Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 8. August 2011

Scharffenstein- Wawel- Burg Zips

Am 25. 07. starteten Sohnemann Daniel und ich in den Urlaub. Als "Vorgeschmack" gab es am Tag zuvor einen Besuch auf Burg Scharffenstein im schönen Erzgebirge. Der Flachländer war doch wirklich noch in keinem richtigen Gebirge! Das wird noch- in ein paar Tagen wollen wir die Karpaten sowohl auf ukrainischer als auch auf rumänischer Seite durchqueren! Da ist das Erzgebirge doch nur eine Puppenstube, wenn auch eine fein geputzte und aufgeräumte. Ganz anders eben als "dort", wo der Tourismus sich erst langsam entwickelt...

Die erste richtige Station auf unserem Weg in den Osten war dann Krakow. Das Wetter war ziemlich mies und vor allem war es kalt. Dennoch habe auch ich was Neues erlebt: Man darf also nur noch gegen Eintritt auf den jüdischen Friedhof und muss so ein lächerliches Stück Stoff als Kopfbedeckung tragen. Ich weiß nicht, ob sich die jüdische Gemeinde damit einen guten Dienst erweist- ich dachte jedenfalls wehmütig an die Zeit der von Gräsern überwucherten Gräber, deren Verlassenheit viel mehr vom Schicksal der Juden Krakows vermittelte als die nun geputzten Reihen erhaltener Grabstellen. Man bekommt auch nicht eben das Gefühl, an Tradition gemahnt zu werden, eher sieht es wie "busines" aus...

In der Stadt absolvierten wir das übliche Programm. Bilder vom Wawel usw. spare ich mir hier, denn das Wetter ließ keine auch nur halbwegs gelungenen Schnappschüsse zu. Den Abend verbrachten wir auf der Florianska in einem Pub; trotz des touristischen Flairs der Straße sehr empfehlenswert!

Auch Kosice empfing uns nass und kalt. Dennoch wagte ich beim ersten Sonnenstrahl die Reise nach Spisky Hrad, also zur Zipser Burg. Burgen würden wir auf unserer Reise noch genug sehen, ob diese hier ein lohnender Anfang ist? Der Regen hörte für 30 min auf, als wir ankamen, und aus dem Dunst stieg die imposante Ruine einer der flächenmäßig größten Burganlagen Mittel- Ost- Europas. Ja, der Besuch lohnt sich! Und sei es nur wegen des herrlichen Blicks ins Land...

"Warschauer- Pack- Tour"?

Hm, "Warschauer- Pack- Tour"- das muss man erklären! Eigentlich wollten Daniel und ich ja nach England, aber das klappte nicht. So entschied ich, ihm den "wilden Osten" zu zeigen, der für ihn - vielleicht auch wegen der vorangegangenen und hier nachzulesenden Erlebnisse - von so etwas wie "Warschauer- Pakt- Pack" bewohnt zu sein schien. Was immer noch bei dieser seiner Idee Pate gestanden hat, egal, ich habe - trotz des schlechten Wetters - mein Bestes getan, einen anderen Eindruck von liebenswerten Städten und liebenswerten Menschen zu vermitteln. Ob es geklappt hat? Lviv und Budapest haben ihm immerhin "besonders gefallen"; Eger war wohl auch nicht ganz schlecht. Damit sind die "Eckpunkte" der Reise benannt.

Von Kosice aus ging es am 28. 07. über die Grenze nach Uzhorod. Mann, wir waren das einzige Auto und brauchten nur 15 min für die Passage! Dafür ging auf der Gegenseite in dieser Zeit gar nichts und da standen wirklich "etwas" mehr PKW, deren Insassen auf ihre Abfertigung warteten. In mir festigte sich die Idee, über Rumänien wieder auszureisen.

Da wir nun viel Zeit gewonnen hatten, reichte es für zwei Stadtrundgänge/ Burgbesichtigungen: Uzhorod und Mukaczewo. Immerhin, in Uzhorod hatte sich auf der Burg (Bild oben) Einiges getan. Das Städtchen ist zwar verschlafen wie eh und je, ein Besuch lohnt dennoch. Dasselbe trifft auf Mukaczewo zu, wo ich dieses Mal tatsächlich Hinweise auf Munkacy, den ungarischen Nationalmaler, fand. Offensichtlich hat man in einem (mit seiner Biografie verbundenen?) Haus ein Restaurant eingerichtet. Wie in Lviv (Sacher- Masoch) sind es also eher die Geschäftsleute, die eine "fremde" Geschichte als für sich vorteilhaft entdecken als die Offiziellen. Hier kann man beobachten, dass Europa doch "von unten her" zusammenwächst ;-)

In Lviv dann das übliche Programm. Wie immer eine belebte Stadt, deren Einwohner und Touristen sich vom Regen nicht davon abhalten lassen, das Stadtzentrum zu bevölkern. Hier kam Daniel zu einem Foto in "familientypischer" Manier. Arbeiterdenkmäler? Es scheint eine neue (alte?) Mode zu sein- in Uzhorod erinnert eine Bronzeplastik an einen Lampenanzünder, in Mukaczewo fand ich eine neue Skulptur, die an einen Schornsteinfeger erinnert, hier nun ein Bierbrauer. Anders als zu sozialistischen Zeiten erinnert man damit aber eher an historische Typen/ Originale, denn an eine werktätige Klasse. Dafür wächst die Grablege der UPA- Helden (?) auf dem historischen Friedhof. Man begräbt hier diejenigen, die nun versterben. Die einschlägigen Symbole fehlen, die SS- Dienstgrade sind aber genannt. Ein Herr Dashkiewicz hieß ansonsten noch "Roman de Korybut"- dem Historiker in mir zuckte das Herz. Sei's drum...

Schon einen Tag später reisten wir nach Ivano, wo Juri uns mit Shashlyk erwartete. Die ganze "Bande" war da und wir beschlossen eine Rad- Tour für den 30. 07. Am Vormittag ging es los. Durch die sanften Hügel in der Umgebung Ivanos führte die Tour zum Dnistr und zurück: 67 km. Das war leicht zu schaffen und bot Gelegenheit genug, sich zu unterhalten und einander kennenzulernen. Abends Grillwürste bei Juri und Elenas Salate: Lecker!

Abschied nehmen fällt schwer. Aber es ging, denn ich freute mich auf Chernivci, wo ich die Filmleute aus Stralsund und Absolventen wieder treffen würde, die an der Produktion unseres Projekt- Films "Bukovina style" (2008) beteiligt waren. Daniel zeigte ich die Stadt und den (so auf Deutsch benannt) "Bierplatz" - einen der neueren Pubs in der City. Wir saßen lange mit Roman zusammen, der nach Münster zum Studium möchte und daher mit Daniel, der in Münster arbeitet, ein gemeinsames Thema hatte. Klar, wenn man in Chernivci ist und noch Zeit hat, muss man nach Kamenez- Podolski. Wir wagten die Fahrt trotz der Regenschauer und ich fand wieder neue restaurierte Abschnitte der Stadtmauer, der Klostergebäude und Stadtbefestigungen. Es geht vorwärts! In ein paar Jahren wird Kamenez die touristische Perle der Region und darüber hinaus sein! Dann der Abend mit Stefan Koeck, Michael Petrowitz, mit Viktor, Diana und Nadia, mit Lesia und Kolja. Schön, alle noch einmal gesehen zu haben...

Am 03. 08. dann Rumänien. An der Grenze Autos über Autos (wo kamen die alle her?), aber der Dienstpass half. Bis Kimpolung genossen wir die Schönheit der rumänischen Bukowina- sauber, aufgeräumt, irgendwie heiter und ganz anders als die ukrainische Seite. In gewundenen Serpentinen schlängelte sich die neue Straße die Hänge hinauf. Daniel kam, was Hochgebirge anlangt, auf seine Kosten! Doch dann verließ uns das Glück bzw. der erste Eindruck war doch täuschend. Hinter Kimpolung wurden die Straßen miserabel, um keinen Deut besser als in der Ukraine. Während sie dort aber in Flusstälern verlaufen und relativ schnell zu fahren sind, begann hier ein mühseliges Kriechen die Berghänge hinauf und hinunter. Es dauerte und dauerte! Die herrliche Landschaft verlor ihren Reiz je mehr wir uns fragten, ob das je ein Ende nehmen wird. Der Opel bekam "Fieber", sprich er kochte und der Thermostat machte Probleme. Dann ging es aber doch- so ein Omega ist selbst defekt noch ein stabiles Auto! Endlich lagen die Berge hinter uns, aber die Dörfer blieben ellenlang und kamen uns bei Tempo 50 vor, als wären sie endlos. Nachts um 23.00 Uhr erreichten wir Debrecen- ich hatte um 18.00 Uhr in Kosice sein wollen. Insgesamt waren wir (incl. Grenzübertritt) ca. 12 h auf etwas mehr als 400 km unterwegs gewesen!

Also freuten wir uns auf Eger, das endlich Sonne bot. Ich genoss die Burg und die Stadt (vorletztes Bild), die ich liebe und immer lieben werde. Daniel freute sich an dem Freisitz- endlich ein Bier im Freien! Ich war betrübt über die vielen brach liegenden Hotel- Kapazitäten. Wo sind alle die Touristen hin? Doch, es waren noch viele Menschen in Eger. Aber in unserem (sehr empfehlenswerten Hotel) waren wir die einzigen Gäste, obwohl es mit 42,- Euro/ Nacht incl. Frühstück für eine Person immer noch preiswert ist. Nicht viel anders empfand ich Budapest, das allerdings im Unterschied zu Eger schw...teuer ist. Vielleicht muss man nicht auf der Margareten- Insel essen gehen, aber 20,- Euro für zwei Zwiebelsuppen, ein Bier und eine Cola- das ist zu viel! Egal, Hauptsache, es hat dem "Warschauer- Pack- Touristen" gefallen und gezeigt, dass "Pack" nicht immer gleich Pack ist!

Sonntag, 17. Juli 2011

Kajaking ohne Ukrainer

Im letzten Jahr hatte Wiesia, die Organisatorin der Fahrt, noch meine Freunde Ira, Anja, Julia und Taras als "seltene Gäste" aus der Ukraine begrüßt. Dieses Mal gab es leider keine Visa für die geplanten Mitreisenden und ich fragte mich, was nun besser ist: Von seiner eigenen Regierung ein- oder von fremden Regierungen ausgesperrt zu sein? Frei nach Bertolt Brecht darf man hier wohl anmerken, dass - wenn wirklich die Völker wählen würden, wer sie wie regiert - so etwas kein Diskussionspunkt wäre. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt :-(

Also ohne Dasha oder Ira oder sonstwen ab nach Polen! Einsam würde ich schon nicht werden, sprechen doch Wiesia und Ola gut und Wieslaw ein verständlich- kugeliges (meint zum kugeln komisches) Deutsch. Anstelle der "seltenen" Gäste aus der Ukraine waren Harald und Ingmar aus Schweden angesagt. Sie sind bereits früher mit Wiesia unterwegs gewesen und lieben die Mischung aus Naturbelassenheit und Gerade- noch- so- Standrd in Polen. Hm, nicht auf allen Zeltplätzen waren Duschen und Toiletten die helle Freude, aber es geht vorwärts. Ein Programm der EU fördert die Einrichtung moderner und gut gemachter Camping- Platz- Ausrüstung. Auf zwei Plätzen konnten wir uns schon davon überzeugen, dass Campen in Polen eine helle Freude wird, wenn das erst überall Standard ist...

Aber ich wollte ja gar nicht in ein Hotel und war so eher positiv überrascht. Sowieso fand ich die Tour über die Brda angenehmer als die vom letzten Jahr an der Hancza. Die Landschaft ist absolut reizvoll, da die gesamte Strecke durch ein Naturreservat führte. Das bedeutete auch mehr Abwechslung auf dem Fluss, denn umgestürzte Bäume (siehe zweites Bild von oben) und andere Hindernisse bleiben wo sie sind und müssen notfalls umgangen werden. In diesem Jahr war allerdings der Wasserstand so hoch, dass dies nicht nötig war. Dafür forderten die Baumhindernisse in Verbindung mit einer starken Strömung ab und an ein "Opfer". Zwei Mal musste Darek, Olas Verlobter (die beiden sieht man im Bild oben bzw. am Feuer), rein ins Wasser und gekenterten Wanderfreunden beim Bergen der Sachen helfen.

Andererseits hatte die Strömung auch ihr Gutes, denn sie nahm einem die allzu mühsame Paddelei ab. Es wurde also ein entspannter Aufenthalt auf dem Wasser, ab und an unterbrochen durch ein bisschen Adrenalin- Stoß. An Land erwarteten den Städter die herrlichen Landschaften der Kaschubei: Seen, Wälder, Wiesen und Felder, ab und an ein Naturlehrpfad. Zum Wasserwandern kam also das Wandern an Land! Abends dann das obligatorische Lagerfeuer. Was braucht man mehr, um sich zu erholen?

Wiesia (unteres Bild Mitte, die junge Frau vor mir) hatte - wie immer - die Organisation perfekt im Griff. Ihr macht es Spaß, Reiseleiterin zu sein. Das merkt man. Harald und Ingmar wollen wieder kommen und vielleicht bin auch ich im nächsten Jahr wieder mit dabei- dann vielleicht mit slowakischen Freunden. Oder doch mit Ukrainern? Mal sehen...

Wohnung in Kosice

Als ich nach all dem Trubel aus Lviv in Richtung Kosice aufbrach, war ich schon wieder ruhig. Aller Ärger wird früher oder später zu einer Anekdote, die man dann erzählen kann! Ein Glück, dass mir das Wiederkommen nun doch nicht verwehrt wurde. Ich will noch auf den Pip Ivan ;-) !

Als Grenzübergang wählte ich den kleinen Übergang ca. 30 km vor Uzhorod in Richtung auf das slowakische Humenne. Ich wollte ihn ausprobieren, denn später werde ich von Michalovce aus aller Wahrscheinlichkeit nach diesen Weg wählen, um nach Lviv oder Ivano- Frankivsk zu kommen. Allerdings würde ich auf ukrainischer Seite nie wieder auf den kleinen Straßen durch die Berge fahren, um auf die Hauptstraße Chop- Lviv zu gelangen. Dann lieber den Umweg über Uzhorod! Warum? Nun, der Leser ahnt es schon: Die Straßen! Aber immerhin fuhr ich auch hier durch herrliche Landschaften. Die Karpaten laufen langsam in die Slowakei aus; bis fast nach Kosice reichen ihre Ausläufer (Bild oben).

In Kosice erwartete mich eine Kollegin, deren Tochter nach Prag verzogen ist und deren Wohnung ich nun miete. Ca. 10 min vom Stadtzentrum entfernt, gefällt mir vor allem die Lage. Die Inneneinrichtung könnte besser sein, aber ich bin nun wirklich Schlimmeres gewöhnt und so schlecht ist es auch wieder nicht. Waschmaschine und Kühlschrank sind vorhanden und die Möbel sind zwar alt, aber hell und freundlich (zweites Bild oben). Was ich brauche ist da. Wenn erst meine Bilder an den Wänden hängen wird es schon gemütlich werden. Angenehm ist auch die Lage in einer Nebenstraße (drittes Bild von oben): Bocaciova! Boccachio- Straße? Grins... Es wird nicht laut und wenn ich Glück habe, kann ich vom Marathon- Platz ;-) aus in ca. 10 min sogar die Stadtgrenze mit einem Erholungsgebiet erreichen, wo man laufen können soll. Allerdings eher mit Schuhen und nicht - wie der legendäre Abbebe Bikila eben hier beim Kosice- Marathon - ohne das ihm aufgeschwatzte Markenzeugs!

Anderntags hatte ich dann noch Zeit, die Stadt zu erkunden, die einen ganz angenehmen Eindruck macht. Bis zu der Pestsäule (Bild vier) sind es wirklich nur 10 min. Auf dem Weg dorthin liegt "Tesco"; von der Stadt nach Hause gehend kann ich also auch im Supermarkt einkaufen, wenn ich die einfachen Läden in meiner Nähe nicht aufsuchen will.

Allerdings ist die Stadt schnell erkundet. In 20 min ist man einmal durch und weitere 20 min reichen, dann hat man alles gesehen, was sich früher innerhalb der Mauern befand. Herausragende Bauten sind natürlich die Oper (vorne auf dem fünften Bild) und der Dom (dahinter). An meine Heimatstadt Wismar erinnert mich der Mini- Graben, der in der Fußgängerzone Wasser führt. Nicht nur wegen dem etwas größeren, aber ebenfalls geraden Wasserlauf in Wismar, sondern vor allem wegen des dort als Brunnen ausgeführten, von den Einheimischen liebevoll- ironisch "Pinkelrille" genannten Pendants. Sieht das hier nicht auch aus wie eine P...- Rille???

Im Wesentlichen ist die Stadt saniert und macht einen gepflegten Eindruck. Bis 2013, dem Jahr, in dem Kosice europäische Kulturhauptstadt werden wird, ist aber noch Einiges zu tun. Vorbildlich die Bemühungen, die verschlafenen Seitenstraßen der Altstadt zu beleben.Auf diesem kleinen Platz vor der Kirche befinden sich gleich zwei Restaurants! Überhaupt ist das ganze Stadtzentrum eine einzige Trink- und Saufmeile für die aus der Umgegend an den Wochenenden in die Stadt strömenden Besucher aus den Dörfern und Kleinstädten ringsum. Und seit die Schulen Ferien haben sieht man auch junge Menschen auf den Straßen! Ich werde es dort aushalten, denke ich...

Vorher war auch noch was- Hoverla

Klettern in den Dovbush- Felsen hatten wir hinter uns, da wollten Dasha und ich zum Abschluss der vielen Touren, die wir in den letzten 10 Jahren gemeinsam gemacht haben, doch noch in die Berge. Da wir in Sachen "Pip Ivan" zu unsicher waren, ob wir den richtigen Einstieg erwischen, entschieden wir, noch einmal den uns schon bekannten Hoverla (höchster Berg der UA, etwas über 2000 m) zu besteigen. Also ging es am Montag mit dem Auto bis hin zum Aufstieg. Das Wetter war schön, die Sonne strahlte, es konnte los gehen...

Etwas weiter oben angekommen verschwand zuerst die Sonne und es begann zu nieseln. Zum Glück hatte ich Regenklamotten mit (Bild oben) und auch wärmende Sachen zum Drunterziehen. Bedeckt konnte das Wetter bleiben. Doch dann zog ein Unwetter (zweites Bild von oben) auf. Wir beobachteten es zuerst skeptisch und stiegen weiter bis zum "kleinen Hoverla", also bis zu dem bereits über der Baumgrenze liegenden Höhenzug vor dem endgültigen Aufstieg zum Gipfel. Aber dann brach ein Sturm los, der uns fast den Hang hinunter blies, und dazu trieben uns die Windböen stechende Regentropfen mit Eis vermischt ins Gesicht. Abstieg! Mit uns flüchteten auch andere Touristen, die es "gewagt" hatten (nun ja, Großstädter vielleicht!) sich mit nackten Füßen, Sandalen und bisweilen auch Stöckelschuhen auf den Weg zu machen. Manche hatten nicht einmal eine Windjacke mit und froren nun sichtbar durch. Nur einheitsblaue Regenmäntel, nein, nicht so einen, wie ihn Dasha (drittes Bild von oben) trägt, sondern müllsackblaue (!), die vielleicht irgendein Reiseveranstalter ausgegeben hatte, trugen plötzlich alle, die noch am Berg waren. Naja, etwas weiter unten, im Wald, ließen Wind und Regen nach und wir konnten Picknick machen. Das war es dann.

Um nicht ganz umsonst gefahren zu sein, beschlossen wir, nicht über Jaremtscha, sondern über Verchovina zurück zu fahren. Von einem der malerischen Seitentäler aus sahen wir dann auch den Pip (ukr. für "Pope") Ivan, der jedoch auch in finstere Regenwolken gehüllt war. Ein hübsches Tal, aber - wie fast immer dort oben - ein mieser, kaum wirklich Straße zu nennender Asphaltschrott- Schotter- Weg (Bild unten). Immerhin haben wir noch ein paar schöne Aussichten in die herrliche Berglandschaft genossen, ehe der Tag in einer Kneipe ausklang.

Dienstag, 28. Juni 2011

Rechtsprechung aus dem Beduinenzelt

Neugierig geworden, was einen entsandten Programmlehrer der BR Deutschland zur „illegalen Arbeitsaufnahme“ in der freien und souveränen und überdies schönsten Ukraine bewogen hat, die es weltweit gibt? Nun, Ende August 2010 eingereist im Status eines akkreditierten (also diplomatisch beim Außenministerium in Kiew zentral registrierten) Auslandslehrers, bekamen wir Ende Oktober 2010 unsere Pässe ohne Visum zurück. Die Botschaft erreichte in der Sache nichts und zog uns, also alle im Programm tätigen Lehrkräfte, aus der Ukraine ab, da wir nun über keine Arbeitsgenehmigung mehr verfügten. Im Februar 2011 kam ich zur Abwicklung meiner Angelegenheiten wieder, arbeitete für das nicht aufgehobene deutsche Programm ohne ukrainische Vergütung bis zum Mai und reiste dann aus. Im Juni wieder eingereist, traf mich nun die volle Härte des Gesetzes! Die unappetitlichen Einzelheiten der Behandlung auf einem ukrainischen Amt, die Widerwärtigkeit des Umgangs mit einem Beschuldigten, erspare ich mir hier. Fakt ist nur: Nach und nach brachen die Anklagepunkte in sich zusammen. Übrig blieb der Zeitraum September- Oktober, in dem ich, weil ich von nichts Anderem wusste und – da man die Botschaft nicht von irgendwelchen Absichten, unseren Status zu ändern, informiert hatte – auch nichts ahnen musste, brav in meiner Schule gearbeitet hatte. Ich sollte mich schuldig bekennen, tat das aber nicht, da ein Schuldeingeständnis – und das war beabsichtig – alle Kollegen des Programms und die deutsche Seite insgesamt ins Unrecht gesetzt hätte. Also ging der Fall vor „Gericht“…

Oh du österreichisches Amtsgericht vom Ende des 19. Jahrhunderts! Hinter der gut restaurierten Fassade des imposanten Gebäudes der Gestank der Kübel aus dem vorigen Jahrhundert, die lieblichen Düfte der Bäuerinnen, die man wegen unerlaubten Handels am Straßenrand verknackt, der Gestank der BOMSCHi (Obdachlose), denen das Schlafen auf der Straße untersagt wird, das Geschnatter der Justiziarinnen, die den tumben Bäuerlein verklickern, warum sie und wozu sie schuldig gesprochen werden… Wir schoben uns durch das stinkende Gewühl, um ein auf 30 min angesetztes Gerichtsverfahren über uns (die Amtsleute inklusive) ergehen zu lassen. Wie läuft das nun ab?

Erst einmal wird man aufgerufen, darf aber nicht hinein. Zu Richter Rudenko vorgelassen werden erst einmal nur die Amtsleute, die mit ihm die Sache besprechen und das Urteil vorformulieren. Nach ca. 20 min muss man dann selbst rein und „darf“ stehend vor einem Mikrofon auf Fragen antworten. Das Blablabla kreiste um die Frage, auf welcher Grundlage ich in der Ukraine gearbeitet hätte. Nun, die Grundlage ist eine internationale und seit 1992 rechtsgültige, dem Kulturvertrag angefügte Abmachung namens „Lehrerentsendeprogramm“. Das sollte ich, der Tourist, nun vorzeigen, was schlichtweg nicht möglich war. Das Dokument läge wenige Minuten von hier an meiner Schule. „Liegt also nicht vor“, konstatierte Richter Rudenko und verlas das Urteil, demzufolge ich nur im Status eines Immigrationswilligen (Visum IM1) hätte eine Arbeit aufnehmen dürfen „sofern internationale Verträge nichts anderes regelten“. Ob ich das akzeptieren würde? – Wieso? Er hat doch selbst vorgelesen, das anderslautende internationale Verträge dieser Interpretation entgegen stehen. Da stutzte das Mensch und vertagte sich um 30 min.

Sichtlich erregt, weil das besprochene Szenarium offensichtlich verletzt war, rannte mein Ankläger vom OVIR hinter ihm her. Er wolle Wasser kaufen, entschuldigte er sich bei uns, nur gab es weit und breit keine Verkaufsstelle ;-) Dann kam er wieder- sichtlich enttäuscht. Nach 30 min erschien Richter Rudenko in einem schwarzen Kostüm, das wohl die schwerlich vorhandene „Würde“ dieses Gerichts unterstreichen sollte. Um den Hals hatte er eine goldene Plakette am ukrainischen Band, womit er vollends wie der Bestschüler seines Jahrgangs bei einer Abiturfeier daher kam. Ohne Aufzublicken verlas er dann das Urteil: schuldig nach den Paragrafen blablabla und verurteilt – wegen nicht nachzuweisender Vorsätzlichkeit – zur Minimalstrafe von 510,- UAH (entspricht ungefähr meinem letzten Gehalt für 10 h Unterricht). Ob man das Urteil schriftlichen haben könne? Ja, wenn man es beantragt. Ok, raus.

Aber nicht alle gingen. Während wir, der Dolmetscher, eine Zeugin und ich, rausgedrängt wurden, stürmten die Beamten des OVIR zum Richter, dem sie nun wohl Vorhaltungen machten. Soll man als Anzeichen beginnender Rechtsstaatlichkeit werten, dass das abgekartete Spiel zwischen Verwaltung und Gericht wenigstens nicht das abgesprochene, sondern ein milderes Urteil zur Folge hatte? Wohl nicht. Angst hatte der Richter nur vor den möglicherweise entstehenden Verwicklungen, denn anders als BOMSCH und Bäuerin sprach ich im Namen der Botschaft der BR Deutschland. Anders auch als die Provinzidioten vom Amt, für die eine Deutsche Botschaft in Kiew und also weit weg ist und die, wenn sie an sich selbst denken, zu Recht niemals davon würden ausgehen können, dass sich die ukrainische Botschaft ihretwegen bemühen würde, hatte der (vielleicht in Kiew) studierte Mann eine Ahnung davon, was alles passieren könnte, wenn ich den Weg durch die Instanzen nehme. Er hatte deutlich gehört: Der Protest der Botschaft ist beim Außenministerium der Ukraine eingereicht… Apropos, die Beduinen mögen mir verzeihen. Vielleicht geht es dort nach altem Recht und nach alter Sitte gerechter zu!

homo sovieticus

Was man zum Abschied erleben muss… Im Mai hatte ich nicht nur die übliche Miete bis zum 15. 06., sondern die Hälfte mehr bezahlt und damit den 30. 06. als Auszugstermin festgelegt. Mein „chosjain“ (Wirt, Vermieter), der nach eigenen Angaben die Deutschen seit seiner Zeit bei der BAM sooo liebt (er habe gut verdient damals), war erfreut darüber und alles schien in Ordnung. Daher wunderte ich mich nicht wenig, als er Anfang Juni kam und darauf bestand, ich solle am 15. 06. Die Wohnung räumen, da seine Frau renovieren wolle. Erst war ich schockiert, verlangte also mein Geld zurück, was ihm sichtlich Unbehagen bereitete, dann spielte ich mit seiner Geldgier und bot ihm noch 50,- Euro an, wenn ich bis zum 23. 06. bleiben könnte. Er willigte ein. Irgendwann kam er dann mit Strom- und Gasrechnungen, ich zahlte und spielte auf die 50,- Euro an, die er am Ende als „Renovierungsbeihilfe“ bekommen würde. „Aber warum denn? Das ist doch nicht nötig.“ Wir hätten uns doch immer so gut verstanden, die Wohnung sei so sauber und ordentlich und anderes Bla Bla Bla. Na gut, das Gewissen hatte also doch noch gesprochen…

Hatte es das? Am 22. 06. morgens um 07.15 Uhr stürmten dann Beamte der Ausländerbehörde in meine Wohnung. Ungeachtet der Tatsache, dass ich nur spärlich bekleidet auf das Sturmklingeln hin die Tür geöffnet hatte, verhandelten sie mit dem halbnackten Mann und einer ebenfalls nur im kurzen Nachthemd da stehenden, in dem Raum gerade aus dem Bett aufgeschreckten Freundin und luden mich zu um 10.00 Uhr auf ihr Amt. Was dort geschah, ist schon eine andere Sache, die am 23. 06. weiter ging. An diesem Tag zog ich erst einmal aus. Der Fußboden war gewischt, das Bad geschrubbt, die Gardinen und Tischdecken gewaschen, meine Sachen waren alle raus. Übergabe: Hilfsbereit trug Petro Gawrilowitsch Moklak, er sei hier namentlich erwähnt, eine meiner Taschen zum Auto, beugte sich dann zu mir und erinnerte mich flüsternd an „mein Versprechen“. Aha, das Gewissen sprach also- ich gab ihm das vereinbarte Geld. „Frank“, sprach es noch, „der Mietvertrag. Hast du den Mietvertrag? Bitte gib ihn mir.“ – Den Mietvertrag? Na meinetwegen, was sollte ich nun noch damit. Ich gab ihm das notariell beglaubigte Papier mit unseren Abmachungen und dem Nachweis meiner Zahlungen und wir schieden freundlich. Nun, ok, leicht angewidert war ich schon. Kriecher!

Doch ist das nicht die Geschichte. Die Geschichte ging auf dem OVIR in der Ausländerbehörde weiter. Dort schleifte man mich am Nachmittag des 23. 06. vor Gericht, das mich rechtskräftig zu einer minimalen Strafe (510,- UAH = 1 Monatsgehalt an meiner Schule) verurteilte. Nun war ich – wie ich dachte – wieder ein freier Mann. Da hatte ich aber nicht mit dem Chef des OVIR gerechnet, der das Ganze doch nur inszeniert hatte, um an Geld zu kommen. Nachdem seine Träume in der Hauptsache geplatzt waren, bestand die einzige Chance, mich noch ran zu kriegen, in einer Anschuldigung, die seiner Androhung einer „Deportation“ mit sofortiger Wirkung Nachdruck verleihen konnte. Um das abzuwenden wäre wohl eine „Strafe“ – zu zahlen an den Chef persönlich – fällig gewesen. Was hatte der aber gegen mich in der Hand, nachdem seine Anschuldigung „illegaler Arbeitsaufnahme“ nicht den gewünschten Erfolg gebracht hatte? Aha, es gäbe da eine Anzeige, ich hätte a) eine Wohnung illegal gemietet, mich dann b) geweigert, die Wohnung zum vereinbarten Termin zu verlassen, und c) wäre sie in einem erbärmlichen Zustand und müsste nun meinetwegen aufwändig renoviert werden… Was? Der Chosjain, dieses Schwein, hatte mit dem SBU (Geheimdienst) zusammen seit Wochen an der Konstruktion einer Anklage gegen mich gearbeitet, die „Beweise“ meiner Unschuld an sich gebracht und mir dafür noch 50,- Euro abgenommen? Was hat man dir dafür versprochen, du Sowjetarsch? So also waren/ sind sie, die um eines geringen persönlichen Vorteils willen Verwandte, Freunde, Kollegen ans Messer des KGB geliefert haben, um dann mit anderen „za vstrechu i za drushbu“ zu trinken. So kam man also ins „Lager“, zur Zwangsarbeit, in die Ljubljanka! Und der Spuk ist immer noch nicht vorbei: der homo sovieticus lebt und feiert 20 Jahre nach dem Ende dieses sich „sozialistisch“ nennenden Monstrums Urständ in jedem Amt, in jeder Behörde postsowjetischer Kleptokratien! Was für ein Abschied aus diesem abgrundtief verkommenen Land! Ach, Freunde, entschuldigt meine Wut, aber der chosjain ist ein Schwein! Es heißt PETRO GAWRILOWITSCH MOKLAK!