Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 9. Juni 2008

Kiew und seine Nöte (I)

Klar, ich bin nicht aktuell. Der neue Bürgermeister von Kiew, das fast 50% des BIP der Ukraine produziert, ist auch der alte. Ein Milliardär, der schon mal einen Innenminister auf öffentlicher Szene ohrfeigen darf, und der dann – wegen des folgenden Skandals (Innenminister haben was mit Macht und Korruption, bisweilen auch Anti- Korruption zu tun) – auch prompt seiner Neuwahl zustimmen muss. War die Wahl von vorneherein sicher? Wohl nicht ganz, denn im Nebel des politischen Irgendwo brauten sich konkurrierende Interessen auf, die sehr wohl über Einfluss auf die öffentliche Meinung der Hauptstadt verfügen. An erster Stelle wäre da wohl der vor Tschernowietzky amtierende Bürgermeister Omeltschenko („unser Omeltschenko“) zu nennen, der unter der „neuen“ Macht um die sorgsam eingefädelten Immobiliengeschäfte seiner Söhne bangen musste und dem sein Sitz im Parlament (notwendig wegen der vor Strafverfolgung durch diverse Neider schützenden Immunität) nicht mehr genug war. Genug, dass er angetreten ist. Er wird kaum „verloren“ haben, denn das Taktieren der Kandidaten macht so manchen vorteilhaften „deal“ mit dem lancierten Gewinner möglich.

Unzweifelhaft populär auch ein Boxer: Klitschko mit Namen. Was macht so ein Mann in der Politik? Mögen es andere „analysieren“, fest steht, dass er – unterstellen wir ihm edle Absichten – sowieso nur hätte „edel“ scheitern können. Mit starker Hand gegen Korruption- das war sein „Programm“. Bloß wem wollte er die Nase einschlagen in seinem Rathaus? All den freundlich lächelnden Mitarbeitern der Administration, ohne die er nie hätte auch nur einen Schritt unternehmen können? Denen sicherlich nicht. Irgendwelchen „Großen“… - vielleicht Aber es wären doch die „Kleinen“ gewesen, an denen er scheitern musste. Freilich, Menschen sind ja nicht durch und durch schlecht und kommen schon gar nicht korrupt auf die Welt. Sie verdienen nur einfach zu wenig und haben sich an diverse Nebenverdienste gewöhnt, denn nur mit diesen können sie ihre Familien durchbringen und das Auto unterhalten, mit dem sie allmorgendlich die Straßen zustauen. Klitschko ehrlich unterstützen würde bedeuten, sich selbst arm zu machen. Von wem kann man, kann ein Millionär wie dieser Ex- Profi DAS verlangen? Die Mittel, all diesen subalternen Mitarbeitern durch ein stattliches (monatliches) Geldgeschenk den Anti- Korruptions- Kurs zu versüßen hat er schließlich nicht. Also ist der Milliardär dran, der zwar im Traum nicht daran denkt, in Sachen Korruption etwas zu unternehmen, aber der immerhin Geldgeschenke machen kann…

Geldgeschenke? Nun ja, Wahlkampf ist eine lukrative Sache für die Zeitungen, die endlich ein Thema haben und Anzeigen schalten können, für die Werbe- und Druckindustrie, die all diese unglaublichen Massen von Plakaten, Handzetteln, Zeitungen usw. herstellen darf, die sich in Deutschland keine Partei leisten könnte, und schließlich auch für den kleinen Mann, der als gekaufter Demonstrant (ca. 10 Euro/ Tag) oder Handzettel- Verteiler in einem Wohngebiet (ca. 100 Euro/ Monat) oder gar „Inhaber“ einer Wahlkampfzeltes (in dem er im Wesentlichen rumsitzt, weil es 1. niemanden interessiert und weil er 2. auf Fragen nichts antworten könnte, da er sich eh für Politik „nicht interessiert“) für bis zu 400 Euro im Monat mal einen gut bezahlten Job findet. Meine junge Freundin Ljuba verdiente immerhin bei einer kleinen Partei, deren Namen sie nur mit Mühe aussprechen konnte und von deren Programm sie rein gar nichts wusste, 100 Euro im Monat für ca. 2 h „Arbeit“ am Tag. Manchmal musste sie sich nur mal kurz „im Zelt“ sehen lassen! Zum Vergleich: Für 18 h pädagogischer Arbeit an ihrer alten Schule hat sie inklusive nachmittäglicher Korrekturen usw.für Polnisch- Unterricht nicht ganz 100 $ verdient…

So freut sich auch der kleine Mann immer mal wieder auf die turnusmäßig stattfindenden Wahlen, die ihn ansonsten kaum interessieren. Er hat keine Ahnung, aber – im besten Falle – eine Meinung: und die wählt er. Dass es eine gekaufte Meinung ist, merkt der, der selber immer nur ans Kaufen denkt, selber nicht. Das erkennt man nur am Wahlergebnis und das spricht eine deutliche Sprache: Wer Milliardär ist, mag ein Idiot sein, aber vom big Business wird er wohl was verstehen. Und drei Mal dürfen die auch diesmal wieder Betrogenen raten, bei wem der sich all die Kosten für das viele Papier, für die Fernsehauftritte und für die Wahlkampfstände zurückholen wird! Aber das Volk, der große Lümmel, träumt von Zuckererbsen noch immer…

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