Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Donnerstag, 14. September 2017

Alma Vii/ Almen

Am Freitag Nachmittag war Exkursion in die Gegend angesagt. Essen sollte es unterwegs geben. Da waren wir gespannt. Nach ca. 30 min Schaukelfahrt mit dem Bus landete unsere Gruppe "jwd", wie der Berliner sagen würde. Nicht wirklich Bergland, aber mehr als Hügelland, nicht bewaldet, aber auch nicht kahl- so stellt sich die Gegend dar. Hätte Goethe sie "lieblich" genannt? Vielleicht...

Alma Vii ist jedenfalls eine als "Almen" von den siebenbürger Sachsen gegründete Siedlung mit ca. 700 Seelen und soll auch früher nicht mehr Einwohner beherbergt haben. Wie solch ein Dorf die ökonomische Kraft aufbringen konnte, eine derartige Wehranlage zu erschaffen und zu unterhalten, das ist schon interessant. (Bild oben) Die hiesige Wehrkirche aus dem 14. Jahrhundert, sie hat am Kirchturm Pechnasen, Wehrgänge und einen einzigen, vom Kirchenraum aus begehbaren und hoch gelegenen Zugang, ist als Protestantische Kirche mit Kanzel, Orgel und umlaufender Galerie ausgestaltet. Umgeben ist der trutzige Bau von einer mehrere Meter hohen und stabilen Mauer mit Wehrgängen (Bild zwei), die von einem  Uhr- und einem Torturm geschützt wird. Auch der Kornspeicher ist als Wehrturm ausgelegt. (Bild drei)

Die letzte Sächsin des Dorfes ist vor 10 Jahren gestorben, die anderen haben schon vor 20 oder 30 Jahren Rumänien in Richtung Deutschland verlassen. Auf der Burg war seitdem niemand mehr, nur ein paar Kirchenräuber versuchten, die Orgelpfeifen auszubauen und als Schrott zu Geld zu machen. Für die orthodoxe Mehrheitsbevölkerung heute ist die "Sachsenkirche" des Teufels und sie mieden sie. Dann aber kam eine vor allem von Norwegern betriebene Stiftung und mühte sich um den Wiederaufbau der Burg. Das Konzept sieht vor, nur regionale Möglichkeiten zu nutzen oder zu schaffen und nachhaltig zu fördern. So wurden eine Ziegelei und eine Handwerkergenossenschaft gegründet, deren Mitglieder ihre Ausbildung bei der Rekonstruktion der Burg erhielten. Heute sollen sie schwarze Zahlen schreiben und ohne den Burgbau existieren. Der zu diesem Zweck gegründete Frauenverein betreut auf der Burg und rings um sie herum mehrere Fremdenzimmer und sorgt bei Bedarf für das Essen. So kamen wir zu einem stimmungsvollen und wirklich schmackhaften Mittag in den historischen Räumen! (Das Personal übrigens bestand nur aus freundlichen und wieselflink fleißigen Zigeunerinnen!) Warum machen Norweger, Belgier und Niederländer so etwas, während "wir" Deutschen höchstens einen "Lidl" oder ein "Kaufland" in die Gegend gestellt hätten, damit die Rumänen auch dort unsere Produkte kaufen? Man sieht, es geht anders, wenn man will. Wir aber wollen nicht....

Nach dem Essen und der Kirchenburgführung konnten sich Interessierte im Korbflechten üben und die anderen (auch ich) wanderten zu den Köhlern. Was für eine elende Arbeit! Und gefährlich ist sie auch, weil immer wieder Arbeiter bei den notwendigen Abdeckarbeiten (siehe Bild 4) auf dem viele hundert Grad heißen Meiler ins Innere durchbrechen, womit jede Hilfe zu spät kommt. Der "Patron" stellt das Holz und berechnet genau, wie viel Holzkohle daraus werden muss. Schaffen die Köhler die Vorgabe nicht, bleibt der Lohn aus; schaffen sie alles wie vereinbart, reicht er zum Leben in einem Wohnwagen. (Bild 5) "Unsere" Köhlerfamilie bestand aus einem Mann und einer Frau, die alle 4- 5 Jahre den Platz verlassen und weiter ziehen, weil dann alles geeignete Kleinholz zu Holzkohle geworden ist.

Auf dem Rückweg ergab sich ein toller Blick auf die Burg von Almen (letztes Bild) und man konnte sich gut vorstellen, wie die Tartaren sie vor vielen hundert Jahren wahrgenommen haben. Erobert worden ist sie nie und die Skelette aus dem Inneren stammen wohl von einem Friedhof. Ob die Toten freilich besondere Würdenträger des Dorfes oder bei Kampfhandlungen Getötete waren, das wüssten die Archäologen nicht. So jedenfalls erklärte es uns die sehr sympathische und äußerst kompetente Führerin, eine Sächsin aus einem der Nachbardörfer, die nun die Frauen betreut, die für die Wohnungsvermietung und die Küche zuständig sind. Ob es Probleme gäbe? Natürlich. Aber man könne alles lösen, wenn man nur will, so die Antwort. Und in der Tat waren die meisten Häuser im Dorf frisch angestrichen und viele schon gut saniert. Müll wie in den slowakischen Zigeunersiedlungen? Hier gab es nicht einmal ein weggeworfenes Papiertaschentuch auf der Straße! Die Menschen haben das Dorf in Besitz genommen und füllen es nun mit eigenem Leben. Sie haben eine Perspektive und sind dankbar. Es geht also! Man muss nur wollen und machen!

Weiterbildung in Medias/ Mediasch

 Kaum angekommen holten mich die üblichen Arbeiten vor Beginn des neuen Schuljahres ein. Arbeitsvertrag abholen, Stundenplan eintreiben, Stoffverteilungspläne erarbeiten usw. Dabei gab es eine böse Überraschung, da ich nach einer jüngst beschlossenen Verordnung nun nicht mehr als "Doktor" bezahlt werden kann, weil das nur noch geht, wenn auf der Doktorurkunde das Fach drauf steht, das ich unterrichte. Ich bin danach aber Philosoph und nicht Philologe. Na gut, verzichte ich auf die 13%... Aber nein, ich soll die über's Jahr gezahlten Zuwendungen zurück zahlen! Wieso, die Regelung war doch vor einem Jahr noch anders? Ja, aber jetzt ist sie eben so... Gut, das bedeutet nun zwei Monate ohne rumänisches Gehalt leben. Man sieht, auch hier wird alles immer besser, aber nichts wird gut. Ende des letzten Schuljahres war sogar mal von Streik die Rede, weil die Regierungspartei in den Wahlen die Verdoppelung der Lehrergehälter versprochen, bis jetzt aber noch keinen Lei mehr gezahlt hat. Allerdings scheint das nur Sturm im Wasserglas gewesen zu sein, es gibt Unmut, aber niemand will etwas tun. Da freut sich jede Regierung drüber. Meckern könnt ihr ja, Hauptsache ihr geht zur Arbeit...

Aber nicht alles ist schwarz. Am Donnerstag ging es auf nach Medias zum jährlichen Treffen der deutschen (und rumänischen) Lehrer an deutschen oder DSD- Schulen. Hm, naja, der Eröffnungsabend war nicht eben ein kulinarischer Höhepunkt- Medias ist ein Kleinstadt (vgl. Bild 1) und die dortigen Restaurants (z.B. das auf Bild 2) sind mit 100 Personen überfordert, obwohl wir schon früher ansagen mussten, für welches der drei gebotenen Gerichte wird uns entscheiden. Die "Lieferung" dauerte trotzdem Stunden und das Essen war kalt. Davon ab gab es ein paar nette Begegnungen und neue Bekannte, die vielleicht interessant werden. Vor allem Waldemar, ein polnischstämmiger Deutscher, der hier seinen Lebensabend verbringen will und daher bei Suceava ein Häuschen baut, war mir auf Anhieb sympathisch. Wir tranken jeden Abend diverse Bierchen zusammen und hatten schnell eine Wellenlänge gefunden.

Mein Workshop zum Debattieren kam gut an und ich strich Komplimente ohne Ende ein. Ja, man ist dann stolz und zufrieden. Leider wird - wie Uta zu sagen pflegt - "wer gut ist, wieder genommen", so dass ich schon Anfragen für weitere Veranstaltungen in der Tasche habe. Mal sehen...

Medais selbst ist die erste "Sachsensiedlung" in Siebenbürgen, die ich bewusst als solche aufgenommen habe. Die kleinen Häuser der Mittelstadt (historisch- heute eher Kleinstadt) erinnerten mich an den Baustil der Zipser in der Slowakei. Häuser und Toreinfahrten (Bild 5) erinnern sehr an Medzev und andere slowakische Städte der Deutschen. Was dort allerdings fehlt, sind die markanten Kirchenburgen. Viele Dörfer in der Gegend haben sich solch einen Schutz- und Rückzugsraum gegen Tartaren und nomadisierende Osmanen geleistet, in Medias steht im Zentrum eine der ältesten als Burg ausgebauten Kirchen. (Bilder 3 und 4). Das meint, dass die Kirche kaum Fenster aufweist und im Turmbereich eine Verteidigungsanlage ist; zudem ist sie durch Wehrmauern und einen Torturm geschützt. (Bild 3) Dass die Anlage dennoch nicht wirklich eine "Veste" geworden ist, verdankt sich dem Aufstieg des Ortes zur Stadt, die sich endlich mit eigenen Wehrmauern. Wehrtürmen etc. umgab. (Letztes Bild)

Insgesamt hat der Ort eine schöne Atmosphäre (vgl. vorletztes Bild) und die restaurierte Altstadt mit den Wehrmauern ist durchaus sehenswert. Für Individualtouristen reicht das gastronomische Angebot auch aus und insbesondere die oben im Bild gezeigte "Kneipe" bot schmackhaftes Essen. Leider mussten wir aber auch dort 1,5 h auf das Essen warten. :-( Ansonsten findet dieses jährliche Treffen in Medias statt, weil hier ein mit deutscher Hilfe ausgebautes Weiterbildungszentrum für rumänische Deutschlehrer angesiedelt ist, das ohne solche Veranstaltungen von der Schließung bedroht wäre. Daher bleibt uns der Ort sicher für weitere Treffen erhalten...

Samstag, 9. September 2017

Wiesbaden bei Lutze

Apropos Besuch bei Herrn Salm... Natürlich soll man über die wieder neu geknüpften Kontakte nicht seine alten Freunde vergessen! Von Gondenbrett aus fuhr ich nach Wiesbaden, wo ich Lutze traf. (Bild vier) Der hatte den Tag frei und so konnten wir in Ruhe einen schönen Nachmittag verbringen, ehe ich zum abendlichen Termin mit Dascha, meiner ukrainischen Freundin und nunmehrigen Psychologie- Studentin in Mainz weiterfuhr. Das Wetter war immer noch prächtig und Wiesbaden gefiel mir. Vor allem die Parks (Oben hinter dem Theater und unten der Kurpark) sind doch schön- Lutz hat sich mittlerweile auch mit der Hessenmetropole angefreundet, jedenfalls mischt er wieder ein bisschen am Theater (Bild drei) mit und hat so neue Kontakte, die mal nicht so miefig sind wie die mit seinen Kolleg/innen. Aber nach Dresden zurück will er doch! ;-)

Wir aßen einen Happen gegenüber dem Parlament und ehemaligen Stadtschloss, (Bild zwei) das mich natürlich an Büchner und seinen "Hessischen Landboten" erinnerte. Verdrängt oder vergessen hatte ich schon, dass auch Dostojewski sich hier herumgetrieben und Linderung gesucht hat. Man spielt ihn heute in der Stadt. Gut so. Dann noch ein Bierchen im Kurpark und Lutz musste zu einem Termin, ich zu meiner Verabredung. Schade, zu kurz. Aber Uta wird im Herbst auch hinfahren und so bleibt die Familie präsent, ehe Lutz als Adoptiv- Sohn mal wieder in Freiberg vorbei sehen wird. Lach. ;-)

Der Abend mit Dascha war dann sowieso zu kurz, aber er reichte, um mir das ganze Elend der deutschen Universitäten, des Bologna- Systems und der MINT- Hysterie lebhaft vor Augen zu stellen. Das Mädel kämpft nicht nur mit der Mathematisierung der Fachrichtung, aus der bald alles Humanistische zugunsten statistischer Erhebungen über die Wirksamkeit von Pillen getilgt ist, sondern auch mit den Mieten, den (verdeckten) Studiengebühren und den sprunghaft gestiegenen Kosten für die KV ab ihrem 30. Lebensjahr. Auch deshalb hätte es sich gar nicht gelohnt zu bleiben, denn sie arbeitet jeden freien Tag in einer Pizzeria (für Mindestlohn- versteht sich, und das Trinkgeld teilt sich die Stammbelegschaft). Ich hoffe, sie schafft das alles. Die erste Probeklausur war wohl nicht so berauschend, aber immerhin bestanden! Ich fuhr dann noch bis Aschaffenburg, um am anderen Tag schnell um Frankfurt rum zu kommen... Hat nix genutzt. Ich stand dann sowieso durch Bayern durch im Dauerstau bis spät in die Nacht hinein!  




Eifel

In den neunziger Jahren war es ein Mann, der ein bisschen Schicksal in unserem Leben gespielt hat. Hans- Georg Salm sorgte in der ZfA in Köln dafür, "dass jemand, der Lehrer ausbildet, auch wie ein Lehrer bezahlt wird." So kam erst Uta und dann ich in den Genuss einer Bezahlung als Gymnasiallehrer, ein Privileg, das vielen anderen "Quereinsteigern" aus dem Osten verwehrt blieb. Jedenfalls dann, als Salm pensioniert wurde. Später stellte ich unter seiner Leitung das Hoffmaann- in- Plock- Projekt vor, u.a. auch auf der Buchmesse in Leipzig. Am meisten verbunden bin ich ihm aber seit dem Tag, an dem er für mich beim Dienststellenleiter in Köln einen Exklusiv- Termin besorgte und dort auf eine Art für mich bürgte, die den Ausschlag für meine Weiterbeschäftigung gab. Die ZfA hatte damals gerade beschlossen, "Magister und Gleichgestellte" nicht mehr zu entsenden und also mein Dienstverhältnis zu beenden. Nach dem Gespräch bei Schmidt kam raus, dass ich solange weiter arbeiten darf, bis Uta promoviert hätte. Das waren die entscheidenden zwei Jahre, in denen ich ihre Einkommenslosigkeit und den Umzug nach Leipzig finanzieren konnte...

Als ich in Wismar die Karte des nunmehr Über- Achzig- Jährigen vorfand, der bedauerte, mich nicht angetroffen zu haben (er hatte Urlaub in der Nähe gemacht), war klar: Ich werde ihn besuchen! Ich war ein bisschen gerührt, dass der verdienstvolle Mann, der so viele Auslandslehrer betreut hat, sich an uns erinnerte. Außerdem erwähnte er auf der Karte, dass er - der bekennender Katholik und also eher wertekonservativ einzuschätzen ist - ein Buch über "Die Lehrer von Karl Marx" publiziert hätte. Ich kaufte es sofort und es ist in der Tat interessant. So detailliert kann man woanders nichts über den (Arbeits-) Alltag an einem humanistischen Gymnasium der Zeit erfahren!

Am 28. 08. startete ich also zur Rückreise nach Suceava und meine erste Station war dieses Mal nicht Medzev oder Kosice, sondern Gondenbrett bei Prüm in der Eifel. Kaum kam ich in die gemeinte Landschaft, war klar, warum der alte Herr diese Gegend so liebt. Es ist wirklich schön dort und man findet kleine (Bild zwei) und große (Bild drei) Wehranlagen und schön sanierte Höfe und Häuser. (Bild eins) Die große Wehranlage gehört zu Hillesheim (Bild vier), ein Ort, von dem ich bis dato nie gehört hatte. Sehr schön. Um nicht zu früh dort zu sein, hielt ich eine Stunde in Prüm und besichtigte die Klosterkirche und die Umgebung. Die Stadt selber bietet nicht viel, aber das Kloster (letztes Bild) ist beeindruckend!

Dann war es sehr schön und geradezu vertraut bei Salm. Wir schatzten bis 24.00 Uhr und ich versprach mit Uta wiederzukommen. Schon, weil ich in das Gästehaus total verliebt bin. ;-) Und wieder fand ich es übrigens erstaunlich, mit wie viel Humanismus und Anstand sich der Konservatismus der "alten BRD" (oder nur der von Hans- Georg Salm?) paaren kann. Unser Austausch über politische Zeitgeschichte war freimütig und intensiv und am Ende standen wir beide vor der Einsicht, wie verblüffend es eigentlich ist, dass wie beide - von ganz entgegengesetzter Seite kommend - uns in den wesentlichen Einschätzungen wirklich in der Mitte trafen. Uns sowieso muss ein Kompliment geäußert werden: Ich möchte mit 80 bitte auch körperlich und geistig so fit sein! Kurz, das war sehr schön und ich bedauere keine Sekunde der langen Fahrt. Über Wiesbaden, Österreich und Ungarn fuhr ich dann weiter und erreichte am 01. 09. Suceava.  

Zittau und Bautzen

Am 17. 08. war's und die Sonne schien helle... Da beschlossen wir auf Wunsch einer einzelnen Dame, auf Pirsch nach Hausmarken und anderen der Leinwandherstellung verwandten Themen zu gehen. Anka hatte sich einen Besuch in Zittau gewünscht und Franziska war auch noch nie dort. (Bild oben- in Zittau) Trotz Autobahn und ein paar Kilometer neu erbauter Schnellstraße liegt Zittau doch arg weit ab vom Schuss. Angekommen ist das sofort zu bemerken. Wenn die Studenten der Hochschule da sind, mag das anders sein, aber so schlief die Stadt trotz restaurierter Innenstadt und diverser Sehenswürdigkeiten (Altes Gasthaus- Bild zwei) und eines schönen Marktplatzes (Bild drei) ruhig vor sich hin. Was kann man hier noch arbeiten, wenn man nicht von der Hochschule lebt oder als Lehrer/ Polizist bezahlt wird? Keine Idee. Trotzdem fanden wir interessante Ansichten und aßen sehr gut im "Zeger", was hier "Uhr" heißen soll. Ach ja, "zegar" po polsku, "Zeiger" also.. ;-)  

Nach dem Mittag verließen wir die Stadt, die schnell abgelaufen ist. Ich hatte vorgeschlagen die Hauptstadt der Sorben zu besuchen, da sich weder Anka noch Franz an unseren einzigen gemeinsamen Besuch dort erinnern konnten. Damals hatte uns Frank Stübner durch die Stadt geführt und wir waren im Anschluss auf einer kleinen Drei- Länder- Tour im Dreiländereck. Leider ist Frank in diesem Jahr verstorben und ich gebe zu, dass mir auf dem sorbischen Friedhof ein bisschen anders wurde. Was, wenn ich das frische Grab sehen würde? Aber es blieb mir erspart...

Jedenfalls hatten wir schöne Stunden in Bautzen, das - nichts gegen Zittau - im Ganzen doch die interessantere Stadt ist. Vom Senfhaus (Bild vier) aus gingen wir über den ursprünglich womöglich vor der Wehrmauer gelegenen sorbischen Friedhof mit der Kirchenruine. Man sieht noch, dass der Sakralbau dennoch als Teil der Wehranlage genutzt wurde. (Bild fünf) Ein schöner Ort. Im Herbst, wenn es wieder trübe ist, bieten die alten Kreuze in der Kirchenruine bestimmt ein Motiv wie für C.D.Friedrich hingestellt!

Wirklich romantisch ist der Weg unterhalb der mächtigen Mauern. (Bild sechs) Natürlich haben wir auch die Stadttürme und das Wunderwerk der alten Wasserkunst bestaunt, ehe es uns zum Kaffeepott auf die Hauptstraße zog. (Bild unten) Anka zückte die Börse und lud uns ein. Das ist nun das Neue, dass man als alt gewordener "paps" nicht mal mehr bezahlen darf...Oder ist es ein gutes Zeichen?

Ich denke, der Ausflug hat "den Kindern" (Sprache ist schon komisch!) gefallen und ich war auch froh, mal wieder in der schönen Stadt gewesen zu sein. Schade, dass es in diesem Jahr mit einem Besuch bei Heidi, die nun Witwe ist, nicht geklappt hat. Ich wollte hin, aber just als wir in Bautzen waren, hatte sie mit dem Umzug in eine kleinere Wohnung zu tun. Da braucht man freilich keinen Besuch. Ich werde dran bleiben. Zusammen mit Pankas muss es klappen!





Samstag, 12. August 2017

Mit Daniel in Gdańsk

Zwar habe wir schon einmal eine "Warschauer- Pack- Tour" gemacht, wie mein Herr Sohn die Reise zu benennen pflegt, aber in Gdańsk  waren wir noch nicht. Also sind wir, Daniel (Bild zwei) und ich von Wismar aus in die altehrwürdige Hansestadt Danzig gereist, deren Marienkirche die höchste backsteingotische Kathedrale der Welt ist. (Bild eins) Ich freute mich auf das Wiedersehen, denn bisher war irgendwie nie Zeit richtig dort zu bummeln und zu schauen. Dieses Mal gab es ausreichend Zeit. Wir übernachteten in einem kleinen Hotel oberhalb der Stadt und hatten so einen ganzen schönen sonnigen Tag Zeit.

Als erstes ging es auf den Zitadellenberg, von dem aus man einen schönen Blick über die alte Stadt, den Hafen, die Werften usw. hat. Es gibt dort interaktive Ausstellungen zur Befestigungsgeschichte und eine zum Gedenken an Johannes (Jan) Hevelius. Leider nicht gut besucht. Noch besser war der Überblick über die Stadt vom höchsten Punkt dieses Areals, das heute von einem Millenniums- Kreuz gekrönt wird.

Unterhalb dann die für mich kleine Sensation. Natürlich habe ich registriert, in welchem Maße sich der Umgang mit der deutschen Geschichte in Polen seit meinem Hoffmann- Projekt in den 90ern normalisiert und entspannt hat, dennoch freute ich mich über den "Friedhof der nicht existierenden Friedhöfe". Nach den vielen Jahren der Einebnung deutscher (und jüdischer) Gräber und des Verschweigens des deutschen (und jüdischen) Anteils an der Geschichte vieler polnischer Regionen ist das eine schöne Geste mit einem ergreifenden Text. (Bild drei) Es wäre sehr zu wünschen, dass das Beispiel in der Ukraine und in anderen osteuropäischen Ländern Schule macht. Freilich, die Deutschen können auch davon lernen! 

Dann besichtigten wir das Werftgelände mit dem Solidarność- Denkmal und etwas entfernt dem neuen Museum zum Gedenken an den Zweiten Weltkrieg, ehe es in die Altstadt und hier eben zum Hafen ging. (Bild vier) Kitschig oder nicht, aber irgendwie passt der Nachbau einer alten Fregatte in das Hafenbecken und zum Krantor, dem Symbol Danzigs. Zwei Stück gibt es von den Schiffen, die mich an den Nachbau des Flaggschiffs von Peter I. erinnerten, und sie laden zu Rundfahrten ein. Natürlich motorgetrieben!

Auch sonst gab es für mich noch viel zu entdecken. Dass Fahrenheit in der Stadt geboren wurde, war mir vorher nicht bekannt (oder ich habe es vergessen). Ich fand unweit der "Polnischen Post", die bei uns durch Günter Grass' Roman "Die Blechtrommel" bekannt geworden ist, ein kleines Museum, in dem an Daniel Chodowiecki und eben an den großen deutschen Sohn der Stadt erinnert wird. (Letztes Bild) Gut so! Natürlich fehlen auch die Hinweise auf den Pommern- Herzog nicht, der einst in dem Gebiet herrschten, ehe der Deutsche Orden ihn besiegte und die Kaufleute holte, die dann die Stadt zur Blüte führten. (Bild fünf)


Aber natürlich möchte ich nicht hinter das oben Gelobte zurück fallen: Der polnische Anteil an der Stadtgeschichte soll auf keinen Fall klein geredet werden. Immerhin hielten die Danziger bis zur letzten Teilung treu zur polnischen Republik und beim Einmarsch der Preußen gab es noch vor Kościuszko einen Tage anhaltenden Aufstand deutscher und polnischer Seeleute mit mehreren Toten und vielen Verletzten. Dieser Fakt ist trotz meiner Dissertation bis heute weitgehend unbekannt/ unbeachtet geblieben (woran man sieht, was solche Qualifikations- Arbeiten heute wert sind ;-) ), und kann hier als gutes Beispiel für die "Symbiose" der Nationen dienen, die einst in der Stadt gelebt wurde. Und natürlich ist der Wiederaufbau eine Großtat polnischer Bauleute und Restauratoren. Könnte man sonst solch historisches Flair genießen? (Bild sechs)    

Na ja, grins. Daniel interessierte sich mehr für das Bier am Abend, das wir unweit der alten Mühle (vorletztes Bild) zu uns nahmen. Essen ist ziemlich teuer geworden (ein Steak um die 20 Euro) und auch der Bierpreis (4 Euro für 0,5l) ist ziemlich "westlich", aber dafür schmeckte es immer gut und war immer auch gemütlich gemütlich. Schade nur, dass ich trotz einiger "Ausflüge" in Wohngebiete keine Kneipen fand, wo der Kellner nach seinem Job für die Touristen das verdiente Geld umsetzt. Es fehlt das Spektrum von preiswert bis nobel und wir fanden nur den für Touristen gedachten Service. Schade, aber eben auch "wie überall". Über Brodnica, wo wir Wiesia und Tomas trafen und abends in Bachotek einer Band zuhörten, ging es dann zurück. Schöne drei Tage!

Freitag, 4. August 2017

Möckernsche Umgebung

Gestern bin ich mit dem Wind nach Delitzsch fast einen dreißiger Schnitt geradelt und zurück - gegen den Wind - vielleicht noch einen fünfzehner. Jedenfalls hing mir die Zunge zum Hals raus, als ich zu Hause ankam. Da ich am Tag vorher in etwas mehr als drei Stunden über Halle und Merseburg gefahren war, musste Erholung sein. Warum nicht nachschauen, wo die vielen Wege und Brücken abseits der Luppe bzw. über sie hinweg hinführen? Dabei wollte ich den Auwald in seiner ganzen Ausdehnung kennen lernen, was auch gelang. Auf der einen Seite war immer die Straße von Wahren nach Schkeuditz, auf der anderen immer Böhlitz- Ehrenberg. Dazwischen aber liegt der Wald und in ihm viele kleine Seen. Es ist halt "mokry" (nass) rund um Möckern, das so seiner slawischen Bezeichnung gerecht wird. Apropos slawische Bezeichnung: Am interessantesten war der Weg nach Lützschena, was soviel wie "am Flussbogen gelegen" bedeuten soll. Hm, ich höre nix, aber es stand auf einer Tafel an der Kirche, deren Fundamente 1000 Jahre alt sind. Direkt aus den Zeiten der Ostexpansion Ottos also. Die Käffer ringsherum - auch Gunsdorf als Ortsteil von Böhlitz hat eine Kirche romanischen Ursprungs (Bild unten) - wurden wohl vom Bistum Merseburg errichtet und unterstanden diesem. Dass es dort Kirchen gibt, schon klar... Aber ein Schloss und einen Schlosspark (Eingang- Bild eins) hätte ich in Lützschena nicht erwartet. Seit bald 20 Jahren wohnen wir hier, doch das blieb uns bisher verborgen! Dabei sind es kaum 7 Kilometer bis dahin.

Der Park ist sicher zu DDR- Zeiten nicht besonders gepflegt worden, jedenfalls gibt es diverse Attraktionen nicht mehr und einige Sockel am See mit dem kleinen Tempel (derselbe Stil wie in Wörlitz!) deuten auf verloren gegangene oder zerschlagene Skulpturen hin. (Bild zwei) Ein ähnliches Schicksal traf wohl die altarförmig gestaltete Pieta (Bild drei), die vielleicht einmal in Marmor ausgeführt war, heute aber nur noch als Malerei auf Leinwand zu bewundern ist. Wenn man achtlos vorüber geht, fällt das aber gar nicht auf. Ich erkannte den "fake" erst, als ich fotografierte! Wirklich sehr kunstvoll. Wer das auf sich genommen hat? Oder ist es eine Fotoarbeit nach einem im Museum ausgestellten Original? Keine Ahnung...

Jedenfalls gehört das Ganze zu einem Parkweg, der direkt zum Familienfriedhof derer von Sternburg führt. Aha, daher also Sternburg- Bier! Das habe ich auch nicht gewusst! Das Gräberfeld ist als solches noch erkennbar, auch wenn die Steine entfernt sind. Reste eines Denkmals sowie einer Trauerkapelle sind noch als Ruine erhalten und vielleicht enthält die zugemauerte Gruft die Gebeine der Schlossherren. Das war also Landeskunde vor der Haustür! Im Innern der beiden hier erwähnten Kirchen soll es übrigens Kunstwerke aus dem 15. Jahrhundert geben, in Lützschena einen Flügelaltar, der zur Wiederaufstellung sogar dem Museum entrissen wurde. Hm, einerseits ist es gut, das Dinge, die einst zum Gebrauch geschaffen wurden, heute auch daran erinnern dürfen. Andererseits ist es schade, denn viele Gläubige dürfte die Gemeinde nicht mehr haben, Hoffen wir, dass sie an möglichst vielen "Tagen des offenen Denkmals" ihre Schätze zeigt!