Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Samstag, 3. Juni 2017

Mircea, der Detektor

Nein, das hatte ich nicht gedacht. Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg? Die sind doch längst durch Erosion dem Erdboden gleich gemacht...  Vergiss es! Heute war ich mit Kumpel Mircea, dessen Hobby die Suche nach Weltkriegsartefakten ist, unterwegs im Wald und das bedeutete "zwischen der ersten und der dritten Linie" der Verteidigung. Wie man auf dem oberen Bild gut sehen kann, sind die Gräben, Unterstände, Geschützverhaue usw. bis heute gut zu erkennen. (Bild oben) Irre. Natürlich hat Mircea sich kundig gemacht, wo die großen Schlachten waren, wo es Stellungskrieg gab usw. Aber das die alten Grabensysteme mitten durch die Grundstücke heutiger Hirten und Schäfer gehen, immer noch gut begehbar sind, wer hätte das gedacht?

Aber nicht nur das. Nach kurzem Nachdenken ist die Sache klar, aber wer denkt schon in jedem Moment "kurz nach"? Da hat es geballert und gekracht und es ist kein Wunder, dass Mirceas Metalldetektor permanent anschlägt. Kein Zentimeter, der nichts meldet. Alles Patronen, so Mircea kühl. Nur Patronen? Die Antwort ist 5 Minuten später sichtbar. Damit ich es auch glaube, hat Mircea mal eben ein paar Patronen ausgegraben. Die sind "nagelneu", also nicht verschossen, stecken noch im Rahmen. (Bild zwei) Es gibt runde Geschosse, die eher die Wirkung eines Dum- Dum- Geschosses haben, und spitze, werde ich belehrt. Ein Franzose hatte sich überlegt, dass es besser wäre, dem Feind Verwundungen beizubringen, als ihn zu töten. Spitze Geschosse durchschlagen den Körper, ohne ihn zwingend zu töten. Aha. Ja, da braucht jeder Verwundete einen Arzt, einen Pfleger etc., "bindet" also mindestens zwei Männer, die so nicht kämpfen könne. Aus solch "humanistischen" Erwägungen heraus ist heute Dum- Dum- Munition geächtet. Ein Fortschritt also...

Mircea ist mit mir in die Region zwischen Kimpolung und Vatra Dornei gefahren. Bei einem Schäfer kaufen wir Tomaten und frischen Brynza- Käse für das Mittagessen. Mein Großvater war auch Schäfer und gewiss "konservativ". Ein Traktor kam ihm nicht auf den Hof. Lange Zeit holten die Großeltern Wasser von einer Pumpe, die etwas vom Haus entfernt war. Aber so eine Wirtschaft wie die, die ich heute besichtigen durfte, gab es in Klein- Gnemern doch nicht mehr. (Bild drei) In dem Blockhaus brannte ein Holzkohlefeuer in einer Grube, über der eine Art "Kran" installiert war. Daran werden riesige Kessel voller Molke befestigt und erhitzt. Irgendwann am Ende des Prozesses kommt lecker Brynza raus. Mircea gab 10 Euro, aber das war eher nicht nötig. Die alten Leute auf ihrem Hof (Bild vier) hätten uns liebendgerne gastfreundlich bewirtet. So aber kauften wir nur Käse und Gemüse und zogen weiter. Nicht sehr weit freilich, denn auch hier zogen sich die Schützengräben deutlich sichtbar quer durch das Gelände des Hofs.  

Wir fuhren nur ein paar hundert Meter bergan (Bild fünf) und suchten dann ein Gelände ab, das vor einem Wald und gegenüber der "feindlichen Linien" lag. Ich erfuhr viel über russische Munition und Mauser- Granaten. Mit dem Fernglas konnte ich in der friedlichen Gebirgslandschaft (Bild sechs) die Bunker erkennen, die bis heute bezeugen, von wo aus dieser Wahnsinn kommandiert wurde. Mircea grub und grub und fand doch nicht, was er sucht: Ihn interessieren die persönlichen Sachen der Soldaten, die Rangabzeichen, die Amulette, die Dinge, die sie aus dem ganzen Schrott rings um sie herum herstellten. Wir aber fanden heute nur (?) Hufeisen, Munitionskistenbeschläge, Konservendosen, Schrapnell- Geschosse und die Hülsen von Mörsergranaten etc. Für Mircea ein "normaler Tag! ohne Höhepunkte, für mich eine irre (ich wiederhole mich, ich weiß) Erfahrung. Wenn hinter uns ein paar Zigeuner gingen, die aufsammeln und verkaufen, was an Kupfer, Blei und Eisen dort rumliegt, könnten sie ihren kärglichen Lebensunterhalt bestreiten, ohne Kanaldeckel zu klauen. Mircea (Bild unten) immerhin war nicht unzufrieden mit den drei Spaten, die wir fanden, erklärte mir geduldig, wie der Zündmechanismus von 75er und 100er Mörsergranaten funktionierte und nahm die Hülse eines Schrapnells mit nach Hause. Taugt als Blumenvase, wenn ein Freund von ihm sie säubert und zurecht schneidet. Ok, Blumen statt Tod- nicht das Schlechteste, was man mit so was machen kann. Ich hatte einen schönen erholsamen und stressfreien Tag in der Berglandschaft der Karpaten und das habe ich genossen. Abends waren wir noch mit Lilly (Mirceas Frau) auf ein Bier und einen rumänischen Lamm- Gulasch bei mir um die Ecke im "Staif". Ein schöner Tag. Danke Mircea!

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