Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Montag, 5. Mai 2008

Wenn einer eine Reise (mit dem Auto) tut…

Wenn also einer vom frühlings- blühenden Chernivci aus beispielsweise nach Winnitza reist (weil er nix Besseres vorhat), dann kann er über Kamieniec- Podolski nach Stara Uschitza und von dort aus nach Nowa Uschitza und nach Bar fahren, den Ort in Podolien, wo einst eine Konföderation polnischer Adliger mit ihrem Versuch, den russischen Einfluss in ihrer Region zurückzudrängen, das Ende der altehrwürdigen Adelsrepublik einläutete. Zu sehen ist vom Historischen allerdings nichts mehr - ein paar alte polnische Friedhöfe ausgenommen - dafür ist aber die Landschaft wunderschön und leer (oder wunderschön leer). Jedenfalls hätte ich nicht gedacht, dass Podolien so hügelig, ja fast bergig ist. Man fährt durch tiefe Täler und klettert auf Höhen, die eines Gebirgszugs würdig sind. Siedlungen allerdings begegnet man kaum.

Stara Uschitza

Der Weg von Dunaiwzi nach Stara Uschitza wäre es Wert gewesen, dass man ihn dokumentiert. Allerdings sieht auf dem Foto immer alles viel schöner aus als in Wirklichkeit. Man bekommt die „Romantik“ der knietiefen Löcher, die unvermittelten Übergänge von mangelhaftem Asphalt zu einem Schotterrest von Straße einfach nicht in seiner ganzen Grauslichkeit ins Bild. Entschädigt wird man dafür am Ufer des Dnistr, wo die Straße endet und ein paar neue Datschas auf die künftige Bestimmung des Ortes verweisen: Es sollte mich sehr wundern, wenn hier nicht über kurz oder lang ein Erholungszentrum für die zu Geld Gekommenen entsteht. Bademöglichkeiten gibt es. Allerdings ist die andere Uferseite doch romantischer- aber eben auch (noch) abgelegener.

Bar

Bar ist dann eine einzige Enttäuschung. Irgendwann hat dort der letzte abziehende Pole seinen antirussischen (Kampf?)Hund zurück lassen müssen und nun liegt der Nämliche halt dort begraben. Man kann also – das Wortspiel noch ein bisschen weitertreibend – wenigstens in meinem Falle mit Fug und Recht behaupten: Da möchte ich nicht mal begraben sein! Eine formlose Ansammlung neuer und alter Häuser, zwei Kirchen, davon eine mit Klosterbauten, die gerade restauriert werden. Sonst nichts. Nur die angenehme Landschaft macht Freude, wenn ich sie diesmal auch nicht so recht habe genießen können: Es regnete in Strömen und mehr als einmal hatte ich Angst, in den Spurrinnen wegen des Aquaplaning die Kontrolle über mein Auto zu verlieren. Aquaplaning? Ja, das kennt der deutsche Autofahrer; mit dieser Gefahr werben Reifenfirmen für besondere Gummimischungen und deswegen darf man manchmal auf deutschen Autobahnen nur 100 km/h fahren, wo sonst vielleicht keine Geschwindigkeitsbegrenzung existiert. Von solcher Vorsicht, hier meist als völlig unverständliche Panikmache bzw. unbegreifliche Angst der sonst so tapferen Deutschen (nicht)begriffen, sind ukrainische Autofahrer weitgehend frei. Sie rasen ohne Licht (und ohne Sicht – jedenfalls sehe ich „nicht durch“) in die Wasserwand, die auf dem unebenen Belag von den Rädern der voraus fahrenden LKW oder auch PKW geradezu aufpeitscht und manchmal mit brachialer Wucht gegen die Scheiben schlägt. So was kann man (leider) nicht fotografieren…

Winnitza

Also Winnitza: Die Hauptstadt eines Bezirks (oblast’) liegt in einer schönen Landschaft und hat hier und da im Zentrum ein paar sehenswerte Straßenzüge bzw. Parks.Mich interessieren aber eher bezahlbare Übernachtungsmöglichkeiten. Im Hotel „Südlicher Bug“ werde ich fündig: 120 UAH (etwa 18 Euro) pro Nacht. Frühstück gibt es nicht. Warmes Wasser? Von 18.00 bis 12.00 Uhr kein Problem. Na, in einem Land, wo man sonst für 30$ die Nacht meist auch nichts besonders Gutes bekommt, träumt man von so was. Also wird das Zimmer ohne weitere Nachfragen gemietet. Ist das, was ich zu sehen bekomme, ein Schreck? Nein, man ist ja schon Einiges gewöhnt und letzten Endes sieht alles schlimmer aus, als es ist. Das Bett ist sauber bezogen und die anderen Unannehmlichkeiten eben immer noch landestypisch. Während ich abends warmes Wasser habe und die martialische Konstruktion der Dusche Körperpflege immerhin doch möglich macht, tröpfelt es am Morgen nur noch aus dem Wasserhahn. Mit der Klospülung ist es dann eben auch nicht weit her. Was soll’s? Ich verlasse die Bude ja gleich wieder und habe sowieso meist eine große Wasserflasche dabei. Zähneputzen und Rasieren ist mit Mineralwasser kein Problem – der Rest wird mit etwas Shampoo über den Körper verteilt bzw. dient zum Abspülen. Das ist frisch, aber man will ja sowieso munter werden, denn so toll war die Nacht nicht. Gott weiß, warum Besoffene hier die Eigenart haben, einander zwei Stunden lang auf dem Flur zu verabschieden. Und das machen sie, wie man sich denken kann, nicht eben leise, denn es ist ja ein herzliches Volk! Auch arglos: Am nächsten Morgen sehe ich die „Leiche“ auf dem Rücken im Bett liegen und leise schnarchen- die Tür steht sperrangelweit offen! Und ich bin am Ende froh, dass ich hier so billig davon gekommen bin, denn die Kneipe, in der ich mein Abendbrot verzehrte, wollte zwar für einen Teller Risotto nur 25 UAH, was also mit ca. 3,50 Euro nicht viel ist, dafür hatten sie für mich als Ausländer mal wieder kein einheimisches Bier und berechneten das miese Stella Artois mit eben demselben Preis pro Flasche (normal sind 1 Euro in Chernivci und 2 in Kiew!).

Medziborz (Midshibish)

Als ich bei der alten polnischen Festung ankomme, lässt der Regen für ein paar Augenblicke nach, so dass ich etwas sehen und fotografieren kann. Von dem Ost selbst sind ein paar Reste der alten, wohl aus russischer Zeit stammenden Bebauung übrig, Der Rest sind formlose sowjetische Neubauten sowie „chatas“, also Häuser, die mit dem alt- norddeutschen Wort „Kate“ (da kommt „chata“ auch her) treffend beschrieben sind. Aber das interessiert mich weniger. Von der uralten, mit Kiew in Verbindung stehenden Burg, die nach dem Mongolensturm im 13. Jahrhundert zu Galizien kam und nach dem Erlöschen des Herrscherhauses litauisch wurde, stehen immerhin noch die Ringmauer und imposante (Renaissance-) Ruinen des Palasts der Siniawskis (?). Inmitten von Sumpfland gelegen, war die strategische Lage früher sicherlich günstig. Wovon die übrig gebliebenen Einwohner der Stadt heute leben, ist hingegen schwer auszumachen. Natürlich angeln viele im Staubecken des Bug, aber sonst gibt die Landschaft nicht viel her. Vermarktung der Ruine? Das uralte Hinweisschild am Straßenrand ist klein und zugewachsen und wird imSommer nicht mehr zu erkennen sein. Weitere Hinweisschilder sucht man vergebens, so dass auch die Zufahrt zur Burg ein labyrinthisches Unterfangen aus Versuch und Irrtum wird. Aber immerhin ist die Burg nicht zu übersehen und man kann sie finden. Was die Exkursionsleiter im Innern erzählen, weiß ich freilich nicht, aber ich kann es mir denken: Am Eingang weist eine Bronzeplatte darauf hin, dass Taras Grigoriewitsch (Tschewtschenko) hier war. Taras Grigoriewitsch weilte halt in seiner Ukraine wie einst Goethe in Thüringen! Im kleinen, aber überraschend professionell gestalteten Burgmuseum erfährt man immerhin alles Wesentliche zur Geschichte. Das kitschige Bild, auf dem Kosaken mit freiem Oberkörper die tumben, mit Blech beschlagenen polnischen Husaren mit Äxten zerstückeln, kann man in den Skat drücken. Hingegen ist der Sarg, in dem das vollständig erhaltene Skelett eines Kriegers liegt, sehenswert. Vor allem, wenn man die große, darüber aufgehängte Aufnahme vom Fundort betrachtet: Da liegt er neben einem Kameraden, dessen weit nach unten geklappter Unterkieferknochen den ewigen Schrei wiederzugeben scheint, mit dem er das Eindringen des Pfeils quittierte, der ihm eine Rippe in der Herzgegend brach und dessen Spitze dort noch zu sehen ist. Ein komisches Gefühl, sich vorzustellen, dass dort einer liegt, der wirklich so und nicht anders gestorben ist…

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