universität, das nationale Geschichts- Museum mit Helikopter und altem Traktor davor, und endlich einen vollkommen leeren Bier- Pub, in dem es leckeres ungefiltertes Bier und ein gutes "Mici" (Hackfleischröllchen) gab. Kostenpunkt: 5 Euro. 

Auf der Rückseite des zentralen Parks mit Nationalkathedrale und Heldenbogen gibt es ein kleines Areal, auf dem Künstler (?) - also jedenfalls Menschen, die malen können - ihre Werke ausstellen und verkaufen. Gräulich, gräulich. (Bild fünf) Im strikten Gegensatz zu so viel gestrigem Kitsch dann eine ganz moderne WiFi- Zone. (Bild sechs) Vielleicht sieht man es nicht so genau, aber die "Blätter" dieses künstlichen Baums bestehen aus Photovoltaik- Platten, so dass man hier nebenbei auch sein Handy ganz ökologisch laden bzw. seinen Laptop klimaunschädlich anschließen kann.  

Weiter auf dem Weg zurück muss man eine lange Brücke entlang, die den hiesigen Fluss überquert, aus dessen "Promenade" man allerdings gar nichts gemacht hat. Nur Autos fahren dran vorbei. (Bild sieben) Auch hier kann man, das Stadtbild betrachtend, nur sagen: Schön ist anders. 

Die weitere Perspektive auf mein "Microrayon" ähnelt den Golan- Höhen. Massige Häuserhümpel, nennt man das "Wohnscheiben"?, dominieren den Horizont. (Bild acht) Da trottet man dann also lang. Aber da das Wetter schön war und ich viel Zeit hatte, kam es mir nicht drauf an. Ich mag es, fremde Städte zu Fuß in Besitz zu nehmen.

Mächtig imposant sind aber nur die Neubauten am Rande meines ansonsten sowjetisch geprägten Wohngebiets. Im Inneren sieht es dann doch bisweilen trostlos aus. Meine Kolleginnen haben nicht verstehen können, was ich gegen die Idee habe, man würde hier eben lieber eine Wohnung als Eigentum haben. Ich fragte mich und sie, was sie machen, wenn die Hauser endgültig abgewohnt und kaputt sind, wenn die Dächer repariert und die Heizungen erneuert werden müssen. Darüber hatten sie noch nicht nachgedacht. Noch funktioniert es und wenn das Dach kaputt ist, legt man halt zusammen und schmiert neuen Teer oben drauf. Ansonsten gibt es wohl auch noch Verantwortlichkeiten der Kommune für das, was wir "Gemeineigentum" nennen würden. Wie hier die Vorsorge aussieht, zeigt das letzte Bild. Leider keine Ausnahme. Jedenfalls war ich nach ca. 5 Stunden wieder hier und kennen nun wohl alles Wichtige, was man in Chisinau gesehen haben muss. 

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