Reisebilder aus der Ukraine, der Slowakei, Rumänien und Osteuropa. Reflexionen zum Alltag, Reiseberichte, Kurioses und Interessantes vom Zusammenleben der Völker, Privates für Freunde und Bekannte...

Sonntag, 19. Juni 2011

Klettern- Wow!

Nicht so früh bitte! "Ok, dann 09.30!" Um 09.30 Uhr waren Dasha und ich bei Konovalovs. Taras bog zeitgleich mit seinem Fahrrad um die Ecke. Kurze Verabschiedung von Juri, dann ging es los in die Dovbush- Felsen, so eine Art "Kleines Elbsandstein- Gebirge" in der Nähe von Bolechiv. Dort angekommen führten uns Taras und Anja, die Mitglieder im Ivano- Frankivsker Kletterclub sind, zum "Idioten- Berg", also dahin, wo die Anfänger (Dasha und ich) auch hochkommen. Das erste Kompliment von Taras lautete dann auch: "Da sind schön viel dickere Leute als du hoch gekommen. Warte mal bis zu oben bist, dann wirst du stolz auf dich sein!"

Hm, ich hatte spontan meine Zweifel, als ich den Felsen sah. Aber Taras machte uns beideb, also Dasha und mir, Mut, er hatte wie immer "ein gutes Gefühl" ;-). Als Erster ging Taras hoch und klinkte die Sicherheitsleine ein. Ja, das sah ziemlich leicht aus. Er schien am Fels zu kleben und kam nach wenigen Minuten fröhlich "hopsend" den Berg wieder runter.

Wer ist der Nächste? Das sollte ich sein, nun ja, ich hatte versprochen, mich nicht zu drücken und ließ also fremden Willen geschehen. Außerdem wollte Dasha nicht die erste sein und da muss man als "Mann und Freund" Mut zeigen- versteht sich :-( Wie ich das machen solle? "Ach", meinte Taras, "klettere einfach hoch und du wirst alles sehen". Aha. Das ist also mein "Instrukteur"! Anfangs war es doch sehr ungewohnt und ich dachte ständig, man könnte in so kleinen Vertiefungen nicht stehen. Je höher ich kam, umso ruhiger wurde ich merkwürigerweise. Der Körper "begriff", dass er sich anschmiegen muss und bald schob ich mich wie ein dicke unförmige Schlange, aber eben doch, Meter um Meter den Berg hinauf. Das erste zerklüftete Stück ging schnell, dann kam eine glatte, etwas überhängende Stelle und ich war mit dem Latein am Ende. "Drück dich an die Wand, du musst dich abstützen. Oben sind Griffe. Mehr links, mehr links", tönte es von unten. Ok, dann los. Rücken an die Wand, mit einem Bein Gegendruck ausüben, das andere hochschwingen. Hm, schwingen? So elegant sah es wohl nicht aus! Aber immerhin, das Manöver gelang und ich stand auf einem kleinen Felsvorsprung, die Hand am Haken. Oben! Geschafft!

Runter sollte ein Kinderspiel sein, denn ich konnte/ sollte mich abseitelen. Aber schon beim ersten zaghaften "Hopser" kam das Seil von hinten scharf an meinem Kopf vorbei und hätte mir fast die (festgebundene) Brille vom Kopf gerissen. Ich hantierte ein bisschen, bis das Seil vor mir zwischen den Beinen durchlief und hatte nun die richtige Position. Die "Hopser" wurden immer schwungvoller und just als eine Ferienlagermeute als "Publikum" den Hang hinauf kam, schloss ich meine erste Kletterpartie recht profimäßig ab. Glück gehabt, denn es kam eine junge Frau auf mich zu, fragte mich, ob ich in der 5. Schule Lehrer sei, und verkündete der Kinderschar, dass ich der deutsche Kollege von ihrer Schule sei. Dann gab es noch ein Foto mit ihr und ich war froh, nunmehr auch noch in dieser Hinsicht als "Legende" (der deutsche Bergkletterer!) in die Annalen des Schulklatsches einzugehen ;-). Geschafft!

Dann war Dasha dran, die auch mutig ihre Aufgabe anging. Sie war zumindest nicht schlechter als ich, würde ich mal sagen. Die Schwierigkeiten an derselben Stelle wie ich meisterte sie - wie ich - auf Zuruf von unten. Auch sie hatte anfangs Probleme mit dem Abseilen. Man vertraut dem "Freisitz" eben doch nicht gleich! Oben ein glückliches, unten ein geschafftes Gesicht. Wir verstehen nun beide, dass ein solches Hobby wirklich Spaß machen kann. Taras bedauerte in diesem Zusammenhang, dass die Felsen so weit von Ivano seien. Er müsse erst mit dem Zug bis Bolechiv, dann mit dem Fahrrad bis zum Berg und diesen dann rauf bis zu den Felsen. Zurück dasselbe. An einem Tag mit ukrainischen öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu schaffen...

Ira sah schon deutlich professioneller aus, sie habe das schon einmal gemacht, sagte sie. Beim abschließenden "Fachsimpeln" erinnerte mich Taras doch sehr an Juri. Der eine tröstete mich damit, dass ich das schlechteste Fahrrad gehabt hätte, der andere bemitleidete mich, weil ich als einziger ohne Kletterschuhe unterwegs war. Immerhin habe ich begriffen, das Klettern ein bergkontaktintensive Angelegenheit ist und man besser dreiviertellange Hosen als Sporthosen trägt. Die Knie weisen nun doch einige Schürfspuren auf...

Wir verlegten - auf Anjas Wunsch - die Route auf eine andere Bergseite und wieder stieg Taras als sei er am Berg festgeklebt den Fels hinauf. Das schien mir bemerkenswert, denn von unten sah man kaum Felsvorsprünge o.ä. "Das ist noch leichter, als der andere Weg", strahlte der unverschämte Kerl. Aber er sollte nicht Recht behalten, jedenfalls nicht was Dasha anlangte. Nun zeigte aber erst einmal Anja, was sie kann. In weitem Spagat meisterte sie schwierige Stellen und war in Nullkommanix oben und wieder unten. So schnell kan das gehen! Dasha war noch einmal mutig- ich hatte mich mit einem Bierchen zu den "Instruktoren" gesetzt und genoss es, zuzusehen. Das hatte Taras mir versprochen! Dasha aber kam dieses Mal doch nicht ganz bis oben, obwohl wir sie ein Stück hochzuziehen versuchten. Das war aber gegen ihren Stolz und ehe sie es nur mit fremder Hilfe schaffen sollte, brach sie die Aktion lieber auf halber Höhe ab. Trotzdem Hut ab!

Ira zeigte dann ihr Talent, indem sie ohne weitere Probleme, so schien es, die Strecke bis oben meisterte und beim Absteigen auch noch die Karabinerhaken einholte. Das sollte erst ihr zweites Mal gewesen sein? Diese kleine Lügnerin! ;-) Was den Berg anlangt, so stimmte es wohl, aber ansonsten geht sie öfters mit Taras und Anja zur Kletterwand. Das übt also doch! Ab und an schien sie einfach am Berg zu stehen, den Körper weit vom Fels, mit den Augen einen Griff suchend. Wie macht man so was? Das sah schon gut aus.

Dann machten Dasha und Anja unser Picknick zurecht. Tomaten, Käse, belegte Brote, Wasser, Saft und Rafaello ;-) deckten den Holztisch. Wir aßen in fröhlicher Runde und brachten dann die Seile und Haken zum Auto. Dort wollte ein kleiner Mann mit traurigen Augen ein wenig Geld verdienen. Er kam auf uns zu und hielt einen Vortrag über die Siedlungsgeschichte des Berges. Dazu zeigte er Münzen und Keramikbruchstücke. Er war ein bisschen aufdringlich, aber auf eine nette und etwas hilflose Art. Die "Jugendlichen" hörten dem Historiker und Maler - wie er sich vorstellte - höflich zu und bedankten sich artig. Ich überlegte, wie man ihm etwas Geld hätte zukommen lassen können, fand aber keinen Weg. Er sah einfach zu "lieb" aus, um ihm einfach was in die Hand zu drücken. Womöglich hätte er abgelehnt. So wird er sein Hobby nie zu Geld machen können, eine sympathische Unfähigkeit, die ihm aber nichts nützt. Ich fühlte mich nicht gut, als wir gingen. Abschließend drehten wir noch eine Runde um das kleine Bergmassiv und Anja zeigte uns, wo die Ivanoer Kletterer "ihren" Biwak- Platz haben und wo die Lviver den ihren. Das war es dann. Dann Wetter war nicht zu warm und es blieb trocken. Ein schöner Tag. Abends saß ich mit Dasha noch im Freisitz des "Franko". Das war wieder Mal ein gelungener Tag!

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