Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 29. Juni 2009

Chernivci in neuem Glanz

Habe ich doch glatt vergessen zu berichten, dass ich Anfang der vergangenen Woche zwei Tage in Chernivci war, um mein Auto durchsehen zu lassen und Schülerinnen und Schüler zun treffen, die ich beim letzten Mal nicht sehen wollte/ konnte/ durfte. Was soll man machen, wenn es so viele sind, die einen sehen und sprechen wollen? Sie in "Schichten" bestellen...

So traf ich am Abend vom Dienstag zum Mittwoch meine Absolventinnen und Schüler der 10. und 11. Klasse. Das Gros der 10. und 11. kam dann am Mittwoch früh. Gegen 17.00 Uhr bin ich abgefahren. Allerdings war ich am Donnerstag in Begleitung "meiner Alumnis" aus Ivano schon wieder da. Sie waren noch nie (Ira) oder schon lange nicht mehr (Taras und Anja) in Chernivci gewesen und ich hatte versprochen, als Stadtführer in der nunmehr 600 Jahre (unübersehbar sind überall die Zeichen des Jubiläums- siehe Bild oben) alten Stadt zu agieren und den jungen Ukrainern ihre Heimat zu zeigen ;-).

So besuchten wir als erstes den jüdischen Friedhof (Bild links), auf dem Aufräumarbeiten ins Auge fielen. Ich habe dort bisher noch nie ein Gräberfeld offen und vom Bewuchs befreit gesehen. Nun kann man den ursprünglichen Zustand erahnen und auch auf Seitenwegen in das Dickicht weiterer "Schichten" der Begräbnisstätte eintauchen. Gut so. Bloß der Zugang zur letzten Ruhestätte der bei den Kämpfen im 1. Weltkrieg gefallenen Tataren ist nicht frei. Zufall? Wie immer unterstelle ich Absicht. Sei es nun die berühmte "böse" oder einfach bloß die übliche Unachtsamkeit. Dabei wünschte ich dem Umstand, dass damals weder Katholiken noch Protestanten bereit waren, die Toten aufzunehmen, die Juden ihnen aber eine letzte Heimstatt gaben, eine größere Bekanntheit. Vielleicht könnte man den jüdischen (und warum nicht auch den palästinensischen?) Bürgern Jerusalems dies als memento vor Augen führen?

Jüdisches hat noch/ wieder seinen Stellenwert in Chernivci. So erinnern Bronzetafeln in der Kobylanska oder an der Philharmonie an jüdische Künstler. Das ehemalige jüdische Kulturhaus, jetzt als städtisches Kulturhaus renoviert (Bild links oben), trägt ebenfalls eine Gedenktafel, die an die frühere Bestimmung erinnert.

Hübsch anzusehen, aber leider immer noch im Rohzustand, ist der neue Brunnen am "Türkischen Platz". Kann sein, dass das Geld nicht gereicht hat; die Deckplatten über den verfliesten Seitenwänden am Brunnen und an der neu gestalteten Treppe fehlen. So wirkt die Pracht der vorderen, marmorverkleideten Säulen, trotz allem etwas schäbig. Wenn jedenfalls bis zum Winter nichts passiert, ist alles im nächsten Jahr kaputt. Hoffentlich findet sich rechtzeitig ein Sponsor...

Endlich fertig ist hingegen die Kobylanska- Straße, die alte "Herrengasse". Die Hausfassaden sind durchgängig neu gestrichen, der Boulevard mit neuen Platten belegt. In der Mitte gibt es Bäume, um die herum Sitzgelegenheiten zum Verweilen einladen. Einige neue Läden und diverse neue Freisitze sowie Lokale (beispielsweise das Restaurant "Kärnten" im Deutschen Haus) zeugen von dem Bemühen, die einstige Prachtstraße mit Leben zu füllen und so im eigentlichen Sinne wieder zu beleben. Was nutzt sonst die aufwändige Renovierung, wenn nur ein paar Touristen sie genießen?

Auch sonst machte die Stadt im Sonnenschein einen sehenswerten Eindruck. Schade nur, dass alles nur eine Kulisse des einstigen "Lebens" (in seiner geistigen Dimension) darstellt. Ob es der jungen Generation trotz Geschichts- und Lesedesinteresse gelingen wird, sich das im Gegensatz zu den Neubaugebieten ansehnliche Stadtfeld endlich nachhaltig anzueignen? Meinen jungen Freunden aus Ivano hat es dort immerhin gefallen...

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